Vielen Dank. Als Nächster spricht der Abgeordnete Dirk Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man in den letzten Wochen zufällig nicht in Thüringen gewesen wäre und hätte einfach nur den Titel, der hier von der FDP zur Aktuellen
Stunde gewählt wurde, genommen, wäre man vielleicht zu einer vollkommen anderen Diskussion gekommen. Der Titel, um es noch mal ins Gedächtnis zu rufen, heißt: „Zusammenarbeit der Landesregierung mit den Akteuren der Thüringer Wirtschaft“. Da habe ich mir zunächst einmal die Frage gestellt: Was ist Wirtschaftspolitik? Ich bin mal so durchgegangen, was ich glaube, was gute Wirtschaftspolitik in jedem Fall ist. Das ist Innovationspolitik. Da frage ich: Was hat die FDP dafür getan? Das ist Technologieentwicklung, große Technologiepotenziale in den letzten Jahren aufzuschließen für Thüringen. Da weiß ich nicht, was Sie dafür getan haben. Die Frage Bildung und Ausbildung in den Vordergrund zu stellen und Fachkräftemangel vorzubeugen, das ist eine ganz wichtige Sache. Da weiß ich nicht, was Sie da großartig gebracht haben.
Gute Arbeitnehmer- und gute Arbeitgeberpolitik zu machen - auch da habe ich von der FDP wenig Vorschläge gehört. Es geht manchmal um Infrastruktur und es geht um Ansiedlungspolitik und es geht um Förderpolitik - es ist ein so weites Feld. Es wäre vielleicht vernünftig gewesen, auch um Farbe zu bekennen, wenn Sie vielleicht in Ihrem Titel deutlicher gesagt hätten, was Sie wollen.
Schaut man sich an, was Wirtschaft, Akteure der Wirtschaft ist, ich glaube, jedes Bemühen, das auf Wertschöpfung hinausläuft, ist gutes wirtschaftliches Bemühen. Es ist so vielfältig, dass man, glaube ich, es nicht reduzieren kann auf die Arbeit, die sehr gute Arbeit, die von mir sehr geschätzte Arbeit der Kammern und Unternehmensverbände. Damit liegen Sie vollkommen falsch, wenn Sie das als Wirtschaft bezeichnen. Wirtschaft ist viel mehr. Wenn man Ihren Titel nimmt, den Sie da verknüpfend aufbauen, frage ich mich: Was ist Ihr Problem? Ich frage mich wirklich: Was ist Ihr Problem? Ich habe gemerkt in der Rede von Herrn Kemmerich, Sie haben sich sehr bemüht, den Wirtschaftsminister - das ist unsere Aufgabe als Opposition, zumindest manchmal in pointierender Form, auch die Regierungsmitglieder, mal ranzunehmen. Okay. Aber was ich nicht verstehe, wenn Sie die Wirtschaftspartei sein wollen, dass Sie sich an einem Thema, wo Sie nichts hinbekommen werden, weil es reines Regierungshandeln ist, so verkämpfen und dass Sie bei so einer Frage wie dem Vergabegesetz sich hinsetzen im Ausschuss und alle Debatten als fundamentale Opposition führen und eine Komplettblockade machen. Da wäre es so viel vernünftiger gewesen, über Öffentlichkeitsarbeit, über Gespräche mit Unternehmensverbänden zu schauen, ob wir nicht doch eine kleine Mehrheit dafür hinbekommen, dass manches, was wir, glaube ich, zugleich am Vergabegesetz, was übermorgen dran sein wird, noch hinbekommen hätten. Da habe ich nichts von Ihnen erlebt, da habe ich einfach nur Ihre Blockade gesehen. Da habe ich nur gesehen, keine Änderungsanträge, wir wollen gar nichts be
wegen als FDP, wir sagen einfach nur Nein. Ich sage Ihnen, das ist keine gute Wirtschaftspolitik. Sie sollten sich überlegen, wie Sie den Akteuren in der Thüringer Wirtschaft wirklich helfen können.
Meine Kritik am Ansatz der FDP soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich die Änderung der Förderrichtlinien, die Herr Machnig vorgenommen hat, in Bezug auf zwei Punkte falsch finde. Sie ist falsch, weil sie allein auf den prozentualen Anteil von Leiharbeitern abstellen. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das derzeit ungefähr 50 Leute hat und die Chance hat, über einen großen zukünftigen Auftrag anzuwachsen. Den Auftrag müssen sie aber ganz schnell abwickeln. Die haben eine riesige Halle. Sie könnten ihre Produktion durch eine kleine Erweiterung steigern, wofür sie Fördermittel bei Ihnen beantragen. Sie sagen aber, um dieses Projekt durchführen zu können, brauchen wir ad hoc im nächsten halben Jahr 30 Leiharbeiter - dann bekommen die von Ihnen keine Förderung? Das kann nicht wahr sein!
Es ist vollkommen falsch, wie Sie das gemacht haben. Sie brauchen ein Abstellen auf die Zeit. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass ein Unternehmen, das mit einem hohen Anteil von Leiharbeitern über lange Zeit kontinuierlich arbeitet, unsere wirtschaftspolitische Ächtung erfahren muss,
dass man sagt, wenn ihr das so macht, bekommt ihr keine Fördermittel mehr. Aber das einzige Abstellen auf den prozentualen Anteil ist zu kurz gedacht, zu kurz gesprungen. Es ist im Übrigen auch zu kurz gesprungen - und das ist nicht richtig, Herr Machnig -, wenn Sie das Thema Leiharbeit zu einem riesigen Problem hochstilisieren. Jeder Leiharbeitsplatz, der ein fester Arbeitsplatz sein könnte, ist mir willkommen als fester Arbeitsplatz, da gibt es gar keine Diskussion. Aber zu negieren, dass diese Leiharbeit oft der Einstieg sein kann...
Da sagen Sie, das ist nicht so. Nun kenne ich schon Ihre Statistiken. Aber ich sage Ihnen, diese Leiharbeit ist die Chance zum Einstieg, sonst würde sie sich nicht so bewähren. Es sind um die 4 Prozent Arbeitnehmer in Thüringen, die davon betroffen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt keine Diskussion um die Frage, dass wir gute Löhne in Thüringen brauchen. Aber es ist falsch, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und liebe Kolleginnen, in einem gebe ich meinem Vorredner Herrn Kollegen Adams recht. Es geht den Kollegen der FDP-Fraktion inhaltlich um etwas anderes, als der Titel der Aktuellen Stunde tatsächlich aussagt. Insofern will ich auch ohne lange Umschweife ein paar Fakten nennen, die man schlicht und einfach mal zur Kenntnis nehmen muss, damit man weiß, warum man zu bestimmten Schlussfolgerungen kommt und warum ich zumindest glaube und meine Fraktion glaubt, dass das, was die Landesregierung hier auf den Weg gebracht hat, in die richtige Richtung weist.
Wir haben in Thüringen 738.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Davon sind knapp 30.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mittlerweile in Leiharbeit beschäftigt. Wenn man die Zuwachsrate nimmt in den letzten Monaten, also nach der Wirtschaftskrise, dann reden wir über einen Zuwachs von 4.300 Stellen im Bereich der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und ebenso von Zuwächsen im Bereich der Leiharbeit in der Größenordnung von 48,3 Prozent. Das ist der größte Zuwachs in der gesamten Bundesrepublik - Fakt Nummer 1.
Fakt Nummer 2 - da will ich dem Kollegen Adams widersprechen - ihr schönes Beispiel des Unternehmens mit den 50 Leuten, die expandieren wollen: Erstens ist festzuhalten, dass mit dieser GRWRichtlinie Erweiterungsinvestitionen gemeint sind und keine Neuinvestitionen. Es kann ja sein, dass jemand erweitern will. Nun darf man aber doch unterstellen, wenn ein Unternehmer über mehrere Jahre in Thüringen tätig ist, dass der einen gewissen Geschäftsplan hat und im Rahmen dieses Geschäftsplans, im Rahmen seiner Erweiterungsinvestition auch weiß, wie viel Beschäftigte er in einem bestimmten Zeitraum braucht und deshalb durchaus damit umgehen kann, beispielsweise
befristet Beschäftigte einzustellen, um zu expandieren und zu erweitern. Und das, was der Herr Barth
hier einwirft, das ist ja auch so, das ist ein Punkt, den ich überhaupt nicht bestreite. Wenn eine kurzfristige Herausforderung kommt, dann habe ich auch nichts gegen die Leiharbeit. Das ist das alte Thema, wofür ist Leiharbeit eigentlich mal gemacht worden,
nämlich um kurzfristig auftretende Auftragsspitzen abzufangen. Nur ist es leider nicht der Fall. Ich kann Ihnen drei Beispiele benennen, will das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mit Firmennamen machen, möchte aber ausdrücklich für das Protokoll erklären, dass ich dem Herrn Kemmerich auch die Firmennamen gerne geben kann, damit er nicht den Eindruck hat, das wäre hier nur so dahergesagt. Es gibt ein Unternehmen in Ostthüringen, das hat 250 Beschäftige und 270 Leiharbeiter, also eine Leiharbeitsquote von über 100 Prozent. Das ist nicht akzeptabel.
Die Firma heißt Polytec Interior, sitzt in Ebersdorf und die sind Automobilzulieferer; ein zweites Unternehmen Voestalpine Gutbrod in Schmölln 240 Beschäftigte, 260 Leiharbeiter; ein drittes Unternehmen in Neustadt Docter Optics etwas über 200 Beschäftigte, Leiharbeitsquote derzeit 33 Prozent. Das ist der klassische Fall. Die wollen nämlich erweitern, wollen investieren.
Ich kann Ihnen noch ein paar mehr sagen, wenn Sie wollen. Sie bekommen von mir auch gerne eine Liste, aber meine fünf Minuten reichen nicht aus, um die ganze Liste herunterzubeten. Insofern ist Docter Optics ein klassischer Fall. Die wollen erweitern und die überlegen nämlich, auf der Grundlage der jetzt erlassenen GRW-Richtlinie genau in diesem Sinne tätig zu werden. Das heißt, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeiter abzubauen, umzuwandeln in fest angestellte Beschäftigte und damit die Leiharbeitsquote zu senken. Wenn dieser Effekt eintritt, dann sage ich Ihnen, hat sich genau diese Richtlinie in der Praxis bewährt, weil das, was wir in Thüringen brauchen, dann genau umgesetzt worden ist, nämlich Leiharbeit konkret in den einzelnen Unternehmen abzubauen und am Ende des Tages dafür zur sorgen, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Was die Zusammenarbeit mit den Kammern und Verbänden der Wirtschaft betrifft, kann ich nur sagen: Nach meiner Wahrnehmung gab es niemals in den letzten Jahren eine so breite Beteiligung und Diskussion der Kammern, der Wirtschaftsverbände des VWTs. Nur wenn die Damen und Herren teilweise zumindest in den Gremien sind und sich an den Diskussionen nicht oder nicht ausreichend beteiligen,
dann, glaube ich, dürfen sie auch nicht davon ausgehen, dass die Dinge, die sie dazu anregen, nicht aufgegriffen werden. Ich war selber in der einen oder anderen Diskussionsrunde dabei und wenn der VWT einen Anspruch erhebt, dass er gehört werden will, dann muss er sich zu den Dingen auch äußern. Wenn er das nicht tut, sondern nur über die Presse tut, aber nicht in den Gremien, dann kann es auch nicht in die Politik einfließen. Insofern ist das, was hier gemacht wird, schlicht und einfach eine gute, richtige und überfällige Politik, weil es ordnungspolitische Umsteuerung im Interesse der Steuerzahler und im Interesse der Zukunft dieses Landes bedeutet. Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Minister Herr Machnig, wenn ich mich vorhin bei Ihrem Wortbeitrag noch gefreut habe und ganz bei Ihnen war, kann ich das jetzt an der Stelle nicht sein zu diesem Thema, zu dem wir jetzt sprechen. Zunächst die Bemerkung, dass es mich nicht verwundert hat, dass die FDP dieses Thema „Zusammenarbeit der Landesregierung mit den Akteuren der Wirtschaft“ in dieser Aktuellen Stunde aufruft und sie hat damit eben lediglich, Herr Adams, eine Debatte aufgegriffen, die draußen im Land läuft,
und so viel Verständnis dürften auch Sie entwickeln. Ich glaube auch, dass der Minister Machnig zu klug ist, um nicht gewusst zu haben, welche Reaktion seine Vorstellung, wie Investitionszuschüsse in Zukunft aussehen sollten, gestaltet werden sollen, auch hervorruft. Für meine Fraktion will ich sagen, dass wir die Art, wie mit diesem Thema umgegangen worden ist, nicht mit Beifall beklatschen. Es hätte uns gut zu Gesicht gestanden und in Zusammenarbeit wenigstens die regierungstragenden Koalitionsfraktionen in diese Diskussion, in diese Gedanken mit einzubeziehen. Das ist nicht geschehen. Warum, das erfahren wir vielleicht noch. Aber ich will auch sagen: Wir haben als CDUFraktion vollstes Verständnis für die Reaktion aus den Kammern, aus den Verbänden und aus der Thüringer Wirtschaft.
Denn als Sie Herr Machnig noch nicht hier waren, hat die Thüringer Wirtschaft - und dass der Kollege von den LINKEN etwas anderes erzählt, ist ja
selbstredend - auch deshalb einen sehr guten Weg zurückgelegt, weil eben die Kammern und die Verbände und die Akteure immer im Austausch waren
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die erneuerbaren Energien raus- zuhalten, das war doch auch die Politik von Minister Reinholz.)
zu den Notwendigkeiten in den Förderprogrammen. Da ist auch nicht jeder Traum wahr geworden, der in den Kammern und Verbänden geträumt wurde, aber die Richtung hat gestimmt.