Es tut mir leid, dass ich Sie jetzt vom Feierabend trenne. Nichtsdestotrotz, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Einige von Ihnen werden jetzt nicht nur ein Déjà-vu haben, weil ich gerade eben vorgetragen habe, sondern auch deshalb, weil ich zu diesem Punkt im Rahmen eines größeren Gesetzentwurfs, den meine Fraktion in dieses Hohe Haus eingebracht hat, auch schon einmal vorgetragen habe.
In Artikel 4 unseres Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen haben Ombudsstellen schon einen wesentlichen Raum eingenommen. Dort haben wir formuliert, dass ein Rechtsanspruch auf Beratung eine unabhängige Amtsführung sichert. Wir wollten an den jeweiligen Jugendhilfeausschuss angegliederte Ombudsstellen vorsehen.
Über den Gesetzentwurf ist kontrovers diskutiert worden. Er wurde im Hohen Haus abgelehnt. Aber in den Beratungen wurde über die unabhängigen Beratungsstellen immer sehr positiv diskutiert. Sie haben viel Zustimmung erfahren, auch aus der Fraktion der CDU. Das hat uns zumindest ermutigt, jetzt noch einmal in einer anderen und kleineren Version hier einen Auftrag auf unabhängige und unparteiische Fachberatungsstellen vorzulegen.
Alle, die sich in der Jugendhilfe auskennen, haben schon vom sozialrechtlichen Dreieckverhältnis gehört. Jugendamt, Klient und Träger stehen sich da gegenüber. Naturgemäß gibt es in diesem Dreieck eine Machtasymmetrie, weil aufgrund von Lebensleistungen und aufgrund von Fachlichkeit natürlich die Vertreter des Jugendamtes, die Eltern und die Träger immer mehr wissen und immer erfahrener sind als der Klient, nämlich die Kinder und Jugendlichen.
Wir wollen diese Kinder und Jugendlichen mehr in die Subjektstellung stellen. Wir wollen, dass auf Augenhöhe zwischen Klient, Verwaltung und Träger diskutiert werden kann. Wir wollen ein Mitmachen für die Kinder und Jugendlichen in diesem Dreiecksverhältnis möglich machen und im Übrigen auch die vom Gesetz vorgegebene Aufgabe, die beispielsweise in den §§ 5, 8 und 36 SGB VIII enthalten ist, umsetzen.
Das hat der Bund mit dem Bundeskinderschutzgesetz im Jahr 2012 schon getan. Diese Regelung gilt aber nur einrichtungsintern. Dort ist es jetzt so, dass als Grundlage für die Betriebserlaubnis für Einrichtungen eine interne Beschwerdemöglichkeit nachzuweisen ist. Nicht nur die bekannten Missbrauchsfälle wie in der Odenwald-Schule oder in der Hasenburg, einer Einrichtung der Jugendhilfe in Brandenburg, haben gezeigt, dass so etwas bitter nötig ist.
Wir wollen jetzt diese einrichtungsinterne Beratungs- und Beschwerdemöglichkeit um eine externe erweitern; denn in dieser internen Beschwerdemöglichkeit geht es naturgemäß oft auch um die Erfüllung des Leistungsvertrages und um tatsächliche Rechtsansprüche gegenüber dem Jugendamt. Das ist etwas anderes als das, was wir mit unserer externen Beratungsstelle erreichen wollen.
Hier geht es uns nämlich darum, dass bereits vor der Antragstellung der Jugendliche oder das Kind schon so gestärkt wird, dass ganz klar ist, welches die richtige Leistung für dieses Kind ist. Es geht darum, die Anspruchsgrundlagen zu identifizieren und einen niedrigschwelligen Einstieg in die Jugendhilfe an der Stelle zu finden, damit sie auch wirklich greifen kann.
Es geht auch darum, das Verhältnis zu anderen sozialen Leistungen abzuklären und zu gucken, welche Leistung tatsächlich vorrangig ist. Es geht darum, eine Lotsenfunktion einzuführen. Es soll also eine Fallbegleitung angeboten werden, die im Einzelfall durchaus über mehrere Monate gehen kann.
Es geht nicht darum, eine parteiische, also quasi anwaltschaftliche Tätigkeit einzuführen, sondern es geht eher in die Richtung von Mediation, im besten Sinne von Allparteilichkeit. Es geht um Vermittlung und Schlichtung. Es geht darum, zu vermitteln und oft auch darum, zu übersetzen.
In der Praxis wird immer wieder darüber geklagt, dass man sich schlicht und ergreifend nicht versteht, dass diejenigen, die vielleicht auch zur sogenannten typischen Jugendamtsklientel gehören, überhaupt nicht verstehen, was das Amt von ihnen will, und dass die Hilfestellungen, die oft auch durch die Amtsmitarbeiter gegeben werden, bei der Klientel gar nicht ankommen, weil die Betroffenen wiederum die Sprache des Jugendamtes nicht verstehen.
Es geht also darum, für beide Seiten zu übersetzen, die Tätigkeiten und die Sprache nachvollziehbar zu machen und die sozialrechtliche Seite zu stärken. Um das leisten zu können, brauchen wir natürlich im sozialrechtlichen und im sozialpädagogischen Bereich verschiedenste Kompetenzen. Das ist durchaus eine anspruchsvolle Arbeit.
Aber - das zeigen auch diejenigen, die bundesweit schon Vorreiter in diesem Bereich sind - man kann dadurch sehr viel Zeit und Geld im Bereich der Jugendhilfe einsparen; denn langwierigen Verhandlungen, zum Teil auch vor Gericht, kann vorgebeugt werden. Beispielsweise kann der Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe schon auf eine mehrjährige Tätigkeit zurückblicken und hat - das kann in den Jahresberichten nachgelesen werden - sehr interessante Erfahrungen gemacht.
Es geht auch für Jugendämter um Qualitätsverbesserung, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Es geht auch darum, dass sich die Verwaltungspraxis aufgrund dieser Erfahrungen verändern kann und dass beispielsweise regelmäßig auftretende ähnliche oder gleiche Problemkonstellationen natürlich Hinweise darauf sind, dass Dinge grundsätzlich neu geregelt werden müssen.
Im Rahmen unseres Gesetzentwurfs ist über diesen Teil nicht diskutiert worden. Der Gesetzentwurf ist im Innenausschuss behandelt worden. Da ist Artikel 4 ausgeklammert worden. Ich finde, das geschah zu Recht, weil sich der Innenausschuss für die Ombudsstellen, die im Bereich der Jugendhilfe agieren sollen, nicht zuständig fühlte. Der für den Bereich zuständige Ausschuss hat es auch nicht getan. Deshalb haben wir als grüne Fraktion zwei Fachveranstaltungen dazu durchgeführt. Wir können nur sagen, dass die Fachwelt durchaus auf Institutionen wartet, die vermitteln.
Uns ist dieses Anliegen sehr wichtig. Das merken Sie daran, dass ich hier zum zweiten Mal vortrage. Wir wollen zu diesem Punkt tatsächlich eine Debatte führen und auch die positive Resonanz der Fachkreise und des Landesjugendhilfeausschusses aufnehmen.
In Halle gibt es Überlegungen, wie man jetzt schon mit Bordmitteln in diese Richtung arbeiten kann. Aber es zeigt sich auch ganz deutlich, dass es aus der Institution heraus so schwierig ist, weil die Institution natürlich ein Teil des vorhin beschriebenen
Professor Reinhard Wiesner, ehemaliger Ministerialrat im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - bekannt auch als Vater des Kinder- und Jugendhilferechts -, hat festgestellt, dass wir mit einer gesetzlichen Verankerung über das, was in anderen Ländern als Modellprojekt besteht -ich habe eben das Beispiel Berlin angeführt - hinausgehen würden, bundesweit Vorreiter gewesen wären. Das ist jetzt Geschichte.
Wir haben eine neue Form vorgelegt. Wir wollen nicht flächendeckend einsteigen, sondern wir wollen, wie das andere Länder auch tun - ich wiederhole mich an der Stelle: beispielsweise Berlin und Baden-Württemberg -, ein Modellprojekt starten.
Wir schlagen vor, an fünf Modellstandorten - diesbezüglich würden sich die fünf Planungsregionen im Land anbieten - ein solches Modellprojekt für drei Jahre aufzulegen, es zu evaluieren und zu schauen, wie es funktioniert. Dann muss man schauen, ob man das in den Regelbetrieb überführt.
Zwei fachliche Stellen in jedem Modellstandort, mit jeweils 100 000 € ausgestattet, sind aus unserer Sicht sinnvoll. Wir werden in den Haushaltsberatungen selbstverständlich entsprechende Anträge mit der gebotenen Gegenfinanzierung einbringen, um die Frage von Kollegin Hohmann, die sicherlich gleich käme, vorwegzunehmen. Das ist jedenfalls aus unserer Sicht geklärt.
Es ist in der Tat ein ambitioniertes Vorhaben. Es ist sehr wichtig, weil es ein Querschnittsthema ist, das an vielen Stellen Wirksamkeit entfalten und im Endeffekt das Geld auch wieder einspielen könnte.
Wenn wir das jetzt für den Doppelhaushalt noch auf den Weg bringen wollen, ist die Zeit relativ knapp. Aber ich habe in den letzten dreieinhalb Jahren in diesem Hohen Haus gelernt, dass, wenn man etwas wirklich will, es auch möglich ist. Das ist das, was wir mit unserem Antrag erreichen wollen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorgeschlagene Schaffung von Beratungs- und Beschwerdestellen, also die Ombudsstellen im Kinder- und Jugendhilfesystem des Landes Sachsen-Anhalt, ist nicht neu. Mit der Reform der Kommunalverfassung haben Sie das mit einge
bracht. Darauf haben Sie schon hingewiesen. In Artikel 4 steht sinngemäß etwas zu den Schlichtungsstellen als Hilfsorgan des Jugendhilfeausschusses.
Ich will jetzt nicht darauf eingehen, in welcher Art und Weise sich die Ausschüsse damit beschäftigt haben. Diesbezüglich kann ich aus dem Innenausschuss nichts Genaues sagen. Zumindest in der zweiten Lesung sind die beiden regierungstragenden Fraktionen auf den Artikel 4 eingegangen. Die Argumente, die damals vorgetragen worden sind, halte ich für stichhaltig.
Ich verstehe zwar Ihr Anliegen, dass es wichtig ist, Jugendliche und Familien in eine Situation zu bringen, wo Externe vermitteln können. Der Grund, weshalb es damals nicht aufgenommen wurde, war, dass diese Regelung gegen das verfassungsrechtliche Gebot der kommunalen Selbstverwaltung verstoße. Das war ein Argument.
Das zweite Argument ist viel wichtiger: Der Gesetzentwurf birgt die Gefahr der Schaffung von Doppel- und Mehrfachstrukturen in der Beratungslandschaft des Landes. Deshalb ist es damals abgelehnt worden. Sie kommen heute mit diesem Vorschlag als Modellregionen. Das ist derselbe Vorschlag, es wird nur anders genannt.
Für mich gilt der zweite Absatz nach wie vor. Unabhängig davon habe ich Bedenken - das habe ich bei Bundesprogrammen auch -, Modelle aufzulegen, bei denen ich nicht weiß, wie sie weitergeführt werden, weil es um finanzielle Ressourcen geht. Ob diese von Ihnen vorgeschlagenen Einsparungen wirklich zutreffend sind, möchte ich erst nachrechnen lassen.
Ich bin der Überzeugung, dass die Strukturen, die wir jetzt in der internen Beschwerdeform haben, ausreichend sind. Sie sind nicht vollkommen, sie haben auch ihre Tücken und Schwierigkeiten. Ich erlebe oft genug, dass die Menschen vor Jugendämtern noch viel zu viel Respekt haben. Sie entscheiden auch nicht immer richtig. Ob das Ombudsstellen besser können, will ich nicht völlig in Abrede stellen, aber ich glaube, dass wir dann Doppelstrukturen hätten, die sich teilweise widersprechen könnten und die eine Menge Geld kosten.
Ich habe versucht, mir einen Überblick zu verschaffen, wie die bundesfachliche Diskussion dazu aussieht. Diese läuft seit gut anderthalb oder zwei Jahren. Hierbei geht es um diese Beratungs- und Beschwerdestelle, also diese ombudschaftlichen Beratungsstellen. Dort diskutieren die einen sehr stark über die Sinnhaftigkeit und die Machbarkeit von Kinderpetitionen, die auch hineingehören. Die anderen wollen ein Hilfsorgan der Jugendhilfeausschüsse installieren, das eine völlig neue gesetzliche Rolle dieses Gremiums wäre.
Ferner gibt es das Modell der neutralen Beratung. Das ist das, was Sie favorisieren, neben dem Jugendamt und dem Jugendhilfeausschuss. Oder vielleicht meinen Sie auch eine übergeordnete neutrale und vor allem unabhängige Ombudschaft.
Allen Modellen gemeinsam ist eine starke Orientierung auf die erzieherischen Hilfen in ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen und die Befürwortung eines externen Beschwerdeverfahrens - jetzt wiederhole ich mich - oder auch der Generalverdacht, dass interne Beschwerdeverfahren nicht ausreichend sind.
Sie merken, dass ich zögere oder nicht einfach nur sage: Dieses Instrument ist völlig ungeeignet. Ich bin nur der Meinung, dass es Doppelstrukturen sind, dass es Geld kostet und dass ich nicht weiß, ob es einen wirklichen Mehrwert hat.
Im Ergebnis des „Runden Tisches Heimerziehung und sexuelle Gewalt“ hat der Bundesgesetzgeber das Beschwerdeverfahren besonders beim Kinderschutzgesetz so geregelt. Ich glaube, dort war es sinnvoll und notwendig, eine solche Stelle einzurichten. Beim Kinderschutzgesetz wurden Netzwerke gebildet. Diesbezüglich ist unser Land auch sehr stark verortet im System der frühen Hilfen, die wir im Sozialministerium verortet haben, wo es darum geht, Netzwerke zwischen allen Akteuren zu schaffen, um Kinder vor Gewalt oder sexuellem Missbrauch zu schützen. Dieses System halte ich für wichtig.
Es ist wichtig, dass alle zusammenarbeiten und das System nicht nur zwischen Jugendamt und Familie besteht, sondern zwischen Ärzten, Hebammen, Lehrern, Polizei und all diejenigen, die damit zu tun haben. Es ist wichtig, dass es ein lückenloses Miteinander gibt. Dazu zählen die Verwandtschaft und Ähnliches, die die Kinder beobachten und schauen, was mit ihnen geschieht, um rechtzeitig eingreifen zu können, und sie auch schauen, dass das Kindeswohl an erster Stelle steht. Im weiteren Verlauf halte ich das, was wir haben, für ausreichend.
Sollten wir in Zukunft - ich lasse das einmal offen - feststellen, dass die Ombudsstellen, die es in anderen Ländern gibt, solche Ergebnisse, wie Sie sie aufgezeigt haben, tatsächlich auf Dauer erzielen und wir keine Mehrfachstrukturen schaffen, wäre ich bereit, noch einmal darüber zu diskutieren. Zurzeit halte ich es nicht für machbar und auch nicht für notwendig.
Danke schön, Kollege Bischoff. - Wir treten ein in die Debatte. Es spricht Herr Jantos für die Fraktion der CDU.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Dauer dieser Sitzung und der deutlichen Worte von Sozialminister Bischoff kann ich mich mit meinem Redebeitrag kurz fassen.
In der Zielführung sind wir einer Meinung. Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist alter Wein in neuen Schläuchen. Die Antragsstellerin hat wiederholt versucht, uns die Vorzüge sogenannter Ombudsstellen schmackhaft zu machen. Dies ist Ihnen mit Ihren Initiativen in der Vergangenheit nicht gelungen und wird Ihnen auch in dieser Wahlperiode nicht mehr gelingen.
Es ist bedauerlich, dass Sie, obwohl das Für und Wider einer Ombudsstelle erst jüngst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform des Kommunalverfassungsrechts ausführlich diskutiert worden ist und es Ihnen dabei nicht gelungen ist, die Regierungsfraktionen von Ihrem Anliegen zu überzeugen, diese Initiative erneut starten. Es steht Ihnen natürlich frei, Sie können das immer wieder machen. Vielleicht hilft es doch irgendwann einmal oder Sie überzeugen uns.