Meine Damen und Herren! Nun habe ich aufgrund meiner schon einige Jahre währenden Zugehörigkeit zum Parlament noch immer die vielleicht naive Vorstellung, dass eine Landesregierung, wenn sie ein Gesetz oder eine Gesetzesänderung vorlegt, zuallererst prüft, ob die Regelungen verfassungskonform sind. Ich wurde eines Besseren belehrt. Erst das Landesverfassungsgericht musste angerufen werden und musste entscheiden. Das halte ich, gelinde gesagt, für mehr als blamabel.
Meine Fraktion wird der Überweisung des Gesetzentwurfes heute zustimmen. Aber eines muss ich deutlich sagen: Der Gesetzentwurf ist rein formal, ausschließlich unter dem juristischen Aspekt betrachtet, korrekt. Inhaltlich und politisch können wir auch heute und in Zukunft diesen Regelungen in keiner Weise zustimmen. Denn polizeiliche Befugnisse werden immer mehr auf Kosten der elementaren Grund- und Bürgerrechte erweitert. Das lehnen wir entschieden ab. - Danke.
Danke sehr, Frau Kollegin Tiedge. - Für die SPDFraktion spricht der Abgeordnete Herr Kollege Erben. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Tiedge, Sie haben natürlich Recht; ich habe es auch schon gesehen: Es ist nur das Inhaltsverzeichnis bezüglich § 17c geändert worden. Anschließend wird dann § 17 gestrichen. Das ist natürlich nicht gewollt, sondern es geht nur um § 17c, nämlich die Quellen-TKÜ.
Der Gesetzentwurf, der von Ihnen vonseiten der Koalitionsfraktionen vorgelegt worden ist, beschränkt sich tatsächlich - deswegen ist er auch so schlank - auf die Anpassungen, die sich unmittelbar aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts vom Herbst 2014 ergeben.
Wenn ich die darin gerügten Detailregelungen mit den Debatten vergleiche, die in den Jahren 2012 und 2013 in diesem Hause und auf dem Domplatz
stattgefunden haben, dann sage ich ganz ehrlich: Ein Sieg auf ganzer Linie vor dem Verfassungsgericht sieht anders aus. Denn am Ende sind lediglich Detailregelungen gerügt worden. Insbesondere zu den Vorschriften, um die es immer ging, nämlich bezüglich der Blutuntersuchung oder der Unterbrechung des Telekommunikationsverkehrs, haben wir vom Landesverfassungsgericht die klare Aussage bekommen, dass selbige verfassungsgemäß sind. Es geht lediglich um Details bei der Eilentscheidung.
Was die Quellen-TKÜ betrifft, muss ich sagen, dass uns Sozialdemokraten die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts nicht unbedingt schmerzt. Denn es dürfte in absehbarer Zeit kaum möglich sein, das überhaupt technisch umzusetzen und es dann auch so technisch umzusetzen, dass die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Schranken zum Grundrechtsschutz nicht verletzt würden.
Anders sieht das für uns - ich sage das auch für mich persönlich ausdrücklich - bei dem Wegfall der Befugnis der Kommunen aus, an bestimmten öffentlichen Orten Alkoholverbote zu verhängen. Das ist nicht nur ein Rückschlag für uns als Gesetzgeber oder für das Land, sondern auch für die Kommunen, die mit dem Problem öffentlicher Besäufnisse zu kämpfen haben.
Zu der Frage der Videoaufzeichnung bei Polizeikontrollen und der Frage der tatsächlichen Anhaltspunkte ist hier bereits ausgeführt worden.
Ich möchte es kurz zusammenfassen. Erstens. Bei dem, was wir jetzt machen, geht es nicht um das Wohl und Wehe der öffentlichen Sicherheit in Sachsen-Anhalt insgesamt. Das kann man auch daran erkennen, dass die Vorschriften bisher selten oder gar nicht zur Anwendung gekommen sind. Zweitens möchte ich noch einmal feststellen, dass das Urteil, das die Opposition vor dem Landesverfassungsgericht errungen hat, ein Minimalsieg war. Es war auf keinen Fall ein Sieg auf ganzer Linie. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Erben, im Gegensatz zu Ihrem Kollegen Kolze von der CDU-Fraktion haben Sie ausgeführt, dass die Frage eines eventuellen Staatstrojaners - oder wie man eine solche Software auch nennen mag - in nächster Zeit nicht ansteht. Sie haben dann im Gegensatz zu Herrn Kolze keine Aussage zur Notwendigkeit
eines solchen Programms formuliert. Wie steht die SPD-Fraktion insbesondere nach dem Urteil zur prinzipiellen Notwendigkeit einer solchen Software?
Wir haben gegenwärtig die Situation, dass nicht ansatzweise ein Programm auf dem Markt oder als Eigenentwicklung vorhanden ist, mit dem man eine Quellen-TKÜ durchführen könnte. Deswegen stellt sich diese Frage keinesfalls in dieser Wahlperiode.
In der neuen Wahlperiode muss man politisch über solche Dinge reden. Damit sind wir auch nicht allein auf der Welt. Die Frage ist ja, wie funktioniert das im Bereich der Strafprozessordnung, wie funktioniert das im Bereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder wie würde das im Polizeirecht letztlich funktionieren. Aber diese Fragen stellen sich gegenwärtig nicht. Deswegen sind wir nicht traurig darüber, dass die Vorschrift beanstandet worden ist.
Danke sehr, Herr Kollege Erben. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Striegel. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Landtagsdebatte am 20. Februar 2013 haben Sie, Herr Minister Stahlknecht, das von Ihrer Koalition dann beschlossene Polizeigesetz als ausgewogen und gut gemacht bezeichnet. Herr Kollege Erben sprach von maßvollen Änderungen. Das Landesverfassungsgericht hat das dann doch etwas anders gesehen und hat Sie beide mit seiner Entscheidung im letzten Jahr als falsche Propheten entlarvt und Ihnen den Gesetzestext auch aus handwerklicher Sicht um die Ohren gehauen. - Gut so.
Wie wirklich ist die Wirklichkeit, Herr Kollege? - Nun stehen wir erneut hier und debattieren über eine Änderung des Polizeigesetzes. Heute wie damals zeigt sich dasselbe Bild. Die Koalition behauptet, dass Grundrechtseingriffe notwendig seien, weigert sich aber, Begründungen konkreter Art zu liefern. Das alles haben wir im Gesetzgebungsverfahren in den Jahren 2012 und 2013 in den Plenardebatten, in den Ausschusssitzungen und in der großen Anhörung hier im Plenarsaal schon einmal erlebt.
Selbst als die Landesregierung in Dessau vor dem Verfassungsgericht in mündlicher Verhandlung vortrug, wurden auch auf Nachfrage kaum Fakten genannt. Es gab nur das verschwiemelte Eingeständ
nis, dass konkrete Daten jedenfalls nicht vorliegen und dass die eingeführten Maßnahmen nicht oder kaum zur Anwendung gelangen.
Beglückwünschen darf man die Koalition aus CDU und SPD zu der Erkenntnis, dass Urteile des Verfassungsgerichtes auch für sie gelten.
Ich begrüße ausdrücklich, dass kein neuer Versuch unternommen wird, die Quellen-TKÜ zu regeln, und dass nun Einsicht vorherrscht, dass eine Ermächtigung des Landes für ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit nicht statthaft ist.
Das war es dann auch schon mit den positiven Nachrichten; denn auch für diesen Gesetzentwurf gilt: Er will vor allem Grundrechte einschränken. Man kann als Regierung und als Koalitionsfraktion an die Grenzen dessen gehen, was ein Verfassungsgericht gerade noch als möglich erachtet hat; man muss es aber nicht.
Denn Freiheit stirbt mit Sicherheit, und Grundrechtseinschränkungen sollte es nur an den Stellen geben, an denen sie zwingend notwendig sind. Dies ist bei diesem Gesetzentwurf auch weiterhin nicht der Fall.
Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Polizistinnen und Polizisten schafft man anders. Ich möchte mich dabei vor allem auf den zu verändernden § 16 Abs. 3 Satz 1 konzentrieren. Das heißt, ich komme zu den Videoaufnahmen bei Polizeikontrollen.
Polizisten haben - dies ist unbestritten - bisweilen einen gefährlichen Job, insbesondere in Standardsituation. Sie werden beispielsweise auf Streife oder eben in Anhalte- und Kontrollsituationen attackiert und zum Teil auch verletzt. 191 Beamtinnen und Beamte wurden im Jahr 2014 Opfer von Körperverletzungen. 57 verletzte Beamte waren bei Anhalte- und Kontrollsituationen zu verzeichnen. Die Landesregierung hat null Ahnung, woran es liegt, dass immer mehr Beamte verletzt werden. Liegt es an aggressiven Angreifern, an gestiegener Anfälligkeit der Polizisten wegen des höheren Dienstalters,
an Überlastung, an zu wenig Training zur Eigensicherung? Das ist alles unklar, aber die Videoüberwachung soll nun erneut das Problem lösen.
Lassen Sie uns endlich die Ursachen für Gewalt gegen Polizisten und vor allem für die erhöhte Verletzungsanfälligkeit zum Beispiel durch die Fachhochschule Polizei untersuchen. Wenn wir die Gründe kennen, dann können wir gemeinsam über
Lösungen beraten. Ich sichere Ihnen schon heute zu, dass wir uns einer Lösungssuche nicht verschließen werden.
Ich schließe zum Beispiel bei Kontrollsituationen eine Videoüberwachung nicht gänzlich aus. Sie müsste allerdings enger gefasst werden, zum Beispiel dadurch, dass - Zitat - „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten begangen werden, die Leib oder Leben der Polizeibeamten gefährden“. Es müsste auch nachgewiesen werden, dass eine Videoaufzeichnung tatsächlich verhaltenssteuernd auf diejenigen wirkt, die Beamte angreifen. Dies ist zum Beispiel bei alkoholisierten Tätern unwahrscheinlich. Zudem scheint es mir notwendig, die Kameras so auszugestalten, dass sie vom LFZ aus geführt werden und nicht der Steuerung durch die örtlichen Beamten unterliegen.
Dass in § 41 ein nunmehr nicht zu unterlaufender Richtervorbehalt gelten soll, ist ein Fortschritt. Das ändert aber nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an Zwangstests. Diese sind unnötig und es ist kein entsprechender Anwendungsfall bekannt und - das ist das Wichtigste - sie bleiben stigmatisierend. Sie helfen nicht, die Sicherheit von Polizistinnen und Polizisten zu erhöhen.
Meine Damen und Herren! Wir werden den Gesetzentwurf in die Ausschüsse überweisen. Im Rahmen einer Anhörung kann dann weiter geprüft werden, ob die vorgeschlagenen Bestimmungen überhaupt notwendig sind.
Bei den Alkoholverboten ist dies definitiv nicht der Fall gewesen. Diese sind von den Kommunen nicht angewendet worden. CDU und SPD haben hierfür leider keine brauchbaren Hinweise vorgelegt; das ist bedauerlich. Insofern stimmen wir dem Gesetz inhaltlich jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu. - Herzlichen Dank.
Werte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Striegel! Ich kann mich nicht entsinnen, dass die CDU-Fraktion in diesem Hohen Haus jemals den Eindruck vermittelt hätte, sie stünde über unserer Verfassung. Von daher waren Ihre dahingehenden Einlassungen mehr als überflüssig.