Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Jantos. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann. Sie haben vier Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin der Fraktion DIE LINKE sehr dankbar, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat. Ich glaube, man sollte es als Standardverfahren einführen, dass jedes neue Gesetz irgendwann einmal evaluiert wird, nicht um irgendwie weitestgehend zum Thema zu sprechen, um einmal zu sagen, was man schon immer einmal sagen wollte, wie der Kollege Vorredner, sondern um sich an den Fragen abzuarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist sicherlich auch bei Paragrafen hilfreich, zu denen im Plenum kontrovers diskutiert wurde; denn dann kann man sehen, ob das, was man mit dem Gesetz intendiert hat, auch tatsächlich erreicht wurde, ob es vielleicht noch Nebenfolgen gibt, die man nicht berücksichtigt hat, wo man nachsteuern muss oder ob es Regelungslücken gibt, deren man sich annehmen sollte. Nichtsdestotrotz warne ich davor, kausale Rückschlüsse aus einzelnen Regelungen gleich unter Großtrends zu subsumieren oder hochzurechnen.

Die Zu- und Abwanderung hat sicherlich noch andere Gründe als dieses Gesetz. Zudem brauchte man eine Kontrollgruppe, die quasi ohne dieses neue Gesetz weiterlebt, um die Auswirkungen eines einzelnen Gesetzes zu evaluieren. Es gibt derart viele Faktoren, die einwirken, dass es schwierig ist, globale Schlussfolgerungen zu ziehen.

Nichtsdestotrotz ist es völlig legitim, die aufgeworfenen Fragen zu stellen, wenngleich man von der Landesregierung nicht in allen Fällen eine dezidierte Antwort erwarten darf. Ich glaube, das ist auch nicht bei jeder Frage erwartet worden. Das gilt insbesondere für die Fragen 2, 3 und 6.

Wenn man der Landesregierung die Frage stellt, welchen Beitrag das Gesetz geleistet hat, um die Abwanderung zu stoppen - das ist auch von den Vorrednerinnen schon aufgegriffen worden -, dann bekommt man eine statistische Entwicklung dargeboten. Es wird festgestellt, dass seit 2013 ein fast ausgeglichener Saldo bei der Zu- und Abwanderung existiert. Aber ob dieser empirische Wert aufgrund dieses Gesetzes, trotz dieses Gesetzes oder vielleicht aufgrund ganz anderer Faktoren tat

sächlich zustande gekommen ist, das entzieht sich unserer Kenntnis.

Aufgrund meiner beschränkten Redezeit möchte ich nur zwei Fragen dezidiert aufgreifen. Zum einen ist es die Frage 9, Familienfreundlichkeitsprüfung. Hierbei ist es positiv zu erfahren, dass es eine Arbeitshilfe der Landesregierung gibt. Man bekommt dann auch eine recht lange Auflistung aller durchgeführten Prüfungen dargeboten. Interessant wäre zu wissen, ob sich aufgrund dieser Prüfung eine Änderung in Gesetzesverfahren, in Verfahrens- oder Verwaltungsvorschriften ergeben hat oder ob man nur nach Aktenlage prüft, ob es Nachforderungen gegeben oder ob man noch einmal nachgefragt hat, ob diese Kinderfreundlichkeitsprüfung ein scharfes Schwert oder ein zahnloser Tiger ist. Aber das erfährt man nicht.

Man könnte in diesem konkreten Fall positiv denken und sagen: Ja, das hat sich alles von selbst implementiert und wird mit bedacht. Ich glaube, die Erfahrung lehrt uns, hierbei vorsichtig zu sein.

Zu Frage 26 eine Anmerkung. In Bezug auf die Familienpässe ist zu lesen, dass hierbei ein starker Abwärtstrend zu verzeichnen ist. Aber aufgrund welcher Analyse, warum, wie man damit umgehen will oder ob man gegensteuern will, erfährt man nicht.

Oder zu Frage 42. Hierbei teile ich die Auffassung der Landesregierung, dass die Altersgrenze von zwölf Jahren abgelehnt wird. Aber es wäre natürlich spannend zu erfahren, was die Landesregierung denn gegen diese Altersgrenze unternommen hat. Insbesondere angesichts des hohen Prozentsatzes Alleinerziehender in Sachsen-Anhalt wäre das, glaube ich, auch in Bezug auf unseren Haushaltsansatz ein wichtiges Unterfangen.

Die Große Anfrage wirft also mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Es gibt viel, dem man sich noch im Weiteren widmen sollte. Ich kann das jetzt nicht mehr tun, weil meine Redezeit zu Ende ist. Aber es gibt die Möglichkeit, an anderen Stellen weitere Fragen zu stellen. - Ich danke Ihnen im Moment für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollegin Lüddemann. - Für die SPDFraktion spricht der Abgeordnete Herr Born.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Familienförderung verdient tatsächlich die Bezeichnung Große Anfrage. Sowohl wegen der Vielfalt als auch wegen des Umfanges wäre eine Splittung der Anfrage sinnvoll gewesen.

Wir müssen jedoch zugeben, dass die Inhalte der Fragestellungen maßgeblich zusammenhängen. Dennoch verlangt die Antwort der Landesregierung vom 1. August 2014 dem Betrachter bzw. dem Leser einiges an Koordinationsvermögen ab. Sie dient dem Zweck, nach dem Inkrafttreten des Familienförderungsgesetzes im Jahr 2005 eine Bilanz oder eine Zwischenbilanz zu ziehen. In 47 Fragen werden Maßnahmen und Entwicklungen zur Förderung von Familien in Sachsen-Anhalt abgefragt.

Die umfangreiche und vielfältige Fragestellung stellt verschiedene Aspekte und somit Politikfelder und Lebensbereiche in den Fokus und gibt uns vielfältige Möglichkeiten, um die Auswirkungen der Gesetzgebung zu betrachten und zu bewerten. Im Ergebnis steht eine ausführliche Auflistung der finanziellen und konzeptionellen Unterstützungsleistungen des Bundes, des Landes und der Kommunen. Es ist auch für uns mehr als wichtig, dass man sich des Umfangs dieser Leistungen bewusst ist und diese Tatsache auch offen nach außen vertritt.

Wie immer haben wir auf der Grundlage verschiedener Ausgangsstandpunkte auch die Möglichkeit, Ergebnisse, Untersuchungen und Statistiken unterschiedlich zu interpretieren.

Grundsätzlich bleibt auch die Feststellung, dass es nichts gibt, was man nicht besser machen kann. Dennoch sollten uns die Ergebnisse der Anfrage in Form der Datenanalyse optimistisch stimmen. Die Wanderungsverluste wurden gebremst. Die Zahl der Zuzüge von unter 18-jährigen sind steigend. Es hat sich herumgesprochen, dass man hier in Sachsen-Anhalt nicht schlecht leben kann.

Wir haben ein Kinderförderungsgesetz mit einem weitreichenden Anspruch auf Bildung und Betreuung. Jedes Kind bis zur Versetzung in den siebenten Schuljahrgang hat einen Anspruch auf eine ganztägige Betreuung in der Tageseinrichtung. Eltern können sich sicher sein, dass ihr Kind gut aufgehoben ist. Die Kinder werden nicht nur betreut, sie werden gebildet und gefördert. Die Eltern können ihrem Beruf nachgehen und dennoch in Familie oder in Familienformen leben.

Gerade weil sich in unserer Gesellschaft verschiedene Familienformen widerspiegeln, sind die Auswirkungen von Gesetzen oftmals auch unterschiedlich. Die Herstellung von Gerechtigkeit und Chancengleichheit wird immer die Aufgabe der Gesetzgebung auf der Bundes- und auf der Landesebene bleiben.

Das Wohl von Familien ist immer an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gekoppelt, welche auch, aber nicht nur von Gesetzen abhängen. Das Familienwohl und somit das Wohl von Kindern, aber auch von Eltern und Großeltern ist auch von natürlichen Rahmenbedingungen wie Respekt, Fürsorge, Verständnis und Einfühlungsvermögen

sowie Hilfsbereitschaft anhängig; kurz gesagt: von den sozialen Kompetenzen innerhalb und im Umfeld von Familien. Die Vermittlung dieser Kompetenzen kann nicht die Aufgabe der Gesetzgebung sein. Sie ist aber eine unbedingte Aufgabe für Erziehung und Bildung, um die ergänzende Wirkung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu nutzen und wertzuschätzen.

Die Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft hat ihr naheliegendes Lebensumfeld in der kleinsten kommunalen Zelle, in den Ortschaften, in den Gemeinden und in den Städten. Dort, wo es Kommunalpolitikern am besten gelingt, ein Wohlfühlklima zu schaffen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu transportieren, fühlen sich Familien am wohlsten.

Sie fühlen sich dort wohl, wo die sogenannten Standortfaktoren gegeben sind, also die Kitas, die Schulen, die Begegnungsstätten für Senioren und für Jugendliche, die kulturelle Vielfalt und die Sportstätten. Sie fühlen sich dort wohl, wo auch das Lebensumfeld durch die Natur, durch die Umwelt, durch Freunde und durch Bekannte positiv beeinflusst wird. Das ist ein Spagat für die Kommunalpolitik, weil die Finanzen knapp sind und die Wünsche steigen. Dies darzustellen und um Verständnis dafür zu werben, dass es nicht alles für alle gibt, ist auch eine Aufgabe der Politik und kann nicht unwesentlich dazu beitragen, die Familienpolitik positiv zu gestalten.

Diesen Sachverhalt müssen wir gezielt kommunizieren und die Bereitschaft für Kompromisse entwickeln. Dabei sollten wir auch nicht außer Acht lassen, dass das Wohlfühlverhalten der Menschen in unserem Land sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Unterschiede ergeben sich durch verschiedene Generationen. Es gibt Unterschiede zwischen der Stadt und dem ländlichen Bereich. Es gibt auch Unterschiede im Anspruchsdenken. Dort, wo man sich in Bescheidenheit und Zurückhaltung übt, wird sich niemand wohlfühlen, der das Leben in all seinen Fassetten und mit all seinem Überfluss ausüben und genießen will. Es ist aber nicht möglich und auch nicht notwendig, überall die gleichen sogenannten optimalen Ausgangsbedingungen und Voraussetzungen zu schaffen.

Insofern sehen wir in der vorliegenden Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE ein hervorragendes Arbeitspapier hinsichtlich der Familienförderung als gesellschaftspolitische Aufgabe unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung in unserem Bundesland. Auf dieser Grundlage sollte es möglich sein, Handlungsfelder zu erkennen und zukunftsfähige Familienpolitik zu gestalten.

Sollte dem Zuhörer im Plenum aufgefallen sein, dass ich nicht auf jeden Punkt eingegangen bin, der in der Anfrage enthalten ist, so muss ich dazu

sagen, dass das beabsichtigt war. Aber es geschah auch mit der Absicht, einen anderen Blick auf die Darstellung von Familie zu werfen. Wenn dieser oder jener sich dort wiedergefunden hat, dann fühle ich mich in dem Ziel meiner Rede bestätigt und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Kollege Born. - Für die Fraktion DIE LINKE hat die Kollegin Hohmann das Schlusswort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine neun Minuten Redezeit jetzt nicht nutzen. Aber zwei Sätze seien mir doch gestattet. Es wurde sehr viel Richtiges gesagt. Mit unserer Großen Anfrage wollten wir wirklich noch einmal für das Thema Familie sensibilisieren.

Wir haben heute Morgen gehört, dass wir zum Beispiel die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in allen Ressorts der Landesregierung fördern und das als zukünftige Aufgabe betrachten. Ich möchte, dass wir im Bereich der Familienpolitik gleichermaßen in jeden Bereich der Landesregierung schauen; denn nach meiner Auffassung haben wir hierbei noch jede Menge Ressourcen. Es gilt, diese im Interesse der Familien im Land zu bündeln und ihnen zugute kommen zu lassen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr. Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage beendet. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 15.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Beratung

Bundesratsinitiative zur Gewährleistung des Rechts auf begleitete Elternschaft bzw. Elternassistenz durch Änderung des SGB IX und Aufnahme in das neue Teilhabegesetz

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3573

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3600

Die Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Zoschke. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Die UN-Behindertenrechtskonvention ist mittlerweile seit mehr als fünf Jahren in Kraft. Viele Aufgaben, die sich daraus ergeben,

sind inzwischen allgemein als notwendig anerkannt worden. Dazu gehört etwa die inklusive Schulbildung oder auch eine barrierefreie Infrastruktur.

Demgegenüber gibt es aber nach wie vor Bereiche, die von Vorurteilen, Tabus und schlichter Unkenntnis gegenüber Menschen mit Behinderungen geprägt sind. Dazu gehört es auch, dass Menschen mit geistiger oder schwerer seelischer Behinderung das Recht auf Familie, Partnerschaft und eine aktive Elternschaft haben.

Unter der Überschrift „Achtung der Wohnung und der Familie“ werden im Artikel 23 der Konvention dabei sehr detailliert und zweifelsfrei diese Rechte erläutert. Absatz 1 Buchstabe a beschreibt zunächst grundlegend das Recht aller Menschen mit Behinderungen im heiratsfähigen Alter, auf der Grundlage des freien und vollen Einverständnisses der künftigen Ehegatten eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen.

Absatz 1 Buchstabe b legt fest, dass das Recht von Menschen mit Behinderungen auf freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenabstände sowie auf Zugang zu altersgemäßer Information sowie Aufklärung über Fortpflanzung und Familienplanung anerkannt wird und ihnen die notwendigen Mittel zur Ausübung dieser Rechte zur Verfügung gestellt werden.

Es bleibt mir zu betonen, dass es sich hierbei um Rechte im Range von Menschenrechten handelt. Wir müssen feststellen, dass eine Kluft zwischen dieser Rechtsetzung und der Rechtswirklichkeit klafft. Die Intention unseres Antrages ist es, diese Kluft zu schließen. Unser Ausgangspunkt für die Einbringung unseres Antrages gerade zu diesem Zeitpunkt ist ein brandaktueller Fall aus SachsenAnhalt. Ich möchte diesen als Beispiel heranziehen um aufzuzeigen, wie die Mechanismen funktionieren. Wir wissen indes von mehreren Fällen, in denen Menschen mit Behinderungen das Kind nach der Geburt sofort genommen wurde. Das heißt, dass das jüngste Beispiel eben nur ein Beispiel aus der Praxis ist.

Es geht im besagten Fall um eine geistig behinderte junge Frau, die zusammen mit ihrem Freund, der in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeitet, Zwillinge zur Welt gebracht hat. Das zuständige Jugendamt hatte bereits vor der Geburt die Position eingenommen, dass man die Kinder erst gar nicht bei den Eltern lassen wolle. Dabei wollten die Eltern ihre Kinder in jedem Fall behalten und hatten hierzu bereits Elternzeit beantragt und viele weitere Vorbereitungen getroffen.

Bereits vor der Entbindung hatte das Jugendamt eine Pflegefamilie bestellt, in die die Kinder zunächst auch verbracht wurden. Die Wegnahme der Kinder war für die Eltern eine sehr schmerzliche