Protokoll der Sitzung vom 15.11.2013

Ich glaube, dass die Einbindung des Landesbehindertenbeauftragten in die fachliche Ebene des Sozialministeriums richtig ist. Die Schwierigkeit bleibt natürlich immer, dass es alle anderen Ressorts auch betrifft. Man muss zum Beispiel sagen: Beim Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr ist ja auch - die unterstützen das - das Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit angesiedelt. Es ist schwierig, das ständig mit einzubinden. Es gibt viele Organisationen und Institutionen, die sich auf der Ebene im Sinne der Verbände für Menschen mit Behinderungen einsetzen.

Was allerdings unbestritten bleibt - deshalb ist es eine Daueraufgabe, die man mit so einem Antrag wieder ins Gedächtnis rufen kann und soll -, ist, dass weiter dafür sensibilisiert werden muss, dass wir alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung - ich nehme auch an, all das, was wir in den Gremien von Parteien oder in den Fraktionen haben - immer im Lichte von Inklusion sehen müssen und auch selbst überprüfen müssen, wie weit wir dabei gut sind.

Ich merke es ja bei mir selbst, wie oft wir über etwas reden, wo ich nicht den Gedanken der Inklusion im Kopf habe, weil „Inklusion“ eben nicht nur „Barrierefreiheit“ heißt. Es gibt viele andere Dinge, die dazu gehören.

Also: Ich sehe zwar die Notwendigkeit, dass man immer wieder darauf achtet, appelliert und sensibilisiert, auch dass sich die Landesregierung untereinander ressortübergreifend verständigt. Das muss man immer wieder neu machen. Das ist wie in der gesamten Gesellschaft auch. Aber ansonsten sehe ich den Forderungen, die Sie in den zwei Punkten beschreiben, dass er eine umfassende Vorprüfung für alle Vorgänge hat, als nicht berechtig an, und weiß auch, dass das vom Behindertenbeauftragten nicht gewollt ist.

Vielen Dank, Herr Minister Bischoff. Es gibt eine Anfrage. Möchten Sie diese beantworten?

Ja, ja. Ach so, Entschuldigung, Herr Gürth. Ich wollte schon Feierabend machen.

(Herr Borgwardt, CDU: Warst jetzt so vertieft in den Behindertenbeirat!)

Okay. - Frau Kollegin Zoschke.

Das war jetzt so die Schrecksekunde. - Herr Minister, würden Sie mir Recht geben, wenn ich noch einmal auf die Tatsache verweise, dass unser Antrag die Grundlage in den Beschlüssen des Beirates für Menschen mit Behinderungen, zu denen auch der Landesbehindertenbeauftragte anwesend ist, hat?

Meine zweite Frage. Wenn wir die UN-Behindertenrechtskonvention als verpflichtend ansehen: Gilt das dann nur für das Sozialressort oder gilt das für alle Ressorts?

Die letzte Frage kann ich ausdrücklich bejahen. Es gilt für alle Ressorts. Das ist völlig klar. Deshalb richtet sich mein Appell an dieser Stelle an meine Kollegen im Kabinett, darauf zu achten, dass wir für alles, was wir an Verordnungen, an Regelungen, nicht nur an Gesetzen, bringen, rechtzeitig den Blick auch auf die Frage der Inklusion und darauf richten, wie weit die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gewährleistet wird. Das ist richtig.

Vielleicht muss man es noch einmal mit in den Beirat nehmen; der Landesbehindertenbeauftragte ist ja auch Mitglied des Beirates: Er sagt mir deutlich, er sieht sich nicht in der Lage und will es auch nicht, es vorzusortieren. Man muss überlegen, wann es in den Ministerien losgeht, wenn wir Gesetzesvorhaben, Verordnungen, Richtlinien und Ähnliches auf den Weg bringen. Er müsste bei all den Dingen, die wir täglich haben, mit einbezogen werden. Er müsste die Möglichkeit haben, vorzusortieren. Er müsste also mit am Tisch sitzen. Er würde von allen Ressorts mit Papier vollgeschlagen werden. Er sagt, das kann er nicht leisten.

Die Ressorts sind - wie wir alle - gefordert, diese - in Anführungsstrichen - Vorsortierung selbst vorzunehmen und zu sehen, wann und bei welchem Vorhaben sowohl der Landbehindertenbeirat als auch der Landesbehindertenbeauftragte einbezogen werden. Sonst ist das nicht zu leisten. Er bräuchte sonst ein Gremium oder einen Arbeitsstab, der doppelt so groß sein müsste wie manche Ministerien. Ich glaube, das müsste man vorher dort deutlich machen. Es wäre irreführend, wenn das beide Gremien leisten sollten.

Vielen Dank, Herr Minister. Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Wir fahren fort. In der Debatte spricht nun für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Gorr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als regelmäßiger Gast beim Landesbehindertenbeirat habe ich ein gewisses Verständnis für den Antrag der Fraktion DIE LINKE zur angemessenen Beteiligung des Landesbehindertenbeirates und des Landesbehindertenbeauftragten.

Die fehlende frühzeitige Einbeziehung des Landesbehindertenbeauftragten bei einer der letzten Schulgesetzänderungen oder die fehlende fachliche Beratung zur Landesbauordnung haben aufseiten der Betroffenen zu großem Unmut und Unverständnis geführt. Dieses ist aus meiner Sicht in gewisser Weise nachvollziehbar.

Allerdings ist es aus meiner Sicht überzogen, mit einem Antrag auf gesetzliche Grundlagen hinzuweisen, deren Anwendung durch die Landesregierung sichergestellt werden soll, auch wenn es sich um den Beschluss des Landesbehindertenbeirates handelt.

Die UN-Behindertenrechtskonvention ist in einen Landesaktionsplan Sachsen-Anhalt mit einer Vielzahl von Handlungsfeldern und Handlungszielen eingeflossen, der von der Landesregierung ganz klar als Querschnittsaufgabe angesehen wird.

Sowohl der Ministerpräsident als auch andere Minister - zuletzt Minister Bischoff - nehmen Kritik und Wünsche des Behindertenbeirates und seiner Vertreterinnen und Vertreter aus den Behindertenvereinigungen des Landes auf. Diese bringen sich dort aktiv in die politische Arbeit ein. Aus dieser Arbeit entstehen natürlich auch die Beschlüsse.

Es ist unstrittig, dass die Sensibilisierung für das Thema „Menschen mit Behinderung und Inklusion“ verbesserungsbedürftig ist. Wir müssen die damit verbundenen Probleme offen ansprechen und zu lösen versuchen. Dafür sind wir als Parlamentarier da. Aber generell kann nicht von einem Missstand in der bisherigen Praxis der entsprechenden Informations- und Anhörungsrechte gesprochen werden. Daher werden wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen.

Abschließend möchte ich die Worte der Abgeordneten Frau Zoschke wiederholen: Es ist nicht das Gesetz, sondern die Praxis zu ändern.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Pasch- ke, DIE LINKE: Dafür war der Antrag da!)

Danke schön, Frau Abgeordnete Gorr. - Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Lüddemann.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Freuen Sie sich nicht zu früh. Das ist noch nicht das Schlusswort.

(Herr Borgwardt, CDU: Ja, ja! Das ist klar!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das ist ein Antrag, den wir jetzt hier zu behandeln haben, von dem ich vor zweieinhalb Jahren, als ich noch nicht im Parlament war, gedacht hätte: Solche Anträge sind völlig unnötig. Denn der Kern dieses Antrages ist, dass wir beschließen, dass geltendes Recht umgesetzt wird. Das sagt auch die Kollegin von der CDU. Ich finde, das ist leider Gottes gegenüber dem, was wir heute in diesem Hohen Hause schon erleben mussten, eine kleine, aber weitere Peinlichkeit. Das muss man hier auch einmal deutlich feststellen.

(Zurufe von der SPD)

Ich finde es, ehrlich gesagt, peinlich, dass wir darüber reden, wie wir es umsetzen, dass sich der Behindertenbeirat fachlich einbringen kann, wie die das einschätzen sollen, und dass gesagt wird, das wäre alles zu viel. Das ist doch genau das, was mit „Inklusion“ gemeint ist, nämlich dass nicht wir die Entscheidung treffen, zu welchem Problemfall sich die Menschen mit Behinderungen, in diesem konkreten Fall der Landesbehindertenbeirat, einbringen, sondern dass das die Betroffenen selbst einschätzen.

Das erinnert mich ganz fatal an Diskussionen, die wir vor 20 Jahren im Bereich Frauen und Männer bei der Gleichstellung der Geschlechter hatten. Da hieß es auch immer: Was muss denn der Landesfrauenrat überall mitreden; das entscheiden die Behörden. - Nein, das entscheiden die Frauen selbst. Sie suchen sich die Punkte heraus, bei denen sie eine fachliche Kompetenz haben. Sie entscheiden, wo sie einen Punkt sehen, wo sie sich einbringen wollen, wo ein Missstand ist, zu dem sie sich äußern wollen, was ein Punkt ist, zu dem sie konkrete Vorschläge haben.

Nichts anderes ist hier für die Menschen mit Behinderungen vorgesehen. Wir brauchen überhaupt nicht darüber zu reden, wer es ihnen zuteilt. Insofern hätte ich es verstanden, wenn die Koalitionsfraktionen den letzten Satz unter Punkt 1 gestrichen haben wollten; denn dieser ist aus meiner Sicht völlig unnötig. Aber alles andere ist nur die Feststellung: Geltendes Recht muss umgesetzt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dafür habe ich nicht wirklich Verständnis. Wenn das nötig ist - das habe ich auch gelernt in den letzten zweieinhalb Jahren -, dann tun wir das, aber es ist peinlich ohne Ende.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete Lüddemann. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Dr. Späthe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Bevor ich es vergesse: Ich bin seit sieben Jahren beratendes Mitglied im Behindertenbeirat, und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich den Ausführungen von Frau Zoschke und dem Dank für das anschließen, was die Menschen mit und ohne Behinderung, die ehrenamtlich in dem Beirat sitzen, in der Regel sonnabends leisten. Also, mein ausdrücklicher Dank.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Anlass für die heutige Debatte und für den Beschluss sowie Anlass für die Verärgerung war in der Tat die Herausgabe der bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Insofern bin ich froh, dass Minister Webel nun im Raum ist. Ich hatte gestern schon ausgeführt, dass es das Versäumnis gab, den Behindertenbeirat und den Behindertenbeauftragten in angemessener Form zu beteiligen bzw. die Hinweise die diese gegeben haben, aufzunehmen. Denn beteiligt waren sie, aber ihre Hinweise wurden nicht aufgenommen.

Es ist richtig, dass die Arbeitsgruppe „Barrierefrei“ - -

(Herr Schröder, CDU, unterhält sich an der Regierungsbank mit Minister Herrn Webel)

- Entschuldigung, Herr Schröder, ich hätte jetzt gern ein direktes Wort an Minister Webel gerichtet. - Die Arbeitsgruppe „Barrierefrei“ hat ihren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass eine regelmäßige Teilnahme eines Vertreters Ihres Hauses nicht mehr möglich ist. Der Herr Ministerpräsident war beim Runden Tisch der Menschen mit Behinderungen anwesend, hat das aufgenommen und hat den Hinweis weitergeleitet.

Ich habe es gestern bereits gesagt: Es ist nicht immer so, dass das Verwaltungshandeln den inklusiven Gedanken in sich trägt und ihn weiterträgt. Das ist ein weiter Weg, den wir noch vor uns haben. Aber er ist im Entstehen und wird weitestgehend berücksichtigt.

Nun noch eine Sache zu dem Antrag. Im Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt, das

wir vor einigen Jahren hier im Hause beschlossen haben, haben wir gerade um den Punkt der Beteiligung des Behindertenbeauftragten und Behindertenbeirats sehr, sehr lange gerungen. Wir haben in den Ausschüssen darüber beraten, wir haben mit dem Behindertenbeirat darüber beraten und mit dem Behindertenbeauftragten auch. Dabei kam die Formulierung heraus, die jetzt im Gesetz steht, unter Mitwirkung des Beauftragten und des Beirats, nämlich eine Beteiligung in angemessener Weise, wenn die Belange betroffen sind.

(Zustimmung von Frau Gorr, CDU)

Dass wir an der Umsetzung noch arbeiten müssen und dass diese zum Teil noch zu wünschen übrig lässt, ist mehrfach gesagt worden. Aber wir sehen in der Tat nach wie vor keinen Anlass dafür, einen Beschluss zu fassen, der das geltende Recht bekräftigt. Die Praxis - damit haben Sie Recht - muss geändert werden; das sehen wir auch so. Aber einen gesonderten Beschluss des Landtages zur Einhaltung der Gesetze dieses Landes, den wollen wir nicht. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Zum Schluss der Debatte hat noch einmal Frau Kollegin Zoschke das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir wenigstens die Einschätzung in diesem Hause teilen, dass die Praxis mitnichten der gesetzlichen Grundlage entspricht. Das ist aber das Einzige, was wir in diesem Hause teilen. Ich hoffe, dass die Mitglieder des Beirates die Redebeiträge der einzelnen Fraktionen tatsächlich zur Kenntnis nehmen.

Ich sage es noch einmal: Es ist nicht mein Beschluss gewesen, der Grundlage für unseren Antrag war, sondern es ist der Beschluss derjenigen, die ehrenamtlich arbeiten, um die Belange von Menschen mit Behinderungen im Land SachsenAnhalt zur Geltung zu bringen. Wenn sie feststellen, dass es Defizite gibt, dann müssen wir uns diesen Defiziten stellen; denn wir sind dafür zuständig, das auch der Landesregierung in das Aufgabenheft zu schreiben.