Protokoll der Sitzung vom 23.11.2012

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, übrigens bin ich überzeugt, dass der Kulturlastenausgleich zurzeit den einzig rechtlich möglichen Weg darstellt, Kommunen mit besonderen Kulturausgaben zu stärken. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist ein hohes Gut. Ein solidarischer Kulturförderausgleich stellt durch die notwendige Umlandfinanzierung einen über die gesetzliche Fixierung von Fördermaßnahmen hinausgehenden Eingriff dar. Und hier gibt es verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, über die wir uns nicht einfach hinwegsetzen können. Zentralismus gibt es nicht mehr, meine Damen und Herren von der LINKEN.

(Beifall SPD)

Die Förderung von überörtlichen und überregionalen Entwicklungsplänen, die Bildung von Modellregionen sowie von überregionalen Verbünden und kooperativen Partnerschaften, das, meine Damen und Herren, ist unser Weg, gemeinsam mit den Kommunen ein breites Kulturangebot auch im ländlichen Raum zu sichern. Dazu brauchen wir weiterhin einen intensiven Dialog. Wir wollen uns dieser Aufgabe stellen. Von Hubert Joost, einem Steuerberater im Ruhestand, stammt der Satz: „Gesetze sind das Korsett einer Nation, die Kultur ihr Abendkleid.“ Ein schönes Bild, aber eindeutig zu kurz gegriffen. Kultur, meine Damen und Herren, ist kein charmantes dekoratives Beiwerk. Sie ist nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe im Teig eines funktionierenden Gemeinwesens. Sie besitzt Eigenwert. Sie ist elementare Basis unserer Demokratie. Und gerade in Zeiten der Globalisierung, in denen das Bedürfnis nach Vergewisserung und Identitätsbildung gestiegen ist, wird sie zu einem Anker für den einzelnen Menschen, natürlich auch für die Gesellschaft. In dem Maße, wie kulturelles Leben erhalten, gefördert wird, wächst auch unser geistiger Reichtum. Deshalb dürfen Politik und Gesellschaft nicht nachlassen, in den Bereichen Kunst und Kul

tur zu unterstützen, ihnen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die ihrem hohen Stellenwert entsprechen.

Kollegin Hitzing, es geht nicht um die Frage, wie viel Kultur können wir uns leisten.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Doch, genau darum geht es.)

Wir müssen die Frage stellen: Was kann die Kultur für uns leisten? Das ist die entscheidende Frage, die wir miteinander bereden müssen.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Im Elfenbein- turm?)

In diesem Sinne braucht Kultur einen wachen Geist, auch Ihren. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Herr Abgeordneter Döring, Sie wollten Frau Dr. Kaschuba noch eine Antwort auf eine gleich zu stellende Frage geben.

Ja, Entschuldigung.

Danke, Frau Präsidentin. Ich freue mich auch, dass ich die Frage noch stellen darf. Der Anlass liegt ja schon eine Weile zurück. Sie hatten über die Erhöhung der Kulturausgaben gesprochen und über die großen Fortschritte, die wir mit dem Kulturkonzept erzielen, dem zukünftigen Kulturlastenausgleich. Ich bin leider Mitglied des Kulturausschusses in der Stadt Jena - das will ich auch gleich zur FDP sagen - und habe deshalb eine Frage an Sie. Ist es Ihnen bekannt, dass so eine große Stadt wie Jena aufgrund der im Moment stattfindenden Finanzplanung 50.000 € weniger hat, um ihr Kulturkonzept, Aufgabenstellungen daraus, umzusetzen, dass die fehlen? Ist es Ihnen auch bekannt, dass zum Beispiel eine solche soziokulturelle Einrichtung wie das Kassablanca, das sicher der Minister noch kennt, ihre Gehälter nach wie vor auf einem Level zahlen muss, dass sie jeden Sommer in die Arbeitslosigkeit gehen müssen, sich anmelden müssen, weil sie es sonst nicht finanzieren können? Glauben Sie, dass das Kulturkonzept diese Mängel behebt und dass wir zukünftig nicht auch fast jährlich 1 Mio. € mehr für die Philharmonie einstellen müssen?

Liebe Kollegin, ich glaube, auch Sie wissen, was kommunale Selbstverwaltung ist. Das wissen Sie natürlich.

(Zwischenruf Abg. Dr. Kaschuba, DIE LINKE: Ja, aber das sind die Folgen davon.)

Insofern muss natürlich auch die Stadt Jena überlegen, welche Schwerpunkte sie setzt. Da kann ich Sie nur ermuntern und ermutigen, sich dafür einzusetzen, dass so viel Geld dafür eingesetzt wird, dass solche Institutionen erhalten bleiben, weil das Institutionen sind, die wir natürlich auch alle erhalten wollen. Ich finde es sehr gut, insofern kann ich Sie nur ermuntern, in diesem Sinne zu wirken. Da sollten wir sicher noch mal miteinander diskutieren. Herzlichen Dank.

Würden Sie auch noch eine Anfrage von Frau Dr. Lukin beantworten? Nein. Dann würde ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich aufrufen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst einmal bin ich froh, dass wir hier einmal so lang und umfänglich über Kulturpolitik in diesem Hause durchaus auch streiten. Ich glaube, das ist ein gutes Signal, auch wenn es natürlich immer schwierig ist, als Letzte in solch einer umfänglichen Debatte zu sprechen. Spannend war insofern auch, zu erleben, wie unterschiedlich doch die Koalitionspartner dieses Kulturkonzept bewerten. Während sich Hans-Jürgen Döring, den ich sehr schätze als engagierten Kulturpolitiker und Kollegen, geradezu vor Lob überschlug, habe ich von Herrn Kellner Etliches gehört, nicht alles verstanden, vor allen Dingen aber viele, viele Fragezeichen wahrgenommen, die nunmehr im Raum stehen bleiben.

Auch ich möchte aber noch einmal kurz auf den Entstehungsprozess des Konzepts eingehen und dann unsere Einschätzung zum Kulturkonzept darlegen, zumindest zu einigen wichtigen Punkten.

Am 24. Oktober hat die Landesregierung, Herr Matschie weiß das sehr genau, endlich - kann ich nur sagen - das Kulturkonzept vorgestellt. Vorausgegangen war ein, mindestens gefühlt, sehr langer Prozess, der begann mit dem 1. Kulturforum in Sondershausen. Auch daran erinnere ich mich noch sehr gut. Es folgte eine intensive Arbeit in interdisziplinären Arbeitsgruppen ab dem Frühjahr 2011 und dann ist lange nichts passiert außer vielen, vielen Ankündigungen. Nachdem die vielen Kulturverbände, Vereine und Institutionen ihre ent

(Abg. Döring)

sprechenden Zuarbeiten pünktlich zum Frühjahr 2011 geliefert hatten, war vonseiten der Landesregierung, auch auf unsere Nachfrage beispielsweise, immer wieder nur die Aussage zu hören, dass das Kulturkonzept sehr bald fertig sei und vorgelegt werde. Das hat sich als fast Never-EndingStory erwiesen. Meine Kollegin Frau Dr. Klaubert hat schon dargestellt, dass dann zunächst ein offenkundig der Landesregierung nahestehender Journalist das Privileg hatte, das Konzept zu lesen und zu berichten. Wir haben die Zeitung interessiert gelesen und nach monatelangem Warten liegen nun endlich die kulturpolitische Bestandsaufnahme und Ziele der, ich weiß gar nicht, ob ich sagen kann Koalition, auf jeden Fall, des zuständigen Ministeriums auf dem Tisch. Wir wissen jetzt also, welche Zielsetzungen im kulturpolitischen Bereich verfolgt werden, zumindest vom Ministerium und von der Fraktion der SPD. Herausgekommen sind dabei 185 Seiten inklusive Anhänge, in denen wir nunmehr nachlesen können, wie die kulturpolitische Neuausrichtung im Lande aussehen soll. Unser bisheriger Eindruck war immer wieder, dass die Kulturpolitik der Thüringer Landesregierung bis heute eher durch Ratlosigkeit und viele Lippenbekenntnisse gegenüber den kulturpolitischen Akteurinnen und Akteuren und, das muss ich an dieser Stelle auch sagen, von Intransparenz und Mutlosigkeit gekennzeichnet war. Ich gebe zu, bei der Rede von Herrn Kellner war ich heute erneut extrem ratlos. Denn die Erkenntnis, dass es am Fuße des Leuchtturms dunkel ist, hat auch nicht sehr viel mehr Licht in den kulturpolitischen Dschungel gebracht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Kulturpolitik im Lande bestand, so war unser Endruck, eher aus dem finanziellen Löschen an kulturellen Brandherden, wenn ich das so nennen darf, in den einzelnen Sparten, vor allen Dingen im Bereich der Theater und Orchester. Ich erinnere an die vielen und durchaus auch kreativen und phantasievollen Demonstrationen, nicht zuletzt hier vor dem Thüringer Landtag. Wir alle sind sicher sehr froh, dass Lösungen zumindest bis 2016 erst einmal gefunden wurden. Strategische Überlegungen und Weiterentwicklungen konzeptioneller Art, was die Thüringer Kulturlandschaft anbelangt, waren allerdings bislang nicht erkennbar und sind auch mit dem vorliegenden Kulturkonzept, da gebe ich Frau Dr. Klaubert und auch Frau Hitzing an dieser Stelle recht, nur in Konturen zu erahnen. Als unklar und belastend für viele Kulturschaffende haben sich vor allem die bisher fehlenden verlässlichen Aussagen zur zukünftigen Kulturfinanzierung im Freistaat erwiesen, die mit der Ankündigung der Fortschreibung des bisherigen Kulturkonzepts von 2009 aufgeworfen wurden. Dazu hat Herr Minister Matschie in seiner Rede ja etwas gesagt und ich werde unsere Einschätzung dazu gleich noch vorbringen.

Grundsätzlich begrüßen wir, dass mit dem Kulturkonzept im Freistaat nun endlich auch ein Konzept vorliegt, was nicht nur Finanzierungsfragen in den Blick nimmt. Ich begrüße auch nochmals, dass es hierzu heute eine Regierungserklärung gegeben hat. Allerdings, scheint mir, muss die eigentliche Diskussion des Konzepts an sich erst noch folgen. Deshalb schließe ich mich gern dem Vorschlag von Frau Dr. Klaubert an, hier eine öffentliche Anhörung zu veranstalten, um mit den Akteurinnen und Akteuren tiefer gehend ins Gespräch zu kommen. Auch Herr Kellner müsste daran ein großes Interesse haben, so viele Fragen, wie er hier noch aufgeworfen hat. Ich habe ihn teilweise sogar so verstanden, als ob er eher von einem Probedruck spricht als von dem fertigen Konzept. Bislang hieß es ja immer, das sei vom Kabinett verabschiedet. Ich bin froh, wenn dort noch Ideen einfließen können und wir das Ganze tatsächlich noch offen diskutieren können.

Wir sollten allerdings die Erwartungen nicht zu hoch hängen, denn die im Kulturkonzept aufgezeigten Perspektiven sind nur sehr begrenzt belastbar, weil die Zahlen, das wissen wir alle auch, nur bis 2014 Geltung haben werden, da dann der nun zur Verabschiedung noch anstehende Doppelhaushalt enden und die Regierungsverantwortung in Thüringen ich sage hoffentlich - neu aufgestellt wird. Dennoch sind die Zahlen des Kulturhaushalts, das will ich durchaus anerkennen, für 2013 und 2014 auf den ersten Blick gar nicht schlecht. So steigen die Aufwendungen von 139 Mio. in 2012 auf 151,3 Mio. in 2013 und 155 Mio. sogar in 2014. Trotzdem bleibt das Kulturkonzept in großen Teilen unverbindlich, lediglich mit Prüfaufträgen und nur mit wenigen konkreten Maßnahmen unterlegt.

Zu einzelnen Vorschlägen des Kulturkonzepts: Hier will ich auf drei Vorschläge etwas genauer eingehen, die auch in der Öffentlichkeit bereits diskutiert wurden. Zum einen die Entwicklung regionaler Kulturentwicklungskonzeptionen, für die 250.000 € jährlich bereitgestellt werden. Wir sehen das durchaus als einen ersten und richtigen Schritt an, auch wenn er leider viele Jahre zu spät kommt. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Brandenburg und Sachsen, aber auch Baden-Württemberg sind da Thüringen weit voraus. Dort werden seit langer Zeit solche Konzeptionen vonseiten des Landes gefördert.

Für uns ist wichtig, dass die Kulturentwicklungskonzeptionen nicht lediglich Kulturabbaukonzeptionen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Hier braucht es qualitativ hochwertige Beratung für die Kommunen und Landkreise, wie diese ihre Kulturangebote den künftigen finanziellen, aber auch den demographischen Bedingungen anpassen.

Doppelstrukturen - das wurde hier auch schon angesprochen - werden in der Tat nicht gebraucht. Allerdings sind mir und auch unserer Fraktion im kulturellen Bereich allzu viele Beispiele von Doppelstrukturen im Land nicht bekannt. Vielleicht können Sie da noch einmal genauer sagen, was Sie damit meinen.

Tatsache ist, dass die kommunalen Kulturträger immer weniger in der Lage sind - darauf hat Herr Kellner meines Erachtens richtigerweise verwiesen -, ihren Anteil an der Finanzierung der Kulturpflege aus eigener Kraft zu stemmen und auch die Landesmittel im Kulturbereich sind angesichts der Haushaltslage nicht beliebig zu erhöhen. Wenn ich allerdings Ihren Aussagen, Herr Kellner, Glauben schenke, bin ich sehr gespannt auf die Änderungsanträge der CDU-Fraktion bei den Haushaltsberatungen mit Blick auf den Kulturhaushalt, denn

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

da müsste ja nun einiges kommen, wenn wir Ihren Worten Glauben schenken.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oder Fragen.)

Oder auch Fragen, aber Fragen beantworten eben nicht die Notlage der Kommunen und Fragen allein bringen auch nicht mehr Geld für die Kultur.

Mit der diesjährigen Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs haben die Gemeinden und die Landkreise beispielsweise eine finanzielle Schlechterstellung in Höhe von 100 bis 120 Mio. € gegenüber dem Vorjahr beklagt. Das heißt, die Situation wird sich weiter verschlechtern, außer, Sie sagen uns noch, woher die Gelder kommen werden und kommen sollen, lieber Herr Kellner, gern auch, lieber Herr Döring.

Zum Zweiten: 9 Mio. € für den kommunalen Kulturlastenausgleich. Die Landesregierung, Herr Minister Matschie, hat sich entschlossen, die Kommunen zu entlasten in Höhe von 9 Mio. €, die besonders große und überregional bedeutsame Kultureinrichtungen vor Ort finanzieren werden und müssen. Ich habe der dpa-Meldung von vor wenigen Minuten entnommen, dass es mindestens 4 Prozent des Verwaltungshaushalts sein müssen, die die Kommunen für die Kultur aufwenden, um Mittel aus dem Kulturlastenausgleich in Anspruch nehmen zu können.

(Zwischenruf Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Habe ich ja ge- sagt.)

Sie haben das hier auch gesagt. Für uns ist trotzdem weiter unklar, welche genauen Voraussetzungen ansonsten gelten sollen, denn ich denke, es kann nicht nur der Verwaltungshaushalt die Grundlage dafür sein, der bemisst, wie viel Kultur in den Kommunen tatsächlich geleistet wird. Die ehren

amtliche Kultur beispielsweise fällt da vollkommen heraus,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ebenso auch die freie Kultur und das halte ich für ausgesprochen bedauerlich und für etwas kurzsichtig, dann nur auf den Verwaltungshaushalt abzustellen.

Grundsätzlich sehen wir die Schaffung eines kommunalen Fonds für Kommunen, die besonders hohe kulturelle Aufwendungen haben, durchaus positiv, wie gesagt, man muss natürlich aber genauer schauen, was alles darunter fällt, was das alles insgesamt bedeutet.

Lieber Hans-Jürgen Döring, Alternativlosigkeit gibt es nicht, das haben wir einmal festgestellt, als dieses Wort geprägt wurde.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Habe ich doch gar nicht gesagt.)

Ich stelle jetzt ab auf die gesetzliche Regelung, die wir uns vorstellen können, wie Kulturlasten solidarisch getragen werden. Wir meinen, es braucht dafür ein Kulturfördergesetz, das zudem zu mehr Transparenz führt und auch Verlässlichkeit schafft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)