Dass Abschiebungshaft als freiheitsentziehende Maßnahme - das hatte ich schon damals, im Februar, gesagt - nur dann als letztes Mittel in Betracht kommt, wenn es unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls kein milderes Mittel gibt, das zur Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht ausreichen würde, ist geltendes Recht und wird von uns auch strikt eingehalten. Denn absoluten Vorrang hat immer und genießt immer die freiwillige Ausreise, die aus diesem Grund durch eine Reihe von Förderprogrammen und Beratungsangeboten unterstützt wird.
Erst wenn ein vollziehbar Ausreisepflichtiger offensichtlich eine freiwillige Ausreise ablehnt und sich zudem der Rückführung zum Beispiel durch Untertauchen entzogen hat bzw. wenn damit zu rechnen ist und eine Abschiebung konkret bevorsteht, stellt der Staat durch die Anordnung von Abschiebungshaft sicher, dass die Durchsetzung geltenden Rechtes nicht weiterhin am Verhalten der Betroffenen scheitert.
Zu der Bitte, Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Abschiebungsgefangenen zu prüfen. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass unser Bundesland einiges unternommen hat, um die Belastungen der Abschiebungsgefangenen durch den Vollzug der Abschiebungshaft möglichst gering zu halten.
Dies trifft insbesondere auf die in der Beschlussempfehlung angesprochene psychosoziale Betreuung zu. Wir haben bereits im Jahr 1995 eine auf die besonderen Bedürfnisse von Abschiebungsgefangenen ausgerichtete psychosoziale Betreuung etabliert, die von einem externen Träger durchgeführt wird.
Auch mit Blick auf die Prüfung eventueller Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Bundesländern beim Vollzug der Abschiebungshaft ist mein Haus vor dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses des BGH an den EuGH zu der Frage, ob der Vollzug der Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten
Die Unterbringung in den Justizvollzugsanstalten erfolgt räumlich strikt getrennt von Straf- und Untersuchungsgefangenen. Die bestehende Praxis ist von § 62a des Aufenthaltsgesetzes gedeckt, da diese Vorschrift es zulässt, dass die Abschiebungshaft in Ländern, die nicht über spezielle Abschiebungshafteinrichtungen verfügen, unter Beachtung des Trennungsgebotes in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden kann. Die Vorschrift setzt meines Erachtens das Trennungsgebot nach Artikel 16 der EU-Rückführungsrichtlinie richt
Wir haben die seit Kurzem vorliegenden Schlussanträge des Generalbundesanwaltes beim Gerichtshof der Europäischen Union zu der Vorlage des Bundesgerichtshofes zur Kenntnis genommen, die rechtlich eine andere Tendenz erkennen lassen. Auch vor diesem Hintergrund müssen wir uns natürlich für den Fall, dass sich auch der EuGH nicht der deutschen Rechtsauffassung anschließt, Gedanken über Handlungsalternativen machen. Aber das warten wir zunächst ab.
Weil wir wissen, dass Abschiebungshaft ein in mehrfacher Hinsicht sensibles Instrument ist, kann ich Ihnen versichern, dass wir auch weiterhin ein besonderes Augenmerk auf ihre Anordnung und Vollziehung richten werden, um sowohl den berechtigten Belangen der Betroffenen als auch dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung der Ausreisepflicht gerecht zu werden. - Herzlichen Dank.
Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Debatte der Fraktionen ein. Ich weise darauf hin, dass es eine Dreiminutendebatte ist. Als erste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Quade für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der ersten Beratung zu unserem Antrag im Februar 2014 schätzte der Kollege Kolze zum Inhalt unseres Antrages ein: „Es versteht sich von selbst, dass wir dazu diametral anderer Auffassung sind.“
Das zeigte sich in der Beschlussberatung und zeigt sich auch in der Beschlussempfehlung. Insofern wäre es illusorisch gewesen zu glauben, unser Antrag würde eine Beschlussempfehlung im Innenausschuss bekommen, die von allen Fraktionen des Hohen Hauses mitgetragen wird.
Meine Fraktion wird sich bei der Abstimmung, wie auch im Ausschuss, der Stimme enthalten. Ich möchte auf die Gründe dafür eingehen.
Ja, die Koalitionsfraktionen sehen mit der Beschlussempfehlung einen Prüfungsbedarf; das hat auch der Minister soeben ausgeführt. Der Prüfungsbedarf ist mit der Vorlage der neuen Unterlagen beim EuGH tatsächlich noch größer geworden. Mit dem Auftrag, die Möglichkeiten zur Realisierung der Abschiebungshaft in Einrichtungen anderer Bundesländer zu prüfen, deutet die Landesregierung auch an, wohin die Entwicklung aus ihrer Sicht gehen soll.
In der zentralen Zielstellung unseres Antrages bleibt es allerdings bei grundsätzlich unterschiedlichen Sichtweisen. Unser Ziel ist es, die Abschiebungshaft, also den Freiheitsentzug zur Durchsetzung einer Verwaltungsentscheidung, als Instrument staatlichen Handelns zu überwinden, weil wir es für unverhältnismäßig und für nicht gerechtfertigt halten.
Davon ist in der Beschlussempfehlung keine Rede. Auch der Auftrag zur Entwicklung von Alternativen zur Abschiebungshaft innerhalb der ständigen Konferenz der Innenminister fehlt gänzlich. Deswegen werden wir der Beschlussempfehlung nicht zustimmen.
Ich will noch einen weiteren Punkt Ihrer Beschlussempfehlung ansprechen. Sie konstatieren Folgendes:
„Der Landtag von Sachsen-Anhalt geht davon aus, dass die im Land Sachsen-Anhalt für die Durchsetzung der Ausreisepflicht zuständigen Behörden ihr Ermessen bei der Anwendung des Aufenthaltsgesetzes auch unter besonderer Würdigung der persönlichen Situation der Betroffenen ausüben.“
Der kürzlich vorgestellte Jahresbericht der Härtefallkommission im Land spricht aus der Sicht meiner Fraktion eine deutlich andere Sprache. In 24 Fällen - in zehn davon waren Kinder die Betroffenen - prüfte offenbar erst die Härtefallkommission die persönliche Situation der Betroffenen ernsthaft; denn in 24 Fällen wurde eine bereits avisierte Abschiebung ausgesetzt, indem der Innenminister der Empfehlung der Kommission folgte. Die Frage ist doch, was vor dem Tätigwerden dieser Kommission eigentlich geprüft wurde und wie.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Angesichts verschiedener in der Vergangenheit zu Recht skandalisierter Vorgänge, wie des Versuchs, eine jesidische Familie in Magdeburg in einer Nacht-undNebel-Aktion abzuschieben, bei dem die Mutter der Familie versuchte, sich das Leben zu nehmen, die „unter besonderer Würdigung der persönlichen Situation der Betroffenen“ wirkenden Behörden die Abschiebung der übrigen Familienmitglieder aber munter fortsetzten und erst beim zweiten Selbstmordversuch der Mutter stoppten - angesichts die
ser und anderer Vorfälle, die keine Einzelfälle sind, können wir auch dieser Feststellung in der Beschlussempfehlung ausdrücklich nicht zustimmen, obwohl wir es gern täten, weil wir gern eine andere Situation im Land hätten. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Innenausschuss eingehend mit der Situation der Abschiebungshaft im Land Sachsen-Anhalt beschäftigt. Da in SachsenAnhalt keine speziellen Abschiebehafteinrichtungen vorhanden sind, wird die Abschiebungshaft hier im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben in Justizvollzuganstalten vollzogen, wobei die Abschiebungshäftlinge dort räumlich getrennt von sonstigen Häftlingen untergebracht werden. Der Vollzug der Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt entspricht in vollem Umfang den rechtsstaatlichen und meiner Meinung nach auch den humanitären Anforderungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschiebungshaft hat keinen Strafcharakter, sondern dient allein der Sicherung des Verfahrens. Um diesem Abstandsgebot hinreichend Rechnung zu tragen, bitten die Koalitionsfraktionen in ihrer Beschlussempfehlung die Landesregierung um Prüfung, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Abschiebehäftlingen realisiert werden können und welche Möglichkeiten vorhanden sind, um die Abschiebungshaft gegebenenfalls auch im Verbund mit anderen Bundesländern in Einrichtungen auch außerhalb des Justizvollzuges zu realisieren.
Weiterhin halten die Koalitionsfraktionen in ihrer gemeinsamen Beschlussempfehlung fest, dass es in Deutschland ein verbindliches Aufenthaltsrecht und gesetzliche Ausreisepflichten gibt. Abschiebung und Abschiebungshaft sind notwendige Mittel zur Durchsetzung rechtmäßiger Ausweisungen. Die Abschiebungshaft droht als allerletztes Mittel, als Ultima Ratio nur in Fällen, in denen sich der Betroffene nicht an die Auflagen der Behörde hält, untertauchen will oder sich einer freiwilligen Ausreise verweigert, und setzt im Übrigen auch die Anordnung durch ein unabhängiges gerichtliches Organ durch richterlichen Beschluss voraus.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die von der Fraktion DIE LINKE geforderte Abschaffung der Abschiebungshaft halte ich für weltfremd und falsch. Es gibt leider auch Fälle, in denen die zwangsweise Abschiebung der Anordnung der Abschiebungshaft bedarf. Davor, meine Damen und Herren, darf man die Augen nicht verschließen. Ich
Danke sehr, Kollege Kolze. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kolze murmelte mir eben zu, bei diesem Thema kämen wir wohl einfach nicht zusammen. Ich glaube, an dieser Stelle ist es tatsächlich so.
Meine Damen und Herren! Wir als Fraktion werden heute die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres uns Sport ablehnen, weil sie in keiner Weise der Intention des Antrages der Fraktion DIE LINKE entspricht. Die Fraktion DIE LINKE wollte die Abschiebungshaft als Ultima Ratio abschaffen. Die heute vorliegende Beschlussempfehlung manifestiert die Abschiebungshaft als diese Ultima Ratio.
Wir aber, meine Damen und Herren, glauben, dass auch eine Ultima Ratio es nicht rechtfertigen kann, dass Menschen ohne Urteil und ohne richterlichen Beschluss in Haft genommen werden. Dieser wichtige Grundsatz wird bei der Abschiebungshaft verletzt und daran ändert auch diese Beschlussempfehlung nichts.
Meine Damen und Herren! Die Abschiebungshaft ist aus unserer Sicht und übrigens auch aus der Sicht vieler Fachverbände und übrigens auch großer Teile der Richterschaft unverhältnismäßig. Sie ist teuer und sie macht nachgewiesenermaßen krank.
Was wollte die Fraktion DIE LINKE erreichen? - Sie wollte auch erreichen, dass wir ein Bekenntnis als Land ablegen gegen einen unverhältnismäßigen staatlichen Eingriff in die Freiheitsrechte. Sie wollte den Grundsatz bekräftigen, dass Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis keine Straftäter sind und demnach auch nicht so behandelt werden sollten. Zudem wollte die Fraktion DIE LINKE prüfen lassen, inwieweit bis zu einer abschließenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der sich mit dieser Frage beschäftigt, eine Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt eventuell auszusetzen wäre.
Diese Punkte kommen in der Beschlussempfehlung leider nicht mehr vor. Wegen dieser Ferne zum Ursprungsantrag können wir der Beschlussempfehlung leider nicht zustimmen, meine Damen und Herren.
haft in Sachsen-Anhalt eine Rolle spielt. Das ist so; das ist richtig. Ich habe mir das vor wenigen Wochen in Volkstedt angesehen. Aber es gibt auch Berichte darüber, dass diese Beratung durchaus gefährdet sei aufgrund finanzieller Gegebenheiten. Die finanziellen Grundlagen für diese Beratung sind in der Zukunft möglicherweise nicht mehr gesichert. Ich möchte Sie nach dem Bekenntnis, das Sie hier heute noch einmal abgelegt haben, in die Pflicht nehmen, dafür zu sorgen, dass die Finanzierung der Beratung dauerhaft gesichert wird. Sollte es haushaltsrelevant werden, hoffe ich, dass sich auch der Haushaltsgesetzgeber dieser Verantwortung stellt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließen mit einem Bekenntnis zu der von uns in den letzten Monaten sehr strapazierten Willkommenskultur, die auch eine Anerkennungskultur sein muss, die das anerkennen muss, Herr Scheurell, was Menschen mit in dieses Land bringen. Ich glaube, dass die Abschiebungshaft diametral diesem Ziel entgegensteht und dass sie eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Ursachen einer eventuellen Abschiebung und damit auch der Abschiebungshaft verhindert und nicht ermöglicht. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie bereits im Februar zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ausgeführt, möchte ich wiederholen, dass die Abschiebung und auch die Abschiebehaft natürlich im Rahmen sehr enger rechtlicher Grenzen erfolgt.
Auch heute geschah wieder eine Verwechslung bzw. die bewusste Weglassung: Wenn von der Härtefallkommission gesprochen wird, dann geht es um Fälle, bei denen geprüft wird, ob eine Abschiebung notwendig ist oder nicht. Das ist zunächst die Feststellung über die Abschiebung. Dabei sprechen wir aber noch nicht von der Abschiebehaft. Diese Fälle werden immer vermischt, auch bei den zahlenmäßigen Angaben.
Auch wenn Herr Herbst davon spricht, dass eine Abschiebehaft ohne einen richterlichen Beschluss verfügt wird, so steht doch im Gesetz, dass eine richterliche Anordnung erfolgt. Man kann jetzt darüber streiten, ob es eine Anordnung oder einen Beschluss geben muss. Aber es wird so dargestellt, als wäre überhaupt kein Richter daran beteiligt. Eine richterliche Anordnung ist notwendig.
Also es sind enge rechtliche Grenzen gesetzt worden. Ich denke, es wird uns auch hier in diesem Haus niemand absprechen, dass diese engen Grenzen eingehalten werden sollen und auch eingehalten werden müssen. Dafür ist ein Rechtsstaat da. Die Abschiebung bleibt die Ultima Ratio, wenn ein unberechtigter Aufenthalt festgestellt wird.
Sondern wir sagen, wenn alle Dinge im Vorfeld - das setze ich aber voraus und das beinhaltet dieser Beschluss auch - ordnungsgemäß geprüft worden sind, der Einzelfall auf die persönliche Lage hin geprüft worden ist und man zu der Feststellung gekommen ist, dass eine Abschiebung notwendig ist, dann kann eine Abschiebehaft angeordnet werden, wenn sich jemand der Abschiebung widersetzt. Nur in diesem Zusammenhang ist und kann es notwendig und möglich sein. Das sind Einzelfälle. Da verlangen wir natürlich auch die Einzelfallprüfung.