Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Zum Zweiten müssen wir, glaube ich, auch noch einmal neu die Frage stellen, welche Kompetenzen im Bildungsbereich nicht vielleicht doch sinnvoller von der Bundesebene wahrgenommen werden sollten. Ich sage daher, die starke Einschränkung der Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich kann nicht die sinnvolle Zukunftslösung sein. Hier brauchen wir eine neue Debatte. Ich sage hier an dieser Stelle als Thüringer Bildungsminister auch nichts anderes, als ich vorher in meiner Verantwortung als Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung zu diesem Thema gesagt habe.

Mein Plädoyer ist in dieser Frage: Wir müssen einerseits natürlich die Kompetenz der Länder in Bildungsfragen ernst nehmen, es ist eine der Kernkompetenzen der Länder, aber wir müssen andererseits dort, wo es auch um länderübergreifende Standards, um Regelungen und Aufgaben geht, die über die Ländergrenzen hinausweisen, die Bundesebene wieder stärker in die Pflicht nehmen.

Die Bundesregierung ist nach wie vor durch die Länder aufgefordert, die Länder bei der Finanzierung von Bildungsaufgaben stärker zu unterstützen. Dazu gab es im vergangenen Jahr einen Bildungsgipfel der Bundesländer mit der Kanzlerin, der leider noch zu keinem Ergebnis geführt hat. Die Forderung der Länder steht weiterhin, dass sie in ihrer

(Vizepräsident Gentzel)

Bildungskompetenz auch finanziell gestärkt werden gerade in den Kernbereichen. Das ist auch nicht einfach damit zu erreichen, dass wir dauernd neue Bundesprogramme auflegen. Denn der Bund hat ich habe das eben deutlich gemacht - nur noch in einigen wenigen Bereichen der Bildungspolitik Kompetenzen und darf auch nur an diesen Stellen investieren. Das ist ja die neue Regelung, die damals in das Grundgesetz aufgenommen worden ist in Artikel 104 b, dass der Bund nur dort Finanzhilfen geben kann, wo er selbst auch Gesetzgebungsbefugnisse hat. Deshalb glaube ich, wir müssen die Frage der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungspolitik auch in Zukunft weiterdiskutieren. Die jetzt gefundene Lösung ist aus meiner Sicht noch nicht das Zukunftsmodell, was wir für eine gemeinsame Bildungsanstrengung brauchen.

Der Antrag bittet auch darum, noch einmal Stellung zu nehmen zu den nationalen Bildungsstandards und ihrer Umsetzung in Thüringen. Wir haben jetzt für eine ganze Reihe von Fächern und Klassenstufen nationale Bildungsstandards, aber die Arbeit ist noch nicht am Ende. Sie muss weiter fortgeführt werden mit dem Ziel, dass wir für alle Bereiche nationale Bildungsstandards auch definieren. Ich werde dieses Ziel auch in Zukunft ausdrücklich unterstützen und versuchen, dass wir diese Aufgabe so rasch wie möglich voranbringen.

Wie können solche Bildungsstandards dann hier in Thüringen umgesetzt werden? Hier sind wir schon mitten in der Arbeit. Wir haben - das wissen Sie mit dem Schuljahr 2010/2011 neue Lehrpläne in den Grundschulen eingeführt. In diesen Lehrplänen sind die nationalen Bildungsstandards integriert und umgesetzt. Wir werden jetzt in den kommenden Jahren bis 2014 die Lehrpläne für die weiteren Klassenstufen entwickeln und in den Schulen umsetzen. Auch dort wollen wir natürlich die nationalen Bildungsstandards, auf die man sich vereinbart hat, in die Lehrpläne integrieren und in den Schulen umsetzen.

Manchmal wird diskutiert, dass das Ziel solcher nationalen Bildungsstandards und damit eine vergleichbare Qualität auch der Schulen und schulischer Abschlüsse, vielleicht der stärkeren Selbstständigkeit von Schule entgegensteht. Ich verstehe das aber durchaus als komplementäre Elemente. Denn wenn wir einerseits klar definieren, was nationale Bildungsstandards sind und damit sicherstellen, dass unabhängig davon, in welchem Bundesland ein Kind zur Schule geht, dieselben Standards eingehalten werden müssen, dann können wir auch der einzelnen Schule eine größere Freiheit bei der Umsetzung solcher Standards im Unterricht gewähren und auch den Schulen die Aufgabe an die Hand geben, eigene Schulprofile zu entwickeln. Sie wissen, dass wir unter anderem mit dem Modellversuch „Neue Lernkultur in den Kommunen“, mit dem wir die Schulen gebeten haben, sich stärker in das

kommunale Umfeld zu integrieren, es in die schulische Arbeit einzubeziehen, auch den Weg gehen, die Profile der einzelnen Schulen zu schärfen und dieses Modellvorhaben auch in die Fläche umsetzen wollen.

Noch mal zusammengefasst: Nationale Bildungsstandards, die gleiche Qualität sichern, die Vergleichbarkeit von Abschlüssen sichern, und stärkere Eigenverantwortung der Schule sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig. Ich werde mich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass deshalb die nationalen Bildungsstandards für die Bereiche, für die sie noch ausstehen, rasch entwickelt werden und dann natürlich auch in den schulischen Alltag hier in Thüringen übersetzt werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Herr Minister Matschie. Ich gehe aufgrund der mir vorliegenden Rednerliste davon aus, dass alle Fraktionen eine Beratung des Sofortberichts zu Nummer I wünschen. Ich sehe bei allen Fraktionen Kopfnicken. Dann eröffne ich die Beratung zu den Punkten I und II. Als Erste hat Abgeordnete Hitzing von der FDP-Fraktion um das Wort gebeten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Stärkung der schulischen Eigenständigkeit, Handlungsfreiheit, verbesserte Finanzierung von Schulen in Gänze erfordern unserer Auffassung nach eine pragmatische Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Das bedeutet, dass das Kooperationsverbot in bestimmten Sichtweisen und an bestimmten Stellen doch hinderlich ist. Deshalb glaube ich, wir brauchen eine echte Bildungszusammenarbeit, Bildungspartnerschaft, um die gesellschaftlichen Herausforderungen unseres Landes meistern zu können. Das bedeutet, dass diese pragmatische Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wieder möglich sein sollte.

(Beifall FDP)

Bildung ist ein gesellschaftliches Thema, ein ganzheitliches Thema in der Gesellschaft. Die Gesellschaft erwartet natürlich auch von der Politik Lösungen und keine Streitigkeiten, wenn es um Zuständigkeiten geht. Die wichtigste Frage ist doch immer - und da sind wir uns ja auch alle einig -, was ist eigentlich das Wichtigste für unsere Kinder, was nützt unseren Kindern. Wenn es den Kindern nützt, dass eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern förderlich ist für die Bildungslandschaft, warum sollte das dann nicht möglich sein. Es sollte unseres Erachtens eine neue Form der Zusammenarbeit im Bildungsbereich geben, nämlich die, dass wir uns

(Minister Matschie)

an Verantwortung für gute Bildung orientieren und nicht an Zuständigkeiten. Der Bildungsföderalismus braucht eine gewisse Weiterentwicklung, das ist in der Bildung so üblich. Der Herr Minister hat es eben auch schon einmal ausgeführt, Bildung entwickelt sich stetig weiter und der Bildungsföderalismus hat selbstverständlich seine Berechtigung, gerade wenn es um die Hohheit geht, wenn es um Inhalte im Bereich der Bildung in den Ländern geht, wie kommen wir zu den von uns gesteckten Zielen. Aber er braucht eine Weiterentwicklung, wenn es darum geht, wie kann man für gute Lösungen gemeinsam arbeiten und eventuell über die Ländergrenze hinaus und mit dem Bund zusammen etwas erreichen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es bahnbrechende Entwicklungen im Bildungssektor gab und die gab es u.a. auch durch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Programmen wie beispielsweise dem Programm „Zukunft, Bildung und Betreuung“. Dieses Programm wurde aufgelegt, um u.a. die Ganztagsschulen voranzutreiben. Das Ganztagsschulprogramm ist nach meiner Wahrnehmung ein Erfolg gewesen. Es gibt viele Schulen in Thüringen, die auf diese Art und Weise erstens die Möglichkeit hatten, mit einem ordentlichen, gut durchdachten Konzept die Voraussetzungen zu schaffen, dass auch die materielle und räumliche Basis gegeben ist, um den Ganztagsschulbetrieb abzusichern und auch wahr werden zu lassen. Das ging ja so weit, dass auch die Sportstätten in diesem Rahmen zum Teil mit rekonstruiert werden konnten. Gerade das Ganztagsschulprogramm ist ja ein wirklicher Gewinn für unsere Schullandschaft, denn wir wissen, dass die gesellschaftliche Entwicklung einfach so aussieht, dass viele Familien dieses Programm auch sehr gerne annehmen, und Kinder gehen sehr gerne in Schulen, in denen sie sich auch am Nachmittag noch beschäftigen können in der verschiedensten Art und Weise, in künstlerischer Hinsicht, auf sportlichem oder musischem Gebiet oder auch mit dem Thema Hauswirtschaft. Ich spreche jetzt von meiner Schule. Diese Schule ist eine Ganztagsschule. Ich kann Ihnen sagen, vorrangig die Kollegen des Hauswirtschaftsbereichs schaffen gar nicht, die vielen Interessenten an ihrem Kurs unterzubringen, die müssen sich teilen und an mehreren Tagen in der Woche mehrere Kurse anbieten, weil die Schülerinnen und Schüler das ganz einfach auch gut finden, nachmittags zusammen noch etwas zu tun. Denn auch auf dem Lande ist es ja so, dass es nicht mehr überall die Oma in der Familie gibt, die dann das Kind oder den Jugendlichen zu Hause empfängt. Nein, auch da ist es so, die Eltern gehen arbeiten und sind oft bis abends nicht zu Hause und dieser Sozialbereich Schule, der durch diese Ganztagsschulprogramme natürlich sich inhaltlich sehr erweitert hat, ist eigentlich auch nicht mehr wegzudenken. Das ist das Resultat dieses Bundesprogramms, das in Kombination mit den

Ländern durchgeführt worden ist. Deshalb sage ich, die Kooperation zwischen Bund und Ländern sollte wieder möglich sein, ohne infrage zu stellen, dass natürlich die Bildungshoheit immer bei den Ländern liegt und diese auch nicht untergraben werden soll und auch nicht untergraben wird auf diese Art und Weise nach meiner Überzeugung. Es gibt übergeordnete Rahmen, die schon jetzt bedient werden, bzw. man versucht z.B. mit den gemeinsamen Bildungsstandards auch über die Ländergrenzen hinweg sich zu verständigen, Vergleiche herstellen zu können bzw. Leistungen so weit zu vergleichen, dass man auch sagt, möglicherweise kommen wir tatsächlich mal an eine Stelle, an der über die Ländergrenzen hinweg Schulabschlüsse - ich gehe jetzt mal auf den Abiturabschluss ein - gemacht werden können auf der Grundlage von gemeinsam erarbeiteten Aufgabenpools etc. Das werden wir im Rahmen dieses Plenums heute eventuell noch diskutieren - mit Blick auf die Uhr glaube ich das eher nicht -, aber wir haben es auf alle Fälle irgendwann noch einmal zu bereden. Auch solche Rahmengemeinsamkeiten, die über die Ländergrenzen hinweg gehen, sehe ich nicht als Nachteil und werden auch so nicht von der Kultusministerkonferenz gesehen. Deshalb stellt sich mir natürlich ganz einfach die Frage, warum soll der Bund auch nicht an solchen Stellen mit Ländern zusammenarbeiten können, bei denen es darum geht, die Leistungsfähigkeit der Schulen sicherzustellen und dort die Länder zu unterstützen in einem begrenzten, aber machbaren Rahmen. Deshalb werden wir diesen Antrag unterstützen. Vielen Dank.

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, zumindest vor allen Dingen diejenigen, die jetzt noch anwesend sind. Es erschreckt mich schon ein wenig, wie wenige Abgeordnete den Debatten hier heute folgen. Ich glaube, es sind wichtige Themen, die wir heute hier zu beraten haben.

Lieber Minister Christoph Matschie, ich habe sehr genau zugehört. Vielen herzlichen Dank für Ihren Bericht, den Sie gegeben haben. Ich hatte selbstverständlich und habe natürlich auch alle Zitate dabei - das konnten Sie sich vermutlich denken -, was Sie in den letzten Jahren so zum Kooperationsverbot gesagt haben. Natürlich, glaube ich, ist allen aufgefallen, dass Sie sich letzten Endes auch um eine Antwort oder um eine klare Aussage dazu gedrückt haben - gestatten Sie, dass ich es so aus

(Abg. Hitzing)

drücke -, wie Sie nun konkret zu diesem Antrag stehen. Denn Sie haben es eigentlich schon viel drastischer formuliert in der Vergangenheit. Sie haben sehr deutlich gefordert, das Kooperationsverbot endlich zu kippen, die Föderalismusreform an diesem Punkt auszusetzen und immer wieder sich gegen das Kooperationsverbot ausgesprochen. Wie die Haltung der Landesregierung allerdings tatsächlich zum Kooperationsverbot aussieht, das habe ich hier nicht vernommen; wohl Ihre Positionen, die Sie in den letzten Jahren geäußert haben, aber nicht, wie die Landesregierung jetzt dazu steht. Ich meine, wir werden es vermutlich spätestens bei der Abstimmung erleben. Ich habe vorhin schon zu meinen Kolleginnen neben mir gesagt, ich fürchte, Sie reden jetzt die ganze Zeit im Prinzip für unseren Antrag, auch für das Anliegen, was wir auch gemeinsam vertreten, wie ich denke, und Sie werden dann vermutlich doch irgendeinen Dreh finden, warum Ihre Fraktion - wenn sie dann wieder anwesend ist - doch gegen den Antrag stimmt. Ich hoffe immer noch, dass Sie sich selbstverständlich auch diesem Antrag anschließen. Denn ich denke und bin davon zutiefst überzeugt, dass dies im Sinne Thüringens und dass dies im Sinne der Zukunftsfähigkeit ist.

Wir haben diesen Antrag bereits vor etlichen Monaten eingebracht - das wissen Sie auch - und wir diskutieren diese Problematik schon seit vielen Jahren. Es freut mich natürlich auch, dass die FDP an dieser Stelle den Antrag ausdrücklich unterstützt hat und auch das Zukunftsinvestitionsprogramm im Nachhinein als sehr positiv beschrieben hat, welches vor einigen Jahren von uns mehr oder minder auf den Weg gebracht wurde. Gerade um das Kooperationsverbot ein Stück weit - das sage ich auch so deutlich - zu umgehen mit den Mitteln, wie es eben möglich war, und den Ganztagsschulen einen Ausbau in der Form zu erlauben, dass wir zwar noch kein flächendeckendes Angebot, aber doch ein besseres Angebot an Ganztagsbetreuung in den Schulen bieten können. Die Problematik ist tatsächlich, dass das Grundgesetz keine Finanzhilfe des Bundes in den Bereichen erlaubt, in denen die Länder allein die Gesetzgebungskompetenzen haben. Die sehr unrühmlichen Auswirkungen genau dieser Vorgaben erleben wir im Moment in der aktuellen Debatte rund um das sogenannte Bildungspaket oder die Bildungschipkarte, die gerade den Kindern aus ärmeren oder sozial schwächeren Familien zugutekommen soll, wo ein Versuch gestartet wird, eben dieses Kooperationsverbot zu umgehen. Hier sagen wir sehr deutlich: Warum müssen wir immer Umwege suchen? Warum müssen wir immer versuchen, irgendwie die jetzige Gesetzgebung zu umgehen? Dann lassen Sie uns konsequent sein und dieses Kooperationsverbot endlich kippen. Denn dieses Kippen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich ist tatsächlich und wahrlich überfällig.

Ich glaube, es zeigt sich auch, dass es überfällig ist, wenn ein Minister, so wie Sie, der für dieses Thema zuständig ist, so deutlich beschreibt, wie schwierig es eigentlich ist, weil wir das Kooperationsverbot haben, auch und gerade wenn man gegenüberstellt zum einen die bundespolitischen Vorhaben - Sie haben sie auch genannt -, 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung zu geben, und zwar bundesweit, und auf der anderen Seite eine Finanzierung von Bundesseite aber nicht zuzulassen. Dass da etwas im Argen liegt, glaube ich, sieht jede und jeder. Deshalb erhoffe ich mir nach wie vor, dass von Thüringen nach diesem Plenartag heute das Signal ausgeht, dass wir den Mut haben, eine Bundesratsinitiative zum Kippen des Kooperationsverbots auf den Weg zu bringen. Die Konsequenz aus dem Kooperationsverbot ist ja schließlich, dass der Bund faktisch seinen Teil der gesamtstaatlichen Verantwortung - so will ich es mal nennen - für Bildung nicht wahrnehmen kann, stattdessen sehr viel Energie wie ich eben bereits beschrieben habe - dafür verwendet werden muss, um Wege zu suchen, wie man die Länder trotzdem irgendwie unterstützen könnte, um gute Bildung an die Schule oder zu den Kindern direkt zu bringen.

Unser Ziel ist, und darauf hoffen wir auch, dass es tatsächlich gemeinsam von Bund und Ländern ausgehandelte und finanzierte Programme gibt, die zu einer Qualitätssteigerung im Bildungsbereich führen, und zwar von den Kitas, die Sie ja vorhin auch schon angesprochen haben, bis hin zu den Hochschulen, und dass es dafür auch möglichst feste Rahmenbedingungen geben soll, die verlässlich sind und auf die sich jedes Land dann auch stützen kann, wo wir tatsächlich dann auch sehen, dass Bildungspolitik nicht nur ein Thema für einen Gipfel ist, zu dem auch die Kanzlerin ab und zu einlädt, sondern ein Thema ist, dem sich tatsächlich alle Ebenen gleichermaßen verpflichtet fühlen.

Weil ich natürlich auch bei der CDU noch ein Stück weit um Zustimmung werben möchte für die Abschaffung des Kooperationsverbots, will ich gern drei CDU-Politikerinnen kurz zu Wort kommen lassen, die sich erst in jüngster Zeit auch für die Abschaffung des Kooperationsverbots ausgesprochen haben. Das ist zum einen Bernd Althusmann, der niedersächsische Kultusminister der CDU und aktuell Präsident der Kultusministerkonferenz. Er hat nämlich geäußert in der Frankfurter Rundschau vom 3. Januar - Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, zitiere ich: „Wir werden uns im Frühjahr aller Voraussicht nach mit der Bundeskanzlerin über Fragen des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern austauschen, auch über die Frage der Bildungsfinanzierung. Dabei ist jedoch klar, dass die Verantwortung für den Bildungsbereich auch künftig bei den Ländern liegt.“ Ich verstehe es dennoch so, dass offenkundig Bewegung drin ist, wenn

ich das so sagen darf, mit Blick auf die Abschaffung des Kooperationsverbots.

Auch Annette Schavan, Bundesbildungsministerin, hat im Video-Interview für die Leipziger Volkszeitung sehr deutlich Stellung bezogen. Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich noch einmal. „Ich sage ganz klar, das Kooperationsverbot ist falsch. Es verhindert bei Themen, die von bundesweiter Bedeutung sind, dass wirklich alle Akteure sich zusammentun.“ Ein letzter Bundestagsabgeordneter der CDU, nämlich Tankred Schipanski, hat in einer Pressemitteilung vom 3. August gesagt, ich zitiere: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Länder in vielen Bereichen Mühe haben, ihrer Bildungsverantwortung gerecht zu werden. Besonders deutlich zeigt sich dies im Bereich der Bildungsfinanzierung und bei der Umsetzung einheitlicher Bildungsstandards im schulischen Bereich. Daher müssen wir selbstverständlich darüber nachdenken, ob das Kooperationsverbot, welches Bund und Ländern eine Zusammenarbeit in Bildungsfragen verbietet, weiterhin zweckmäßig ist. Wenn die Länder ihrer Verantwortung allein nicht nachkommen können, muss der Bund unterstützend zur Seite stehen können.“

Ich verstehe all diese Zitate und auch Ihre Aussagen - auch natürlich zu den nationalen Bildungsstandards - so, dass wir eine bessere, eine gute, eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern brauchen. Dabei ist das Kooperationsverbot einzig und allein hinderlich. Deswegen lassen Sie uns den Mut haben - im Frühjahr sollen die Beratungen in der Kultusministerkonferenz dazu stattfinden -, von Thüringen aus ein Zeichen zu setzen, nämlich dass es eine Bundesratsinitiative geben wird, die sich darauf ausrichtet, das Kooperationsverbot in der Bildung abzuschaffen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Voigt für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren, Kooperationsverbot, das ist natürlich eines der Bestandteile und eines der Ziele der Föderalismusreform 2006 gewesen. Und was war die zentrale Fragestellung? Die unterschiedlichen Verflechtungen etwas transparenter wieder hinzubekommen in einem Wettbewerbsföderalismus Deutschland. Ich glaube, Wettbewerb - das gilt - belebt das Geschäft. Thüringen ist als bildungspolitisches Vorzeigeland auch der beste Beweis dafür, dass wir gut damit leben, dass Bildung zuvorderst erst einmal Ländersache ist. Jetzt gilt natürlich die Frage

trotz dieses Kooperationsverbots, inwieweit es Zusammenarbeit zwischen Bund, zwischen Ländern und den unterschiedlichen Kommunen geben kann. Da ergeben sich jetzt schon mindestens drei Ebenen, vor allen Dingen im Bereich der Wissenschaft und Forschung, denn die Möglichkeit des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Förderung überregional bedeutsamer Forschung ist auch heute weiterhin möglich.

Zweitens im Bereich der Projektförderung: Die Bundesregierung hat mit rund 6 Mrd. € zusätzlich in dieser Legislaturperiode erhebliche Mittel für Forschung und Entwicklung vorgesehen. Das ist ein beträchtlicher Anteil.

Drittens: Wenn wir uns den ganzen Bereich der außeruniversitären Einrichtungen anschauen, wie Helmholtz-Gesellschaft, DFG, MPG, dann darf man auch feststellen, dass da die Zusammenarbeit zwischen Bund und zwischen Ländern durchaus gegeben ist. Natürlich gilt auch, dass der Bund in der Fragestellung der Hochschulen nur noch über Rahmenkompetenzen verfügt, auf der einen Seite bei der Hochschulzulassung, auf der anderen Seite natürlich auch bei den Hochschulabschlüssen. Darunter gibt es einen vitalen Wettbewerb im Bereich der Hochschulautonomie, wo sich auch die einzelnen Länder positionieren können. Dann schauen wir uns die dritte Ebene an, die auch in Ihrem Antrag angesprochen ist, nämlich den Bereich der Schulen. Da kann man durchaus sagen, dass natürlich die nationalen Bildungsstandards und die Inhalte, die über die KMK abgestimmt werden, ein wichtiger Bestandteil sind. Aber eines gilt auch: Schulpolitik war in der Vergangenheit Sache der Länder und wird es auch in Zukunft bleiben. Wenn wir jetzt trotzdem darauf schauen in dieser Situation eines Wettbewerbsföderalismus, was wir erwarten, dann gilt natürlich, was eine zentrale Zukunftsfrage ist, wie wir Aufstieg durch Bildung in einer Bildungsrepublik Deutschland so organisieren können, dass am Ende nicht die einzelnen Bildungsteilnehmer Gelackmeierte sind von unnötigen Kompetenzverwirrungen. Da gilt es natürlich auch, Reserven, die wir im System noch haben, zu mobilisieren. Da steht für mich außer Frage, dass Bund und Länder in Zukunft im Bildungsbereich stärker zusammenarbeiten müssen und wir natürlich auch im Thüringer Landtag darüber gemeinsam nachdenken sollten, wie stärkere pragmatische Kooperation möglich ist. Ich glaube, das Bund und Länder in Sicht des Artikels 91 b Abs. 2 des Grundgesetzes zukünftig die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems nicht nur gemeinsam feststellen, sondern auch gemeinsam sicherstellen sollten. Das ist eine zentrale Herausforderung. Auch bei der Fragestellung, wie wir mit dem Kooperationsverbot umgehen, sehe ich eine der zentralen Debattenfelder, die wir im Ausschuss besprechen sollten. Für meine Fraktion will ich aber auch feststellen, dass, wenn wir über Kooperation

(Abg. Rothe-Beinlich)

reden, das am Ende nicht bedeutet, dass die eine Ebene von der anderen Ebene das Geld fordert, was sie bei sich nicht mehr gewillt ist zu finden oder auch tatsächlich nicht mehr finden kann, denn dann funktioniert natürlich auch Kooperation nur einseitig und hat tatsächlich auch nichts mit Steigerung von Bildungsqualität zu tun, sondern am Ende nur von gegenseitigen Fingerzeigen.

Zweitens bedeutet für mich Kooperation und Zusammenarbeit auch, dass wir uns nicht am Mittelmaß orientieren, sondern an der Spitze. Genau deswegen muss ein Land Thüringen sich sehr behutsam der Fragestellung nähern und das intensiv diskutieren, denn wir haben hohe Bildungsstandards und wollen uns natürlich nicht am bundespolitischen Mittelmaß von anderen Bundesländern orientieren. Jetzt hat die schwarz-gelbe Bundesregierung natürlich nicht nur die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen, sondern auch konkrete Maßnahmen dafür gestartet, angefangen von der Ganztagsschule, Förderung junger Wissenschaftler, nationales Stipendienprogramm, eigenständiges Forschungsförderungsprogramm. All das sind Fragestellungen, die jetzt schon in den bestehenden, nach der Föderalismusreform 2006 existierenden unterschiedlichen bildungspolitischen Ebenen, Systemen möglich sind. Gleichzeitig gilt es da aber auch, gemeinsam nachzudenken. Deswegen bin ich dankbar für den Antrag, der eingereicht wurde, und beantrage im Namen meiner Fraktion, um die Thüringer Sichtweise intensiver zu besprechen, eine intensive Beratung im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Recht herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Voigt. Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kaschuba für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, meine Fraktion kann dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, so wie er hier vorliegt, weil wir der Auffassung sind, dass die Aufhebung des Kooperationsverbots dringlich ist und auch mit Dringlichkeit realisiert werden sollte. Unsere Fraktion im Deutschen Bundestag hat in der Drucksache 17/119 einen Antrag eingebracht, in dem unter anderem die Aufhebung des Kooperationsverbots gefordert wurde und im Punkt 11, das möchte ich zitieren, gesagt wird: „… eine Änderung des Grundgesetzes auf den Weg zu bringen, um das Recht auf Bildung zu verankern, die Gebührenfreiheit von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen verlässlich zu sichern und die Bildungsfinanzierung in Deutschland auf eine neue Grundlage zu stellen. Zudem muss Bildung grund

gesetzlich als Gemeinschaftsaufgabe beschrieben werden, die es Bund und Ländern ermöglicht, gemeinsame Programme zur Finanzierung besserer Bildung aufzulegen.“

Dieser Antrag wurde selbstverständlich abgelehnt. Ähnlich lautende Anträge mit viel mehr Punkten, die ich hier nicht alle vortragen kann, haben die Fraktion der SPD und die Fraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebracht. Sie wurden ebenfalls abgelehnt. Die Antwort der Bundesregierung vom 15.01.2010 dazu liegt vor. Allerdings hat die Ministerin Frau Schavan im November dieses Jahres selbst noch einmal nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass aus ihrer Sicht eine Aufhebung des Kooperationsverbots dringlich erforderlich ist.

Ich denke auch, und die Rede von Herrn Dr. Voigt hat mich eigentlich überzeugt, dass es vielleicht doch ganz gut ist, wenn wir über den Antrag der GRÜNEN noch einmal diskutieren, weil sonst eventuell in der Diskussion zur Aufhebung des Kooperationsverbots auch Positionen realisiert werden können, ich glaube, es gibt unterschiedliche Sichtweisen, so will ich das sagen. Der Antrag der GRÜNEN hebt ja vor allen Dingen auf die Situation an den Schulen ab, also im Bildungsbereich der Schulen. Ich will aber auch noch einmal darauf verweisen, dass auch die Hochschulen von diesem Kooperationsverbot doch weitreichend betroffen sind durch die Föderalismusreform II, insbesondere weil die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau weggefallen ist und die Bildungsplanung insgesamt nicht mehr auf Bundesebene realisiert wird. Es werden zwar noch 30 Prozent der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung gestellt, aber vorrangig zur Forschungsförderung und zur Realisierung der Exzellenzcluster. Daraus ergeben sich ja Fragestellungen, welche die Bildung in der Breite insgesamt betreffen. Der Minister hatte gesagt, 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen bis 2015 für Bildung eingesetzt werden. Da wäre es schon dringend erforderlich, über die Aufhebung des Kooperationsverbots zu reden. Die Rahmengesetzgebung des Bundes im Hochschulbereich ist entfallen, alle Regelungsbereiche liegen in den Kompetenzen der Länder. Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der Zugang zu den Hochschulen und die Abschlüsse weiterhin bundesweit geregelt werden können, aber die Länder Ausnahmen ermöglichen können. Das halte ich in Anbetracht der Internationalisierung von Bildung schon für ein Problem, über das man dringend reden muss und wo man auch auf der Bundesebene die Initiative ergreifen sollte. Das Gleiche betrifft eigentlich die Möglichkeit der Zusammenarbeit, auf die Dr. Voigt hingewiesen hatte, bei der Förderung von überregional bedeutsamen Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen. Das kann allein am Veto eines einzelnen Landes scheitern - die gemeinsame Realisierung. Wie das so

(Abg. Dr. Voigt)

aussieht in einer föderalen Struktur, welche Länder Vorsprünge erreichen können in bestimmten Bereichen, das wissen wir alle auch sehr genau, dass die reichen Bundesländer doch dort ein bisschen mehr Möglichkeiten haben. Die Hochschulpakte I und II, die eine hälftige Finanzierung zur Realisierung von Studienplätzen und der Qualität des Studiums garantieren sollen, sind natürlich auch zu hinterfragen. Und wenn wir uns noch einmal unsere letzte Haushaltsdiskussion ansehen, wo die Mittel dann hingeflossen sind.

Ich möchte zum Abschluss auf eine Forderung der Hochschulrektorenkonferenz aufmerksam machen, die wahrscheinlich auch, weil sie wollen, dass diese Kooperation möglich ist, fordern, dass Aufgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung künftig als investive Aufgaben zu behandeln sind, nämlich als Zukunftsinvestitionen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete Kaschuba. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Döring für die SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Thüringer SPD und die SPD-Landtagsfraktion haben seit Jahren eine klare Haltung zu den Ergebnissen der Föderalismusreform im Bildungs- und Hochschulbereich.