Protokoll der Sitzung vom 27.02.2020

Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie in Ihrem Antrag nicht nur von einem Sieg über den Nationalsozialismus geschrieben haben, sondern von einem Sieg über Deutschland - Sieg über Deutschland, also über ein Land und ein Volk. Wenn man das im Antrag so formuliert, dann klammert man diese ganzen Hunderttausenden und Millionen von Menschen aus, die ich gerade mit genannt habe.

Wir leben in einer Zeit - das wurde heute auch schon richtigerweise gesagt -, in der gewisse Vorgänge in unserem Land bedenklich sind und in der übrigens auch eine Spaltung der Gesellschaft immer stärker spürbar ist. Wenn man jetzt schon wieder den nächsten Spaltkeil in die Gesellschaft hineintreibt, dann finde ich das unangebracht.

Wir haben vorhin auch gehört, dass der Bogen gespannt und gesagt wurde: Wir dürfen nicht nur auf den 8. Mai 1945 schauen, wir müssen auch auf 1933 schauen. Das ist auch richtig. Aber wenn wir schon einen Bogen spannen, dann müssen wir ihn noch weiter spannen und auf das Jahr 1914 schauen. Denn der 8. Mai war eben auch das Ende des sogenannten 30-jährigen Krieges des 20. Jahrhundert. Wenn wir wirklich schauen wollten, wie alles anfing, welche Einflüsse es gab, über was wir alles nachdenken und wessen wir am 8. Mai gedenken müssen, dann müsste auch dieser Bogen gespannt werden.

Mich stört an Ihrem Antrag eines ganz besonders: nämlich, dass Sie eben nicht nur von einem Ge

denktag sprechen. Sie wollen einen Feiertag. Es gibt natürlich Stimmen in diesem Land und sogar außerhalb dieses Landes, die sagen: Wenn man einem Land, einer Nation, einem Volk von oben per Diktat auferlegt, seine eigene Niederlage feiern zu müssen, dann ist das an Perversion nicht zu überbieten. Auch diese Überlegung sollte man zumindest einmal zulassen.

Ganz zum Schluss Folgendes: Mich stört ein wenig die gefühlte Unehrlichkeit in Ihrem Antrag. Ich sage jetzt: gefühlte. Es kann ja auch nur sehr subjektiv empfunden sein. Man ist der Meinung, dass Sie dieses Thema wieder einmal nur nutzen, um heutige Politik auf Kosten oder unter Verwendung oder unter Missbrauch der Vergangenheit zu machen. Das heißt, das Thema wird immer wieder aufgewärmt. Es fühlt sich so an, als ob mit jedem Jahr, mit dem wir uns von dieser tragischen, schwarzen, dunklen Zeit damals entfernen, der Druck immer größer wird, die Schraube immer weiter gedreht wird, die Sache also übertrieben wird.

Ich frage mich, was in 25 Jahren sein soll - am 100. Jahrestag des sogenannten Endes der Naziherrschaft, des Zweiten Weltkrieges -, ob wir dann, Ihren Anträgen folgend, gezwungen sein werden, als Deutsche mit Oberkörper frei und in Selbstgeißelung durch die Straßen zu marschieren. Das wäre das Ende der Politik, die Sie hier betreiben. Sie übertreiben und das wird einem solchen Tag nicht gerecht. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Wir kommen jetzt zur Abg. Frau Quade zurück. Sie hat zum Schluss noch einmal das Wort.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

- Herr Kirchner, Sie haben sich zu Wort gemeldet? Das habe ich jetzt nicht gesehen.

(Oliver Kirchner, AfD: Ich kann auch da- nach, ist egal!)

- Okay. - Frau Quade, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich bedanke mich zuerst sehr herzlich für einen großen Teil der Redebeiträge aus den demokratischen Fraktionen.

(Oh! bei der AfD)

Wir freuen uns sehr, dass heute von dieser Debatte das Signal ausgeht, dass es am 8. Mai im Jahr 2020 zum 75. Jahrestag der Befreiung einen öffentlichen Gedenktag vonseiten des Landtages

und der Landesregierung geben wird. Das ist ein gutes Signal, vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Insofern können wir unter diesen Vorzeichen die Ausschussüberweisung sogar sehr gern mittragen. Bei den Verhandlungen und den Beratungen im Ältestenrat, die notwendig sind, um diesen Gedenkakt vorzubereiten, werden wir sehr gern auf Ihre Worte zurückkommen und Sie beim Wort nehmen.

Ich will zwei weitere Dinge sagen. - Herr Schulenburg, ich habe in meiner Rede Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1985 zitiert. Dass Richard von Weizsäcker im Jahr 1985 weiter war, als Sie es heute sind, spricht Bände.

(Beifall bei der LINKEN - Chris Schulen- burg, CDU: Sie haben mir nicht zugehört!)

- Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Herr Schulenburg. Über all das, was Sie vorgebracht haben,

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das war ziemlich traurig!)

ist zu reden. Lassen Sie uns über Aufarbeitung reden. Lassen Sie uns über die Defizite bei der Aufarbeitung reden. Dazu gehört ein ganz großer Teil der Punkte, die Sie angesprochen haben.

All das nimmt dem 8. Mai 1945 aber nichts, wirklich gar nichts von seinem Charakter als Tag der Befreiung,

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

es sei denn - ich beziehe mich nicht auf Sie, Herr Schulenburg, sondern auf die Redebeiträge der AfD-Fraktion -, man sieht sich in der Kontinuität der Täter. Dann ist es der Tag der Niederlage.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wer nicht feiert, der hat verloren; in der Tat.

(André Poggenburg, fraktionslos: Realität!)

Die Frage ist immer, wessen gedacht werden soll. Wer der Opfer gedenken will, der muss den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung verstehen. Das hat gerade auch Esther Bejarano, die Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, deutlich gemacht. Dass die AfD das nicht will, sondern eine erinnerungspolitische Wende anstrebt, ist folgerichtig. Deswegen ist kein Wort des Gedenkens und des vorgeblichen Gedenkens von der AfDFraktion glaubhaft. Sie beziehen sich ideologisch auf die Täter. In Ihrer Abwehr gegen den 8. Mai als Tag der Befreiung beziehen Sie sich auf Ihre Niederlage. Das war ein verräterischer Redebeitrag. In der Tat, Sie haben verloren; denn Sie stehen in der Kontinuität der Täter.

(Tobias Rausch, AfD: So ein Schwachsinn!)

Wir wollen mit den Überlebenden feiern. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Verehrte Frau Quade, es gibt zwei Wortmeldungen. - Herr Kirchner, wollen Sie als Erster?

(Oliver Kirchner, AfD: Ich rede dann als Fraktionsvorsitzender! Ich will etwas gera- derücken!)

- Das ist okay. - Dann ist Herr Farle jetzt an der Reihe.

(Tobias Rausch, AfD: So ein Schwachsinn! - Zuruf von der AfD: Das sind die, die sich den Volkstod wünschen!)

Sie haben das Wort, Herr Farle.

Die unverschämten Unwahrheiten, die Sie hier aussprechen, haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Wir befinden uns in keiner Täterkontinuität. Bei uns gibt es keine Nationalsozialisten. Wir verurteilen den Hitlerfaschismus genauso wie alle anderen. Aber wir machen eines nicht: Wir vergessen nicht, dass man auf der anderen Seite auch unserer Bevölkerung - der unschuldigen Kinder, der Erwachsenen und der anderen Menschen -, gedenken muss. Das gehört mit dazu. Das merken Sie sich bitte für die Zukunft.

Wenn Sie, Herr Striegel, und Sie, Frau Quade, immer wieder damit anfangen, dann lassen Sie sich gesagt sein: Unsere Bevölkerung will diesen Unsinn von Ihnen nicht mehr hören. Deswegen nimmt die Anzahl unserer Wählerstimmen zu und Ihre nimmt ab.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das sieht man ja an den Wahlergebnissen in Ham- burg!)

Denn Sie leugnen die Zusammengehörigkeit mit dieser Bevölkerung, übernehmen einfach die Siegermentalitäten und wollen diese in die Öffentlichkeit hineintragen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Gerade so in die Bürgerschaft gekommen! - Hannes Loth, AfD: Guck mal in Thüringen! - Ulrich Siegmund, AfD: Ja, in Thüringen! - Daniel Roi, AfD: Ihr könnt so hetzen, wie Ihr wollt! Das ist Mathematik! - Weitere Zurufe von und Heiterkeit bei der AfD)

Danke, Herr Farle. - Ich habe vernommen, Herr Fraktionsvorsitzender - -

(Unruhe bei der AfD)

- Ich denke, Sie sollten Ihrem Fraktionsvorsitzenden die Möglichkeit geben zu sprechen. Herr Kirchner hat signalisiert, dass er jetzt als Fraktionsvorsitzender sprechen möchte. - Bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Zur Klarstellung. Zuerst möchte ich sagen, dass ich Herrn Schulenburg sehr dankbar für die Ausführungen bin. Es ist nämlich etwas anderes, wenn es ein CDUAbgeordneter sagt, als wenn es ein AfD-Abgeordneter sagt.

(Chris Schulenburg, CDU: Sie haben mir auch nicht zugehört! - Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

- Ich habe Ihnen zugehört. Ich habe auch in Ihrem Redebeitrag von den Verfehlungen gehört, die die russische Besatzungsmacht hier im Osten Deutschlands begangen hat.

Dass Frau Quade geschichtsmäßig natürlich nicht ganz so bewandert ist,