Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

Herr Kosmehl, Sie sind immer wieder für eine Belebung der Debatte gut. Ich möchte an dieser Stelle einfach einmal etwas klarstellen - das ist keine Frage, sondern eine Intervention.

Wenn ich auf einen längeren Redebeitrag verzichtet habe, liegt das nicht, wie Sie es unterstellt haben, daran, dass ich etwas ausgeblendet oder nicht richtig verstanden habe. Es hat zu dieser Zeit einfach keinen Sinn, so eine Klageorgie, wie wir Sie eben von der LINKEN gehört haben, zu perpetuieren und uns darüber auszutauschen, wie schlecht die Welt ist. Wir sollten vielmehr handeln.

Uns liegt der kommunale Finanzbericht vom Innenministerium vor. Der geht in die Ausschüsse. Wir wissen um die Steuermehreinnahmen - Sie haben noch einmal darauf hingewiesen -, die sich im Übrigen mittlerweile auch bei den Gewerbesteuern niederschlagen. Über all diese Punkte kann man sich dann in den Ausschüssen sehr

viel sach- und an den Problemen orientierter austauschen, als hier mit diesen Fensteranträgen. Deswegen meine Positionierung vorhin.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin, ich würde gleich kurz auf die Intervention reagieren wollen. - Herr Kollege Tullner, man kann sich lang und breit darüber streiten, ob ein Antrag, der an einem Freitagnachmittag nach 17 Uhr behandelt wird, noch sinnvoll erscheint. Ich glaube aber, es ist die Aufgabe des Landtages, die Themen, die auf der Tagesordnung stehen, ordnungsgemäß zu behandeln.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der LIN- KEN)

Herr Kollege Tullner, meine Kritik bezog sich vielmehr darauf, dass Sie ohne weitere Differenzierung dem Finanzminister eine Zustimmung erteilt haben, bei der ich aus meiner Sicht der Auffassung bin - das ist meine persönliche Einschätzung als FDP-Abgeordneter -, dass es in dieser Sache durchaus auch Kritikpunkte seitens der CDU gegenüber einem SPD-Finanzminister geben könnte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kosmehl. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Graner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Fischer hat mich gebeten, ihre Rede vorzutragen.

Ein Nachtragshaushalt ist dann erforderlich, wenn es gravierende Änderungen bei den Einnahmen bzw. Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr gibt. So geschehen beispielsweise im letzten Jahr, als die Verabschiedung des Konjunkturpaketes II auf der Bundesebene einen Nachtrag erforderte.

Aus meiner Sicht sind solche Situationen, die die Vorlage eines Nachtragshaushaltes erforderlich machen, nicht eingetreten. Der Antrag wird mit ungenügenden Zuweisungen nach dem FAG begründet. Damit handelt es sich um eine Neuverschuldung allein wegen der Erhöhung von Ausgaben, um Wünsche zu erfüllen.

Der Landtag hat im vorigen Jahr ein Finanzausgleichsgesetz beschlossen, das den kommunalen Ausgleich neu organisiert. Dieser Einstieg in ein aufgabenbezogenes Finanzausgleichssystem stellt sicher, dass die Zuweisungen an die Kommunen nicht mehr von den Steuereinnahmen des Landes abhängen, sondern bedarfsgerecht erfolgen. Dazu hat es in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden Erhebungen für die Bedarfsermittlung gegeben. Das ist Ihnen bekannt und braucht hier nicht wiederholt zu werden.

Das System ist nach langen und zähen Diskussionen verabschiedet worden und es wird in den nächsten Jahren seriös weiterentwickelt werden.

Das Land Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, ist damit seiner Verantwortung gegenüber den Kommunen in sachgerechter Weise nachgekommen. Jetzt zu fordern, das Land möge neue Schulden aufnehmen, um

sie den Kommunen zukommen zu lassen, ist nicht nur unseriös, sondern fahrlässig.

Unser Land verhandelt zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Bund über die Verwaltungsvereinbarung zur Umsetzung des Verschuldungsverbotes, auch als „Schuldenbremse“ bekannt. Diese Mittel werden durch eine maßlose Verschuldungspolitik gefährdet. Mit dem Abschluss der Verwaltungsvereinbarung werden wir bestimmten Auflagen unterworfen, ansonsten riskieren wir den Verlust der Konsolidierungshilfen.

Sollen wir die Mittel für das Teilentschuldungsprogramm ebenfalls über zusätzliche Schulden finanzieren? Eine Politik, die die Lösung unserer Probleme den nachfolgenden Generationen aufbürdet, kann keine seriöse und keine nachhaltige Politik sein. Diesen wird dann nahezu jeder Handlungsspielraum genommen, wenn die zukünftigen Haushalte nur noch aus Zinsen, Tilgung, Personalausgaben und Rechtsverpflichtungen bestehen. Diese Denk- und Handlungsweise lehnen wir ab.

Nur mit einer soliden Haushaltspolitik kann man künftigen Politikergenerationen die Möglichkeit eröffnen, Politik zu gestalten. Dazu muss man aber populistische Diskussionen unterlassen.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zum bundespolitischen Teil des Antrages. Ich finde es sehr bedauerlich, dass diese mit der Frage des Nachtragshaushaltes verbunden werden, obwohl keine Verbindung besteht. Der Hinweis, es gehe in beiden Fällen um die Kommunen, ist dafür nicht ausreichend.

Wir Sozialdemokraten sind ebenfalls dafür, die Gewerbesteuer als zentrale Einnahmequelle für die Kommunen aufrechtzuerhalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir sind sogar für eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen und durch die Einbeziehung der Freiberufler und Selbständigen.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der CDU)

Denn diese nutzen ebenfalls die kommunale Infrastruktur. Allen Plänen, die Gewerbesteuer abzuschaffen, erteilen wir eine klare Absage.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Tull- ner, CDU)

Völlig einig sind wir uns auch darin, dass die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft nicht weiter abgesenkt werden darf.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir lehnen diesen Antrag nicht ab, weil wir unseren Kommunen nicht zur Seite stehen - -

(Heiterkeit bei der SPD)

- Entschuldigung. Wir lehnen diesen Antrag ab,

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Schade! - Heiterkeit)

nicht weil wir unseren Kommunen nicht zur Seite stehen wollen, sondern weil wir den vorgeschlagenen Weg nicht für zielführend halten.

Eine zusätzliche Aufnahme von Schulden hilft den Kommunen nur bedingt für das Jahr 2011, verändert aber

nicht grundsätzlich ihre Situation. Die ohnehin schwierige Lage des Landes verschärft sich weiterhin. Eine solche Vorgehensweise würde sich bitter rächen und auch für die Kommunen Konsequenzen haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Minister Herrn Hövelmann)

Herr Graner, es gibt eine Nachfrage.

Keine Fragen.

Herr Kley, wollten Sie intervenieren? - Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt vernommen, wie die Koalitionsfraktionen und der Finanzminister dazu stehen und dass sie meinen, die Kommunen seien auskömmlich finanziert.

Es erstaunt mich nur, dass dieselben Landtagsabgeordneten, die hier meinen, es sei ausreichend, gleichzeitig in ihren Kommunalparlamenten ständig beschließen, das Land möge gefälligst Mittel in Höhe von 20 Millionen € oder 30 Millionen € mehr überweisen, weil die Kommunen nicht auskömmlich finanziert sind. Ich weiß nicht, ob die Kollegen schizophren sind. Aber vielleicht sollte man einmal eine ernsthafte Finanzpolitik auf allen Ebenen des Landes gestalten.

(Zustimmung von Herrn Franke, FDP - Beifall bei der LINKEN)

Herr Grünert, möchten Sie etwas erwidern? - Ja.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte schon auf ein paar Vorwürfe eingehen; denn die kann man so nicht stehen lassen, wenn man seriös Politik machen möchte. Den Kommunalfinanzbericht habe ich mir nicht ausgesucht. Das ist das Abbild dessen, was wir in unserer Verantwortung als Landtag und letztlich mit unseren Beschlüssen vor Ort geleistet haben. Angesichts dessen kann man sich nicht hinstellen und sagen, das existiere alles nicht.

(Minister Herr Bullerjahn: Hat doch keiner gesagt!)

- Herr Bullerjahn, lassen Sie mich bitte ausreden; Sie können mir anschließend eine Frage stellen, dann kann ich darauf eingehen.

Die Investitionsquote ist in den letzten Jahren immer weiter gesunken. Es ergibt wenig Sinn, wenn Strukturpolitik über Fördermittelbescheide der Ministerien entschieden wird und nicht mehr von den kommunalen Gebietskörperschaften - dort gehört es eigentlich hin.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist: Über Ihr so genanntes Stark-II-Programm mit der Entschuldung nehmen Sie den kommunalen Gebietskörperschaften die Entscheidung über Investitionen;

denn Sie verpflichten sie, zehn Jahre lang keine neuen Kredite aufzunehmen.