Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Höhn. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Tögel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auch versuchen, es kurz zu machen. - Frau Mittendorf hatte ja bei der ersten Beratung über diesen Antrag am 29. April 2010 darauf hingewiesen - ich zitiere -:

„Ich persönlich und meine Fraktion hätten dem Antrag der Fraktion DIE LINKE durchaus zustimmen können. Da wir aber disziplinierte Menschen

sind und die Koalitionspartner achten, werden wir den Antrag in die Ausschüsse überweisen...“

Das hat tatsächlich zu einem nicht zu erwartenden, aber guten Ergebnis geführt, nämlich dass wir nunmehr eine Beschlussempfehlung haben, das Kooperationsverbot des Bundes im Bereich der Bildung ein wenig aufzuweichen.

Ich gebe allerdings Herrn Staatsminister Recht, dass die Chancen, hierbei etwas zu erreichen, relativ gering sind. Wir haben gerade zwei Föderalismusreformen hinter uns. Dabei waren harte Diskussionen zu ganz anderen Themen auf der Tagesordnung und es ist auch über das Kooperationsverbot im Bereich der Bildung bzw. über die Zusammenarbeit diskutiert worden. Die Ergebnisse waren nicht so, dass wir sagen könnten, wir bekommen an dieser Stelle eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.

(Herr Borgwardt, CDU: Ernüchternd!)

Der goldene Zügel, von dem der Staatsminister geredet hat, ist natürlich in gewisser Weise verlockend. Auf der anderen Seite steht dem die Kulturhoheit der Länder entgegen.

Als überzeugter Europapolitiker wünsche ich mir auch - das war auch Thema im Ausschuss -, dass es nicht mehr ein Risiko für die Kinder ist, innerhalb von Europa umzuziehen und die Kinder in einem anderen Land in die Schule zu schicken. Aber vor allem möchte ich, dass es kein Risiko mehr für die Bildung der Kinder ist, wenn die Familien innerhalb der Bundesrepublik Deutschland umziehen - nicht dass die Kinder in einem anderen Bundesland keinen Anschluss mehr finden oder aufgrund anderer Bildungsstrukturen und -systeme nur schwer den Anschluss in ihren Schulklassen finden.

Ich denke, in einem vereinten, größer werdenden Europa sollten wir es hinbekommen, zumindest innerhalb des Landes den Schulwechsel ohne Verlust von Motivation und ohne Leistungseinbuße zu ermöglichen. Das ist ein Wunsch, den ich persönlich bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern habe. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP spricht der Abgeordnete Herr Kley.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debattenbeiträge, die wir bisher zu diesem Punkt gehört haben, lassen uns in unserer Meinung, dass das Ganze sehr skeptisch zu sehen ist, nur umso fester werden.

Die Diskussion, dass es künftig so sein möge, dass wir überall in Deutschland das gleiche Schulsystem haben - darauf lief ja die Bemerkung des Herrn Tögel hinaus -,

(Herr Höhn, DIE LINKE: Aber nicht der Antrag!)

kann uns, glaube ich, nicht optimistisch schätzen lassen. Denn wenn man einmal hinschaut, wie es in Bremen oder in Nordrhein-Westfalen aussieht, dann weiß man, dass noch sehr viel des Weges zu gehen ist, bis diese Länder andeutungsweise an unsere Qualitäten heran

kommen. Dieses hier im Landtag zu begrüßen, kann nicht unsere Intention sein.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Im Übrigen haben wir es ja gestern bei meiner Kleinen Anfrage gehört, dass es überhaupt keine validen Zahlen über die Anzahl der Schüler gibt, die über die Landesgrenze hinaus wechseln. Das heißt, wir befassen uns hier mit einem ganz wichtigen Thema, das bisher überhaupt nicht fassbar war.

Vielleicht ist es einmal an irgendeiner Stelle möglich, das Ganze etwas mehr zu untermauern, um auch zu wissen, wie die Diskussion künftig weiter zu führen ist. Andererseits ist es, glaube ich, wenn wir zum eigentlichen Kern des Anliegens zurückkehren, nämlich zu der Thematik, der Bund möge so gnädig sein und uns Geld für unsere Schulsachen geben, der völlig falsche Ansatz.

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn der Bund etwas tun möchte für die Bildung, dann müssen wir verhandeln über andere Anteile bei der Einkommensteuer, über andere Anteile bei der Mehrwertsteuer oder über andere kontinuierliche Zuweisungen, die es uns erlauben, in den Schulen langfristig qualitativ zu arbeiten, statt kurzfristige Bundesprogramme zu erhoffen und abzuwarten.

Deshalb sollte man, glaube ich, auch wieder ein wenig stolz auf die eigene Kultushoheit sein und sie nicht nur erwähnen und andererseits darum bitten, dass der Bund - wir haben es gehört - mit großen Finanzprogrammen die weitere Entwicklung der Schulen und Universitäten in den Ländern bestimmt.

In den seltensten Fällen waren zentralisierte Programme, die nicht die jeweiligen regionalen Besonderheiten widergespiegelt haben, langfristig angelegt. Wenn man sich anschaut, was in der Vergangenheit an Bundesprogrammen auf uns niedergekommen ist, dann sieht man, dass von keinem ein langfristiger positiver Effekt zu verzeichnen war. Wenn man das jüngste Programm, die Implementierung der Ganztagsschule, den Abbrecherquoten an den Schulen gegenüberstellt, dann sieht man keinerlei positive Korrelation.

Ich glaube deshalb schon, dass es wichtig wäre, dass die Länder mehr Möglichkeiten haben, im Bereich der Bildung etwas zu tun. Aber eine Auflösung und eine Abgabe nach oben, das hilft uns an dieser Stelle keineswegs weiter.

Es ist natürlich opportun und einfach, sich gegenwärtig Umfragen anzuschauen. Die Mehrheit der Bürger möchte, dass der Bund zuständig ist. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, doch nicht deshalb, weil man denkt, dass damit Probleme gelöst werden, sondern weil man einfach Anforderungen an die Politiker stellt, die eigenen Probleme im Land entsprechend anzufassen. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen; die dürfen wir nicht wegdelegieren.

Die ständige Annahme, dass der eine Kultusminister im Bund klüger wäre als die 16 Kultusminister der einzelnen Länder, ist, glaube ich, durch nichts zu begründen. Die alte preußische Ansicht „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“, mag begrenzt stimmen. Aber der Bundespolitiker ist nicht automatisch so viel weiser als der Landespolitiker. Wir sollten unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern unsere eigenen Hoheiten wahrnehmen. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Kley, es gibt eine Nachfrage von Herrn Höhn. Würden Sie diese beantworten?

Herr Höhn, bitte sehr.

Lieber Kollege Kley, ich war bei Ihrer Rede eben ein bisschen verwundert, weil ich nicht genau weiß, worüber Sie eigentlich geredet haben. Über den Antrag und über die Beschlussempfehlung haben Sie nicht gesprochen.

Deshalb meine Frage, an welcher Stelle Sie aus dem Antrag bzw. aus der Beschlussempfehlung herauslesen, dass sich dieses Haus für eine Vereinheitlichung der Bildungsstrukturen der Länder ausspricht. Wofür sich dieser Landtag aussprechen möge, ist, das Kooperationsverbot aufzuheben, nicht aber, dass die Kompetenz der Länder an den Bund abgegeben wird.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Höhn, Sie haben es vernommen - sowohl aus der Rede des Herrn Staatsministers, der aus der Erfahrung heraus eine sehr starke Einflussnahme des Bundes über den goldenen Zügel fürchtete, als auch über die Wunschrede des Kollegen Tögel, der meinte, der Bund müsse es dann regeln -,

(Zuruf von Herrn Tögel, SPD)

dass offensichtlich die Grundintention dieses Antrages von vielen anderen stärker erkannt wurde.

Wer sich einmal anschaut, wie Kooperationsbeziehungen ausgelegt werden, der weiß, dass der Größere und Stärkere künftig immer die Dominanz haben wird. Ich glaube, wer frühzeitig Kompetenzen abgibt, braucht sich später nicht zu wundern, dass er überhaupt keine mehr hat.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Kley. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Schellenberger. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass allein schon das Abstimmungsverhalten zeigt, dass wir uns bei dieser Geschichte relativ einig sind. Ich denke auch, man muss sie ein bisschen entspannt betrachten.

„Kooperationsverbot“ - ich würde es anders bezeichnen. Ich würde es als „Bildungspartnerschaft“ bezeichnen. Das ist schon eine gute Richtung. Natürlich muss man aufpassen, dass der Bund an dieser Stelle nicht die Dominanz übernimmt und dann das Sagen hat. Das Sagen sollen die Länder haben.

Deshalb finde ich es auch gut, dass in 16 Ländern unterschiedliche Möglichkeiten bestehen. Aber in einem hat

Herr Tögel Recht: Wir müssen darauf achten, dass zum Schluss die Standards in den einzelnen Bundesländern gewährleistet sind.

Welchen Weg man einschlägt, dazu gibt es Gott sei Dank sehr unterschiedliche Auffassungen. Wir haben es in Sachsen-Anhalt gerade im Konvent erlebt, dass es auch in unseren Reihen unterschiedliche Auffassungen gibt.

Wir, die CDU, werden darum kämpfen, unsere ganz speziellen Auffassungen durchzusetzen; denn wir halten es für eine sehr wichtige Linie in der Bildungspolitik. Darin sehen wir auch unsere Verantwortung.

Zurück zum Bund. Die Unterstützung des Bundes bei Bildungsaufgaben nehmen wir natürlich gern in Anspruch. Aber es muss immer die Möglichkeit bestehen, dass auch von unserer Seite aus mitbestimmt werden kann, wie der Einsatz ist. Das heißt, es kann keine einseitige Oktroyierung seitens des Bundes erfolgen.

So gesehen sollte man das Gespräch angehen. So verstehen wir auch den Antrag. Das heißt, der Herr Staatsminister wird dann diese Gespräche führen. Wir sind sehr gespannt, wie erfolgreich er sein wird. Ich denke, er hat die Aufgabe klar verstanden. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Dr. Schellenberger. - Damit ist die Debatte beendet. Wir stimmen nunmehr über die Drs. 5/2868 ab.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien in der Drs. 5/2868 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das ist die FDP-Fraktion. Der Beschlussempfehlung wurde somit zugestimmt.