Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Zum Ersten: Ja, was das Thema angeht, ob der Bund in die Landesverfassungen so stark eingreifen darf.

Zum Zweiten: Es haben noch mehr Sozialdemokraten für die Regelung gestimmt, nämlich fast die ganze Bundestagsfraktion. Es waren auch die anderen sozialdemokratischen Regierungsmitglieder im Kabinett einer Meinung. Das ist die unterschiedliche Auffassung zwischen Regierung und Parlament.

Jetzt rächt sich, dass ich den einen Satz, den ich mir aufgeschrieben hatte, nicht gesagt habe. Der lautete nämlich: Obwohl der Ministerpräsident auch ein Parlamentarier ist und obwohl Herr Bullerjahn auch ein Parlamentarier ist, hat sich offensichtlich bei ihnen bei der Entscheidung die exekutive Meinung durchgesetzt. Wie Herr Bullerjahn zur Verfassung steht, beantwortet er Ihnen selbst.

(Heiterkeit bei der FDP)

Ich würde zu Antwort 3 tendieren: Der sitzt nämlich in einer ganz dringenden und ganz schwierigen finanzpolitischen Situation und hat diese Dinge über die Bedenken beim Verfassungsthema gestellt, die er natürlich auch hat.

Herr Stahlknecht hat eine Nachfrage. Bitte.

Wenn ich das jetzt falsch verstanden habe, müssen Sie mich korrigieren. Es ist so, dass man als Parlamentarier aus seinem eigenen Verständnis heraus sagt: Eigentlich kann nicht sein, was da passiert ist. Wenn man in der Exekutive sitzt, sieht man sich gezwungen, das zurechtzuschieben.

Wollen Sie damit sagen, dass ein Minister, der möglicherweise einer bestimmten Fraktion angehört, eine innere gespaltene Persönlichkeit hat,

(Heiterkeit bei der FDP)

weil er sich gezwungen sieht, dort etwas zu tun, was er aus seinem Selbstverständnis eigentlich nicht tun dürf

te? - Die Antwort auf diese Frage würde mich interessieren.

Sie bekommen sie jetzt aber nicht beantwortet. Ich würde gern, um das auf eine sachliche Grundlage zurückzubringen, mit einer Gegenfrage reagieren. Die müssen Sie mir jetzt nicht öffentlich beantworten. Ihr Fraktionsvorsitzender hat gesagt: Sie stimmen dem Thema Schuldenbremse auch in dem Verfahren, so wie es gemacht worden ist, zu. Die CDU findet das cool.

(Zuruf von der FDP)

Sie haben aber bei meinen Ausführungen, als ich die Bedenklichkeit vorgetragen habe, die ganze Zeit genickt. Wie ist das denn bei Ihnen als Parlamentarier? Als CDUFraktionsmitglied stimmen Sie zu und als Parlamentarier haben Sie verfassungsrechtliche Bedenken? - Diese Debatte lassen wir doch lieber.

(Herr Stahlknecht, CDU: Frau Budde, manchmal wackle ich auch ohne zu nicken! - Heiterkeit bei der FDP)

- Das ist ja schlimm.

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Hüskens hat jetzt als letzte Fragestellerin das Wort. Bitte schön, Frau Dr. Hüskens.

Ich würde gern zum Landtag von Sachsen-Anhalt und zum Haushalt zurückkommen. Sie haben in Ihrer Rede zwei-, dreimal gesagt, dass der Finanzminister die Einnahmenseite, so wie sie sich uns im nächsten Jahr wahrscheinlich darstellen wird, nicht voraussehen konnte.

Ich vermute, Sie haben sich in Vorbereitung der heutigen Debatte einmal die mittelfristigen Finanzplanungen und die vielen sonstigen Strategiepapiere, die unser Finanzminister uns allen im Stundentakt schickt, angesehen und haben festgestellt, dass tatsächlich nur eine einzige dieser Planungen - eine! - einen deutlich höheren Einnahmenansatz hat als das, was wir jetzt in der Prognose haben. In allen anderen haben wir immer wieder eine Abweichung von 300 Millionen €, 400 Millionen €, die wir im nächsten Jahr zu stemmen hätten. Sie wissen als erfahrene Politikerin ja auch, dass solche strukturellen Einschnitte in den Haushalt erst nachlaufend wirken. Das dauert immer ein bisschen, bis die ihre Wirkung entfalten.

Wenn Sie das seit 2006 gewusst haben, was haben Sie denn in den Jahren alles getan - das werden Sie ja gemacht haben -, bis Sie in 2008 diese Steuerschätzung überraschte, um 2010 einen einigermaßen ordentlichen Haushalt hinzubekommen? Das müssen ja jetzt jede Menge Vorschläge sein, die bei Ihnen alle schon Konsens sind. Mich wundert, dass das heute so klingt, als ob Sie und auch die CDU-Fraktion von dieser Entwicklung total überrascht worden sind und jetzt erst einmal nachdenken müssen. Können Sie mir das einmal erklären?

Frau Budde, Sie haben das Wort.

Frau Hüskens, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass es in den letzten Jahren, bevor die Finanz- und Wirtschaftskrise durchgeschlagen hat, eine sehr gute Einnahmensituation gab. Das war besser als in den Zeiten, in denen Herr Paqué als Finanzminister eben nicht dieses Geld zur Verfügung hatte.

In all den Haushaltsdebatten haben wir auch gesagt: Wir hoffen, dass es so bleibt, und wir wissen, dass die jetzige Situation, die Neuverschuldung auf null zu stellen, auch der guten Einnahmensituation geschuldet ist. Wir sind nicht davon ausgegangen, dass es, nachdem die Einnahmensituation in den vergangenen Jahren besser war, zu einem so tiefen Einbruch kommen wird. Das hätten auch Sie nicht voraussagen können. Das hätte auch niemand anders voraussagen können.

Wenn Sie über die Ansätze und Annahmen der mittelfristigen Finanzplanung und die Daten, die dem zugrunde liegen, diskutieren wollen, dann werden wir das hier nicht auf offener Flur machen können. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich, heute hier vorn stehend, nicht alle Ansätze im Kopf habe. Sie haben sich die Tabelle dafür mitgebracht. Deshalb hat das keinen Mehrwert und deshalb möchte ich an dieser Stelle die Beantwortung dieser Frage beenden. Das sollten Sie sich im Finanzausschuss dezidiert anschauen, weil ich Ihnen das nicht abschließend beantworten kann.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Weitere Fragen sehe ich nicht. Der Finanzminister Herr Bullerjahn hat um das Wort gebeten. Herr Bullerjahn, Sie können jetzt reden. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas zum Thema Verfassung sagen.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Ich bin meiner Fraktion und der Partei insgesamt dankbar, dass sich die SPD diese Frage in den letzten Monaten sehr schwer gemacht hat; denn entgegen allen öffentlichen Bekundungen gab es auch in der CDU-Fraktion - bei der FDP ist es anscheinend ganz anders; da denkt einer und alle anderen machen mit - erhebliche Bedenken, ob die Länder das umsetzen müssen, was im Bund beschlossen wird. Ich kann mir viele Landespolitiker vorstellen, die das Verfahren nicht richtig fanden. Die SPD hat das offen ausgetragen.

Es gibt nämlich eine Unterscheidung zwischen dem, was verfassungsrechtlich diskutiert wird, und dem, was inhaltlich diskutiert wird. Ich habe als Mitglied des Bundesrates und auch als Teilnehmer an Beratungen von Kommissionen dort die Stellungnahmen des BMF, des BMI und des BMJ gehört. Das sind ja nicht nur SPD-Ministerien. Das sind alle drei Bundesministerien.

Übrigens sagt die Bundesregierung insgesamt, dass es aus ihrer Sicht verfassungsrechtlich sicher ist. Es wird - ich glaube, Herr Professor Böhmer, es wurde im Bundesrat vorige Woche noch einmal ausgeführt - dann Sache eines Gerichtes sein, das klarzustellen, wenn es Zweifler gibt, die das hinterfragen wollen.

Diese Diskussion habe ich in den beiden großen Fraktionen überall gehört. Eindeutig war es bei der LINKEN, was ich nachvollziehen kann, weil dort auch eine Steuerdiskussion dahinter stand. Bei der FDP hat es eine Diskussion gegeben, weil dort dauernd Wahlkampf war. Das reichte bis in die letzte Bundestagssitzung.

Deswegen ist meine Haltung: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es richtig ist. Aber ich sage auch ganz klar: Bei mir deckt sich das mit dem Inhaltlichen, weil ich auch ohne diese Diskussion hier gestanden und für eine Schuldenbremse geworben hätte. Das sei nur einmal klargestellt.

Zweiter Punkt. Das ist nur eine Bemerkung am Rande. Ich bin ja immer daran interessiert, dass die FDP mich auf meinem Weg lange begleitet. Aber sie hat dies getan, ohne dass sie jemals die Anstrengung unternommen hätte, ein eigenes Papier auf den Tisch zu legen und sich diesen Themen irgendwie einmal inhaltlich zu stellen.

Sie haben offenbar nicht mitgekriegt, dass es zwischen Nominal und Real einen Unterschied gibt. Die Zahl aus dem Jahr 2006, die ich genannt habe, war der nominale Betrag. Real liege ich dann bei einem Betrag von ungefähr 8,5 Milliarden € bis 9 Milliarden €. Wenn Sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die wir hatten, und anderes mit hineinrechnen, bin ich gar nicht so weit davon entfernt.

Ich kann gut damit leben, dass eine Fraktion wie die Ihrige einen Finanzminister gestellt hat, mit dem ich den Vergleich nicht scheuen muss. Vielleicht haben Sie irgendwann auch die Kraft, eigene Papiere auf den Tisch zu legen, und dann reden wir miteinander. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Wol- pert, FDP)

Vielen Dank, Herr Bullerjahn. - Es gibt noch eine Wortmeldung von Frau Dr. Hüskens.

Einfach einmal kurz als Antwort, als Intervention. Es hat ja mal einen finanzpolitischen Sprecher gegeben, der sich auf solche Aufforderungen des damaligen Finanzministers hin breit grinsend hinstellte und sagte: Wir sind Opposition; wir müssen so etwas nicht machen.

Ich glaube, dass wir in der letzten und in der laufenden Legislaturperiode extrem konstruktiv waren. Nur muss ich eines ganz offen gestehen - das wird den Kollegen von der LINKEN wahrscheinlich ähnlich gehen -: Wenn wir Vorschläge machen, deren Erarbeitung uns als Oppositionsfraktion viel mehr Arbeit kostet als die Regierungsfraktionen, dann werden sie mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit niedergestimmt oder als populistisch dargestellt. Deshalb sagen wir inzwischen: Wir werden das, was Sie vorschlagen, sehr konstruktiv begleiten und in der nächsten Legislaturperiode, wenn wir Regierungsverantwortung tragen, die Vorlagen machen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren. - Ich sehe jetzt keinen weiteren Redebedarf. Wir sind damit am Ende des Tagesordnungspunktes 1, der Regierungserklärung und Aussprache dazu, angelangt.

Meine Damen und Herren! Ich verlasse diesen Tagesordnungspunkt und rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde - Drs. 5/2022

Gemäß § 45 der Geschäftsordnung findet auf Antrag monatlich die Fragestunde statt. Dazu liegt Ihnen, meine Damen und Herren, die Drs. 5/2022 vor. Es gibt insgesamt sieben Kleine Fragen.

Ich rufe die Frage 1 auf. Sie wird von dem Abgeordneten Herrn Markus Kurze, CDU, gestellt. Es geht um die Stasi-Opfer in Sachsen-Anhalt. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR leben in Sachsen-Anhalt und wie viele haben einen Antrag auf die monatliche SEDOpferpension von 250 € nach § 17a des Strafrechtsrehabilitierungsgesetzes gestellt?

2. Wie viele Anträge wurden bisher positiv entschieden und wie viele laufende Verfahren gibt es noch? - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Kurze. - Die Antwort wird Ministerin Frau Professor Kolb geben. Bevor ich der Ministerin das Wort erteile, begrüße ich Studentinnen und Studenten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Ministerin, Sie haben jetzt das Wort.