Protokoll der Sitzung vom 18.09.2015

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Rotter, es gibt eine Anfrage der Kollegin Zoschke. Möchten Sie diese beantworten?

Ich werde es versuchen, Herr Präsident.

Die Anfrage ist im Grunde genommen wieder ganz einfach, Herr Rotter. Ich würde gern wissen, warum es überhaupt eines Alternativantrages Ihrerseits bedarf, wenn denn die Landesregierung tatsächlich schon arbeitet.

Liebe Kollegin Zoschke, ich zucke immer ein bisschen zusammen, wenn Sie von einfachen Fragen reden.

(Oh! bei der LINKEN - Frau Niestädt, SPD: Was?)

- Ich zucke zusammen.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Keine Angst! - Frau Zoschke, DIE LINKE: Ich nehme das jetzt einmal als Kompliment!)

- Das meine ich dann auch so.

(Heiterkeit)

Ich habe in meinem Redebeitrag ausdrücklich betont, dass wir mit unserem Alternativantrag durchaus gewisse Unterschiede zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen. Ich hatte ausdrücklich erwähnt, dass wir nicht nur die Ziele definieren wollen, sondern auch über die Zielerreichung reden wollen und Wege dazu auf

zeigen wollen. Insofern sehe ich schon einen deutlichen Unterschied zwischen unserem Alternativantrag und dem Ursprungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Insofern halte ich unseren Alternativantrag durchaus für berechtigt und bitte nochmals um Zustimmung. - Danke.

Es gibt noch eine zweite Nachfrage. Möchten Sie die auch beantworten?

Nein, danke.

Dann fahren wir fort in der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Kollegin Dirlich. - Zuvor können wir weitere Gäste im Haus willkommen heißen, und zwar Damen und Herren der Seniorenunion Dessau. Willkommen im Landtag!

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist auf einem guten Weg. Ich kann mich noch an die Bundestagswahl erinnern, wo wir ständig gehört haben: Wir sind gut, auf einem guten Weg, alles andere ist keine Alternative.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Sind wir auch!)

Ich fürchte, wir werden das auch in unserem Landtagswahlkampf ständig zu hören bekommen. Ich freue mich schon.

Alle Anträge der GRÜNEN sind uns wichtig - das sage ich einmal in Anlehnung an einen Antrag, den Sie gestellt haben, mit der Überschrift: „Alle Kinder sind uns wichtig“. Aber - und da geht das Aber schon los - ich hatte beim Lesen des Antrags ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich habe mich an den Entschließungsantrag zu der Großen Anfrage mit dem Titel „Selbstbestimmung und Teilhabe im Alter“ erinnert, und zwar was den Umfang der im Antrag von der Landesregierung geforderten konzeptionellen und programmatischen Arbeit betrifft und die dafür zur Verfügung stehende Zeit.

Ich fürchte deshalb, dass ich jetzt auch Ihnen ein solches Déjà-vu-Erlebnis bescheren werde, sehr geehrte Kolleginnen von den GRÜNEN. Ich habe mir nämlich meine Rede vom Juli 2015 noch einmal angeschaut und werde die entsprechenden Passagen einfach noch einmal vortragen.

Was soll die Landesregierung nicht alles leisten: die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Sozialberichts mit den von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege vorgelegten Sozialzielen abglei

chen, eigene Sozialziele entwickeln, diese Sozialziele mit Erfolgsindikatoren konkret unterlegen und damit eine programmatische Vorarbeit zum Haushalt 2017/2018 leisten, eine verbindliche Übereinkunft zu all dem zwischen Liga, Ministerium und kommunalen Spitzenverbänden erreichen.

Für all das hat die Landesregierung immerhin noch 13 Wochen Zeit, weil die Berichterstattung dazu im ersten Quartal 2016 erfolgen soll. Das erste Quartal 2016 besteht - wenn ich das richtig weiß -, was die aktive Landtagsarbeit betrifft, nur noch aus dem Januar. In der Januarsitzung allerdings diskutiert der Sozialausschuss traditionell den Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung - und nur den -, um sich danach beim Neujahrsempfang der Ärzte einzufinden. Das ist auch traditionell.

Der letzte Sozialzieleprozess hat mehrere Jahre gedauert. Der Minister hat angedeutet, wie lange es gedauert hat, auch nur einen Termin zu kriegen.

Ich weiß natürlich, dass das alles nur legislaturperiodenübergreifend möglich ist, und deshalb ist unser eigentliches Problem an diesem Antrag, wie schon beim Entschließungsantrag zur Großen Anfrage, nicht die Zeitschiene. Wir bezweifeln keineswegs die Sinnhaftigkeit der Entwicklung von Sozialzielen. Sie haben auch damit begonnen, die richtigen Themen aufzurufen. Sie selbst halten Ihre Aufzählung nicht für abgeschlossen und erwarten, dass in Zusammenarbeit mit der Liga noch weitere Themen hinzukommen werden.

Aber - da kommt für mich das Riesen-Aber - erwarten Sie allen Ernstes von der Landesregierung, dass diese konzeptionelle und programmatische Arbeit Ergebnisse in Ihrem Sinne erzielt? Wir nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wollen Sie wirklich, dass der Landtag eine zukünftige Landesregierung und die zukünftigen Haushalte mit Vorgaben bindet, die den programmatischen Vorstellungen der derzeitigen Koalition entsprechen? Wir nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist im Grunde auch eine bewährte Methode der alten Regierung, eine andere, neue Regierung zu binden. Wir würden uns gar nicht so gern binden lassen, zumindest nicht von dieser Regierung.

Wir haben unsere Konzepte selbst entwickelt. Wir streben auch ganz offensiv die Möglichkeit an, unsere Konzepte in Regierungsarbeit umsetzen zu können. Wir werden Ihren Antrag deshalb heute ablehnen, nicht weil wir seinen Intentionen nicht folgen können, sondern weil wir diese Arbeit nicht von der Landesregierung erwarten, und vor allem weil wir diese Arbeit der derzeitigen Landesregierung nicht allein überlassen wollen.

Was den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen betrifft, könnte ich mich damit beinahe anfreunden, schon weil er so wunderbar nichtssagend ist.

(Herr Rotter, CDU: Oh!)

Er enthält keine inhaltlichen Vorgaben, und er nimmt auch zur Kenntnis, dass es in dieser Legislaturperiode wohl nichts mehr wird. Wenn der Alternativantrag also beschlossen werden sollte, wovon man ausgehen kann, können auch wir und vielleicht auch Sie, liebe Damen und Herren von den GRÜNEN, diesen Beschluss mit dem Inhalt füllen, den wir für richtig und den wir für nötig halten - wenn es denn so kommt. Wir werden uns zu dem Alternativantrag der Stimme enthalten. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, vor vier oder fünf Wochen gab es eine Klausurtagung der Liga in Drübeck. Herr Rotter war anwesend. Frau Lüddemann war anwesend. Ich war anwesend. Da beklagten abends die LigaVerbände, dass es zwar unter ihrer Mithilfe einen Sozialbericht gegeben hat und sie sehr viele Kraftanstrengungen in den vergangenen Jahren unternommen haben, aus ihren Sozialzielen und aus dem, was der Sozialbericht gegeben hat, Sozialziele zu entwickeln, die dann auch eine Leitlinie für die Landespolitik sein könnten.

Daraufhin - deswegen hat mich Ihr Redebeitrag, Herr Rotter, heute etwas verwundert - waren jedenfalls wir sozialpolitischen Sprecher der Auffassung: Die Arbeit soll jetzt nicht in der Schublade landen und wir sagen noch ein großes Dankeschön für die Kraftanstrengungen des Sozialministeriums, hier noch einmal die Bedarfslage darzustellen, sondern wir nehmen den Sozialbericht - auch wenn es spät in der Legislaturperiode ist - noch einmal in das Parlament. Denn wir haben im Parlament bereits zwei Landtagsbeschlüsse gefasst, in denen wir sagen: Der Sozialbericht ist nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern wir müssen ihn auch weiterentwickeln. Wir müssen Sozialziele entwickeln - darauf warten alle gesellschaftlichen Gruppierungen -, das nehmen wir uns hier noch einmal vor.

Deswegen kann ich mich nur noch einmal bei Frau Lüddemann bedanken, dass sie das so gemacht hat und heute hier eingebracht hat.

Warum haben wir einen Alternativantrag - einen, wie Sie, Frau Dirlich, sagen, nichtssagenden - vor

gelegt? - Weil wir noch gar keine inhaltlichen Sozialziele, insbesondere mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit der Liga und mit dem Land, vereinbart haben. Wir haben zwar immer eine Bestandsanalyse gemacht, aber wir haben noch keine Sozialziele vereinbart. Wir haben noch nicht festgelegt, dass wir schwerpunktmäßig Altersarmut bekämpfen wollen. Wir haben nicht als Sozialziel festgelegt, in welchen Schritten wir Inklusion vorantreiben wollen. All diese Punkte sind nicht fixiert worden.

Das Sozialministerium hat dankenswerterweise jetzt angefangen, eine Veranstaltung zusammen mit der Liga und mit den kommunalen Spitzenverbänden zu konzipieren, wo es insbesondere darum geht, eine gemeinsame Zielverfolgung vorzusehen für die Sozialplanung. Das würde ich gern unterstützen. Das kann man auch legislaturperiodenübergreifend machen.

Ein Punkt wäre nämlich neu. Ich kann Ihren Frust verstehen, Frau Dirlich. Wir haben einen Sozialbericht gemacht. Wir reden immer über die sozialen Lagen. Wir sagen, wohin wir wollen. Aber eines haben wir in all der Zeit noch nie geschafft. Wir haben einen Sozialbericht gemacht; als der dann da war als Sozialplanung, als wir Sozialziele vielleicht schon einmal fixiert haben, sind ein Doppelhaushalt und ein weiterer darüber hinweggegangen - und nichts von dem, was wir uns hier erarbeitet haben, hat Berücksichtigung gefunden.

(Zustimmung von Frau Dirlich, DIE LINKE)

Ja, das müssen wir uns selber eingestehen. Wir haben trotzdem Kürzungen in dem Bereich gemacht, obwohl wir eigentlich hätten sagen müssen, man hätte das vielleicht gar nicht tun dürfen, um bestimmten Sachen präventiv zu begegnen.

Das ist eigentlich das, was wir - so hoffe ich - noch im Jahr 2016 - egal wer - bis zum nächsten Doppelhaushalt hinbekommen müssten: Wir müssen aus dem Sozialbericht Sozialziele verwirklichen, die wir dann auch im Haushalt widerspiegeln. Das wäre endlich einmal eine Leistung. Ich glaube, mittlerweile sagen alle Fraktionen übergreifend, dann wäre das wirklich eine Sozialpolitik aus einem Guss, und nicht, wie Sie sagen, eine Erarbeitung von Zielen, die sowieso niemals umgesetzt werden.

Ich werbe auch noch einmal für den Alternativantrag. Ich hoffe, dass wir noch einmal die Kraft haben. Sie haben gesagt, wir sollen noch nicht aufhören, zu arbeiten, Frau Dalbert, es ist noch ein halbes Jahr Zeit. Ich möchte dafür werben, dass wir diesen Alternativantrag überweisen und das in den Anschüssen noch anberaten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abgeordnete Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte auf ein paar Punkte kurz reagieren. Ich glaube, es ist nur ein kleines Missverständnis, Herr Minister: sich Ziele geben, Ziele vereinbaren. Ich hatte gehofft, dass aus dem Gesamtkontext klar wird, dass das natürlich in der Gemeinsamkeit erarbeitet wird. Die Regierung muss sich diese Ziele dann aber für ihre eigene Arbeit geben. Ich glaube, im Grundsatz haben wir uns hier sehr richtig verstanden - im Gegensatz zum Kollegen Rotter.