Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich habe Ihnen namens der Landesregierung aufgezeigt, welche Auswirkungen
die derzeitigen bundespolitischen Überlegungen im Hinblick auf die Kürzung des Elterngeldes haben können. Ich habe Ihnen auch aufgezeigt, dass diese Landesregierung Familienpolitik in all ihren Facetten und die Förderung der Kinder und ihrer Familien als politischen Schwerpunkt in der Koalitionsvereinbarung vereinbart hat und Stück für Stück in die Tat umsetzt. Deshalb begrüße ich den Alternativantrag der beiden Regierungsfraktionen ausdrücklich. Ich verstehe ihn als realistischen Auftrag zur Sicherung familienpolitischer Leistungen und sozialstaatlicher Leistungsfähigkeit sowie zur künftig besseren Teilhabe und Förderung insbesondere von Kindern im Rahmen der Leistungen des SGB II. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Danke, Frau Ministerin, für den Sofortbericht. Mir liegen jetzt zum Sofortbericht von allen Fraktionen Redemeldungen vor. Ich gehe also davon aus, dass alle Fraktionen die Aussprache wünschen. Dem wird nicht widersprochen. So eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Gumprecht von der Fraktion der CDU.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich auf den Antrag der LINKEN eingehen. Sie unterstellen im Antrag, dass das Sparpaket der Bundesregierung zu einer grundsätzlichen Schlechterstellung von Kindern und Alleinerziehenden führt. Wir haben einen Alternativantrag eingereicht, weil wir das Anliegen zu sparen für richtig halten, aber auch eine soziale Komponente im Blick haben. Wir wollen Kinder und Familien stärken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist die derzeitige Situation der geplanten Maßnahmen der Bundesregierung? Richtig ist, die Bundesregierung hat nach der Klausurtagung ein sogenanntes Sparpaket mit einzelnen Eckpunkten angekündigt. Es ist auch richtig, wir müssen jetzt sparen. Die Ereignisse - vor allem in Griechenland - zeigen, die öffentliche Verschuldung darf nicht uferlos ausgedehnt werden und muss beherrschbar bleiben. Deutschland steht zwar im internationalen Vergleich noch gut da, aber auch unser Land könnte wegen seines gewaltigen Schuldenbergs und möglicher gestiegener Zinskosten handlungsunfähig werden, denn Deutschland hat insgesamt 1,7 Billionen € Schulden. Die staatlichen Leistungen, die heute bereits 50 Prozent aller Ausgaben ausmachen, und unser Wohlstand sind langfristig nämlich nur sicher, wenn der Staat ein solides finanzielles Fundament hat. Die Schuldenbremse im Grundgesetz gibt einen klaren Rahmen für die Konsolidierung vor. Es muss gespart, nicht kaputtgespart,
Grundsätzlich zum Sparpaket: Zentrales Ziel der Bundesregierung ist es - wie sie sagt -, das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland nachhaltig zu stärken. Die Konsolidierung soll deshalb schwerpunktmäßig auch auf der Ausgabenseite erfolgen. Die Ergebnisse der Klausur der Bundesregierung mit dem von ihr bezeichneten Titel „Zukunftspaket“ in Höhe von 80 Mio. € Einsparungen für die kommenden vier Jahre kürzt bei Verwaltung, kürzt bei Wirtschaft und kürzt auch bei den Sozialleistungen. Die Frage ist konkret: Wo sparen und in welchem Umfang? Denn bei jedem Betroffenen wird jede Reduzierung als ungerecht empfunden. Die Sozialleistungen im Jahr 2010 betragen 170 Mrd. € und machen so über die Hälfte der Bundesausgaben aus. Die geplante Einsparung von 5 Mrd. € entspricht etwa 3 Prozent. Es ist klar, dass zunächst Rentner und Behinderte, die an ihrer Situation nur wenig ändern können, ausgespart werden.
Zum Elterngeld: Die Intention des Elterngeldes war und ist, dass berufstätige Mütter oder auch Väter aufgrund der Geburt ihres Kindes für die Zeit von mindestens einem Jahr aus dem Berufsleben ausscheiden können. Bei dem Elterngeld handelt es sich demnach um eine Art Lohnersatzleistung. Eine moderate Absenkung des Elterngeldes von 67 auf 65 Prozent ist sicher kein einfacher Schritt, sichert aber die künftige Finanzierung des Elterngeldes und sichert zugleich vor allem die Unterstützung der Erwerbstätigen mit unterem und mittlerem Einkommen und ist für diejenigen mit höherem Einkommen nur mäßig spürbar. Die Streichung des Elterngeldes - das muss ich hier sagen - auch für ALG-II-Empfänger ist demnach auch systematisch und in dem Sinne, wenn man sagt „Lohnersatzleistungen“, konsequent, da der Bezug ja eigentlich nur für die anderen gedacht ist und andere Leistungen für ALG-II-Empfänger dies kompensieren müssen.
Im zweiten Punkt des Antrags fordern Sie die Landesregierung auf, im Bundesrat aktiv zu werden, zum Ersten mit dem Ziel der Regelsatzerhöhung im SGB II für Kinder und Jugendliche. Meine Damen und Herren, wir haben uns mit dem Thema gerade der Regelsatzerhöhung bereits im Februar-Plenum hier beschäftigt und haben darüber ausgeführt. Die Bundesregierung wurde nämlich durch das Verfassungsgericht aufgefordert, eine Neuberechnung der Regelsätze bis zum Jahresende vorzunehmen. Offen ist, zu welchem Ergebnis die Gutachter und auch die Bundesregierung bei der Prüfung der Regelsätze gelangen. Derzeit wird über ein Bildungspaket nachgedacht. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Ursula von der Leyen, hat kürzlich über ihre Pläne für dieses Bildungspaket für benachteiligte Kinder und Jugendliche informiert. Ab dem kommenden Jahr sollen nach Medieninformationen demnach vier Leistungen in Anspruch ge
nommen werden können, Schulessen, Lernförderung, Schulbasispaket, Musik- und Sportangebote. Sicher sind noch nicht alle Dinge hier klar, aber Ziel der Maßnahmen heißt, Teilhabe zu gewährleisten.
Die bloße Forderung nach einer Erhöhung fasst also das Problem zu kurz, eine Zustimmung ist deshalb pauschal so nicht möglich. Wir wollen bei einer Anpassung der Regelsätze auf die Lebenswirklichkeit abstellen. Außerdem darf es im Rahmen der Anpassung der Regelsätze nicht dazu kommen, dass Arbeitsanreize und damit die Initiative „Hilfe zur Selbsthilfe“ verloren gehen. Weitere Forderungen sieht die Landesregierung, auch grundsätzlich einen Antrag im Bundesrat zu stellen, wo noch gar kein konkreter Gesetzesvorschlag vorliegt. Wegen der nach ihrer Auffassung für Familien zu erwartenden Veränderungen, gerade eine Erhöhung der Zahl der Wohngeldempfänger, was durchaus hier nicht schlüssig ist, wenn Sie sagen, es wird zu einer Mehrbelastung bei den Heizkosten kommen, dann können wir darüber reden.
Nun zum Dritten: Ich denke, wir brauchen kein weiteres Konzept. Der Wirtschaftsminister hat eine Reihe konkreter Projekte eingeleitet. Wir brauchen kein Konzept, weil wir die Position vertreten, die Schaffung von Arbeitsplätzen im ersten Arbeitsmarkt hat Vorrang. Wir wollen auch Erwerbsbiografien für unsere Kinder schaffen, indem wir das Landesarbeitsprogramm stärken und die Bürgerarbeit. Wir wollen die Verbesserung der Vernetzung herbeiführen von vorhandenen Strukturen und Ressourcen; dazu gehören ARGEn, Kommunen, Kammern oder Verbände. Und wir wollen zur Sicherung vor allen Dingen dort eines gewährleisten, Hilfe zur Selbsthilfe, und keine neuen Strukturen schaffen.
Meine Damen und Herren, wir lehnen deshalb diesen Antrag ab. Alternativ legen wir einen neuen Antrag vor mit dem Ziel, die Situation von Kindern weiter zu verbessern und finanzielle Belastungen auf unseren Landeshaushalt oder die kommunalen Haushalte zu verhindern. Es muss darum gehen, Familien und Kinder zu stärken; insbesondere im Bereich der Bildung und Erziehung sind hier Anreize zu setzen und eben dies steht auch im Einklang mit der Grundidee des Sparpakets. Wir wollen nämlich auch Bildung fördern. Dies ist ein großes finanzielles Paket, das gemeinsam mit den Ländern auf den Weg gebracht werden soll.
Meine Damen und Herren, es geht uns darum, wirklich Familien zu stärken durch bessere Einkommenssituationen; dafür muss eine gesunde Wirtschaft hier florieren. Die Frau Ministerin hat sehr umfangreich darüber berichtet. Vielen Dank für den Bericht. Es waren sehr viele Maßnahmen, die vor allem die Landesregierung eingeleitet hat. Meine Damen und Herren, ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir lehnen den Antrag der LINKEN ab.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gumprecht. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Abgeordnete Siegesmund.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Alternativantrag der Fraktion der CDU und SPD habe ich zur Kenntnis genommen und habe mich die ganze Zeit gefragt, wie schwer Ihnen das eigentlich gefallen sein muss, den miteinander auf den Weg zu bringen.
Ich habe mir überlegt, wie Sie dasaßen und die CDU das Sparpaket der Bundesregierung im Hinterkopf hatte und die SPD, die in Berlin auf der Oppositionsbank sitzt, da ihren roten Faden durchzuziehen versucht hat. Ich glaube, das war ein ganzes Stück Arbeit. So wie ich das sehe, hat sich die SPD einen Tick mehr durchsetzen können, aber nicht so, dass ich jetzt sagen würde, es ist ein Sieg. Aber immerhin, ich bewerte es mal so, denn Sie haben den Punkt aufgenommen, dass es um eine Neubewertung der Regelsätze nach Bundesverfassungsgerichtsurteil gehen muss. Aber Sie haben sich nicht durchsetzen können bei der Frage, dass übrigens die SPD auf Bundesebene ganz genau fordert, eine Neuregelung dieser Regelsätze hieße eine Erhöhung.
Zweiter Punkt: Es darf zu keiner Mehrbelastung des Landeshaushalts kommen, das kann ich gut verstehen und nachvollziehen. Aber Sie haben sich, liebe SPD, nicht durchsetzen können an der Stelle, dass dann auch drinstünde, setzen wir uns mal auf Bundesebene dafür ein, dass die Einnahmenseite für das Land insgesamt auch besser wird. Ich rechne Ihnen hiermit honorierend an, dass Sie es versucht haben, allein das, was ich hier sehe, ist eher Note unbefriedend.
Herr Gumprecht, wenn Sie mir das erlauben, Hilfe zur Selbsthilfe klingt in den Ohren vieler armer Kinder, die es in Thüringen gibt - davon 60.000 an der Zahl -, einfach nur zynisch. Da, finde ich, sollten Sie sich auch einmal überlegen, welche Wortwahl Sie hier anwenden.
Aber ich honoriere das. Was ich wirklich gut finde an dem Antrag, ist die Überschrift „Kinder und ihre Familien stärken“. Genau darum geht es und genau darum geht es auch den LINKEN mit ihrem Antrag. Lassen Sie mich darauf jetzt eingehen.
Der Titel ist erst einmal ein bisschen sperrig „Schlechterstellung von Kindern und Alleinerziehenden verhindern - Sparpaket ablehnen, finanziellen Mehrbelastungen für den Freistaat entgegentreten“. Jetzt ist es ja nicht so, dass erst durch das Sparpaket der Bundesregierung Alleinerziehende schlechtergestellt werden würden, im Gegenteil. Die neuen Sparrunden, die jetzt eingeläutet werden, sorgen dafür, dass eine Abwärtsspirale, die es schon seit längerer Zeit gibt, die insbesondere Alleinerziehende schlechterstellt - und über 40 Prozent aller Alleinerziehenden sind heute schon von Armut betroffen -, fortgesetzt wird.
Wenn Sie auf die Kinder schauen, die bei Alleinerziehenden groß werden, dann sehen Sie, dass es sich bei Kinderarmut ganz oft in diesen Familien um nichts anderes als um Familienarmut handelt, und das in erschreckend vielen Fällen. Ich bin der Ministerin, die jetzt leider nicht mehr hier ist, dankbar dafür, dass sie vorhin in ihrem Sofortbericht die Programme erwähnt hat, die dazu auf Landesebene aufliegen. Erkannt wurde das Problem, TIZIAN wurde aufgelegt. Über die Durchführung des Programms muss man, denke ich, an anderer Stelle noch einmal sprechen. Sie hat das Schulobstprogramm erwähnt, das ist ein Puzzlestein, aber kein essenzieller Bestandteil zur Bekämpfung von Kinderarmut, und das Landeserziehungsgeld. Mir waren das zu wenig Puzzlesteine in diesem Sofortbericht, aber es hat das Ganze immerhin eingeordnet.
Auch die Ministerin konnte ja nicht umhin, zu erkennen, dass die Bundeslage es uns äußerst schwierig macht festzustellen, dass tatsächlich für Alleinerziehende etwas getan wird, weil das Gegenteil passiert. Die schwarz-gelbe Koalition mutet den Beziehern höherer Einkommen ja deutlich weniger zu als ärmeren Eltern und ärmeren Familien. Durch ein niedrigeres Elterngeld bei Nettoeinkommen von mehr als 1.240 € im Monat spart die Regierung gerade mal 155 Mio. € ein. Fast dreimal so hoch sind jedoch die Kürzungen bei den ärmeren Familien. Sie summieren sich auf 440 Mio. €. Das muss man sich mal vorstellen, der einen Gruppe werden 155 Mio. genommen, der anderen 440, das ist die soziale Schieflage, die wir hier haben. Das ist typisch für Schwarz-gelb und dieses Problem dekliniert sich natürlich auch runter bis auf das Land. Es reicht also nicht, wenn wir darüber reden, auch nicht, wenn im Bund geredet wird. Das Gerede von „Kinder sind unsere Zukunft“ kann man auch an der Stelle nicht mehr hören, weil es weder im Bund noch hier wirklich zu Ende gedacht wird.
Ich will deshalb an dem Punkt auch deutlich sagen: So sehr ich die Mühe honoriere, die im Alternativantrag zu sehen ist - dem Berichtsersuchen wurde ja stattgegeben -, unterstützen wir den Antrag der LINKEN ganz eindeutig, weil es nicht reicht, drei Puzzlesteine aus dem Sozialministerium zu erwähnen, sondern wenn es dieses Landesarbeitsmarktprogramm gibt und die SPD nicht vergessen hat, wo sie herkommt, möchte sie auch dafür sorgen, dass insbesondere Familien, die es schwerer haben, und insbesondere Alleinerziehende besonders zum Zug kommen. Vielen Dank.
Danke schön, Frau Abgeordnete Siegesmund. Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Bärwolff.
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Solidarprinzip des Artikels 20 Abs. 1 Grundgesetz sichert jedem Hilfedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dieser Leitspruch des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, welches im Februar 2010 erging, hat in der kinderpolitischen Debatte in der Bundesrepublik Deutschland für einigen Aufruhr gesorgt. Jeder war damit beschäftigt, sich um Kinderarmut zu drehen, jeder war damit beschäftigt, sich mit dem Thema Kinderarmut zu befassen. Heute, sechs Monate später, reden wir vom Sparpaket, sechs Monate später reden wir von Kürzungen und Streichungen und das vor allem im Sozialbereich. Ursache des Ganzen ist die Finanzkrise - nur um die Kosten ein wenig gegenüberzustellen, 750 Mrd. € kostet die Krise. Und wer bezahlt die Zeche? Die Zeche bezahlen am Ende diejenigen, die am wenigsten dafür können.
Das lässt sich ganz einfach daran erkennen, wenn man sich mal die Struktur des Noch-Referentenentwurfs - die Befürchtung ist durchaus berechtigt, dass dieser Referentenentwurf zur Realität wird ansieht. Die Bundesregierung plant, ungefähr 30 Mrd. € im Sozialbereich zu sparen. Hingegen sind zum Beispiel im Bankensektor nur 6 Mrd. € untergebracht. Das heißt, hier gibt es ein eindeutiges Ungleichgewicht. Diejenigen, die am wenigstens für das Entstehen der Krise können, diejenigen, die am wenigstens an der Krise verdient haben und dieje
nigen, die gar keine Rolle auf dem internationalen Finanzmarkt spielen, sind am Ende diejenigen, die dafür herangezogen werden, die Folgen dieser Krise zu begleichen. Die massiven Kürzungen, unter anderem des Bundeselterngeldes, betreffen nämlich die Kinder von Hartz-IV-Empfängern, betreffen die Kinder von Aufstockern des ALG II, betreffen Niedriglohnempfänger und diejenigen, die Kinderzuschlag kassieren. Diese Leistungen sind nicht einfach Almosen, sondern man hat sich schon etwas dabei überlegt, als man Kindergeld oder den Kinderzuschlag eingeführt hat. Es ging darum, Einkommensleistung zu unterstützen, Erziehungsleistungen zu honorieren.
Schauen wir uns einmal an, was mit dem Erziehungsgeld oder mit dem Kindergeld oder mit dem Elterngeld passiert ist. Das Erziehungsgeld gab es beispielsweise 24 Monate lang á 300 €. Mit der Einführung des Bundeselterngeldes wurde die Bezugsdauer schon um 50 Prozent gekürzt auf 12 Monate bzw. 14 Monate, wenn der männliche Partner auch in die Elternzeit geht. Es war also eine Kürzung um 50 Prozent. Mit dem nun vorgelegten Sparpaket sieht die Bundesregierung vor, gerade denjenigen, die das Geld am dringendsten brauchen, das Geld um 100 Prozent zu kürzen. Das heißt, dass genau diejenigen, die darauf dringend angewiesen sind, die ein so geringes Familieneinkommen haben, dass sie mit dem Geld, das sie empfangen, haushalten müssen. Das Geld, was sie bekommen, ist kein Geld, mit dem sie prahlen können, sondern es ist eine Unterstützungsleistung, um erstens die Gesamtsituation des Haushalts zu unterstützen. Zweitens war die Zielstellung der Gesetzlichkeiten unter anderem des Bundeselterngeldes, gerade junge Familien mit kleinen Kindern in schwierigen finanziellen Verhältnissen zu unterstützen. Diesen jetzt das Geld als Einkommen anzurechnen, ist wirklich zynisch.
Herr Gumprecht hat gesagt - da hinten sitzt er -, es geht unter anderem darum, Arbeitsanreize zu schaffen. Sie haben wahrscheinlich auch die Begründung dieses Gesetzes gelesen. Das Schöne ist, wir reden von Arbeitsanreizen oder Anreizen zur Arbeitsaufnahme beispielsweise von Alleinerziehenden, wir reden von Arbeitsanreizen für Hartz-IVEmpfänger. Der Verband der alleinerziehenden Väter und Mütter, der VMV, hat eine sehr schöne Stellungnahme dazu abgegeben. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich. Der VMV sagt in seiner Stellungnahme: „Laut Familienreport 2010 ist die Erwerbsmotivation bei Alleinerziehenden im SGBII-Bezug überdurchschnittlich hoch. Anreize zur Erwerbsaufnahme sind nicht vonnöten. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheitert meistens an strukturellen Mängeln der Kinderbetreuungsangebote und flexible Arbeitszeitmodelle fehlen.“ Das sagt der Verband alleinerziehender Väter und Mütter.
Darüber hinaus ist ja die Frage, wenn wir von Erwerbsanreizen und von Arbeitsanreizen sprechen, warum sprechen wir da eigentlich immer nur von Kürzungen? Warum gehen Sie her und sagen, sie, die das Elterngeld beziehen, wir möchten einen Arbeitsanreiz sozusagen an sie weitergeben und deshalb kürzen wir ihnen die Kohle. Wenn die Familien 300 € weniger im Monat haben, ist es doch kein Arbeitsanreiz. Dann haben Sie viel größere Probleme mit dem Haushaltseinkommen zurechtzukommen. Die Kürzungen des Elterngeldes treffen genau auf diese Familien zu, die auf jeden Euro Unterstützung angewiesen sind. Hier davon zu sprechen, dass man die Erwerbsanreize erhöhen möchte, das ist in der Tat ein wenig zynisch.
Es ist ja so, dass selbst die Begründung dieses Referentenentwurfs und die Begründung der Bundesregierung, wie man diese Erwerbsanreize untersetzen möchte, noch nicht einmal in der Gesetzeslogik miteinander konform sind. Man muss sich überlegen, im SGB II ist geregelt, dass Eltern, die Kinder haben, die jünger als drei Jahre sind, von der Erwerbspflicht ausgenommen sind, mit der Begründung, dass man ein schädliches Verhalten für die Entwicklung der Kinder vermeiden möchte.
Wenn man nun das Bundeselterngeld streicht, dann betrifft das ja Kinder, die im Alter von bis zu 14 Monaten sind; diese sind ja nach SGB II von der Erwerbspflicht ausgenommen. Wieso möchte ich denjenigen, die von der Erwerbspflicht ausgenommen sind, erhöhte Arbeitsanreize geben? Das ist doch gesetzesstrukturell völlig diffus, was man dort gemacht hat, was Ihre Bundesministerin dort macht. Das ist in der Tat eine ganz große Schwierigkeit, wo ich denke, dieses Sparpaket ist von hinten bis vorn wirklich sehr unausgewogen und total ungerecht, weil wirklich diejenigen, die Hilfe am nötigsten haben, davon betroffen sind.
Wir alle haben uns über Kinderarmut verständigt, wir haben hier viele Thematiken verhandelt, Frau Lieberknecht in ihrer Funktion damals noch als Sozialministerin hat viele Dinge aufgeschrieben und postuliert, da steht beispielsweise das Familieneinkommen immer an höchster Stelle. Es ging immer darum, das Familieneinkommen von Kindern in Armut zu erhöhen, und das, was jetzt auf Bundesebene passiert, ist genau das Gegenteil. Deshalb wollen wir als LINKE uns ganz vehement gegen das Sparpaket wenden und wir haben uns deshalb auch in diesen Landtag eingebracht, weil natürlich auch der Bundesrat mit diesem Thema zu befassen ist. Natürlich ist es bislang nur ein Referentenentwurf, aber wehret den Anfängen und ich denke schon, dass die Kosten, die am Ende für den Freistaat Thüringen hier entstehen könnten, auch ein Argument dafür sind, im Bundesrat gegen das Sparpaket zu stimmen.
Herr Gumprecht, Sie haben ja gefragt, wie wir darauf kommen, dass die Wohngeldempfänger zunehmen. Das ist ganz einfach zu erklären: Diejenigen, die Aufstocker sind, und diejenigen, die den Kinderzuschlag in Anspruch nehmen, das sind natürlich Leistungen des SGB II, und wenn denjenigen, die den Kinderzuschlag nun in Anspruch nehmen, das Elterngeld als Einkommen angerechnet wird, dann fallen sie natürlich aus dem SGB-II-Bezug raus und sind automatisch wohngeldberechtigt. Das Wohngeld, das wissen Sie auch, wer das bezahlt, das brauche ich Ihnen nicht zu erläutern. Deshalb - und das ist ganz witzig - selbst in der Begründung der Bundesregierung, wo sie sich um die Folgen ihres Gesetzes müht, ist selbst darauf abgestellt, da wird gesagt, es sind Folgen auch für die Länder im Rahmen von Wohngeld zu beziffern, aber die Bundesregierung hat dort ein großes schwarzes X hingemacht, weil sie noch nicht wusste, wie hoch die Kosten genau sind. Aber dass solche Kosten auf uns zukommen, das hat selbst die Bundesregierung schon in ihrem Gesetzesvorhaben mit bedacht. Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass das durchaus ein Grund ist, sich auch mit dem Thema im Bundesrat zu beschäftigen.
Der Aspekt Kinderarmut ist natürlich eine der wichtigsten bei diesem ganzen Sparpaket, denn wenn wir das Bundeselterngeld kürzen, dann trifft es natürlich am härtesten diejenigen, denen wir am meisten mit verschiedenen Programmen, mit solchen Maßnahmen wie TIZIAN und anderen Maßnahmen, die auch Frau Taubert angeführt hat, helfen wollen. Damit wird natürlich diese ganze Bemühung, Kinderarmut zu bekämpfen, konterkariert. Man hat so ein bisschen den Eindruck, dass die Bundesregierung nicht unbedingt unter Realitätsverlust leidet, sondern man hat eher den Eindruck, dass sie den Realitätsverlust auch genießt. Nicht anders ist es zu erklären, dass man jetzt eine Chipkarte für Zusatzleistungen für Kinder in Armut sich ausgedacht hat. Man muss sich überlegen, auf der einen Seite kürzt man das Bundeselterngeld, bringt man die Familien in Armut und diejenigen, die davon betroffen sind, und auf der anderen Seite entwickelt man nun eine Idee, wie man mit einer Chipkarte Sachleistungen diesen Kindern und diesen Familien zukommen lässt und lässt dabei völlig außer Acht, dass erstens die angekündigten 240 € im Jahr wirklich nicht viel sind. Wenn Sie sich das mal anrechnen, was das auf den Monat gerechnet ist, das ist nicht sonderlich viel. Man hat darüber hinaus das Problem, dass genau diese Art von Sachleistungen sehr, sehr stigmatisierend ist. Wahrscheinlich hat man dann in den Freibädern zwei Kassen, einmal eine Kasse für diejenigen mit diesen besonderen Chipkarten und einmal eine Kasse für die normalen Gäste. Dann müssen Sie auch bedenken, dass es ja nicht nur reicht, Familien durch so eine Chipkarte diese Sachleistungen zukommen zu lassen, sondern sie müssen auch irgendwie dafür sorgen, dass