Bereits vor der Entbindung hatte das Jugendamt eine Pflegefamilie bestellt, in die die Kinder zunächst auch verbracht wurden. Die Wegnahme der Kinder war für die Eltern eine sehr schmerzliche
Erfahrung, gegen die sie sich auch aufgrund ihrer Behinderung allein nicht zur Wehr setzen konnten. Erschwert wurde diese ohnehin schwer zu ertragende Situation durch die Tatsache, dass die örtliche Entfernung zur Pflegefamilie einen eigenständigen Besuch der Eltern bei den Kindern verhindert hat.
Es ist einem Kreis von Menschen, bestehend aus ehrenamtlichen Helfern, den Familienhelferinnen, den rechtlichen Betreuerinnen sowie der Unterstützung von lokalen Landtagsabgeordneten, zu verdanken, dass diese Geschichte einen anderen Verlauf nahm. Es wurde eine Petition an den Landtag gerichtet. Es wurden auch Gespräche mit den zuständigen Behörden und Entscheidungsträgern geführt, die dann schließlich die Folge hatten, dass die Kinder zu ihren Eltern zurückgebracht worden sind.
Sehr erfreut haben wir hierbei zur Kenntnis genommen, dass die Sensibilität für das Menschenrecht auf Elternschaft fraktionsübergreifend bei allen Abgeordneten im Petitionsausschuss im Mittelpunkt stand.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Eltern der Zwillinge werden auf der Grundlage der nun abgewandelten Entscheidung des zuständigen Jugendamtes zunächst einmal ganztägig von pädagogischen Fachkräften in der Erziehung ihrer Kinder unterstützt.
Auch wir haben - ich kann das an dieser Stelle sagen - grundsätzlich viel Verständnis für die Entscheidungsprobleme gerade der Jugendämter. Immer dann, wenn Vorfälle von Kindesvernachlässigung oder Kindesmissbrauch publik werden, sind sie die Ersten, die in der Öffentlichkeit in die Schusslinie geraten.
Aber genau das ist der springende Punkt. Es geht um tief verwurzelte Vorurteile, die wir wahrscheinlich alle in unseren Köpfen haben. Ich kann mich auch nicht zu 100 % davon freisprechen. Wir wissen, wie schwer es ist, den Herausforderungen bei der Erziehung unserer eigenen Kinder gewachsen zu sein. Wir weichen unwillkürlich vor der Idee zurück, dass Menschen mit geistiger Behinderung mit diesen Herausforderungen konfrontiert werden.
Dabei geht es in der UN-Konvention keineswegs um eine Besserstellung. Natürlich kann es in der Perspektive auf den Einzelfall dazu kommen, dass ein Kind aus der Obhut der Eltern zu nehmen ist. In allen Fällen ist das Wohl des Kindes ausschlaggebend. So ist es auch in Artikel 23 Abs. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt.
In der aktuellen Praxis der Behörden sieht es derzeit aber noch völlig anders aus. Dabei schieben sich Jugend- und Sozialämter den schwarzen Peter gegenseitig zu. Aus Angst, etwas falsch zu entscheiden, steht die Entscheidung, dass das Kind bzw. - wie in diesem Fall - die Kinder von den Eltern getrennt werden sollten, schon vorher fest. Die Frage, ob und mit welcher Form der Unterstützung diese Eltern ihre Kinder großziehen und dabei gute Eltern sein können - eben in Form der begleiteten Elternschaft -, bleibt davon vollkommen unberührt. Das Kriterium des Kindeswohls wird erst gar nicht geprüft.
In unserem Beispiel sind die Unterstützerinnen und Unterstützer der Eltern im Übrigen von der Notwendigkeit einer vierundzwanzigstündigen Betreuung nicht wirklich überzeugt. Zwei Punkte möchte ich hierzu hervorheben: Erstens. Die Mutter hat bereits ein zweijähriges Kind, das bei ihr lebt. Hierbei waren geringere Unterstützungsleistungen - also eben keine vierundzwanzigstündige Betreuung - für das Wohl des Kindes völlig ausreichend.
Zweitens. Die rechtliche Betreuung des Vaters der Kinder wurde vor Kurzem durch ein neues Gutachten für nicht notwendig erklärt und somit beendet. Das heißt, alles, was ihn derzeit zu einem Menschen mit Behinderung abstempelt, ist, dass er in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeitet. Wer kann und will auf dieser Grundlage ermessen, dass er nicht fähig ist, sich um seine Kinder zu kümmern - oder dies zumindest mit anderen Unterstützungsleistungen durch das Jugendamt in völlig befriedigender Weise eben doch kann?
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Betrachtung allein dieses einen Falls zeigt uns deutlich, dass wir die Lücke zwischen der UN-Behindertenrechtskonvention und der behördlichen Praxis nur im Wege eines konkreten gesetzlichen Handlungsrahmens auf der Bundesebene schließen können. Die Aufgabe, auf nationaler Ebene geeignete Maßnahmen zu ergreifen, ist schließlich auch Inhalt der UN-Behindertenrechtskonvention. Das heißt, diese menschenrechtliche Verankerung ist die Grundlage, auf der wir nun einmal neue Normen bauen müssen, um das Recht gewährleisten zu können.
Den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bin ich für die sinnvolle Ergänzung, die ihr Änderungsantrag beinhaltet, ausdrücklich dankbar. Denn es geht nicht allein um das Recht der Eltern auf Elternschaft, sondern auch um das Recht der Kinder auf ihre Eltern. Die Ergänzung unseres Antrags um den genannten Punkt der UN-Kinderrechtskonvention nehmen wir also sehr gern auf. - Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke sehr für die Einbringung, Kollegin Zoschke. - Für die Landesregierung spricht Minister Bischoff.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Zoschke, Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich hier zu dem aktuellen Fall nicht ausführlich äußern möchte; denn es geht - auch in Ihrem Antrag - um eine generelle Lösung.
- Das hoffe ich. Ich hoffe, dass für diese „Kuh“ erst einmal eine Lösung gefunden worden ist, auch wenn später noch verifiziert werden wird, ob diese Rund-um-die-Uhr-Betreuung notwendig ist. Deshalb schließe ich mich Ihrem Dank ausdrücklich an, der sich an alle richtet, die sich vor Ort immer und überall einsetzen, dranbleiben, begleiten und unterstützen.
Wir alle wissen, dass die Betroffenen - die Betroffenen sind nicht nur Eltern, die Kinder mit Behinderungen haben, sondern es sind auch Eltern mit Behinderungen - es besonders schwer haben. Gerade in Fragen der Inklusion ist klar, dass wir zusammengehören und es ein Stück weit Normalität ist, dass wir unterschiedlich sind und unterschiedlicher Unterstützung bedürfen. Deshalb finde ich es wichtig, dass es Menschen gibt - auch Abgeordnete -, die sich vor Ort dafür einsetzen.
Ihren Worten habe ich nichts hinzuzufügen. Sie haben das insgesamt richtig beschrieben. Ich könnte zitieren, was die UN-Behindertenrechtskonvention oder die Kinderrechtskonvention besagt, jedoch haben Sie das ausgeführt. Die Vertragsstaaten sind dem beigetreten, auch die Bundesrepublik ist nach Artikel 5 der Kinderrechtskonvention gehalten, die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern zu achten. Das beinhaltet, das Kind in seiner Entwicklung angemessen zu unterstützen, zu leiten und zu führen.
Kindern wird in Artikel 9 der Kinderrechtskonvention zugesichert, dass sie nicht gegen den Willen ihrer Eltern von diesen getrennt werden dürfen, sofern diese Trennung nicht zum Wohl des Kindes notwendig ist. Auch das Grundgesetz schützt in Artikel 6 die Pflege und Erziehung von Kindern als ein natürliches Recht der Eltern.
Die UN-Behindertenrechtskonvention besagt - und verpflichtet damit alle Vertragsstaaten -, dass wirksame und geeignete Maßnahmen zur Beseitigung von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu treffen sind, und zwar in allen Fragen, die Ehe, Familie, Elternschaft und Partnerschaft betreffen. Das gilt sowohl in Bezug auf das Recht von Menschen mit Behinderungen auf freie und
verantwortungsbewusste Entscheidungen über die Anzahl ihrer Kinder als auch den Zugang zu altersgemäßer Information sowie Aufklärung über Familienplanung oder Fortpflanzung.
Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, Menschen mit Behinderungen in angemessener Weise bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung zu unterstützen. Körperliche oder nichtkörperliche Einschränkungen eines Elternteils sind kein Grund - und dürfen kein Grund sein -, ihm allein deshalb die Erziehungskompetenz abzusprechen.
Das gegliederte deutsche Sozialleistungssystem kennt verschiedene Leistungen für Menschen mit Behinderungen sowie Wege zur Unterstützung von Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder. Ich muss nicht das Sozialgesetzbuch IX erwähnen, in dem das besonders ausgeführt wird. Auch die BundLänder-Arbeitsgruppe, die derzeit an diesbezüglichen Regelungen arbeitet, sagt, dass eine weitergehende Regelung vorerst nicht - zumindest nicht nach Sozialgesetzbuch IX - nötig wäre.
Die Frage, die Sie im ersten Anstrich deutlich gemacht haben, lautet: Wie weit muss man auf der Bundesebene bzw. über den Bundesrat tätig werden, damit diese Problematik in das Bundesleistungsgesetz Eingang findet? - Ich selbst sehe das zurzeit etwas kritisch, weil ich glaube, dass ein Alleingang des Landes im Augenblick - wir sind mit den Verbänden und den Ministerien sowie Arbeitsgruppen mit Bund und Ländern mitten in der Erarbeitung - wenig Sinn macht. Es ist wenig sinnvoll, jetzt einen neuen Anlauf zu nehmen, weil das nachweislich zurzeit diskutiert und hoffentlich aufgenommen wird und die grundsätzliche Ausrichtung nicht infrage gestellt wird.
Die Stärkung der Koordinierung unterschiedlicher Leistungsträger - das war der Fall, den Sie geschildert haben - ist ein zentraler Gegenstand der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und der aktuellen Arbeit am Bundesteilhabegesetz, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. Wir haben gehört, dass es spätestens in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten soll. In diesem Zusammenhang stehen alle Leistungen auf dem Prüfstand. Die Arbeitsgruppe ist errichtet worden und auch die Interessenverbände haben nach der Devise „Nichts über uns ohne uns!“ gehandelt und sind daran beteiligt.
Konkret sollen im Bundesteilhabegesetz folgende Ziele erreicht werden - dabei sollen beide Konventionen, die Kinderrechtskonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention verbessert werden -:
Erstens. Dem neuen gesellschaftlichen Verständnis von einer inklusiven Gesellschaft im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention soll mit dem neuen Bundesleistungsgesetz besser Rechnung getragen werden.
Zweitens. Selbstbestimmung und individuelle Lebensplanung sollen dem gewandelten Rollenverständnis von Menschen mit Behinderungen entsprechend vollumfänglich unterstützt werden.
Drittens. Die Eingliederungshilfe soll zu einem modernen Teilhaberecht entwickelt werden, in dessen Mittelpunkt der Mensch mit seinen behinderungsspezifischen Bedarfen steht.
Viertens. Die vorgelagerten Systeme und die mit der Eingliederungshilfe verbundenen Systeme sowie ihre Zusammenarbeit sollen verbessert werden; hierbei spielt das SGB VIII eine große Rolle.
Fünftens. Die Koordinierung der Rehabilitationsträger soll verbessert werden. Dazu wird eine Weiterentwicklung des SGB IX angestrebt. Die Leistungen sollen für die Bürger aus einer Hand erbracht werden. - An den unterschiedlichen Zuständigkeiten ist die Familie fast gescheitert.
Sechstens. Die Eingliederungshilfe soll als bedarfsdeckendes Leistungssystem weiterentwickelt werden. Die Arbeitsgruppe auf der Bundesebene soll Mitte kommenden Jahres ihre Arbeit abschließen. In der Folge wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Gesetzentwurf erarbeiten und zur Diskussion stellen.
Deshalb ist es im Augenblick aus meiner Sicht nicht sinnvoll, diesen breit angelegten Prozess durch eine Einzelforderung des Landtags zu belasten. Alle Fragestellungen, insbesondere das Zusammenwirken von Kinder- und Jugendhilfe, werden in dem Prozess betrachtet. Für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Rahmen der Teilhabeleistung ist nunmehr vom Bund diese Arbeit in Gang gesetzt worden. Dies ist meines Erachtens gut strukturiert. Es werden alle wesentlichen Fragen beleuchtet. Das sagen auch die betreffenden Verbände, auch die Behindertenverbände.
An dem Erfolg dieses Prozesses ist mir sehr gelegen. Wir werden uns hierbei sehr intensiv einbringen. Ich nehme an, ich werde hier im Landtag noch in dieser Wahlperiode des Öfteren über den Fortgang dieses wichtigen Gesetzes auf der Bundesebene berichten.
Mir ist es auch wichtig, Folgendes zu sagen: Wir sollten uns bemühen, das Gesetz nicht mit anderen Dingen zu überlasten. Ich sage das, weil ich die Befürchtung habe - in den letzten Wochen habe ich das gespürt -, dass dieses Gesetz, wenn neue Dinge hinzukommen, eventuell weiterhin auf die lange Bank geschoben wird. Wir hängen seit mindestens zehn oder 15 Jahren daran, dieses bundeseinheitliche Leistungsgesetz auf den Weg zu bringen. Deshalb ist mir sehr daran gelegen, dass wir zügig daran arbeiten; denn das wäre ein
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Beitrag zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Bundesratsinitiative zur Gewährleistung des Rechts auf begleitete Elternschaft bzw. Elternassistenz durch Änderung des SGB IX und Aufnahme in das neue Teilhabegesetz“ kurz fassen.
Das Thema begleitete Elternschaft stand wegen eines heute bereits geschilderten besonders problematischen Einzelfalls zum wiederholten Mal auf der Tagesordnung des Landesbehindertenbeirats, der am letzten Samstag in Magdeburg tagte. Wir wurden dort darüber unterrichtet, dass dieser Fall auf einem guten Weg sei; der Minister erwähnte es schon.
Wir wurden dort ebenfalls darüber unterrichtet, dass es zurzeit zahlreiche Gespräche auf unterschiedlichen Arbeitsebenen - auf Länder- und Bundesebene - zu dieser Thematik gibt. Zeitnah wird im Frühjahr 2015 vonseiten des Sozialministeriums - so sind wir am Samstag verblieben - ein aktueller Sachstandsbericht im Landesbehindertenbeirat erfolgen.
Wir haben hier im Plenum ebenfalls schon mehrmals Minister Bischoff gebeten, den Prozess um die Aufnahme in das neue Bundesteilhabegesetz offensiv zu begleiten. Aus diesem Grund bitte ich um die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Arbeit und Soziales, um dort im Sinne der Mitglieder des Landesbehindertenbeirats auf der Grundlage des aktuellen Sachstands weitere Schritte des Landes Sachsen-Anhalt in Richtung Bundesteilhabegesetz zu beraten. Wir wollen damit gerade die Bedeutung dieses Themas unterstreichen und uns den aktuellen Entwicklungen auf positivem Wege anschließen. - Danke.
Danke sehr, Frau Gorr. Sie haben sich jetzt gegen die Geräuschkulisse selbständig durchgesetzt. Ich bitte um etwas Ruhe. Wir schaffen es, die drei verbleibenden Redebeiträge mit einiger Aufmerksamkeit zu verfolgen. - Frau Lüddemann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Alle Menschen und damit auch die Menschen mit Behinderungen haben das Recht, Eltern zu werden,