Protokoll der Sitzung vom 14.02.2013

Schauen Sie sich doch wirklich mal die Realität am Beispiel der klagenden Möbelhäuser an. Außer IKEA, das muss man hier wirklich herausnehmen, zahlt kein einziges großes Möbelhaus in Thüringen Tariflöhne. Kaum eines dieser Häuser besitzt einen Betriebsrat, keines ist tarifgebunden. In all diesen Möbelhäusern wird ein niedriges Grundgehalt gezahlt, der Rest ist provisionsabhängig. Und wenn die Verkaufszahlen nicht stimmen, wird den Beschäftigten gern mal eine Kündigung nahegelegt. Das sind Ihre Partner, die Partner Ihrer angeblich arbeitnehmerfreundlichen Politik.

(Beifall DIE LINKE)

Wer, wie Sie das hier immer wieder tun, die Notwendigkeit des Provisionserwerbs für die Samstagsdauerarbeit ins Feld führt, widerspricht den Interessen der Mehrzahl der Beschäftigten gleich in doppelter Hinsicht. Im Sinne der Beschäftigten sind weder Samstagsarbeit noch die Entlohnung auf Provisionsbasis sinnvoll. Natürlich mag es sein,

dass einzelne Verkäuferinnen und Verkäufer ein überdurchschnittlich hohes Gehalt durch Provision erzielen können. Die Masse der Beschäftigten steht stattdessen jedoch immer unter stärkerem Zugzwang.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Super.)

Arbeitsdruck und Entsolidarisierung der Belegschaften sind direkte Folgen dieser Lohnpolitik und ich sage ganz deutlich, das ist FDP-Politik.

(Beifall DIE LINKE)

Provisionen bedeuten nichts anderes als eine Abwälzung des Unternehmerrisikos auf die Beschäftigten. Das ist, das muss ich Ihnen sagen, nicht unsere Auffassung von einer fairen Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wenn Sie tatsächlich etwas für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Thüringen tun wollen, dann setzen Sie sich mit uns und den Gewerkschaften für die Tarifbindung in Thüringen ein. Es ist kein Wunder, dass Thüringen das Bundesland mit den niedrigsten Löhnen ist angesichts einer Tarifquote von nur 23 Prozent.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Das ist Tariffreiheit.)

Die Unternehmen - ja, alles klar.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das steht im Grundgesetz.)

Ich will Ihnen noch mal sagen, wir haben hier eine unterschiedliche Auffassung, und das muss in einer Demokratie möglich sein und es ist auch möglich. Sie stehen auf der Seite der Unternehmer

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wir stehen

(Unruhe FDP)

auf der Seite der Beschäftigten, die mit dieser Politik leben müssen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Nein, der Freiheit.)

Und alles, was wir tun können, um dort bessere Rahmenbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen, werden wir unterstützen. Deswegen sind wir auch dafür, Ihren Gesetzentwurf abzulehnen, Ihre Änderung, und für das Gesetz weiter zu stehen, was hier beschlossen wurde, auch wenn wir ursprünglich einen anderen Gesetzentwurf hier vorgelegt hatten. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Eckardt zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, gefühlt zum 100. Mal in den letzten zwölf Monaten beschäftigen wir uns mit dem Thema Ladenöffnung auf Antrag der FDP-Fraktion, sei es im Plenum, sei es in dem dafür zuständigen Ausschuss. Und mit Ihren Initiativen ist es so wie mit einem Teebeutel. Wenn ich über den Teebeutel zum 100. Mal heißes Wasser gieße, kommt beileibe kein guter Tee heraus. Genauso ist es mit Ihren Initiativen zum Ladenöffnungsgesetz.

(Beifall SPD)

Sie sind schlichtweg überflüssig. Sie wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Rechten beschneiden und wollen Ihre Lobbyistenpolitik gegenüber den Arbeitgebern weiter vertreten. Dafür wird es natürlich von unserer Fraktion keine Zustimmung geben. Wir haben in Thüringen ein hervorragendes Ladenöffnungsgesetz, auch wenn es derzeit beklagt ist. Bitte ersparen Sie uns in Zukunft bis zu einem Entscheid der Klage weitere Initiativen. Sie sind schlichtweg überflüssig und werden in diesem Haus keine Mehrheit finden. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Siegesmund zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch ich will mich in den Reigen derjenigen einreihen, die es kurz und schmerzlos zu diesem Thema machen. Es ist schon alles gesagt. Wir lehnen den Gesetzentwurf der FDP ab. Mein Eindruck ist, es geht Ihnen vorderhand nicht um die Sache, sondern um das Thema, das Sie meinen politisch okkupieren und solange auspressen zu wollen, wie es nur irgendwie geht, aber die Zitrone ist auspresst, da ist kein Saft mehr drin. Wenn Sie die Debatte ernsthaft und wirklich wollen, dann kommen Sie mit neuen Daten, kommen Sie mit neuen Zahlen, die uns sagen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen etwas anderes wollen, und dann kann man das auch gern noch einmal diskutieren und

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das hatten wir beim Gleichstellungsgesetz eben. Das hat auch nicht geholfen.)

ansonsten würde ich mich meinen Vorrednern und Vorrednerinnen anschließen; das Ladenöffnungsgesetz ist vor allen Dingen ein Arbeitsschutzgesetz. Wenn man das verinnerlicht hat, dann muss man hier nicht zum zehnten oder zwölften oder zwanzig

(Abg. Leukefeld)

sten Mal diskutieren, sondern dann weiß man sehr genau, worauf es ankommt in diesem Land und dann brauchen wir hier keine Beschäftigungstherapie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen fand ich einen Satz in der Begründung des FDP-Gesetzentwurfes dann doch so bemerkenswert, dass ich darauf noch ein paar Sekunden verwenden möchte. Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass Ihnen sehr wohl klar ist, dass insbesondere die Renaissance der Minijobs anstelle von Vollzeitbeschäftigung getreten ist durch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, insbesondere wenn sie sich auf den Samstag beziehen. Das finde ich interessant, weil in den Ländern erst seit 2006, seitdem es die Föderalismuskommission festgelegt hat, unterschiedliche Regelungen getroffen wurden. Sie wissen sehr genau, dass es ein Land gibt, wo es ungeheuer gut funktioniert, obwohl es keine festgeschriebene Regelung gibt und obwohl es ein sehr, sehr arbeitnehmerinnenund wirtschaftsfreundlicher Entwurf ist, das ist das Bundesland Bayern. Vielleicht fangen wir einmal an mit der bayrischen Gelassenheit, zumindest an dieser Stelle das Thema zu besprechen. Das würde auch der FDP guttun. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Kemmerich zu Wort gemeldet.

Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, ein Jahr nach Inkrafttreten des Ladenöffnungsgesetzes ist es - so haben es meine Vorredner auch anerkannt - inzwischen ein Fall für die Justiz geworden. Es klagen mehrere Betroffene zunächst in Weimar vor dem Landesverfassungsgericht, aber auch in Karlsruhe gegen die hier bestehenden Regelungen. Frau Siegesmund, Sie haben es richtig analysiert, es geht hier um Arbeitsschutz. Genau das ist Klagegegenstand. Dafür hat das Land Thüringen eben keine Gesetzgebungskompetenz.

(Beifall FDP)

An die weiteren Vorredner: Frau Leukefeld, es ist schon impertinent, in welcher Form Sie eine ganze Branche verunglimpfen, und zwar die Möbelbranche. Es sind sehr viele, ich meine, wenn Sie sich mal die Mühe machen, auch dort mit den Beschäftigten zu reden, die darunter leiden, dass sie es eben verboten bekommen, und lesen Sie sich doch mal das Gesetz durch,

(Unruhe DIE LINKE)

sie dürfen an mehr als zwei Samstagen im Monat nicht beschäftigt werden. Das nennt man Verbot, ein Arbeitsverbot. Darum geht es uns. Wenn jemand den ausdrücklichen Willen hat, an mehr als zwei Samstagen im Monat zu arbeiten, dann soll ihm das erlaubt sein.

(Beifall FDP)

Wenn Sie unseren Gesetzentwurf lesen würden, da steht drin: Auf Verlangen eines Arbeitnehmers ist er freizustellen. So herum funktioniert Freiheit. Er soll entscheiden, wann und wie er arbeitet, er soll entscheiden, ob er für Provision arbeitet, sie soll entscheiden, ob sie sich im Einzelhandel beschäftigen lässt oder ob sie andere Berufe vorzieht. Das ist Freiheit, wie wir sie denken und leben wollen.

(Beifall FDP)

Diese ewige Bevormundung aus Ihren Reihen lehnen wir nicht nur bei dieser Gesetzgebung ab, sondern generell. Wir liefern damit ein trauriges Vorbildbeispiel in ganz Deutschland aus Sicht der im Einzelhandel vertretenen Personen. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die gesagt haben, ich habe mich vor mehreren Jahren aus Thüringen fortbewegt, aus meiner Heimat fortbewegt, bin zurückgekommen, arbeite im Einzelhandel, mache das in Möbelhäusern, in Schuhhäusern und mache das gern auch samstags, weil es mir Spaß macht, weil es mit meiner Familie so koordiniert ist und wenn ich mit meiner Frau bummeln gehen kann, habe ich noch andere Wochentage, damit ich das tun kann. Aber diese Freiheit wollen wir nehmen und das, wie gesagt, ist ein trauriges Beispiel. Wir wollen Ihnen mit diesem Gesetzentwurf mehrfach die Chance geben, diese Korrektur zu schaffen, mehrfach diese Korrektur zu schaffen, die Sie mehrfach versucht haben mit einer Verordnung, über die Sie sich nicht haben einigen können. Das ist der einfachere Versuch, vor der sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Peinlichkeit zu entkommen, dass am Ende ein Verfassungsgericht der Politik wieder sagen muss, wie denn Gesetze gemacht werden, was zulässig ist und wie weit sie gehen kann.

Nochmals, wer arbeiten will, soll arbeiten können. Nur das ist unser Antrag, unsere Intention.

Vielleicht noch auf zwei Folgen Ihres Denkens möchte ich hinweisen. Ich habe diese Woche sehr ausführlich mit mehreren Einzelhändlern hier in Erfurt diskutiert, familiengeführte, inhabergeführte Betriebe, die nicht über ein großes Reservoir an Mitarbeitern verfügen. Da ist genau das eingetreten, was Sie leugnen. Diejenigen, die bis jetzt samstags gern dort gearbeitet haben, kann er nicht mehr beschäftigen. Er hat einen weiteren Minijobber eingestellt und es führt dazu, dass der Ladeninhaber oder die Ladeninhaber jetzt selbst wieder jeden Samstag, aber auch jeden Samstag wieder im Laden stehen müssen.

(Abg. Siegesmund)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ja, die haben nämlich keine Familie. Genauso ist das.)

Die haben nämlich keine Familie, haben nicht das Recht, mal Samstag freizumachen?

(Beifall FDP)

Die Optimierungsmöglichkeit, die da jeder in seiner freien Entscheidung treffen kann, auch diese nehmen Sie. Was Sie noch weiter ermöglichen, ist der weitere Siegeszug des Internets. Macht das Internet denn samstags zu? Sitzt da keiner im Callcenter und verkauft die Ware?

(Beifall FDP)