Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Es gibt eine weitere Anfrage vom Abgeordneten Kuschel.

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, kann ich aus Ihrer Antwort schlussfolgern, dass die Landesregierung kein Konzept hat, also in dieser Frage konzeptionslos ist?

Herr Abgeordneter Kuschel, das ist eine böswillige Unterstellung. Jedes vernünftige Konzept erfordert zunächst einmal eine gründliche Analyse und die Frage nach den Realisierungschancen. Sie erfordert einen Abgleich zwischen der kommunalen Finanzaus

stattung auf Bundesebene und auf Landesebene und letzten Endes deren Gegenüberstellung. Diese Arbeit hat die Landesregierung bisher nicht machen können. Es hängt auch von den Änderungsmöglichkeiten, die ja eine Änderung des Grundgesetzes zum Gegenstand haben müssen, ab, wie wir uns hier positionieren werden.

Danke, Herr Innenminister. Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/448 auf.

Kommunale Finanznot 2010 - Entwicklung der Sozialhilfeausgaben nach SGB XII -

Der Deutsche Städtetag hat am 2. Februar 2010 erklärt, dass sich die Kommunen in einem „Teufelskreis“ aus rückläufigen Einnahmen und Zuweisungen einerseits und steigenden Ausgaben andererseits befinden. Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen hat erklärt, dass das Jahr 2010 das finanziell schwierigste Jahr nach der Wiedervereinigung werde.

Die Landesregierung vertritt verfassungsrechtlich Thüringer Interessen, auch die der Thüringer Kommunen, auf Bundesebene.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welcher Höhe haben die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte in den Jahren 2004, 2006, 2008 und 2009 Ausgaben für Sozialhilfe nach SGB XII tatsächlich geleistet?

2. Worauf sind nach Kenntnis der Landesregierung gegebenenfalls vorhandene Schwankungen bei den Ausgaben der Sozialhilfe nach SGB XII zurückzuführen?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung für ihr weiteres Handeln im Bundesrat und wie begründet die Landesregierung diese Aussage?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit. Herr Staatssekretär Dr. Schubert, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange wie folgt.

Gestatten Sie mir aber, vorher einige Vorbemerkungen abzugeben. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch, SGB XII - Sozialhilfe, wurde mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 beschlossen. Daneben wurde mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - beschlossen. Die einschlägigen Regelungen zu den Leistungen der Sozialhilfe traten im Januar 2005 in Kraft. Bis zum 31.12.2004 waren die Leistungen der Sozialhilfe im Bundessozialhilfegesetz geregelt. Die Nettosozialhilfeaufwendungen der örtlichen Sozialhilfeträger im Freistaat Thüringen umfassen die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege sowie Hilfe in anderen Lebenslagen.

Zur Frage 1: Im Jahr 2004 betrug der Nettosozialhilfeaufwand nach Bundessozialhilfegesetz der Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte ca. 433 Mio. €. Im Jahr 2006 verminderten sich die Nettosozialhilfeaufwendungen der örtlichen Sozialhilfeträger in Thüringen auf rund 333 Mio. €. In den Jahren 2008 und 2009 ist der Gesamtnettosozialhilfeaufwand der Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte auf knapp 376 Mio. € für 2008 bzw. 393 Mio. € im Jahr 2009 angestiegen.

Zu Frage 2: Der deutliche Rückgang der Gesamtnettosozialhilfeaufwendungen von 433,2 Mio. € in 2004 auf 330,1 Mio. € in 2005 bzw. 332,7 Mio. € in 2006 begründet sich mit den anfangs in den Vorbemerkungen genannten Änderungen der Rechtsgrundlage für die Leistungen der Sozialhilfe. Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sowie Angehörige, die vorher Sozialhilfe nach dem BSHG erhalten haben, werden seit dem 1. Januar 2005 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - versorgt. Damit ist diese Personengruppe aus dem Kreis der Leistungsempfänger nach dem SGB XII hinsichtlich dieser Leistungen ausgeschieden.

Zu Frage 3: In Thüringen wurde Mitte 2003 die Durchführung der Sozialhilfe auf die Kommunen übertragen. Aufgrund der landesgesetzlichen Regelungen des Thüringer Ausführungsgesetzes zum Zwölften Sozialgesetzbuch wird den Kommunen ein Großteil der entstandenen Kosten nach § 6 des genannten

Gesetzes erstattet. Der verbleibende Betrag über die Absicherung der angemessenen Finanzausstattung wird seit der Reform des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes durch das Land vollständig ausgeglichen. Da in Thüringen eine ausreichende Kostenerstattung in der Sozialhilfe besteht, sieht die Landesregierung keinen Bedarf, diesbezüglich im Bundesrat tätig zu werden.

Es gibt eine Nachfrage durch den Abgeordneten Kuschel.

Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, Sie haben in der letzten Antwort formuliert, durch die Regelung Finanzausgleich sehen Sie keinen Handlungsbedarf, aber die höheren Erstattungen des Landes an die Kommunen über den Finanzausgleich belasten ja den Landeshaushalt. Inwieweit sehen Sie denn Handlungsbedarf, mit dem Bund nachzuverhandeln, um den Landeshaushalt in dieser Frage zu entlasten?

Die Frage verstehe ich jetzt nicht ganz. Meinen Sie jetzt allgemein oder meinen Sie jetzt bezogen auf die Kosten im Bereich der Sozialhilfe?

Die zweite Nachfrage des Abgeordneten Kuschel.

Das ist jetzt eine freie Interpretation, eigentlich wollte ich es nur klarstellen, aber ich akzeptiere das, Herr Präsident, weil Sie ja über uns sitzen.

Es geht um die Frage Erstattungen für Leistungen im Bereich des SGB XII. Da haben Sie formuliert, selbst wenn die Nettozahlungen der Kommunen höher werden, werden die Kommunen aber nicht belastet, weil dort ein Ausgleich über das kommunale Finanzausgleichssystem erfolgt, das ist okay. Aber das würde ja den Landeshaushalt zusätzlich belasten. Deshalb meine Frage, ob die Landesregierung die Notwendigkeit sieht, mit dem Bund hinsichtlich der Erstattungsbeträge, die der Bund im Rahmen des SGB XII dem Land zugute kommen lässt, nachzuverhandeln, um den Landeshaushalt da letztlich zu entlasten.

Da sind wir ständig in Gesprächen mit dem Bund auf verschiedenen Arbeitsebenen, um Kosten, die beim Land entstehen, auch auf den Bund zu verlagern. Aber das ist natürlich ein zähes Geschäft, da zu verhandeln, weil natürlich keiner gern die Kosten aus seinem eigenen Haushalt übernimmt. Aber da können Sie sicher sein, dass wir daran ständig arbeiten, um die Kostenverlagerung auch vorzunehmen.

Danke, Herr Staatssekretär. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Blechschmidt, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/449.

Unter dem bekannten Vorspann frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Thüringer Gemeinden und Landkreise haben in den Jahren 1999, 2001, 2004 und 2009 keinen Haushaltsausgleich gemäß § 53 Abs. 3 Thüringer Kommunalordnung darstellen können?

2. Worauf sind nach Kenntnis der Landesregierung gegebenenfalls vorhandene Schwankungen bei der Anzahl der betroffenen Gemeinden und Landkreise mit nicht ausgeglichenen Haushalten zurückzuführen und inwieweit haben sich dabei seit 1999 die Änderungen des Steuerrechts auf die nicht ausgeglichenen Haushalte ausgewirkt?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung für ihr weiteres Handeln im Bundesrat und wie begründet die Landesregierung ihre Aussage?

Für die Landesregierung antwortet das Innenministerium. Herr Minister Prof. Huber, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die unter dem bekannten Vorspann gestellte Mündliche Anfrage des Abgeordneten Blechschmidt beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Frage 1: Gemeinden, die nach § 53 Abs. 3 Thüringer Kommunalordnung keinen ausgeglichenen Haushalt darstellen können, werden statistisch nicht erfasst. Zur Beantwortung der Frage 1 wird daher auf die Daten der Jahresrechnungsstatistik des Landesamts für Statistik zurückgegriffen, so dass anstelle

von Haushaltsplänen die tatsächlichen Rechnungsergebnisse für den Haushaltsausgleich herangezogen werden. Ermittelt wurde die Anzahl der Gemeinden und Landkreise, welche das jeweils nachgefragte Haushaltsjahr mit einem negativen Ergebnis des Gesamthaushalts abgeschlossen haben. Ein negatives Ergebnis bedeutet in diesem Zusammenhang, dass im Vollzug des Haushalts die Gesamteinnahmen hinter den Gesamtausgaben zurückblieben. Die Schwelle des negativen Ergebnisses wurde mit 100 € angesetzt. Danach wiesen 583 Gemeinden und Landkreise im Jahr 1999, 539 Gemeinden und Landkreise im Jahr 2001 und 468 Gemeinden und Landkreise im Jahr 2004 ein negatives Ergebnis des Gesamthaushalts aus. Für das Jahr 2009 liegen noch keine belastbaren Angaben vor. Im ersatzweise dargestellten Jahr 2008 hatten 461 Gemeinden und Landkreise ein negatives Ergebnis im Gesamthaushalt. Die Zahlen haben jedoch nur einen geringen Aussagewert für eine Einschätzung der finanziellen Situation der Kommunen. So ist die Schwelle von 100 € für ein unausgeglichenes Ergebnis geringfügig und deshalb die Anzahl der Gemeinden mit einem Fehlbetrag relativ hoch. Im Rahmen der Rechnungslegung kann zudem durch die übermäßige Bildung von Ausgaberesten des Vermögenshaushalts nach § 19 Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung das Rechnungsergebnis verschlechtert werden. Gleiches gilt für über- oder außerplanmäßige Ausgaben ohne ausreichende Deckung bzw. höher als geplant vorgenommene bzw. außerordentliche Tilgungsleistungen.

Frage 2: Allein die Tatsache, dass eine Gemeinde ein negatives Jahresergebnis im Gesamthaushalt aufweist, ist, wie dargelegt, nur bedingt aussagekräftig und kann verschiedene Ursachen haben. Daher kann auch kein direkter Zusammenhang zu den Veränderungen des Steuerrechts seit 1999 hergestellt werden. Die tendenziell rückläufige Entwicklung der Anzahl der Gemeinden mit negativem Jahresergebnis im Gesamthaushalt deutet aber auf eine eher stabile Entwicklung der finanziellen Situation der Kommunen in Thüringen hin. Untermauert wird diese Einschätzung auch durch die rückläufige Entwicklung der Verschuldung. So konnten die Kommunen in Thüringen ihre Kreditmarktschulden von 1999 bis 2008 von rund 3,028 Mrd. € auf 2,443 Mrd. € reduzieren. Gleichzeitig entwickelten sich die Nettosteuereinnahmen der Kommunen von rund 650 Mio. im Jahr 1999 auf über 1,162 Mrd. € im Jahr 2008, nach der Steuerschätzung vom November 2009 auf 1,031 Mrd. im Jahr 2009. Im Übrigen sei noch mal darauf hingewiesen, dass das Land durch die neue Methode zur Berechnung des Finanzausgleichs stets seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachkommt, den Kommunen eine insgesamt angemessene Finanzausstattung sicherzustellen. Dies bedeutet u.a., dass zurückgehende Steuereinnahmen der Kommunen im

Rahmen der Berechnung der angemessenen Finanzausstattung durch das Land zu berücksichtigen sind. So sieht der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes und anderer Gesetze bereits die Kompensation der den Kommunen voraussichtlich aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz erwachsenden Mindereinnahmen bei der Berechnung der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen vor. Zu der Zahlenverwirrung, die Herr Kuschel gestern veranstaltet hat, werde ich nachher, bei der Einbringungsrede zum Gesetz über das Thüringer Finanzausgleichsgesetz, Näheres ausführen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich freue mich darauf.)

Es freut mich, wenn Sie sich darauf freuen, ich mich auch.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Da nehmen wir eine PowerPoint.)

PowerPoint, wenn das Hohe Haus so etwas besitzt, können wir das das nächste Mal machen.

Zur Frage 3: Bereits im Rahmen meiner Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Rettungsschirm für die Thüringer Kommunen“ habe ich ausführlich zum Thema Steuerrechtsänderung seit 1999 und die Auswirkung auf die Steuereinnahmen der Thüringer Kommunen Stellung genommen. Im Übrigen hat die Landesregierung deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht weitere Steuerrechtsänderungen, die zu Einnahmeverlusten beim Freistaat oder seinen Kommunen führen, ohne Kompensationsleistungen des Bundes nicht akzeptabel sind.

Es gibt eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, könnten und würden Sie auf der Grundlage der Beantwortung der Frage 1 und Ihrer differenzierten Darstellung der unterschiedlichen Gründe, die zu einem unausgeglichenen Haushalt führen könnten, eine entsprechende differenzierte Beschreibung schriftlich nachreichen?

Herr Abgeordneter Blechschmidt, wenn wir das können, werden wir das natürlich auch tun. Ob wir es können, kann ich in diesem Augenblick nicht versprechen, weil ich, wie ich Ihnen gesagt habe, eine vollständige Erfassung der Daten nicht habe. Aber sollte es möglich sein, werden wir das tun.

Jetzt kann Herr Kuschel noch mal.

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, Sie haben also ausgeführt, dass die rückläufige Entwicklung der Kredite bei den Kommunen ein Indiz dafür sei, dass es denen finanziell gar nicht so schlecht geht. Würden Sie mir zustimmen, dass wir als Haushaltsgesetzgeber den Kommunen auferlegt haben, jährlich Kredite zu tilgen und dass die Kreditaufnahme der staatlichen Genehmigung, nämlich durch Behörden, die Ihrem Ministerium zugeordnet sind, sehr beschränkt ist und dass deshalb möglicherweise die rückläufige Verschuldung der Kommunen eher ein Indiz für fehlende Leistungsfähigkeit ist, weil sie nämlich gar nicht mehr in der Lage sind, Kredite genehmigt zu bekommen?

Herr Abgeordneter Kuschel, die Haushaltsdebatte hat gezeigt, dass sich die Leistungsfähigkeit der Thüringer Kommunen im bundesdeutschen Vergleich durchaus sehen lässt. Bis zu der Finanz- und Wirtschaftskrise haben auch die Kommunen selbst keine Probleme mit ihrer Finanzausstattung gesehen. Die Rückführung der Kredite um einen Betrag in der Größenordnung von, glaube ich, 700 Mio. € ist natürlich zum Teil gesetzlichen Verpflichtungen geschuldet, aber natürlich auch das Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Eine Unterfinanzierung der Thüringer Kommunen kann ich nicht erkennen.

Eine weitere Nachfrage durch den Abgeordneten Kuschel.