Protokoll der Sitzung vom 25.02.2011

um bekommen sie keine langfristigen Kredite, denn versuchen Sie mal mit 65 Jahren auf die Bank zu gehen und zu sagen, ich würde gern für eine Bausanierung einen Kredit auf 25 oder 30 Jahre aufnehmen. Den werden Sie von keinem Kreditinstitut kriegen. Deswegen müssen wir über eine lebenssituationsorientierte Komponente und über eine bessere Steuerung der Fördermittel nachdenken. Das können wir aber nicht in Thüringen, das müssen wir mit Blick auf den Bund vorschlagen. Und was wir auch machen müssen, da gebe ich Ihnen recht, in der Frage des Mietwohnungsbaus müssen wir über eine mietspiegelorientierte Förderung nachdenken. Denn natürlich ist es so, dass der Hauseigentümer theoretisch 11 Prozent der Sanierungskosten umlegen kann. Der bekommt es aber am Mietwohnungsmarkt nicht. Sie bekommen keine 3 Prozent umgelegt in Thüringen, ganz einfach, weil der Markt das nicht hergibt, und vor dem Hintergrund, weil diese Kosten nicht bezahlt werden, weil es auch eine soziale Frage ist an der Stelle. An der Stelle müssen wir darüber nachdenken, kann man da mietspiegelorientiert stärker fördern nach dem Motto, eine junge Familie in Sömmerda muss mehr Fördermittel bekommen als Doppelverdiener in München. Das ist nun einmal so. An der Stelle, denke ich, müssen wir über eine bessere Streuung nachdenken.

Noch eine Sache, weil vonseiten der LINKEN das ins Spiel gebracht wurde. Es ist in der Tat so, die Frage der effizienten Beheizung und des effizienten Energieverbrauchs ist in Zukunft eine soziale Frage. Sie ist es eigentlich schon jetzt. Die Durchschnittsfamilie in der Bundesrepublik Deutschland gibt ungefähr 2.500 € im Jahr dafür aus, ihr Haus warm oder ihre Wohnung warm zu bekommen und Warmwasser zu haben. Das ist mehr, als in manchen Familien für Lebensmittel ausgegeben wird. Das muss man sich einmal vorstellen. Deswegen ist es natürlich eine soziale Frage, durch die Umstellung und durch die Verbesserung dazu zu kommen, dass auch zukünftig diese Menschen nicht in kalten Wohnungen und nicht mit kaltem Wasser auskommen müssen, weil sie es sich nicht leisten können. Auf jeden Fall müssen wir uns politisch damit auseinandersetzen. Ob wir das hier in Thüringen angemessen tun können, das ist noch zu prüfen. Ich denke, vonseiten der SPD-Fraktion stehen wir einer offenen Diskussion über die Frage, was kann man da machen, positiv gegenüber. Frau Kollegin Doht hat das ja auch schon deutlich gemacht. Ob wir dazu in der Form einen Antrag zum Vergleich brauchen oder eine Diskussion in einem Ausschuss, wo man sich die Frage stellen kann, gehört die energetische Frage da überhaupt hin, ist eine andere Frage. Vor dem Hintergrund, herzlichen Dank für den Antrag, es ist eine gute Anregung und ich habe mich auch sehr über die Diskussion hier im Haus gefreut.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE erhält der Abgeordnete Kuschel das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Anmerkung des Herrn Abgeordneten Scherer und der Beifall aus der CDULandtagsfraktion hat mich veranlasst, hier noch einmal etwas klarzustellen, weil ich der Überzeugung bin, dass Sie hier wieder einen Eindruck vermitteln, der mit der kommunalen Realität nicht einmal ansatzweise etwas zu tun hat. Ich nehme da mit Erstaunen zur Kenntnis, dass die CDU jetzt in irgendeiner Art und Weise anerkennt, dass es in Thüringen Belastungen für Bürgerinnen und Bürger aus der Erhebung von Straßenausbau- und Abwasserbeiträgen gibt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bisher wurde das von der CDU immer wieder verneint.

(Unruhe CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, andererseits setzen Sie bei energetischer Sanierung der Gebäude auf die Freiwilligkeit der Betroffenen. Aber Sie nehmen den Menschen in diesem Land den finanziellen Spielraum, um in Gebäudesanierung und in energetische Maßnahmen zu investieren. Das betrifft nicht nur die Grundstückseigentümer und die, die im selbst genutzten Wohneigentum wohnen, sondern auch die Mieter. Ich will Ihnen einmal die Dimension aufzeigen, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Bereich zumuten. Im Bereich Straßenausbaubeiträge wurden bisher 600 Mio. € an Straßenausbaubeiträgen vereinnahmt. Sie wollen, das werden wir ja wahrscheinlich hier im März im Landtag beraten, jetzt bis 1991 rückwirkend Straßenausbaubeiträge erheben, eintreiben. Da geht es um weitere 260 Mio. € für Maßnahmen, die 20 Jahre zurückliegen. Und für die nächsten 20 Jahre werden, wenn Ihr Gesetz Wirklichkeit wird, weitere 1,2 Mrd. € an Straßenausbaubeiträgen auf die Thüringer Bürgerinnen und Bürger zukommen. Das ist Ihr Konzept. Die Gelder fehlen bei der Sanierung der Gebäudesubstanz. Im Bereich Abwasser mussten die Bürger bisher 800 Mio. € Beiträge entrichten. Weitere 800 Mio. € stehen in den nächsten Jahren an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es betrifft eben nicht nur die Grundstückseigentümer, sondern die Mieter und das will ich festmachen an dem Beispiel, das ich genau kenne, weil ich Mitglied des Aufsichtsrats in einer kommunalen Wohnungsbau

(Abg. Weber)

gesellschaft in Arnstadt bin. Wir haben 4.000 Wohnungen, 12.000 Menschen, also rund die Hälfte aller Arnstädterinnen und Arnstädter wohnen bei uns. Wir müssen im Jahr etwa 1 Mio. € an Straßenausbaubeiträgen und Abwasserbeiträgen zahlen. Wir haben 12 Mio. € Einnahmen aus der Miete, dafür stehen noch ganze 2,2 Mio. € frei für Unterhaltung und Sanierung von Wohngebäuden. Aus diesen 2,2 Mio. € müssen wir 1 Mio. € für Straßenausbauund Abwasserbeiträge entrichten. Das heißt, wir haben insgesamt noch 1,2 Mio. € für die Gebäudesanierung zur Verfügung. Das heißt, unsere Mieter, da kennen Sie ja die Klientel, die in den kommunalen Wohnungsgesellschaften wohnt, werden doppelt „bestraft“. Sie müssen nämlich die Beiträge indirekt aus der Miete bezahlen, und weil wir nicht ausreichend in die Gebäudesubstanz investieren können, haben wir im Vergleich zum privaten Bereich überhöhte Betriebskosten, insbesondere was Wärme, Warmwasser und dergleichen betrifft. Das ist die Realität. Deshalb sind die Mieter in gleichem Maße betroffen. Wenn Sie hier weiter auf Freiwilligkeit setzen wollen im Bereich der Gebäudesanierung, dann müssen Sie sich was bei den Kommunalabgaben, insbesondere bei den Beiträgen, einfallen lassen.

Herr Abgeordneter Kuschel, Frau Abgeordnete Doht möchte Ihnen gern eine Frage stellen.

Gleich, wenn ich den Gedanken zu Ende gebracht habe, weil ich dann meine Rede hier vorläufig beende.

Während Straßenausbaubeiträge und Abwasserbeiträge nicht zur Erhöhung des Gebrauchswerts des Grundstücks beitragen, insbesondere Straßenausbaubeiträge nicht, ist natürlich jede Investition in die Gebäudesubstanz eine Gebrauchswertsteigerung. Das ist eben der Unterschied zwischen beiden Regelungsbereichen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Doht, Sie können jetzt Ihre Frage stellen.

Herr Kuschel, habe ich Sie eben richtig verstanden? Sie legen die Beiträge auf den Mieter um. Dann empfehle ich dem örtlichen Mieterbund schnellstens gegen Ihr Unternehmen zu klagen.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Sie haben mich nicht richtig verstanden. Das ist eine derartige Fehlinterpretation. Ich habe formuliert: Wir müssen als Wohnungsbaugesellschaft die Beiträge, weil wir sie ja nicht auf die Miete umlegen können, aus den Mieteinnahmen finanzieren, denn wir haben keine andere Einnahmequelle. Es gibt nur die Miete als Einnahmequelle. Da nehmen wir das aus dem Bereich, der noch frei ist, und das ist der Bereich, der für die Sanierung und Erhaltung der Grundstücke da ist. Damit bezahlt der Mieter indirekt, weil das Geld bei den Investitionen fehlt. Das ist der Zusammenhang. Das betrifft im Übrigen die Wohnungsbauunternehmen, auch die Gesellschaft in Eisenach in gleichem Maße. Da haben Sie ja familiär einen guten Draht.

(Beifall DIE LINKE)

Ach nein, ich vermute, Ihr Mann hat sich vor dieser Aufgabe gedrückt und das dem Herrn Köckert zugewiesen, der vertritt ja die Stadt in diesen Gremien. Da hat er ja gute Querverbindungen zu seiner beruflichen Tätigkeit. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Abgeordnete Adams zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will ganz kurz eingehen auf das, was Herr Barth gesagt hat, weil es wichtig ist. Herr Barth hat gefragt, ob wir bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jemanden kennen würden, der freiwillig sein Haus schlecht dämme, um mehr Energiekosten zu bezahlen. Man muss die Frage beantworten: Leider ja und in Massen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen ein Beispiel aus der Wirtschaft zum Besten geben. Ich darf an einem Arbeitskreis der IHK in Erfurt teilnehmen, der sich um die Frage der Fernwärmenutzung mit sehr interessanten Fachbeiträgen und Diskussionen auseinandersetzt. Wir haben da auch eine Diskussion über Energieeffizienzmaßnahmen in Erfurter Betrieben gehabt. Da hat jemand aus einem sehr großen Erfurter Unternehmen, das in einem Konzern gebunden ist, erläutert, dass er natürlich einsähe, wie viel es bringen würde, Photovoltaik aufs Dach zu bringen oder Dämmung einzusetzen oder elektronisch drehzahlgesteuerte Pumpen einzusetzen. Er scheitere aber mit diesem Investitionsvorhaben regelmäßig in der Konzernleitung, weil die Konzernleitung ein Benchmark festgesetzt hat. Eine jede Investition muss sich nach drei Jahren lohnen. Das heißt, eine Inve

(Abg. Kuschel)

stition, die sich nach vier Jahren lohnt, wie z.B. die in Wärmedämmung oder die in PV, die wird dann nicht mehr getätigt. Insofern, lieber Herr Barth, ist es leider eine traurige Realität, dass aufgrund von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu kurz gedacht und wegen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sehr oft eben nicht in Energieeffizienzmaßnahmen investiert wurde. Deshalb wäre es so wichtig, dass dieser Thüringer Landtag ein Gesetz verabschiedet, mit dem wir einen ernsthaften Schritt vorwärtskommen. Das ist nämlich auch wirtschaftsfreundlich. Wir haben mit Ihnen auf der Veranstaltung der Handwerkskammer diskutieren dürfen. Da haben Sie gefragt: Wie bringt man das Handwerk voran? Wir glauben, dass wir speziell den Bereich des Bauhandwerks ganz enorm voranbringen können, indem wir unsere Energiewende umsetzen. Da sind wir die Partner des Handwerks. Wir laden Sie von der FDP-Fraktion ein, hier mit dabei zu sein, Partner des Handwerks zu werden.

(Heiterkeit FDP)

Weil das so ist, beantragen wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass dieses Berichtsersuchen auch im Wirtschaftsausschuss, weil es nämlich von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist, behandelt wird. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen seitens der Abgeordneten vor. Für die Landesregierung möchte Minister Carius noch einmal das Wort ergreifen. Ich wiederhole noch einmal, dass die Fortberatung eines Berichts in einem Ausschuss geht. Frau Abgeordnete Schubert wollte das im Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr. In zwei Ausschüssen geht es nicht und es geht alles nur vorbehaltlich der Zustimmung durch die Fraktionen, die die Aussprache zum Berichtsersuchen verlangt haben. Das heißt, ich harre immer noch auf einen entsprechenden Antrag, den ich abstimmen lassen kann. Bitte, Herr Carius.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, keine Angst, ich möchte es nicht allzu lang machen, allerdings hat mich der Wortbeitrag von Herrn Kollegen Kuschel doch noch einmal nach vorn getrieben.

Ich denke, es ist ganz notwendig, dass wir hier noch einmal klarstellen: Diese Landesregierung und auch die sie tragenden Fraktionen haben immer etwas dafür getan und sind immer davon ausgegangen, dass es sich bei den Beiträgen sowohl im Bereich des Abwassers als auch bei den Straßenausbaubeiträgen natürlich um Belastungen

handelt, die den Eigentümern auferlegt werden. Dann war aber unsere Frage auch immer, wie wir auf der einen Seite diese Belastungen so gering wie möglich halten können - das haben wir mit vielen Förderprogrammen in den beiden vergangenen Jahrzehnten immer wieder auf den Weg gebracht und wie wir auch mit gesetzlichen Maßnahmen dafür Sorge tragen können, dass diese Belastungen nicht so ausufernd werden, wie Sie sie, Herr Kuschel, in Ihren Postillen immer wieder darstellen. Insofern muss ich das zurückweisen. Wir haben nie behauptet, hier würde es sich nicht um eine Belastung handeln, sondern wir wollten immer versuchen, dass sie in einem angemessenen Maße zu dem Nutzen, der für die Bürgerinnen und Bürger davon ausgeht, auch steht.

(Beifall CDU)

Insofern, meine Damen und Herren, ist es nicht ganz richtig, was Sie hier behauptet haben. Also es war ein Glanzstück an intellektueller Rabulistik, was Sie hier vorgelegt haben,

(Beifall CDU)

denn selbst wenn man unterstellen würde, wie Sie behauptet haben, dass Sie sich immer für die Entlastung und wir uns für die Belastung eingesetzt hätten, würde das, was Sie jetzt hier fordern, nämlich ein Gebäudesanierungsprogramm, nicht nur ein Programm, sondern ein Gesetz so aufzulegen, dass Sie dort extrem hohe Standards formulieren, die am Ende von irgendwem bezahlt werden müssen. Irgendwer ist eben nicht nur irgendein imaginäres Wohnungsunternehmen, sondern das sind am Ende natürlich mit die Mieterinnen und Mieter und es sind mit die Eigentümer, die dafür aufkommen müssen.

(Beifall CDU, FDP)

Auf das, meine Damen und Herren, muss man auch schon mal hinweisen. Das, was Sie hier so einseitig fordern, das mag zwar mit Klimazielen im Einklang stehen, aber steht jedenfalls nicht im Einklang damit, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger nicht immer zusätzlich belasten wollen und auch nicht bevormunden wollen in dem, was sie tun.

(Beifall CDU, FDP)

Denn am Ende sollten die schon sehr wohl selbst unterscheiden und entscheiden können, wofür sie ihr Geld aufwenden.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das können Sie aber bei Straßen- und Abwasser- beiträgen nicht, die müssen stets bezahlt werden.)

Jetzt zum Thema der Förderprogramme: Herr Kollege Adams, was Sie gerade deutlich gemacht haben; es ist natürlich richtig und wohlfeil zu sagen,

(Abg. Adams)

wir stehen an der Seite des Handwerks und machen hier ein Riesenförderprogramm, was am Ende die Mieter und die Hauseigentümer bezahlen müssen. Das kann man natürlich sagen, aber in der Sache steht hier Wirtschaftsfreundlichkeit eben nicht im Einklang mit Bürgerfreundlichkeit.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer bezahlt denn Ihren überdi- mensionierten Straßenbau?)

Von überdimensioniert kann man gar nicht reden. Ich kann Ihnen die Schreiben der Bürgerinitiativen bringen, die uns am laufenden Band dazu auffordern, endlich die Straßen zu bauen, damit sie vom Verkehr entlastet werden.

(Beifall CDU)