Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

Ja, danke.

Der größere demokratische Rückhalt, der daraus für die Gewählten erwächst, ist sicher der wichtigste Grund. Stichwahlen sind aber auch wichtig für kleinere Parteien und Wählergruppen. Ohne Stichwahl werden sie nämlich zugunsten aussichtsreicher Bewerber eher auf eigene chancenlose Kandidaten verzichten. Das schmälert die Chancen dieser kleineren Parteien und Wählergruppen zur Profilierung. Sie werden aus unserer Sicht dadurch benachteiligt. Ohne Stichwahl, und das ist der Umkehrschluss, werden die Parteien außerdem stärker zu Absprachen genötigt. Es kommt - ich sage das jetzt mal augenzwinkernd - zu Vorabkoalitionen, bei denen sich mehrere Parteien auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen können. Das ist so eine Art Kungelei vor den Wahlgängen und dem wird dann Tür und Tor geöffnet. Das beeinträchtigt die Geltungsmacht des Wählers. Er steht in der Versuchung, nicht den Kandidaten seiner ersten Wahl zu wählen, weil dadurch seine Stimme verloren gehen könnte. Neben einer geminderten demokratischen Legitimation bedeutet der Verzicht auf die Stichwahlen also auch einen Verlust an demokratischer Öffentlichkeit, weniger Transparenz und auch eine Tendenz zu politischer Lagerbildung.

Die SPD-Fraktion will das nicht. Sie will nicht, dass zufällig der beste Bewerber gewählt ist, sondern dass sich in einer Stichwahl der Beste durchsetzen muss. Wir wollen eine möglichst große Legitimation für unsere Bürgermeister und Landräte und haben deshalb die Wiedereinführung der Stichwahl gefordert.

Ich finde es deswegen sehr anerkennenswert, dass sich die neue Regierung für einen Neuanfang im Interesse der Demokratie entschieden hat. Die Koalitionspartner haben vereinbart, die Stichwahl schon im kommenden Jahr wieder einzuführen. Landesregierung und Regierungsfraktionen haben sich dabei ein sehr ambitioniertes und ehrgeiziges Ziel gesetzt, wenn sie erreichen wollen, dass bei der Mehrzahl der im kommenden Jahr stattfindenden Bürgermeisterwahlen die Stichwahlregelung bereits greifen soll. Die Mehrzahl der Wahlen wird im Mai und Juni stattfinden. Wir müssen also die Fristen beachten, die das Thüringer Kommunalwahlgesetz für die Vorbereitung dieser Wahlen bestimmt. Das ist das große Problem. Spätestens im März sollte deshalb die geänderte Regelung des Thüringer Kommunalwahlge

setzes schon in Kraft treten. Ich möchte die Landesregierung deshalb bitten, das Verfahren zur Erarbeitung des Gesetzentwurfs möglichst straff zu gestalten und uns den Gesetzentwurf bis zum Januar vorzulegen. Für den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE beantrage ich im Namen meiner Fraktion die Überweisung federführend an den Innenausschuss und auch an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten.

Jetzt zu der Zwischenfrage.

Ja.

Ich hoffe nicht, dass Sie Ihre Argumentation darauf aufgebaut haben, dass dieses Jammertal Bad Salzungen sozusagen angeklungen ist mit dem Ausgang der Wahlen. Dann wollte ich Sie fragen: Wissen Sie, warum dies so ausgegangen ist, dass man das hier beklagt, weil - das wissen Sie wahrscheinlich nicht?

Ich muss Sie jetzt fragen, was Sie mit dem Jammertal Bad Salzungen meinen?

Weil Herr Kuschel das so angesprochen hat wegen des Ausgangs der Wahlen in Bad Salzungen als Argumentation für die Einführung der Stichwahl.

Es macht sicherlich die Beantwortung der Frage einfacher, wenn eine klare Frage gestellt wird.

Ist Ihnen die Situation bekannt, wollte ich gerade fragen.

Die damalige Situation nach dem ersten Wahlgang, die Herr Kuschel hier geschildert hat, meinen Sie?

Die hat er ja hier geschildert.

(Beifall und Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nicht komplett.

Die hat er nicht korrekt geschildert?

Ja, genau. Sie wissen also nicht, dass dort DIE LINKE mit zwei Kandidaten in das Rennen gegangen ist nach der Meinung, je mehr Kandidaten, umso mehr Prozente.

Gut, wenn das so gewesen ist, ist das sicherlich eine verifizierte Form. Aber Herr Kuschel hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, auf Folgendes kolportiert, das mag nicht nur in Bad Salzungen so gewesen sein, dass Kandidaten mit teilweise weniger als 25 Prozent, die im ersten Wahlgang gewählt werden, weil die beiden anderen knapp dahinter liegen, dann logischerweise ohne Stichwahl automatisch legitimiert sind, eine Kommune zu führen oder einen Landkreis. Das kann doch nicht Sinn und Zweck der Sache eines Wahlrechts sein, frage ich jetzt mal so zurück, Entschuldigung.

(Beifall DIE LINKE)

Nein, ich habe Ihnen die Frage gestellt, ob Ihnen das bekannt war.

Sie haben mich jetzt darüber in Kenntnis gesetzt. Ich danke Ihnen dafür ausdrücklich. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat der Abgeordnete Bergner von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abschaffung der Stichwahl ist von den Freien Demokraten schon sehr deutlich kritisiert worden. Die Abschaffung der Stichwahl hat dazu geführt,

dass kleinere Parteien, dass kleinere Gruppierungen benachteiligt worden sind. Sie hat dazu geführt, dass die politische Vielfalt in diesem Land - ich sage mal - zumindest beeinträchtigt wird.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Deswegen ist unsere Position klar und eindeutig. Wir sind selbstverständlich für die Wiedereinführung der Stichwahl.

(Beifall FDP)

Ich möchte die Kollegen, die vorhin schon so etwas angedeutet haben, dass man da ja verzögern kann, doch ganz herzlich bitten, hier gar nicht erst eine Verzögerungstaktik zum Tragen kommen zu lassen. Wir haben Bürgermeisterwahlen bevorstehen und wir brauchen klare Entscheidungen; wir brauchen klare Vorgaben. Deswegen bitte ich darum, dass es in den Innenausschuss geht, und zwar schnell. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,)

Der Abgeordnete Kellner von der CDU-Fraktion hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt möchte ich doch noch etwas dazu sagen. Ich wollte es erst nicht. Herr Hey, Sie haben Ihre Heimatstadt Gotha - mir bestens bekannt - zitiert mit 42 Prozent Wahlbeteiligung ist der Oberbürgermeister Kreuch gewählt worden. Wenn man jetzt noch einen Gegenkandidaten abzieht, dann bleiben ja nicht allzu viel für Herrn Kreuch von den Bürgern übrig, die gewählt haben, weil Sie gesagt haben, wer mit 29 Prozent durch das Rennen geht, ist eigentlich nicht legitimiert, eine Stadt zu führen. Wenn ich das richtig verstanden habe, würde das ja unter Umständen auf den Oberbürgermeister Kreuch zutreffen.

Die andere Geschichte, warum man die Stichwahl aus meiner Sicht nicht abschaffen sollte, ist ganz einfach, weil es die ehrlichere ist, wenn es keine gibt. Man muss sich vorher frühzeitig festlegen, mit wem man geht oder nicht geht, nicht dass man hinterher jemanden gewählt hat, den man gar nicht haben wollte oder nicht gewählt hat, den man dann bekommt. Das haben wir zuhauf erlebt. Als die Regelung eingeführt wurde - kann ich mich erinnern -, da waren die meisten Bürgermeister, die gewählt waren, von der CDU. Also das Argument, denke ich mir, greift da nicht durch.

Danke schön. Der Abgeordnete Hey hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, langweilen möchte ich niemanden, wenn wir mit Gothaer Lokalkolorit hier versuchen anzufangen, aber das ist trotzdem sehr wichtig. Die Wahlbeteiligung lag damals - nur zu Ihrer Information - 2006 in Gotha bei, ich glaube, 42,3 Prozent, das habe ich ja vorhin gesagt. Das finde ich als sehr schmerzlich. Ich habe das nur ins Feld geführt, weil immer gesagt wird, die Wahlbeteiligung bei einer Stichwahl ist doch aber auch relativ gering. Dass die Wahlbeteiligung generell gering ist, das liegt mit Sicherheit nicht unbedingt daran, dass Stichwahlen abgeschafft wurden, sondern möglicherweise an dem einen oder anderen Verfahrensweg, den wir auch hier in diesem Hause gestern und heute miterleben mussten, wo die Leute sich teilweise nur angewidert abwenden. Das Problem besteht ja auch darin, Herr Kellner, das haben Sie jetzt gesagt, Herr Kreuch wäre, wenn er nur mit 42 Prozent gewählt werden würde, gar nicht in der Lage, die Kommune zu führen. Das kann man so kolportieren. Ich will Ihnen nur zur Kenntnis geben, dieser Mann hat im ersten Wahlgang, und das ist hoch interessant, 64 Prozent aller gültigen Erststimmen auf sich vereinigt.

(Beifall SPD)

Das ist durchaus, denke ich, ziemlich bemerkenswert, weil so klar ist selten ein Kandidat durch das Rennen gegangen. Es wäre schön gewesen, Herr Kellner, wenn Sie das gleich mokant hier eingeflochten hätten. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Hey, es gibt noch den Wunsch auf eine Zwischenfrage durch den Abgeordneten Kuschel. Darf er denn?

Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass mit einer Abschaffung der asymmetrischen Wahlzeiten, also einer Harmonierung der Wahlzeiten von Gemeinderat, Stadträten, Kreistagen, mit denen der Bür

germeister, Oberbürgermeister und Landräte hier möglicherweise dieser geringen Wahlbeteiligung bei den Direktwahlen etwas entgegensteuern können?

Herr Kuschel, möglicherweise kann das auch ein Grund sein, dass die Leute im Laufe der Zeit bei einem Wahlmarathon wahlmüde werden. Wobei man jetzt wieder gesehen hat, im Superwahljahr 2009 sind mehr Leute zur Bundestagswahl gegangen, obwohl die eigentlich die Letzte war und die Leute hätten noch weniger Lust haben müssen, da hinzugehen. Ich würde darüber gern vielleicht im Ausschuss diskutieren. Das bringt auch die Sache heute hier voran. Dann wird man sicherlich feststellen, dass es mehrere Gründe gibt, vielleicht auch wenn man sich beim Volk umhört, was denn dazu führt, nicht mehr an die Urne zu gehen. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Jetzt liegen mir keine Wortmeldungen vonseiten der Abgeordneten vor und der Innenminister Prof. Dr. Huber hat um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, es gibt gute Gründe für die jetzige Regelung, es gibt genauso gute Gründe für die Wiedereinführung der Stichwahlen. Die Koalition hat sich darauf verständigt, dies zu tun und insofern ist das Ziel des Gesetzentwurfs positiv zu bewerten.

(Beifall SPD)

Es gibt allerdings ein paar Details und nicht nur redaktionelle Arabesken, die es unmöglich machen, den Gesetzentwurf so, wie er ist, zu übernehmen. Zum einen ist gesetzgebungstechnisch einiges in dem vorgeschlagenen Absatz überflüssig, insbesondere Hinweise auf § 19 Abs. 4 und § 21, weil der § 21 bereits über § 24 gilt und der Verweis auf § 19 Abs. 4 auch bei Bürgermeisterwahlen zwischen der Wahl mit mehreren Wahlvorschlägen und der Wahl mit einem oder keinem Wahlvorschlag zu unterscheiden ist. Es fehlt dem Gesetzentwurf auch eine Regelung für den Fall, dass einer der Teilnehmer an der Stichwahl stirbt oder die Wählbarkeit verliert. Dazu müssten die §§ 24 und 33 geändert werden. Das Hauptproblem aber ist von mehreren Rednern angesprochen worden, die Frage der Übergangsregelungen und des Zeitdrucks. Nach der Begründung beabsichtigt der Gesetzentwurf eine rechtzeitige Einführung der Stichwahl für das Jahr 2010. Er geht offenkundig davon aus, dass es einen festen Wahltermin gibt.

Die Bürgermeister- und Landratswahlen sind jedoch, wie Sie wissen, im Gegensatz zu den allgemeinen Gemeinderats- und Kreistagswahlen, deren Termin die Landesregierung festsetzt, von den einzelnen Rechtsaufsichtsbehörden festzusetzen und zu terminieren (§ 25). Der Thüringer Gesetzgeber hat die Amtszeit der ehrenamtlichen wie der hauptamtlichen Bürgermeister von der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats losgelöst und auf sechs Jahre festgesetzt. Herr Abgeordneter Kuschel, darüber kann man natürlich debattieren, ob das eine sinnvolle Lösung ist, ob man das ändern will, aber das ist die geltende Rechtslage. Entsprechendes gilt für die Amtszeit der Landräte. Es hat deshalb jeder Bürgermeister und jeder Landrat de lege lata eine persönliche Amtszeit. Zudem kann es zu vorzeitigen Beendigungen kommen, davon war in einem Zwischenruf ja gerade schon die Rede. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass bei Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzentwurfs bereits in einzelnen Kommunen Vorbereitungen für eine Reihe von Bürgermeisterwahlen laufen werden, auch wenn der Gesetzentwurf den Zeitplan einhalten soll, den der Vertreter der SPD hier gerade skizziert hat. Deshalb muss durch eine Übergangsregelung klargestellt werden, welche Wahlen noch ohne und welche Wahlen mit Stichwahl durchgeführt werden.