Protokoll der Sitzung vom 22.11.2019

Die Verordnung würde nichts an der Realität ändern, außer dass sie Arbeitgeber weiter gängelt. Alle zwingenden Mitbestimmungsrechte sind bereits im Gesundheitsschutz, beispielsweise im Arbeitsschutzgesetz und in anderen Bereichen, vollumfänglich geregelt. Außerdem enthält die Verordnung eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, also schwammiger Rechtsbegriffe. Sie führt dazu, dass Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Betriebsräte im Glauben schwelgen, das Problem über diese Verordnung zu lösen; aber die eigentlichen Grundursachen werden damit gar nicht angegangen.

Wie es Fachanwalt Tobias N. - übrigens ein Fachanwalt genau für dieses Thema, nämlich für Arbeitsrecht -, der eigentlich hinter den Betroffenen steht, ganz richtig ausführte, ist die geforderte Antistressverordnung daher nichts mehr als eine Klientelpolitik, unnötiger Verwaltungsaufwand, ein Kostenblock für Arbeitgeber und ein Feigenblatt für bestehende betriebliche Umsetzungsdefizite.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Echte Maßnahmen, wie individuelle Betriebsvereinbarungen, spezifische Tarifverträge und vor allem - das ist in meinen Augen das Entscheidende - eine

Prüfung im Individualfall durch das Unternehmen selbst, also eine Stärkung der Arbeitgeber, stellen nach unserer Ansicht langfristige Lösungen dafür dar, dass kein Mitarbeiter aufgrund seines Jobs eine Erkrankung jeglicher Art davontragen muss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Siegmund für den Redebeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Meister. Herr Meister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gute Arbeit haben wir uns sowohl als Kenia als natürlich auch als bündnisgrüne Fraktion auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört natürlich auch ein guter Arbeitsschutz, und zwar ein Arbeitsschutz, der auch die psychische Dimension umfasst. Nicht umsonst hat der Landtag seinerzeit beschlossen, das Thema psychische Gesundheit als Querschnittsthema in die Gesundheitsziele des Landes einzuarbeiten. Insofern haben wir als Land bereits einen kleinen Schritt unternommen.

Zu der Frage, ob wir uns nun auf der Bundesebene für eine Antistressverordnung einsetzen sollen. Ich stimme den Antragstellern inhaltlich zu. Es gibt auch entsprechende Initiativen der grünen Bundestagsfraktion. Nur hat sich die jetzige Bundesregierung bei diesem Thema sehr zurückgehalten. Daher habe ich wenig Hoffnung, dass von dort in der laufenden Legislaturperiode tatsächlich noch etwas kommt und wir mit Dingen durchdringen werden.

Insofern kann man sich fragen, ob man sich den Stress mit einer Antistressverordnung tatsächlich antun sollte. Ich glaube, man muss diesbezüglich auf eine neue Bundesregierung hoffen.

Zum Thema Personal im Bereich Arbeitsschutz im Land. Hierbei erreichen wir tatsächlich die ILOEmpfehlungen von 10 000 Beschäftigten pro Arbeitsschutzinspektorin nicht. Das ist bedauerlich.

Wenn man auf die anderen Bundesländer schaut, dann stellt man fest, dass wir aber gar nicht so schlecht sind. In Bayern entfallen - sage und schreibe - 38 000 Beschäftigte auf einen Arbeitsschutzinspektor; dort scheint man das nicht zu priorisieren. Die meisten westlichen Bundesländer sind schlechter aufgestellt als wir. Trotzdem muss man schauen, wie sich die Situation und die Bedarfe aktuell darstellen, wie sich der Handlungsbedarf darstellt und welche Priorität wir diesem Thema im Verhältnis zu anderen Dingen geben wollen.

Nach meiner Kenntnis ist hierzu ein Fachgespräch im Sozialausschuss avisiert. Ich gehöre diesem Ausschuss nicht an. Insofern kann ich das nur vortragen. In diesem Rahmen werden wir auch von der Landesregierung berichtet bekommen, welche Beschlüsse die Arbeits- und Sozialministerkonferenz dazu bei ihrem Treffen Ende dieses Monats getroffen hat; denn auch dort steht dieses Thema auf der Tagesordnung.

Wir schlagen daher vor, den Antrag in den Sozialausschuss zu überweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Dann danke ich Herrn Meister für den Redebeitrag. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Steppuhn. Herr Steppuhn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE, das Thema psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit Herausforderungen für den Arbeitsschutz zu diskutieren und auch im Landtag aufzurufen, zu begrüßen.

Herr Kollege Höppner, wir werden allerdings heute nicht die Gelegenheit haben, innerhalb von drei Minuten Redezeit auf alle Punkte, die Sie genannt haben, einzugehen. Ich möchte Ihnen aber in einer Aussage widersprechen, nämlich dass psychische Erkrankungen immer oder sehr oft am Arbeitsplatz festzumachen sind. Ich denke, an dieser Stelle muss man differenzieren. Diese Erkrankungen haben sehr viel mit dem Arbeitsplatz zu tun, aber es gibt durchaus auch andere Fälle und Beispiele.

Richtig ist, meine Damen und Herren, während ein verbesserter Arbeitsschutz dazu geführt hat, dass mehr Prävention zu weniger Arbeitsunfällen im klassischen Sinne geführt hat, steigt die Anzahl psychischer Erkrankungen deutlich an. Hierauf verweist auch eine aktuelle Studie der Barmer GEK. Das ist Grund genug, sich dem Thema politisch zu stellen und auch darüber zu beraten, wie man neue Anforderungen an den Arbeitsschutz formulieren kann.

Zu guter Arbeit gehören nicht nur ein guter Lohn und ein auskömmliches Einkommen, sondern auch ein Arbeitsumfeld, das nicht krankmacht. Meine Damen und Herren! Es fällt auf, dass psychische Erkrankungen oft dort entstehen, wo Menschen mit Menschen zu tun haben oder wo der Leistungsdruck und neue Technologien zu mehr Arbeitsverdichtungen am Arbeitsplatz geführt haben. Digitalisierung und die schöne Arbeitswelt - man nennt sie auch Arbeitswelt 4.0 -

sollten die Arbeit leichter machen, führen aber automatisch auch zu mehr Druck auf den Einzelnen und beeinflussen nicht nur den Menschen, sondern bestimmen auch das Arbeitstempo.

Dieses gilt für den Montagearbeiter am Band ebenso wie für die Sachbearbeiterin am PC. Schaut man sich die Zahlen einmal näher an, dann fällt auf, dass insbesondere in Branchenunternehmen, die bei neuen Technologien und der Digitalisierung Vorreiter sind, die psychischen Erkrankungen auf dem Vormarsch sind. Gleiches gilt für die Dienstleistungsbereiche wie Callcenter oder die Logistikbranche.

Aber - der Herr Bildungsminister ist noch im Saal - auch Lehrerinnen und Lehrer sind laut einer aktuellen Studie der Barmer GEK in unserem Land besonders betroffen. Das sind Hinweise, die auch aufgrund des mittlerweile vorherrschenden Lehrermangels unseren Bildungsminister durchaus beunruhigen sollten. Im Übrigen wird gerade bei den gesetzlich versicherten Lehrern deutlich, dass psychische Erkrankungen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage bedingen; das sagt die Studie der Barmer GEK aus.

Meine Damen und Herren! Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Aber Arbeit darf nicht krankmachen, weder körperlich noch im Kopf. Daher und nicht nur aus diesem Grund muss der Arbeitsschutz weiterentwickelt werden, gerade im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen.

Zu guter und fairer Arbeit gehört auch, dass Menschen an ihrem Arbeitsplatz nicht kaputtgespielt werden dürfen. Daher ist es ein wichtiges Thema, mit dem wir uns auch in den Ausschüssen befassen sollten. Deshalb beantrage ich die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration, damit wir uns dort weiterhin damit beschäftigen können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch hierzu sehe ich keine Fragen. Dann danke ich Herrn Steppuhn für den Redebeitrag. - Zum Schluss der Debatte hat noch einmal Herr Höppner das Wort. Herr Höppner, bitte.

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Danke für die Redebeiträge. Ich denke, wir haben einen gewissen Konsens. Ich konnte zumindest feststellen, dass wir auf einer Linie schwimmen und das Thema weiter beraten wollen.

Ich möchte an dieser Stelle noch ein paar Hinweise geben, weil - ich glaube, das kam von der

AfD - angeführt wurde, Arbeitsschutz gängele Unternehmen. Das ist natürlich totaler Quatsch. In meiner 20-jährigen Tätigkeit musste ich leider feststellen, dass viele Unternehmen beraten werden müssen, wenn ich es einmal so nennen darf, weil sie viele Dinge nicht kennen.

Zu der Gesetzeslage, zu den Regelungen und zu den Verordnungen sage ich ganz deutlich: Diese sind in vielerlei Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes mit Blut geschrieben. Deswegen gibt es diese Reglungen. Sie müssen von den Unternehmen natürlich umgesetzt werden, damit keine schweren Unfälle und keine Schwerstunfälle passieren und die Gesundheit der Beschäftigten erhalten bleibt. Das halte ich für ganz wichtig.

Bei der Überweisung des Antrags in den Sozialausschuss gehe ich mit. Das finde ich gut. Ich hätte aber gern, weil das Thema auch Unternehmen tangiert, eine Mitberatung im Wirtschaftsausschuss. Federführend sollte Sozialausschuss sein; der Wirtschaftsausschuss sollte mitberatend beteiligt werden, wenn das möglich wäre. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Höppner, Herr Schmidt von der AfD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet, wenn sie noch zur Verfügung stehen. - Herr Schmidt, Sie haben das Wort.

Ich habe eine Anmerkung zur Geschäftsordnung. Wenn ich mir die Reihen ansehe, dann bin ich der Meinung, dass nach § 70 Abs. 2 der Geschäftsordnung die Beschlussfähigkeit des Landtages nicht mehr gegeben ist.

Das ist so. Ich hatte schon einmal durchgezählt. - Herr Abg. Schmidt, Sie stellen jetzt offiziell den Antrag zum Feststellen der Beschlussfähigkeit? - Gut. Dann müssten wir jetzt durchzählen. - Herr Steppuhn.

Herr Präsident, da es hierbei um eine Abstimmung über eine Überweisung geht und wir uns in diesem Haus hierzu weitestgehend einig sind, würde ich darum bitten, dass wir hier nicht die Beschlussfähigkeit feststellen.

(Alexander Raue, AfD: Überweisung ist ein Beschluss! Anscheinend ist Ihnen das nicht klar! - Jan Wenzel Schmidt, AfD: Ich ziehe zurück!)

Herr Schmidt zieht seinen Antrag nicht zurück, also stellen wir die Beschlussfähigkeit des Hauses jetzt fest und zählen die Abgeordneten durch.

(Unruhe)

Ich hatte schon einmal durchgezählt und wir kommen nicht auf die erforderliche Anzahl an Abgeordneten, um die Beschlussfähigkeit zu erreichen.

(Zurufe: Was? - Es müssen alle gezählt werden! - Auch die da vorn!)

- Ich hatte 33 gezählt. Jetzt sagt Herr Dr. Schmidt, es habe sich wieder geändert, weil einige hinzugekommen sind.

(Tobias Rausch, AfD: Wir sind 50; jetzt wei- termachen, Beschlussfähigkeit herstellen und weiter! - Olaf Meister, GRÜNE: 48! - Zuruf von der CDU: Dann stellen wir die Beschlussfähigkeit fest! - Weitere Zurufe von allen Fraktionen)

Es wird jetzt ein Namensaufruf vorgenommen, um die Beschlussfähigkeit festzustellen, weil das angezweifelt wird.

(Tobias Rausch, AfD: Zieh den Scheiß- antrag zurück! - Zurufe von der CDU)

Herr Abg. Schmidt, bitte.

Ich möchte, da die Reihen wieder aufgefüllt sind, das nicht unnötig in die Länge ziehen und ziehe den Antrag.

(Jürgen Barth, SPD: Was soll denn diese Scheiße hier! - Zurufe von der CDU: Ach nee! - Gucke an! - Unruhe)

- Das mache ich nur für Sie.

Der Abg. Schmidt zieht seinen Antrag zurück. Damit fahren wir in der Debatte fort. Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen jetzt über die Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/5243 ab. Es wurde vorgeschlagen, diesen Antrag in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zu überweisen.

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Wirtschaft!)