Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Ich eröffne die Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Bergemann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, seit dem 11. November gibt es den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD. Seit dem 22. November wird die Bundesrepublik Deutschland erstmals von einer Frau, Dr. Angela Merkel, als Kanzlerin regiert. Ich finde, das ist gut so.

(Beifall bei der CDU)

Nach sieben Jahren Rotgrün wollen und brauchen wir dringend einen Neuanfang für unser Land, denn das Wirtschaftswachstum stagniert, die Verschuldung ist erschreckend hoch und der Aufbau Ost ist auch ins Stocken geraten. Wir kennen diese Probleme alle und ich denke, die große Koalition - der Wähler hat das am 18. September ganz offensichtlich so gewollt - eröffnet die Chance für den immer angesprochenen Ruck hier in Thüringen, aber auch in unserem ganzen Land. Die Basis dazu liefert der Koalitionsvertrag und „Gemeinsam für Deutschland - mit Mut und Menschlichkeit“. Ich denke, das ist ein ausgewogener Kompromiss. Mir persönlich kommt es dabei in erster Linie nicht so darauf an, wessen Handschrift nun deutlicher zu lesen ist, sondern dass wir einen hohen Grad an Übereinstimmung herbeigeführt haben, Übereinstimmung zwischen CDU/CSU und SPD in Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung,

(Beifall bei der CDU)

in Fragen der Landwirtschaft, Bildung, Forschung, in all diesen wichtigen Themen. Es eröffnet natürlich auch die Möglichkeit für eine zügige Umsetzung der im Vertrag aufgeschriebenen Zielstellungen, vor allen Dingen in Thüringen und auch in Deutschland. Die ersten Amtstage, meine sehr geehrten Damen und Herren, unter der Führung von Angela Merkel machen Mut. Das zeigt, dass auch das Parlament dazu bereit ist,

(Beifall bei der CDU)

die Probleme anzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Sehr schön, lieber Kollege Höhn. Wie hat der Fraktionsvorsitzende der SPD gesagt? Auch wir müssen das noch lernen, gegenseitig Beifall zu klatschen. Das ist ein guter Anfang.

(Heiterkeit bei der CDU)

Schwerpunkt dabei ist natürlich in erster Linie auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Absenkung der Arbeitslosigkeit, aber nicht in erster Linie durch Deregulierung, sondern, wie wir auch meinen, diese Förderung mit Innovationen zu begleiten, vor allen Dingen Innovationen. Das heißt auch das Abbauen von Bürokratie in vielen Bereichen, denn das wird auch bei uns in den Ländern Wachstumskräfte freisetzen, die Absenkung der Staatsverschuldung, einer der ganz wesentlichen Punkte - wo wir im Gegensatz, wie jetzt auch unlängst wieder gehört von der Linkspartei.PDS, die neue Schulden aufnehmen wollen, das kann und darf unser Ziel in diesem Land nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Die Senkung der Lohnzusatzkosten, die Flexibilisierung am Arbeitsmarkt durch Beispiele wie Kombilohn, dazu wird im nächsten Jahr eine Kommission Vorschläge machen. Davon bin ich sehr überzeugt, das bringt uns ein ganzes Stück weiter. Vor allen Dingen die gesetzliche Fixierung der Langzeitarbeitskonten, auch unter dem Kontext, dass wir ja das Renteneinstiegsalter erhöhen werden, damit natürlich auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess eingegliedert werden müssen, dass sie eine rechtliche Grundlage dafür haben, das sind vielleicht nur zwei Punkte, wo ich glaube, die uns zusätzlich Wachstum und Beschäftigung sichern werden.

Aus Thüringer Sicht bedeutet natürlich die Umsetzung auch der Föderalismusreform mit deutlichen Kompetenzabgrenzungen zwischen den Ländern und dem Bund für uns eine frühzeitige Koordinierung der Aufgaben im Bundesrat für die Landesregierung. Und der Aufbau Ost, das ist uns allen bekannt oder auch allen klar, braucht Dynamik. Wir müssen an der Stelle weiter vorankommen.

(Beifall bei der CDU)

Das vereinbarte Artikelgesetz zur Deregulierung und zur Entlastung vor allen Dingen des Mittelstandes, denke ich, ist ein richtiger Weg dorthin. Es gibt weitere Möglichkeiten. Gesetze zu Öffnungs- und Ausnahmeregelungen sind vorgesehen, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Nächste Woche wird man ja wohl auch das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz verlängern, auch gerade für uns in den neuen Ländern sehr wichtig,

(Beifall bei der CDU)

aber auch für Gesamtdeutschland sehr wichtig, dass man die Bedingungen dort auch herübertransferiert. Und natürlich ein Problem, was uns alle bewegt, ist auch der Korb II im Solidarpakt II. Womit haben wir zu rechnen? Mit welchem Geld haben wir zu rechnen, mit welchem Geld haben wir nicht zu rechnen? Probleme, meine Damen und Herren, die in der Vergangenheit nicht angefasst worden sind. Und da, denke ich, sind wir jetzt auf einem vernünftigen Weg. Das betrifft genauso in erster Linie die EU-Strukturfondsmittel, die schwerpunktmäßig ja gezahlt werden müssen, vor allem aber auch wichtig mit den bisherigen prozentualen Ansätzen in den Ziel-I-Regionen, die für uns weiterhin wichtig sind, und ebenso auch das Beihilferegime in den Höchstfördergebieten. Deshalb bin ich an der Stelle auch sehr dankbar, dass in den gemischten Bund-Länder-Arbeitsgruppen, in den Unterarbeitsgruppen, Thüringen sehr

intensiv mitgearbeitet hat und die Weichen in die richtige Richtung gestellt hat.

(Beifall bei der CDU)

Ob in den Fachbereichen Aufbau Ost, Wirtschaft, Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Ernährung, Bildung und Wissenschaft, ob Minister Sklenar, ob Minister Reinholz oder Frau Prof. Schipanski, ich glaube, wir haben dort

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

einen wichtigen Ansatz gemacht. Erlauben Sie an der Stelle nur noch einen Satz, da bin ich mit Herrn Matschie einig. Herr Matschie hat gesagt, Herr Althaus hat sich im Bund als Reformmann in Szene gesetzt. Da hat er Recht. Danke, Dieter Althaus, dass das so gekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich bedauere nur, dass die Erkenntnis so spät kam. Wenn ich mich zurückerinnere an die Debatte zum Einbringen des Haushalts, da glaube ich wohl, dass sich Herr Kollege Matschie in Wort und Ton deutlich vergriffen hat, aber das wird er in Zukunft lernen.

Herr Abgeordneter.

Ja, mein letzter Satz, Frau Präsidentin. Er hat gesagt: Natürlich hat die SPD-Fraktion bisher den guten Draht nach Berlin gehabt und wir werden in Zukunft auf zwei Kanälen senden. Was meine Fraktion anbelangt, habe ich kein Problem, da werden die Antennen in Berlin auf Empfang gestellt sein. Ob das bei der SPD so ist in den letzten Jahren, war, glaube ich, muss man noch mal drüber nachdenken.

Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich erteile dem Abgeordneten Höhn, SPD-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu diesem Thema mit einem Zitat beginnen: „Am Ende war das Ergebnis bei aller Kritik besser, als wir zwischendurch befürchten mussten.“ Gesagt hat das der verehrte Herr Ludwig Georg

Braun am 20. November dieses Jahres. Bevor wir uns etwas vertiefend in aller Kürze - leider, möchte ich sagen - diesem Zitat widmen, möchte ich doch an den Anfang meiner Ausführungen die Überlegung stellen, was denn wohl die Fraktion der CDU bewogen hat, das Thema „Koalitionsvertrag“ auf diese Art und Weise, sprich, mittels einer Aktuellen Stunde, in den Mittelpunkt der Debatte hier zu stellen. Man könnte ja in verschiedenerlei Richtung darüber debattieren. Entweder ist es uns nicht mehr als fünf Minuten wert, über dieses Thema zu reden, oder Sie wollen die Debatte darüber möglichst kurz halten. Im Übrigen ist es gegenüber den Fraktionen, das geht in Richtung Regierung, nicht besonders fair, weil die Regierung an dieser Stelle doch etwas länger ausführen darf, als das den Fraktionen möglich ist. Aber letztendlich hat sich bei mir die Erkenntnis breit gemacht, offensichtlich ist die Freude darüber bei der Union, nach sieben Jahren nun endlich wieder mitregieren zu dürfen, so gewaltig groß, dass man sich auf diese Weise hier artikulieren muss.

(Beifall bei der CDU)

Ich hätte mir - ganz offen, der offensichtliche Sarkasmus in meinen Worten ist durchaus gewollt, meine Damen und Herren, obwohl es der Vertrag selber, das sage ich ganz deutlich, nicht verdient - eine ernsthafte Debatte darüber gewünscht, z.B. über die Inhalte, die für uns als Länder, sprich auch als Thüringen, aus diesem Vertrag erwachsen. Der Kollege Bergemann hat das eben angerissen, Sie haben ja selber das Problem jetzt erlebt, dass man in der Kürze das gar nicht umfassend debattieren kann. Aber wenn den Ländern die Ergebnisse der schon verhandelten Föderalismusreform jetzt über diesen Koalitionsvertrag auferlegt worden sind, dann frage ich hier an dieser Stelle: Wie gehen wir in Zukunft mit der größeren Kompetenz in Bildungsfragen um? Wie gehen wir beispielsweise mit dem Thema - und das sage ich ganz offen, da wird mit Sicherheit kontrovers nicht nur hier, sondern in allen Ländern diskutiert - Strafvollzug als Länderkompetenz um? Gibt es dann einen Wettbewerb nach den härtesten Haftbedigungen oder nach dem Strafvollzug nach Kassenlage? Das sind Dinge, über die müssen wir hier an dieser Stelle reden. Allerdings, wie gesagt, das jetzt gewählte Mittel ist dafür unserer Ansicht nach nicht geeignet. Wenn Sie vielleicht die Hoffnung hegen, dass Sie mit einer solchen Art und Weise uns als Opposition möglicherweise einfangen in der Weise, dass wir dann von unserer Kritik an Ihrer Landespolitik in Zukunft abhalten, das - das können Sie sich sicher denken - wird nicht funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Es wird im Übrigen auch ganz interessant werden, wie Sie in Zukunft Ihre Politik hier im Land, das geht

insbesondere an Sie, verehrter Herr Ministerpräsident,

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Nein, nein!)

rechtfertigen, ohne dann auf den Bund als die Ursache allen Übels verweisen zu können,

(Beifall bei der SPD)

beispielsweise bei dem beliebten Thema der Haushaltspolitik, konkret der Haushaltskonsolidierung. Darauf bin ich gespannt und das wird sicherlich eine interessante Debatte werden. Im Übrigen, es hat mit Sicherheit nach der Verabschiedung des Koalitionsvertrags beiderseitiges Bauchgrimmen gegeben. Ich kann mich erinnern, dass ich in der Presse gelesen habe, dass Teile der CDU-Basisverbände doch ihrem Unmut mit Argumenten Ausdruck gegeben haben, die ich ein paar Tage später auch auf unserem Parteitag in Karlsruhe vernehmen konnte, nur die Themen waren andere, die Argumente waren im Prinzip die gleichen. Das will heißen, meine Damen und Herren, ein solches Werk - dieser Koalitionsvertrag - ist kein Wunschkonzert. Es ist aber auch kein spiegelbildliches Sammelwerk der unterschiedlichen Wahlprogramme. Ich könnte jetzt mit einem etwas profanen Satz hier antworten: Wichtig ist, was unten rauskommt; wichtig ist, wie die politischen Vorhaben in diesem Vertrag, aus diesem Vertrag heraus umgesetzt werden.

Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, in aller Freundschaft, mit einem Zitat von Bernhard Vogel an dieser Stelle zu enden, ich hätte mir auch nicht träumen lassen, dass ich einmal Bernhard Vogel zitiere in diesem hohen Hause, aber wo es passt, da passt es eben.

(Beifall bei der CDU)

Sie kennen das Zitat bestimmt: „Erst das Land und dann die Partei“, ich denke, diese Regierung verdient das Vertrauen, genau diesen Leitsatz in Zukunft umsetzen zu dürfen zum Wohle des Landes. Danke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Lieberknecht, CDUFraktion.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Wir können warten.)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere auch Kollege Höhn und Kollege Bergemann, es ist ja heute, sagen wir, erster Aufschlag zur Thüringer Begleitung auch der Koalition in Berlin. Viele Einzelthemen werden wir zur gegebenen Zeit, natürlich sicher auch parallel zur Bundesratsbefassung, wo ja auch die Landesregierung ihr Wort haben wird, auch hier im Thüringer Landtag haben. Aber ich will doch einmal vorausschicken, dieses Jahr 2005 verlief einfach deutlich anders als gedacht.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Wir warten auf die Chancen für Thüringen.)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht.)

Da habe ich Recht. Ja. Es war ein Wahljahr und auch die Wahlen liefen anders als gedacht, jedenfalls kann ich das für uns sagen. Es wurde eine Koalition gebildet, auch anders als gedacht. Das heißt also, dreimal Überraschung, dreimal anders als gedacht, aber mit einem großen Vorzug für uns schon jetzt, wie immer man das Ergebnis im Einzelnen bewerten mag in diesem Haus, für Thüringen steht fest, zumal wir ja in einer Situation sind, wo wir über 50 Prozent auch von unserem Landeshaushalt und von unseren Rahmenbedingungen abhängig sind vom Bund, dass wir zumindest wissen, woran wir sind. Wir wissen jetzt als Erstes, wer die Akteure in Berlin sind, wir hoffen für die nächsten vier Jahre, und das anstelle eines Vorwahlkampfes, den wir sonst hätten, mit noch zum jetzigen Zeitpunkt ungewissem Ausgang, wenn im September 2006 die Wahlen gewesen wären. Wir kennen also die Akteure und hier kann ich wirklich einmütig, denke ich, für uns hier sagen, sie sind gut für den Osten. Angela Merkel als Bundeskanzlerin, die genau weiß auch mit ihrer Analyse, mit der sie immer an die Themen herangeht, was Sache ist hier bei uns. Und das sage ich für die gesamte Koalition. Auch wir haben Hoffnung auf Wolfgang Tiefensee. Es ist Thomas de Maizière als Kanzleramtsminister, der die Koordination hat für all die Fragen im Aufbau Ost im Kanzleramt. Ich sage auch durchaus, Ulrich Kasparek, den auch verschiedene aus verschiedenen Jenaer Zeiten kennen, und natürlich Dieter Althaus. Dieter Althaus, der von Anfang an die Koalitionsverhandlungen begleitet hat, immer vehement die Themen Thüringens und der anderen jungen Länder eingebracht hat. Also, wir kennen die Akteure und sie sind gut für den Osten und auch gut für uns in Thüringen. Als Zweites, wir kennen die Lage. Auch wenn die Lage alles andere als rosig ist, sie ist dramatisch, wir wissen jetzt nach dem Kassensturz, der gewesen ist, es sind tatsächlich über 60 Mrd. € strukturelles Defizit im Bund, das

heißt, wir wissen deutlich schonungslos, es gibt keinen Euro für uns geschenkt. Aber wir wissen auch, es wird Verlässlichkeit geben und die ersten positiven Anzeichen, auf die wir seit Jahren gewartet haben, Präzisierung der Verkehrswege Deutsche Einheit, auch des ICE für Thüringen 2015 ist ein solcher Erfolg und ist ein Zeichen, dass es Hoffnung gibt.