Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Minister Herrn Hövelmann)

Meine Damen und Herren! Dem Gesetzentwurf liegt richtigerweise die Annahme zugrunde, dass Glücksspiele je nach Ausgestaltung unterschiedliche Sucht- und Gefahrenpotenziale haben können. Klar ist wohl, dass das große Spiel am Roulette- oder am Pokertisch sowie das Automatenspiel, zum Beispiel einarmiger Bandit, leicht zu Spielsucht führen können und damit ein hohes Gefahrenpotenzial in sich bergen. Allerdings sind die eben genannten Glücksspiele nicht Gegenstand des vorliegenden Staatsvertrages. Hierbei geht es nämlich nicht um Roulette und nicht um die Spielautomaten, sondern um das Zahlenlotto, die Sportwetten und die Tombola. Die Suchtgefahr, die vom „Lotto am Samstag“ ausgeht, wird in den entsprechenden Untersuchungen zurzeit als relativ klein eingeschätzt.

(Herr Kosmehl, FDP: Richtig!)

Einige Gutachter behaupten aber, dass sich das in Zukunft ändern könnte. Auf welche wissenschaftliche Grundlage diese Annahme gestützt wurde, ist aus der Begründung zu dem Gesetzentwurf nicht hinreichend ersichtlich.

(Zustimmung von Frau Dr. Hüskens, FDP, und von Herrn Kosmehl, FDP)

Meine Damen und Herren! Das sollte aber, wenn man ein staatliches Monopol verfassungsfest ausgestalten will, schon möglich sein. Man muss dann auch begründen, warum nur der Staat in der Lage sein sollte, Ziele, zum Beispiel die Suchtabwehr, zu erreichen, und die Privaten dazu nicht in der Lage seien. Allein der kleingedruckte Hinweis: Sie werden süchtig und ab 18 können Sie spielen, ist die falsche Form von Suchtprävention.

Nach dem Gesetzentwurf haben die Anbieter zum Schutz vor Spielsucht Landessozialkonzepte aufzustellen, das heißt zum Beispiel das Personal zu schulen. Es soll Möglichkeiten und sogar Verpflichtungen von Anbietern geben, gefährdete Spieler mit Spielsperren zu belegen. Dies ist gut, allerdings ganz so neu nicht, denn private Wettanbieter praktizieren so etwas schon, und zwar aus eigenem wirtschaftlichen Interesse heraus.

Warum staatliche Veranstalter besser geeignet sein sollten, dieselben gesetzlichen Regeln noch besser als Private einzuhalten, sollte uns bei den weiteren Beratungen zumindest erläutert werden.

Meine Damen und Herren! Ich sehe, meine Redezeit geht langsam dem Ende entgegen. Ich möchte noch auf Folgendes hinweisen: Wenn wir am staatlichen Monopol festhalten wollen, dann muss es um mehr gehen als nur um den kleinen Hinweis auf dem Lottoschein. Es muss klar sein, dass es um das Ziel der Einengung, der Verringerung bis hin zur Behebung der Sucht gehen müsste. Das wäre dann die Begründung dafür, dass man ein Staatsmonopol haben möchte. Wenn ich es aber nur monetär betrachte - das war der Hauptgegenstand des Urteils des Verfassungsgerichts -, aus der Sicht, wie kann ich diese Gelder denn nutzen, um damit fehlende finanzielle Mittel in anderen Bereichen wie zum Beispiel Soziales, Kultur etc. auszugleichen, dann ist das eine Verkehrung der eigentlichen Frage.

Ich muss hier eindeutig sagen: Wir möchten das Staatsmonopol nicht aufheben, wir halten aber diese 100-prozentige Umsetzung eines Staatsmonopols wirtschaftspolitisch dann für fragwürdig, wenn es nicht gelingen sollte, dieses Monopol inhaltlich und fachlich zu begrün

den und tatsächlich mit einer Wirkung zu versehen. Diese Wirkungen sind aus unserer Sicht nicht erkennbar.

Einen letzten Satz. Die obere Glücksspielbehörde ist das Landesverwaltungsamt. Dieses stößt derzeit mit Beanstandungsverfügungen zum Haushaltsverfahren bei den Kommunen nicht gerade auf positive Resonanz. Sie sind eher verärgert über diese Glücksspielbehörde, das Landesverwaltungsamt. - Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Als letztem Debattenredner erteile ich Herrn Tullner das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden, sodass ich auf eine ordnungspolitische Debatte verzichten kann. Ich möchte unsere Position an vier Punkten, soweit sie schon feststehen, festmachen.

Erstens. Als damals die Kollegin in München, weil sie neben ihren Pferdewetten noch andere Wettangebote unterbreiten wollte, vor das Verfassungsgericht gezogen ist, hat sicherlich niemand gedacht, welche große staatspolitische und europapolitische Welle bei diesem Themenkomplex über unser Land schwappt, dem nicht die hauptsächliche Aufmerksamkeit der Landespolitik galt.

Wir haben - das haben einige Kollegen vorhin schon gesagt - im letzten Jahr schon über diesen Staatsvertrag debattiert. Ich denke, dabei sind sehr viele Aspekte zum Tragen gekommen, die es wert sind, auch von uns - wir wissen, wir sind im föderalen Kontext - beleuchtet zu werden. Wir haben zum einen die kartellrechtlichen Dinge - diese sind nach dem letzten Gerichtsurteil weitgehend geklärt - und wir haben die ordnungspolitischen Dinge, die insbesondere Herr Rothe angeführt hat. Herr Rothe, ich muss Ihnen sagen, dass ich mich kurzzeitig der Assoziation, die Herr Schily mit den Polizeihelmen und dem erhobenen Schlagstock hatte, bei Ihrer Rede nicht ganz entziehen konnte; ich habe bei Ihnen zudem noch so eine Art Pickelhaube auf dem Kopf wahrgenommen.

Was will ich damit sagen? Der ordnungspolitische Ansatz der Innenpolitiker ist bekannt, aber er ist nicht der alleingültige in diesem Bereich. Darüber hinaus haben wir den finanzpolitischen Aspekt. Ich will nur kurz die Zahlen aus dem Jahr 2006 nennen: Lotteriesteuer- und Umsatzsteuereinnahmen 31,1 Millionen €, Reinerträge aus Lottomitteln 7,5 Millionen € und Konzessionsabgabe 22 Millionen €.

Wir wissen auch, was sich daraus für Folgerungen im Landeshaushalt ergeben. Wer sich den Haushaltsplan in diesem Jahr schon einmal angeschaut hat, wird feststellen, dass es allein im Kultushaushalt vier Stellen gibt, an denen die Ansätze zurückgefahren werden mussten mit der Begründung: weniger Einnahmen aus dem Lottostaatsvertrag.

Und wir haben die europapolitischen Dinge. Darauf ist Kollege Kosmehl schon eingegangen.

Ich will an dieser Stelle ganz klar sagen: Der Politik wird immer wieder der Vorwurf gemacht, es werde rechtlich

unsauber gearbeitet und die Gerichte müssten es dann ausbaden. Wir müssen aufpassen, dass wir an dieser Stelle eine konsistente Regelung hinbekommen, die auch über den 31. Dezember 2007 hinaus Bestand hat. Wenn man sich die Veröffentlichungen in den letzten Tagen in der „FAZ“ oder die Briefe aus Brüssel anschaut, dann müssen wir das in unseren Kontext einbeziehen, ob uns das passt oder nicht.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus haben Sie sicherlich diese Informationsflut, die über uns hereingebrochen ist, mitbekommen. Es gibt Briefe von Lottoannahmestellen, die uns bestärken, den Vertrag zu unterschreiben, weil sie weiter bestehen wollen.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Es gibt aber auch Briefe von Lottoannahmestellen, die uns bitten, dem Staatsvertrag nicht zuzustimmen, weil diese weiter bestehen wollen. Daran lässt sich erkennen, dass es eine große Unsicherheit im Land SachsenAnhalt gibt. Es gibt darüber hinaus Arbeitsplatzdiskussionen. Zum Beispiel in Gommern gibt es eine Firma, die über 100 Arbeitsplätze von dieser Frage abhängig macht. Es ist bedauerlich, dass sich einige Mitglieder der Fraktionen noch nicht auf diese Hilferufe hin gemeldet haben.

Alle diese Dinge, meine Damen und Herren, müssen wir in unseren Kontext einbeziehen. Deshalb sage ich sehr klar: Wir wollen keine Verhinderungstaktik verfolgen. Die CDU-Fraktion bekennt sich zum Lottomonopol, weil Lotto die Erträge ermöglicht, die wir über unseren Landeshaushalt in dieser Größenordnung nicht bereitstellen können. Wir werden eine sehr spannende Diskussion in den Ausschüssen zu den von mir angerissenen Problemkomplexen führen.

Ich gebe offen zu, dass es in meiner Fraktion Meinungsverschiedenheiten sowohl zu den finanzpolitischen als auch zu den ordnungspolitischen Aspekten gibt. Diese Diskussion werden wir aber in aller Ruhe führen. Es macht wenig Sinn, wenn wir, das Land Sachsen-Anhalt, gallisches Dorf spielen. Das heißt, wir müssen sehr genau die anderen Landesparlamente beobachten. Wir wissen, dass 13 Länder zustimmen müssen; ansonsten kann der Vertrag nicht in Kraft treten. Das heißt, wir werden sehr genau beobachten, wie die Diskussionen in anderen Bundesländern geführt werden.

Ein letzter Punkt. Nachdem ich jetzt erfahren habe, dass die Fraktionsführungen beschlossen haben, dass über dieses Thema nur der Innenausschuss beraten soll, muss ich sagen, dass ich darüber nicht begeistert bin. Die Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss können sich schon auf Nachtsitzungen vorbereiten. Wir werden es dann in mehrstündigen und mehrtägigen Sitzungen behandeln. Das ist ein Umgang mit Fachkollegen, der diesem Haus nicht angemessen ist. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Tullner. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Grünert. Möchten Sie diese beantworten?

Herr Grünert, bitte.

Herr Tullner, ich habe eine Nachfrage, weil Sie gerade auch die Lottoannahmestellen erwähnten. Nun steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wiederum unter der Frage der Prävention. Können Sie sich vorstellen, dass in einer Lottoannahmestelle - nehmen wir einmal an, in der im Hundertwasserhaus - neben Zeitungen, Glanzbroschüren, Pornoheften bzw. Playboy-Magazinen, Zigaretten und anderen Angeboten tatsächlich eine effektive Suchtprävention betrieben werden kann?

Zweitens eine Bemerkung: Wir würden diesen Entwurf gern auch im Finanzausschuss zur Mitberatung haben wollen, weil er schon monetäre Auswirkungen hat.

Herr Grünert, zu der Bemerkung kann ich nichts sagen. Das werden wir gleich sehen.

Zu dem ersten Punkt Ihrer Nachfrage: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Herzlichen Dank. - Weitere Fragen gibt es nicht.

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren zu der Drs. 5/903.

Da gibt es eine Frage. Bitte, Herr Kosmehl.

Herr Präsident, der mangelnden Zeit war es geschuldet, dass ich meinen Antrag auf Überweisung noch nicht stellen konnte. Ich wollte beantragen: Überweisung zur federführenden Beratung in den Innenausschuss, zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen und in den Ausschuss für Soziales.

Meine Damen und Herren! Jetzt ist die Überweisung in den Innenausschuss zur federführenden Beratung und in die Ausschüsse für Finanzen und für Soziales zur Mitberatung beantragt worden.

(Herr Bischoff, SPD: Bitte extra abstimmen las- sen!)

- Das mache ich doch gerade. - Wer für den Finanzausschuss stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN. Wer stimmt dagegen? - Gegenstimmen bei der Koalition. Damit ist der Antrag - -

(Herr Gallert, DIE LINKE: Nein! Auszählen!)

Es ist beantragt worden auszuzählen. - Wer stimmt gegen den Antrag auf Überweisung in den Finanzausschuss? - Ich bitte die beiden Schriftführer, das auszuzählen. - 22. Wer stimmt für den Antrag? - Ich bitte um Auszählung. - Ich kann von hier aus erkennen, dass das mehr sind. Damit ist die Überweisung in den Finanzausschuss beschlossen worden.

(Zustimmung von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Wer stimmt für den Sozialausschuss? - Zustimmung bei der LINKEN, bei der FDP und Teilen der CDU. Damit ist der Gesetzentwurf auch in den Sozialausschuss überwiesen worden.

Wir stimmen jetzt insgesamt über die Überweisung in den Ausschuss für Inneres zur federführenden Beratung und in die Ausschüsse für Finanzen und für Soziales ab. Wer stimmt für die Überweisung? Ich bitte um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist der Überweisung zugestimmt worden. Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Mitwirkung der Zulassungsbehörden bei der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer und zur Änderung des Gesetzes zur Einrichtung des Landesverwaltungsamtes und des Gesetzes zur Ausführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/894