Herr Kollege Czeke, ich will Sie nur fragen, ob Ihnen die LIV-Vorlage über das Protokoll der Europaministerkonferenz zu dem Themenkomplex „Haushalt reformieren - Europa verändern“ bekannt ist, die seit vorgestern in unser Datensystem eingestellt ist.
Herr Kollege, auch diese Vorlage habe ich auf der Seite mit den Einstellungen zum Thema LIV gefunden. Ja.
Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren zu den Anträgen in der Drs. 5/1130 und in der Drs. 5/1140. Lassen Sie uns zuerst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 5/1140 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Der Änderungsantrag ist angenommen worden.
Lassen Sie uns nun über den so geänderten Antrag in der Drs. 5/1130 abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist dem Antrag zugestimmt worden und der Tagesordnungspunkt 12 ist erledigt.
Ich bitte zunächst Frau Take, den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD einzubringen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 20. Dezember 2007 entschieden, dass das Kernstück der Hartz-IV-Reform, die Arbeitsgemeinschaften aus kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit, die so genannten Argen, verfassungswidrig ist.
Die allgemein in § 44b SGB II geregelte Pflicht der Kreise zur Übertragung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, konkret dem Zweiten Buch zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, auf die Arbeitsgemeinschaften und die einheitliche Aufgabenwahrnehmung von kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften verletzen die Gemeindever
bände in ihrem Anspruch auf eine eigenverantwortliche Aufgabenstellung und verstoßen gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes.
Die Arbeitsgemeinschaften sind als Gemeinschaftseinrichtungen der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Besondere Gründe, die ausnahmsweise die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnten, existieren nicht.
Zudem widerspricht die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, die den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, die Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation, wahrzunehmen.
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung - längstens bis zum 31. Dezember 2010 - bleibt die Norm jedoch anwendbar. Dem Gesetzgeber muss für eine Neuregelung, die das Ziel einer Bündelung des Vollzugs der Grundsicherung für Arbeitsuchende verfolgt, ein der Größe der Umstrukturierungsaufgabe angemessener Zeitraum belassen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies beschreibt den Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in das Stammbuch geschrieben hat. Die Hartz-IV-Verwaltung muss komplett neu geregelt werden. Die doppelte Zuständigkeit von Bund und kommunalen Trägern verstößt gegen das Grundgesetz. Daher muss man an dieser Stelle auch feststellen, dass mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts endlich Klarheit in einer quälenden Auseinandersetzung zwischen dem Bund, Staatsrechtlern und der kommunalen Ebene gesorgt worden ist.
- Vielen Dank, Herr Professor Paqué. - Wir erinnern uns: Zwar war das im Jahr 2003 von Rot-Grün vereinbarte Ziel, den Bedürftigen bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe Leistungen aus einer Hand anzubieten, sinnvoll; dennoch basierte die gemeinsame Zuständigkeit der Bundesagentur sowie von Landkreisen und Städten für die Umsetzung der Arbeitsmarktreformen auf einem politischen Kompromiss.
Das Gericht verlangt nun eine klare Zuordnung der Aufgaben. Der Bürger muss wieder eindeutig wissen und erkennen, wer für die Administration staatlicher Aufgaben zuständig ist. Dies konnte in der bisherigen Konstellation aufgrund der Mischverwaltung der Arbeitsgemeinschaften nicht oder nur unzureichend gewährleistet werden. Das ist, meine Damen und Herren, unter anderem auch ein Grund dafür, warum wir in unserem Antrag Wert darauf legen, das Prinzip der Einräumigkeit im Zuge der Neustrukturierung der Arbeitsverwaltung vordergründig umzusetzen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Expertenanhörung im Deutschen Bundestag vom Mai 2007 erinnern, in der man den Argen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat. Es gibt natürlich auch gute Beispiele, aber Ausnahmen bestätigen die Regel.
Diese würden unter erheblichen Reibungsverlusten leiden, was oft eine Folge der Doppelzuständigkeit sei. Die
Aufteilung sei sachfremd und systemwidrig - so das ernüchternde Urteil der seinerzeit angehörten Fachleute.
Der Ombudsrat beklagte einen ständigen und zeitaufwendigen Abstimmungsbedarf der 55 000 Mitarbeiter, die in 353 Argen knapp 5,2 Millionen Menschen betreuen. Hinzu kommen 69 optierende Kommunen, die oft weniger um den besten Betreuungsstandard als vielmehr um das Ausmaß ihrer Zuständigkeit mit der Bundesagentur konkurrieren.
Aus diesen Gründen brachte es der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts auf den Punkt, indem er sagte, die Entscheidung klinge wie eine schallende Ohrfeige an den Gesetzgeber, aber sie sei keine. Vielmehr sei sie ein wichtiges Urteil, das auch die Rechte der betroffenen Bürger stärke, die künftig wieder genau wüssten, gegen wen sie mögliche Widersprüche und Klagen richten könnten, wenn sie mit Entscheidungen ihres Fallmanagers, wie es heute auf Neudeutsch heißt, nicht einverstanden seien.
Auch bleibt der Bund bei der Umsetzung der Hartz-IVReformen weiter in der Pflicht. Eine schleichende Alleinverantwortung und Alleinverantwortlichkeit der kommunalen Hand für die betroffenen Bürger wird somit ausgeschlossen.
Angesichts der von mir beschriebenen Entwicklung ist die Zeit reif, die in der Vergangenheit kritisierten Probleme neu zu ordnen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund klarer Zuständigkeiten, einer verbesserten Betreuung der betroffenen Bürger und der Anpassung der Strukturen an die neuen Kreisgrenzen in Sachsen-Anhalt.
Dabei wird die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts weitgehende Folgen haben. Die Argen, also die gemeinsamen Jobcenter, wieder aufzulösen und durch andere Organisationsformen zu ersetzen, die den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen, wird viel Zeit, Geld und Aufwand kosten. Es besteht die Gefahr, dass die neuen Ämter in ihrer Startphase möglicherweise Chaos verursachen. Diesbezüglich kommt eine gewaltige politische und verwaltungstechnische Aufgabe auf den Bund, die Arbeitsagentur und auf die Kommunen zu, die viel Aufmerksamkeit bindet, die eigentlich für wichtigere Zukunftsprojekte gebraucht würde.
Dabei sollte man sich vielmehr dringend und intensiv darüber Gedanken machen, wie schwervermittelbare Jobsuchende effektiver in den Arbeitsmarkt integriert werden können, wie sich das Abgleiten bestimmter Personengruppen in finanzielle Armut verhindern lässt und wie soziale Leistungen gerechter einsetzbar sind. Denn dass die Agendapolitik überarbeitet und weiterentwickelt werden muss, dass Fehlentwicklungen zu korrigieren sind, ist für Anhänger wie für Gegner der Arbeitsmarktreform unübersehbar.
Dies hat die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD veranlasst, diesen Ihnen vorliegenden Antrag zur Neuordnung der Arbeitsverwaltung in die heutige Landtagsdebatte einzubringen. Der Zeitraum bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist muss dafür genutzt werden, die bekannten Schwachstellen zu evaluieren. Die Neuordnung darf nicht zulasten der Betroffenen gehen.
Nach der Kreisgebietsreform gibt es in Sachsen-Anhalt - hier erwähne ich stellvertretend den neuen Salzlandkreis - ein Gemisch aus Arbeitsgemeinschaften und Op
tionskommunen. Hier gibt es ein Bündel von Problemen, die sich aus der räumlichen Gliederung, aus SGB II und III ergeben. Die Bundesagentur für Arbeit betreibt dort gleich drei Geschäftsstellen mit völlig unterschiedlichen Zuordnungen der Agenturbezirke. Zusätzlich gibt es noch zwei kommunale Träger in Bernburg und Schönebeck und eine Arge in Aschersleben/Staßfurt. Dass diese Strukturen mehr verwirren, als dass sie effektiv arbeiten, liegt auf der Hand.
Uns ist völlig bewusst, dass die Entscheidungen in Berlin und Nürnberg getroffen werden. Die Landesregierung ist bereits in Gesprächen mit den Institutionen. Unser Antrag soll dazu dienen, diese Gespräche zu unterstützen und auf die aktuellen Probleme der Arbeitsverwaltung hinzuweisen, um künftig klare und effektive Strukturen und Zuständigkeiten zu schaffen.
Auch gilt es, über die künftigen Finanzierungen zu reden. Angesichts steigender Kosten kann es nicht angehen, dass der Bund seine Verantwortung allein auf die Länder und die Kommunen abwälzt. Vielmehr muss die Chance genutzt werden, eine faire Lastenverteilung zu ermöglichen. Ich gehe davon aus, dass dies fraktionsübergreifend Konsens ist. Ich möchte Sie daher darum bitten, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Take. - Meine Damen und Herren! Zunächst haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler der Heine-Sekundarschule Blankenburg sowie Seniorinnen und Senioren der Volkssolidarität Blankenburg auf der Südtribüne begrüßen zu können.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 20. Dezember 2007 die Organisationsform Arge als rechtlich verpflichtende Kooperationsform zwischen Bundesbehörden und kommunalen Behörden als nicht verfassungsgemäß angesehen. Der Gesetzgeber muss bis zum Jahr 2010 eine Neuregelung finden.
Die Konstruktion Agre wurde im Gesetzgebungsverfahren zu Hartz IV entwickelt. Als weiterer Baustein im Rahmen dieses Gesetzes ist eine Optionsklausel beschlossen worden. In dieser Optionsklausel ist festgelegt, dass 69 Kreise im Rahmen einer Experimentierklausel die ausschließliche Zuständigkeit für das SGB II übernehmen können. Die Wirkungsforschung zu diesem Wettbewerb soll bis Ende 2008 vorgelegt werden. Bis zum Jahr 2010 muss der Gesetzgeber daraus die Konsequenzen ziehen.
Es geht also perspektivisch um zwei Dinge, die bis 2010 geregelt werden müssen: Zum einen muss der Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes abgearbeitet werden und zum anderen muss über die Zukunft der Optionskommunen auf der Basis der Ergebnisse, die die Evaluierung zutage fördern wird, abschließend entschieden werden. Wenn Sie so wollen, dann geht es um die endgültige Rollenverteilung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen im Bereich SGB II.
Was die Argen betrifft, so hat der Bundesarbeitsminister vor Kurzem einen Vorschlag gemacht, der anstelle der gesetzlichen Verpflichtung zur Arge ein freiwilliges Kooperationsmodell empfiehlt. Der Bund hat den Ländern dazu Gespräche angeboten. Ursprünglich sollte gestern dazu eine Sonderarbeitsministerkonferenz in Berlin stattfinden. Diese ist kurzfristig vom Bundesarbeitsminister verschoben worden.
Der Hintergrund besteht darin, dass auch innerhalb des Ministeriums inzwischen dahin gehend eine große Unsicherheit besteht, ob es Sinn macht, diese Interimslösung untergesetzlich organisieren zu lassen und damit wieder ein größeres Maß an Uneinheitlichkeit bzw. auch an Unsicherheit für die Betroffenen herbeizuführen. Auf der anderen Seite befinden sich sowohl A- als auch B-Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und der sehr unterschiedlichen Inanspruchnahme der Optionsmöglichkeit in einem Meinungsbildungsprozess, sodass man sich darauf verständigt hat, erst in zwei, drei Wochen diesen für gestern anberaumten Termin stattfinden zu lassen.
Ich bin der Meinung, dass bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung an den Argen in der gegenwärtigen Form festgehalten werden sollte - nicht weil sie die besseren Strukturen haben; denn unsere Landesergebnisse haben klar zutage gefördert, dass die Ergebnisse der Optionskommissionen besser sind als die der Argen. Im Durchschnitt konnte die Arbeitslosigkeit in den letzten zwei, drei Jahren in diesen Kommunen deutlicher reduziert werden, als das im Bereich der Argen der Fall ist. Es geht einfach darum, dass wir sowohl die Rechtsverbindlichkeit des Verwaltungshandelns als auch die klaren Zuständigkeiten für die Betroffenen - vor allen Dingen für die betroffenen Langzeitarbeitslosen - so ausgestalten sollten, dass wir keine zusätzlichen Reibungsverluste bzw. Schwierigkeiten für die betroffenen Personen erzeugen.
Bevor diese Ergebnisse im Meinungsbildungsprozess auf der einen Seite sowie im Bereich der Evaluierung auf der anderen Seite nicht vorliegen, sollten keine neuen Verträge geschlossen werden, die voraussetzen, dass die alten Verträge innerhalb der bestehenden Laufzeiten aufgekündigt werden. In diesen Laufzeiten sind Verbindlichkeiten eingegangen worden zu Personalia, zu Räumlichkeiten, die angemietet wurden, usw. usf. Wir würden schlicht und einfach, wenn wir an dieser Stelle zu kurzatmig agieren, eine Verschlimmbesserung des Zustandes herbeiführen, wohl wissend, dass eine Lösung kommen muss. Nicht nur das Verfassungsgericht verlangt danach.