glauben Sie nicht, dass die Kinder und Enkel viel mehr als über die Frage der heute nicht geschehenen Ausgaben über uns richten werden über die Frage der heute nicht abgezahlten Schulden?
Ich glaube, wenn wir nicht ernsthaft überlegen, was wir tun können, damit Kinder in Sachsen Anhalt geboren werden, damit sie, wenn sie heranwachsen, hier bleiben wollen, weil sie eine Perspektive für sich sehen, damit sich Familien entscheiden, hier gehe ich hin, hier habe ich eine gute Infrastruktur, hier kann ich mein Onlinegeschäft betreiben, weil ich schnelle Datenverbindungen habe, hier kann mein Kind in den Kindergarten und in die Schule gehen, hier kann meine Mutter im Pflegeheim liegen, dann werden hier keine Kinder mehr sein, die uns fra
Ich glaube, wir müssen dahin kommen zu begreifen, dass das, was Sachsen Anhalt starkmachen kann, gestärkt werden muss, und zwar nicht mit der Versprechung, wir tilgen die Schulden, sondern mit der Schaffung von Lebensqualität. Darum geht es uns. Daran wäre ein starker Staat erkennbar.
(Beifall bei der LINKEN - Olaf Meister, GRÜNE: Sie dürfen nicht nur an das eine denken, sondern an beides!)
Ich sehe keine weiteren Fragen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE wird es Frau Abg. Lüddemann sein.
Bevor ich Frau Lüddemann das Wort erteile, darf ich Schülerinnen und Schüler der Gorki-Sekundarschule aus Schönebeck recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen bei uns!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heimat ist nicht objektivierbar. Im Grunde versteht jeder von uns etwas anderes darunter, individuell.
Wenn ich Menschen frage, dann bekomme ich auch solche Antworten: Heimat ist der Duft des Waldes in der Glücksburger Heide, ist das Paddeln auf der einzigartigen Elbe, ist dort, wo ich Volleyball spiele.
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, darf ich Sie ganz kurz unterbrechen? - Ich denke, an dieser Stelle muss ich noch einmal daran erinnern, dass wir jedem Redner und jeder Rednerin hier vorn die Möglichkeit geben wollen, seinen bzw. ihren Beitrag auch zu Ihrem Verständnis herüberzubringen. Deswegen bitte ich einfach darum, Ihren Geräuschpegel weit herunterzufahren. - Bitte, Sie haben weiterhin das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heimat ist nicht objektivierbar. Im Grunde versteht jeder von uns etwas anderes darunter. Es ist individuell. So sind auch die Antworten der Menschen, wenn man sie gefragt: Das ist das große Glück, auf der einzigartigen Elbe zu paddeln. Das ist der Duft des Brotes beim Backofenfest in Garitz. Das ist dort, wo ich Volleyball spiele. Das ist dort, wo meine Familie lebt, wo meine Freunde sind, wo ich mich einbringen kann, wo ich verstanden werde. Heimat ist also ein ganz persönliches Konstrukt, das individuell mit Erlebnissen und Emotionen gefüllt wird.
Gerade in Deutschland wird immer wieder überlegt und manchmal auch gestritten, was Heimat denn sei. Dies immer besonders heftig, wenn man in Zeiten fundamentalen Wandels in der Gesellschaft ist, wenn alte Strukturen aufbrechen, wenn verbindlich Geglaubtes unverbindlich wird, wenn sich Bezugsgrößen ändern.
So war es in der Zeit der Industrialisierung, als eine völlig neue Arbeitsaufteilung aufkam, als die Menschen vom Land in die Stadt zogen, als die Kirche ihre Macht verlor, für alles die allgemeingültigen Werte vorgeben zu können.
Heute leben wir wieder in Zeiten des Wandels. Die Digitalisierung ist quasi eine neue Form der Industrialisierung. Die Globalisierung toppt das Ganze sozusagen noch. Auch heute sind Menschen wieder auf der Suche. Wir GRÜNEN haben momentan immensen Zulauf bei Veranstaltungen, wo wir gemeinsam mit den Menschen unsere Antworten auf diese Fragen der Zeit diskutieren.
Darüber hinaus gibt es aber auch noch einen größeren Zusammenhang von Heimat. Dieser lässt sich für uns GRÜNE im 21. Jahrhundert ganz klar nicht mehr an der Blutszugehörigkeit, nicht mehr an der Hautfarbe festmachen; diese Heimat gründet sich in direkter Fortführung der individuellen Freiheit auf eine gemeinsame, verbindende, wertebasierte Norm.
Sie muss einen überschaubaren Bezugsraum haben - mein Dorf, mein Stadtteil -, kann aber auch in einer größeren Idee, beispielsweise der europäischen, aufgehen. Für mich persönlich ist gerade in unserem noch jungen Bundesland sehr wichtig, dass wir gemeinsam mit den Menschen immer weiterentwickeln: Was kann Sachsen-Anhalt sein? - Deswegen müssen wir den ländlichen Raum stärken, bürgerschaftliches Engagement unterstützen, Mitmachen möglich machen.
Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen sehen, was wir seit der friedlichen Revolution in diesem Land geschafft haben. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen daran arbeiten, dass wir das, was noch zu tun ist, gemeinsam tun. Denn trotz positiver Konjunkturdaten und sinkender Arbeitslosenquote gibt es noch ein paar Punkte auf dem To-do-Zettel.
Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen den Mut haben, um die Ecke zu denken und an das, was wir an unermesslichen Naturschönheiten, an der Dichte von Weltkulturerbestätten, an der immens guten logistischen Lage im Herzen Europas haben. Deswegen mache ich Politik.
Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass unser wunderschönes Sachsen-Anhalt vom Land der jammernden Möglichkeiten zum Land der froh genutzten Chancen wird.
Ein souveräner Staat ist dafür die Grundlage. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Ein souveräner Staat ist sich seiner Werte bewusst, seine Repräsentanten benennen Fehlentwicklungen unmissverständlich und achten die Gewaltenteilung. Ein wertebasierter, souveräner Staat ist das Gegenteil von dem, was wir über Jahre in Sachsen beobachten mussten und was sich jetzt im Mob von Chemnitz erschreckend kulminiert hat.
Mehr Menschen müssen aufstehen, um diesen unseren Rechtsstaat - auch gegen die Verfassungsfeinde von rechts - zu verteidigen.
Ich kämpfe für ein Sachsen-Anhalt, das Heimat für alle Menschen ist, die sich positiv einbringen, für alle, die gemeinsam Sachsen-Anhalt im gegenseitigen Respekt weiterentwickeln. In diesem Sachsen-Anhalt haben Homophobie, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit keinen Platz.
Vielen Dank, Frau Lüddemann. Es gibt keine Fragen. - Wir kommen somit zum letzten Redner im Rahmen der Aussprache der Regierungserklärung. Das wird der Abg. Herr Schulenburg für die CDU-Fraktion sein. Sie haben das Wort. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heimat bietet Stabilität in einer Zeit des permanenten Wandels. Heimat ist etwas Erhaltenswertes und damit etwas Nachhaltiges. Sie ist immens wichtig für unsere unmittelbare Lebensqualität. Heimat ist in diesem Sinne ein Zukunftskonzept.
Heimat prägt Identität. Wir sind sozialisiert, geprägt von dem, wie und wo wir aufgewachsen sind. Meine Heimat ist Sachsen-Anhalt. Ich bin auch ein Rückkehrer. Wir brauchen ein Europa der Nationen, das ganz eng zusammenarbeitet. Heimat bietet dafür die nötige Orientierung.
Heimat und Weltoffenheit gehören dabei zusammen. Menschen suchen nach Stabilität, Sicherheit und Solidarität. Das ist ein ganz normales menschliches Bedürfnis. Deshalb ist Heimat auch ein Zukunftskonzept.
Wenn Sie Stabilität in einer Gesellschaft wollen, dass Menschen sich dort wiederfinden, dann brauchen sie eine Heimat. Der Verlust der Heimat kann schmerzlich sein. Das empfinden auch heute noch viele Menschen, die Sachsen-Anhalt verlassen mussten. Aber Heimat kann man nicht gewinnen.
Wer sich auf unsere Lebensweise und Kultur einlässt, wer unsere Regeln und Werte akzeptiert und vielleicht sogar mitgestaltet, wer die deutsche Sprache erlernt, wer auch unsere Geschichte akzeptiert, der kann hier eine neue Heimat finden.
In eine neue Heimat kann sich nur der integrieren, der die Kultur akzeptiert und Regeln der Gesellschaft annimmt.