Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Das Urteil des Landesverfassungsgerichts verdeutlicht uns aber auch, dass wir an dieser Stelle eine Sicherheitslücke haben. Wir brauchen schnellstmöglich eine solche Software. Mögliche Anschläge können gegebenenfalls nicht verhindert werden, weil verschlüsselten Kommunikationen nicht gefolgt werden kann. Das ist für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht hinnehmbar. Hier sehen wir für die Zukunft Handlungsbedarf.

Solange diese Software aber nicht existiert, sollte von der Ermächtigung im Polizeirecht Abstand genommen werden. Wenn es aus unserer Sicht den notwendigen Fortschritt der Technikentwicklung gibt, werden wir die polizeilichen Eingriffsbefugnisse für eine effektive Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge selbstverständlich anpassen.

Wie bereits erwähnt, hat das Landesverfassungsgericht ferner die Ermächtigung zur Ausweisung von Alkoholkonsum-Verbotszonen für verfassungswidrig erklärt. Nach Auffassung des Landesverfassungsgerichts fehlt es hier bereits an tragfähigen und nachvollziehbaren Sachgründen. Danach ist die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen zum Zweck der Gefahrenvorsorge nur auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse über die Kausalzusammenhänge zwischen dem untersagten Verhalten und den drohenden Schäden zulässig, deren Eintritt verhindert werden soll.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass diese Regelung auf ausdrücklichen Wunsch der kommunalen Spitzenverbände eingearbeitet worden ist. Es ist eine langjährige Forderung der kommunalen Spitzenverbände, mit einer Gefahrenabwehrverordnung präventiv gegen Alkoholkonsum in der

Öffentlichkeit vorgehen zu können und auf diese Weise die damit häufig verbundene Folgekriminalität zu senken.

Wir wollten die Kommunen im Kampf gegen alkoholbedingte Straftaten und Ordnungsstörungen an Brennpunkten - vor allem in den Abend- und Nachtstunden - unterstützen. Schade finde ich jedoch, dass die kommunalen Vertreter im Nachgang der Urteilsverkündung hier in der öffentlichen Berichterstattung den „schlanken Fuß“ gemacht haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Anfang dieses Jahres sind die kommunalen Spitzenverbände mit der Bitte an uns herangetreten, bei der nun notwendigen Novellierung des Polizeigesetzes eine verfassungskonforme Verordnungsermächtigung hierzu einzuarbeiten. Regelungsvorschläge gibt es hierfür jedoch nicht.

Da aus der Sicht der Koalitionsfraktionen die rechtssichere Ausgestaltung einer Ermächtigung der Kommunen für ein Alkoholverbot nach den Vorgaben des Landesverfassungsgerichts derzeit nicht möglich ist, werden wir auf eine solche verzichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits gesagt, sehen die Koalitionsfraktionen die Notwendigkeit der Streichung der für verfassungswidrig und nichtig erklärten Ermächtigungsgrundlagen für eine Quellen-TKÜ und zur Ausweisung von Konsum- und Verkaufsverbotszonen.

In der Ihnen vorgelegten Novelle sind diese daher auch nicht mehr enthalten. Durch den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf sollen lediglich die Befugnisse der Polizei, die nur mit Maßgaben bis Ende 2015 angewandt werden dürfen, auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin bestehen bleiben. Hierfür ist eine entsprechende Neuregelung notwendig, die die Koalitionsfraktionen gemeinsam auf den Weg bringen wollen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr für die Einbringung, Herr Kollege Kolze. - Es spricht jetzt Minister Herr Stahlknecht. Doch zuvor haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in Osterburg bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke den beiden regierungstragen

den Fraktionen ausdrücklich für die heutige Einbringung. Es ist am Ende die Umsetzung der Punkte, deren Nachbesserung uns das Landesverfassungsgericht aufgegeben hat. Denn diese Regelungen sind in der Tat nicht für verfassungswidrig erklärt worden, sondern sie sind, mit einer gewissen Frist ausgestattet, als nachbesserungswürdig angesehen worden.

Diese Entscheidung des Landesverfassungs

gerichts muss man hier nicht näher kommentieren. Man hätte sicherlich in Teilen auch anders entscheiden können. Aber es wird jetzt so umgesetzt, wie das Landesverfassungsgericht das vorgegeben hat.

Hinsichtlich der beiden Paragrafen, die vom Landesverfassungsgericht tatsächlich für verfassungswidrig erklärt worden sind, ist kein erneuter Versuch unternommen worden, diese wieder in das SOG aufzunehmen. Das betrifft zum einen das Verbot von Alkoholgenuss an öffentlichen Plätzen. Das Verfassungsgericht hat dazu aufgegeben, dass im Wege einer fast empirischen Untersuchung nachgewiesen werden müsste, dass Alkohol zu einer gewissen Enthemmung führt. Das nehmen wir einmal so zur Kenntnis.

(Herr Borgwardt, CDU: Das weiß jedes Kind!)

- Das hat das Gericht so festgelegt. - Zum anderen ist in Bezug auf die Einführung eines sogenannten - ich benutze einmal den Begriff - Trojaners nicht gesagt worden, dass ein solcher Paragraf per se verfassungswidrig wäre, sondern das Verfassungsgericht hätte gern erst die Software gesehen und anhand deren Beurteilung festgestellt, ob die Norm verfassungsgemäß wäre. Ich glaube, wir sind gut beraten, uns nicht auf diese beiden juristischen Auseinandersetzungen einzulassen.

Die Kommunen werden hinsichtlich des Alkoholverbotes sicherlich andere geeignete Möglichkeiten finden, um auch ohne empirischen Nachweis damit umzugehen, dass Alkohol gelegentlich dazu führt, dass man sich nicht so benimmt, wie es in Mitteleuropa üblich ist. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Ältestenrat ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als Erste spricht Kollegin Frau Tiedge für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich kann Ihnen folgende einleitende Worte meiner Rede nicht ersparen und, ehrlich gesagt, will ich es auch gar nicht. Wir hätten heute nicht schon wieder über eine Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des

Landes Sachsen-Anhalt debattieren müssen, wenn Sie auf uns, wenn Sie auf die klaren, kritischen und eindringlichen Worte der Opposition gehört hätten.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Aber man muss erst einmal dazu bereit sein, über den eigenen Schatten der Ignoranz gegenüber den Positionen der Opposition zu springen. Diese Hürde war Ihnen jedoch zu hoch.

Wenn Sie uns schon nicht Glauben schenken wollten, dann hätten Sie den zahlreichen Bedenken und kritischen Äußerungen der vielen und vor allem kompetenten Fachleute in der zu dem Gesetzentwurf durchgeführten Anhörung Folge leisten sollen. Aber auch hierfür waren Ihre Ohren taub.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hätten Sie die dort vorgebrachten Warnungen, dass im Entwurf vorgesehene gesetzliche Regelungen verfassungswidrig sein könnten,

(Herr Borgwardt, CDU: Aber eure Bürger- meister wollten es auch!)

doch ernst genommen und nicht ignoriert, dann hätte das Landesverfassungsgericht von SachsenAnhalt ein Verfahren zur Entscheidung weniger auf dem Tisch gehabt. Aber nein, wie so oft wurden die Bedenken vom Tisch gewischt und mit Ihrer Mehrheit so beschlossen. Das nennt man dann Ignoranz der Macht bzw. Arroganz der Macht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

So haben Sie uns damit geradezu gedrängt, vor das Landesverfassungsgericht zu ziehen. Meine Damen und Herren! Ich wäre peinlich berührt gewesen, wenn mir das Verfassungsgericht so viele Fehler grundlegender Natur im Urteil bescheinigt hätte, die einer Neuregelung, Bereinigung bzw. Klarstellung bedürfen.

(Herr Kolze, CDU: Zwei!)

Und verkaufen Sie es bitte nicht als Erfolg, dass bei einigen Regelungen nur - in Anführungsstrichen - nachgebessert werden musste. Fakt ist, dass diese Regelungen ohne entsprechende Nachbesserungen verfassungswidrig und nichtig wären. Das ist wohl fatal genug.

Jetzt zu den beanstandeten Regelungen im Einzelnen. Zu § 16 Abs. 3 wurde seitens des Landesverfassungsgerichts bemängelt, dass der Begriff der Lageerkenntnis dahingehend nicht hinreichend bestimmt sei, wann das Instrumentarium der Bildaufnahmen bei Personen- und Fahrzeugkontrollen angewendet werden darf. Das haben Sie nunmehr mit der Formulierung „tatsächliche Anhaltspunkte“ gelöst und damit eine Forderung des LVG erfüllt. Hierzu muss ich jedoch für meine Fraktion sagen:

Nicht alles, was rechtlich möglich und machbar ist, ist auch politisch gewollt.

§ 17b Abs. 4 des geltenden SOG unterstellt die Durchführung der Überwachungsmaßnahme grundsätzlich einem Richtervorbehalt, der jedoch dann in der weiteren Gesetzesfolge zugunsten einer Eilkompetenz der Polizei relativiert wird. Das hätte zur Folge, dass jeder Polizeibeamte diese Eilentscheidung treffen dürfte. Diese Regelung ist jedoch mit der Verfassung nicht vereinbar. Nunmehr darf diese Entscheidung ausschließlich der Behördenleiter oder eine von ihm benannte Person treffen.

§ 17c wurde für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Ich gehe davon aus, dass Sie das mit Ihrem Gesetzestext auch gemeint haben; denn dort haben Sie den gesamten § 17 gestrichen. Das hätte uns zwar gefallen,

(Zustimmung von Herrn Henke, DIE LINKE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)

aber ich gehe zu Ihren Gunsten davon aus, dass Sie § 17c meinen. Sie sollten diesen Fehler schleunigst heilen; dazu hätten Sie ausdrücklich unsere Zustimmung.

(Heiterkeit)

§ 41 Abs. 6 SOG regelt die Ermächtigung zur Untersuchungspflicht gegenüber Personen, durch die möglicherweise ein besonders gefährlicher Krankheitserreger auf andere Personen übertragen werden könnte. Diese Ermächtigung bedeutet einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in das Datenschutzgrundrecht. Solche Eingriffe setzen aber zwingend einen Richtervorbehalt voraus. Auch das ist im Vorfeld der Diskussion zum Gesetz immer wieder gefordert worden. Jetzt gibt es die entsprechende Änderung.

Die Regelungen in § 94a Abs. 2 bis 4 SOG sollen nunmehr gestrichen werden, da sie vom LVG für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurden. Schon in meiner ersten Rede zur Gesetzesänderung habe ich auf die Absurdität dieser Regelung hingewiesen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn zum einen bringt ein solcher Versuch, den Alkoholkonsum einzudämmen, rein gar nichts. Und zum anderen: Wer sollte kontrollieren, ob eine Person ein Glasgetränkebehältnis, das sich wiederum ausschließlich in einem geschlossenen Behältnis, also in einem zur Aufnahme von Sachen dienenden und sie umschließenden Raumgebilde, befinden muss, mit sich führen darf. Also, das muss man sich erst einmal einfallen lassen. Ich hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverfassungsgericht ein wenig den Eindruck, dass auch das zuständige Ministerium diese Regelung

nicht so richtig verstanden hat und nicht erklären konnte.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren! Nun habe ich aufgrund meiner schon einige Jahre währenden Zugehörigkeit zum Parlament noch immer die vielleicht naive Vorstellung, dass eine Landesregierung, wenn sie ein Gesetz oder eine Gesetzesänderung vorlegt, zuallererst prüft, ob die Regelungen verfassungskonform sind. Ich wurde eines Besseren belehrt. Erst das Landesverfassungsgericht musste angerufen werden und musste entscheiden. Das halte ich, gelinde gesagt, für mehr als blamabel.