Protokoll der Sitzung vom 23.06.2000

Lassen wir nicht zu, meine Damen und Herren, daß das Verbrechen in der Szene Realität wird. Die Opfer von Gewalttaten können - Herr Püchel, da gebe ich Ihnen recht - nicht nur Farbige sein, sondern das können Menschen aller Couleur sein.

Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, nicht in verkürzter und emotional vereinfachter Form entsprechend dem CDU-Antrag nur den Drogenhandel durch Asylbewerber zu unterbinden, sondern ihn insgesamt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alberto Adriano, ein Bürger Dessaus, wurde zu Tode geprügelt, nur weil er eine schwarze Hautfarbe hatte. Er wurde das Opfer von schrecklichen Gewalttätern, das Opfer einer schlimmen Mischung aus Gewalt, Gewaltbereitschaft und Fremdenhaß; denn dies wurde als Motiv angegeben.

Ein solches Motiv kann überhaupt nichts relativieren; es verschlimmert es höchstens. Eine solche Tat kann auch nicht dadurch relativiert werden, daß man sagt, er sei schon 20 Jahre in Dessau gewesen. Wenn er auch nur 20 Stunden dort gewesen wäre, wäre es das gleiche Verbrechen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Ein solches Verbrechen relativiert sich in seiner Beurteilung auch nicht dadurch, daß er deutsch spricht, daß er eine Familie hat. Selbst wenn er ein Drogendealer gewesen wäre, schlägt man ihn nicht im Park tot. Das heißt, wir wollen bei all diesen Fragen überhaupt keine Toleranz gegenüber einer solchen Straftat erkennen lassen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Da gibt es auch keine Relativierungen, die wir nachträglich wiederholt gehört und gelesen haben.

Die Tat spielte sich zu Pfingsten ab, am Pfingstsonntag. Pfingsten wird von den Christen als das Fest der Ausschüttung des Heiligen Geistes gefeiert. Es wird daran erinnert, daß bei diesem Ereignis, als der Heilige Geist ausgeschüttet wurde, die Menschen plötzlich die Fähigkeit hatten, in ihren Sprachen zu sprechen, und sich alle verstanden haben, jeder in seiner Sprache. Das ist die großartige Vision, daß Menschen verschiedenster Herkunft und Sprache sich verstehen.

Genau an diesem Pfingsttag geschieht das. Aus Fremdenhaß ist es zu einer solchen Gewalttat gekommen. Drei Tage später, am 14. Juni, stirbt das Opfer daran. Genau an diesem Tag reicht die christliche Fraktion in unserem Landtag einen Antrag ein, der geeignet ist, allgemeinen Haß auf Fremde zu entwickeln und zu fördern. Das ist ein unerhörter Vorgang.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank - Herr Jeziorsky, CDU: Das ist eine Unterstellung! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist keine Geschmacksfrage, über die man streiten könnte. Das ist einfach schlimm.

Sie haben auch keinen Grund, sich herauszureden; denn Sie müssen wissen, wie die Stimmung in einem Land ist und was geeignet ist, um eine solche Stimmung zu vergrößern, zu verschlimmern und zu beeinflussen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Sie hätten auch Gelegenheit gehabt, diesen Antrag zurückzuziehen, denn er ist bereits von seinem Titel her schlimm. Denn es steht dort „Drogenhandel durch Asylbewerber unterbinden“. Sie stellen damit zwei Dinge, die zunächst einmal nichts miteinander zu tun haben, in eine Reihe. Drogenhandel, das ist ein Verbrechen. Asylbewerber sind keine Verbrecher. Aber Sie

stellen sie in eine Reihe. Genau dieser Titel ist bereits das Schlimme.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Das ist kein Zufall, es steht in einer langen Reihe. Das fing an - auch das hatte Vorläufer - in Hessen, als Sie gegen Ausländer Unterschriften gesammelt haben, im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen mit dem Wort „Kinder statt Inder“, in Bernburg mit dem Spruch „Kein Asyl dem Drogendeal“. Nebenbei bemerkt, die Wahlkämpfer von Jörg Haider würden Ihnen für diesen Spruch vielleicht eine Menge Geld gezahlt haben, wenn Sie ihm den angeboten hätten. Dann sind dort die Äußerungen vom Kollegen Spotka, der sagt, man fühlt sich wie ein Fremder im eigenen Haus, bloß weil auch in Bernburg ein paar Menschen herumlaufen, die nicht Bernburger, sondern Ausländer sind.

(Frau Ludewig, CDU: Das ist eine Unterstellung! - Weitere Zurufe von der CDU)

Es geht dann weiter zu dem Brief von Herrn Kupke, in dem er Verständnis dafür aufbringt, daß Fremdenfeindlichkeit entsteht, weil Afrikaner, wie andere Menschen auch, Straftaten begehen. Der Herr Kupke ist nicht irgend jemand, der ist Stadtrat. Aber er war auch Ihr Bundestagskandidat. Wenn Sie Ihr Ziel erreicht hätten, dann säße er für Sachsen-Anhalt im Deutschen Bundestag.

(Frau Feußner, CDU: Ja!)

Was ist Ihre Reaktion darauf? Im Grunde genommen gar nichts. Sie haben gesagt, er hat sich ein bißchen schnell ausgedrückt. Das war dann auch alles. Keine Konsequenz.

Weil sich das alles in eine solche Reihe stellt, ist klar, daß es auch Absicht war und daß Sie mit eben diesem Titel auch etwas erreichen wollen, was von uns ganz und gar abgelehnt werden muß.

Meine Damen und Herren! Natürlich sind Gewalt und Ausländerfeindlichkeit schlimme Erscheinungen in unserer Gesellschaft. Und wenn sie sich miteinander verbinden, ergibt sich so etwas Schreckliches. Also muß man gegen beides etwas tun. Die Frage ist, was kann man tun. Man braucht natürlich einen langen Atem dazu.

Wenn wir zum Beispiel über das Handlungskonzept der Landesregierung diskutiert und Sie dieses eher müde belächelt haben, weil Sie sagen, das bringt eh nichts, oder wenn wir auch zu Demonstrationen, zu Appellen aufrufen, wo Sie sagen, das ist zwar bunt und nett, aber das bringt gar nichts, dann kann ich nur sagen: Wir tun wenigstens etwas. Vielleicht reicht es nicht. Vielleicht sind wir auch in langer Zeit noch nicht erfolgreich damit. Aber Sie tun gar nichts.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustimmung von der Regierungsbank)

Es gibt diesen Satz: Man kann nicht allen helfen, sagte der Hartherzige, und half niemandem. Sie sagen, man kann das Problem nicht insgesamt lösen, und Sie machen nichts. Sie versuchen es noch nicht einmal, sondern belächeln diejenigen, die es versuchen.

Gegen Drogenhandel muß man mit all den Mitteln vorgehen, die uns zur Verfügung stehen. Der Innenminister hat gesagt, was alles getan worden ist. Er hat auch dargelegt, daß der Inhalt Ihres Antrages, der so genannte sachliche Inhalt, überflüssig war.

(Herr Scharf, CDU: Er wird nicht umgesetzt!)

Darum ging es Ihnen auch gar nicht.

Man muß gegen Gewalt und gegen Fremdenhaß einiges tun. Die Probleme sind nicht gelöst. Es geht aber um eine Grundstimmung, um ein Klima, in dem das gedeiht oder in dem das nicht gedeiht. Wer dazu beiträgt, daß ein Klima entsteht, in dem Gewalt und Fremdenfeindlichkeit gedeihen, ist gänzlich anderer Auffassung als wir.

(Unruhe bei der CDU)

Denn wir wollen dieses Klima in die andere Richtung bewegen.

(Zustimmung von Herrn Metke, SPD)

Herr Kollege Fikentscher, ich muß Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Weil das so ist, ist es nicht nur selbstverständlich, daß wir den Antrag ablehnen, sondern wir verurteilen ihn auf das schärfste. - Danke.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustimmung von der Regierungsbank)

Für die DVU-FL-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Büchner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Anfang meiner Ausführungen möchte ich erst einmal Herrn Dr. Bergner für seinen mutigen Einsatz in der Straßenbahn bei einer Dienstfahrt in die Südstadt danken. Ich weiß nicht, ob Sie die „Bildzeitung“ gelesen haben.

(Unruhe - Frau Lindemann, SPD: Nein! Wer die „Bildzeitung“ liest - na Hilfe!)

Es hätte auch anders ausgehen können, wenn die Herrschaften, die er vertrieben hat, Waffen besessen hätten. Es hätte sein können, daß er gar nicht mehr unter uns weilen würde. Leider sind sie aber in die Flucht geschlagen worden. Das zum Anfang.

(Lachen bei der SPD und bei der PDS)

Wir, die DVU-FL-Fraktion, begrüßen den Antrag der CDU, den Drogenhandel durch Asylbewerber zu unterbinden, doch scheint uns das nicht weit genug gefaßt, und es könnte der Eindruck entstehen, daß sich die Ermittlungen nur gegen Asylbewerber richten sollten. Natürlich müssen die Ermittlungen mit der gleichen Intensität auch gegen deutsche Drogendealer geschehen.

Auffällig ist allerdings, daß sich verstärkt Menschen anderer ethnischer Gruppen mit Drogenhandel befassen. Dies festzustellen hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun.

Nach einer amtlichen Feststellung des Berliner Innensenats sind deutsche Staatsbürger in der dortigen Drogenszene nur mit 40 % vertreten, das heißt, daß 60 % von ausländischen Bürgern beherrscht werden, zu einem großen Teil von Asylbewerbern, deren Bleiberecht noch gar nicht anerkannt oder abschlägig beschie

den worden ist oder bei denen aus falsch verstandener Humanität eine Abschiebung in ihre Heimatländer noch nicht erfolgte.

Meine Damen und Herren! Drogenhandel ist mit Recht in Deutschland ein Straftatbestand und kein Kavaliersdelikt, was die autonome Szene plus deren Sympathisanten wahrscheinlich anders sehen und damit nach deutschem Recht natürlich falsch liegen.

Diese Leute mißbrauchen ihr Gastrecht in Deutschland und sind in vielen Fällen nur zu diesem Zweck hier eingereist, obwohl in ihren Heimatländern keine Gefahr für Leib und Leben bestand. Wenn der Gebrauch von Drogen in ihren Herkunftsländern zur Kultur gehört, so akzeptieren wir dieses, verwahren uns aber entschieden gegen den Import dieser Art von Kultur.

Meine Damen und Herren! In deutschen Haftanstalten sind 40 % der Einsitzenden Ausländer, und zwar nicht deshalb, weil sie von der deutschen Justiz härter bestraft werden, sondern weil ihr Anteil an der Kriminalität einfach höher ist.