Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

Die Beratung in dem mitberatenden Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags fand nicht statt.

Mit Datum vom 13.04.2011 legte die Fraktion DIE LINKE mit der Drucksache 5/2557 einen Entschließungsantrag vor. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, eine Initiative im Bundesrat zu ergreifen, um einen sofortigen und unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomenergie zu gewährleisten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die ich mir durchaus noch etwas besser vorstellten könnte, die Aufmerksamkeit. Es ist ein ziemlicher Geräuschpegel im Raum. Ich weiß gar nicht so richtig, wen ich einzeln ansprechen sollte. Ich bitte also um die nötige Aufmerksamkeit bei der Beratung des Tagesordnungspunkts 9.

Ich rufe als Ersten auf für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Worm.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben bereits mehrfach in letzter Zeit zu dem hier aufgerufenen Thema gesprochen, und dies unter völlig verschiedenen Vorzeichen. Die Katastrophe in Japan und ihr bis heute andauernder Verlauf sowie die bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbaren Folgen für die Menschen vor Ort, auch für uns hier in Europa haben zu einem völlig veränderten Bild und zu einer veränderten Handlungsstrategie bei diesem Thema geführt. Der vorliegende Antrag - und ich meine hier die Drucksache 5/1414 - ist durch die Wirklichkeit der Geschehnisse, die Beschlusslage und die Handlungsstrategie der Bundesregierung und nicht zuletzt durch den gemeinsamen Antrag der Fraktionen CDU, SPD, FDP und LINKE ein Stück weit überholt. Über den Atomausstieg in Deutschland gab es im Parlament weitgehende Einigkeit in unserer letzten Sitzung. Es wurden und werden klare Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe in Japan für die Energiepolitik gezogen. Die Frage, ob Kernenergie in Deutschland eine Zukunft hat, ist auch klar beantwortet, nämlich mit Nein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jetzt geht es lediglich um einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Kernenergie und entsprechend auch Tempo beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir auch immer gesagt haben, Kernenergie ist eine Brückentechnologie, die irgendwann ihre Endlichkeit erreicht hat. Wenn man dies realisieren will, dann darf man sich aber auch - und diesen Seitenhieb muss ich auch noch loswerden - vor den notwendigen Investitionen nicht verstecken. Wir wissen, es sind Hochspannungsleitungen notwendig,

es braucht Speicherkapazität, es braucht neue Anlagen zur Energiegewinnung. Auf das Thema 380 kV will ich an dieser Stelle gar nicht noch einmal eingehen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum scheuen Sie das Thema?)

Vor allem aber muss dieser Umstieg abgestimmt mit den Nachbarländern erfolgen. Alleingänge helfen uns hier in keinster Weise weiter; der Ausstieg muss Zug für Zug erfolgen. Die Energie muss vor allem für den Bürger bezahlbar bleiben und darf sich auch für die Wirtschaft, für den Thüringer Mittelstand nicht zur Wachstumsbremse entwickeln. In unserem gemeinsamen Antrag - ich meine hier dieses 10-Punkte-Programm der Landesregierung, dem u.a. die Abgeordneten der GRÜNEN ihre Zustimmung nicht geben konnten - haben wir eindeutig zur Atomenergie Stellung bezogen,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie nicht.)

die entsprechend baldmöglichst durch alternative Energien abgelöst werden muss. Zum Entschließungsantrag in der Drucksache 5/2557 möchte ich nur Folgendes vermerken: Der ist natürlich reichlich kurzfristig eingegangen und wir hatten in der Fraktion auch noch keine Möglichkeit, uns inhaltlich überhaupt tiefgründig damit auseinanderzusetzen.

Ich will nur auf ein paar Punkte, die mir auf den ersten Blick aufgefallen sind, dieses Antrags eingehen.

Punkt 1: „Rechtsverbindlicher Pakt“, ob Pakt so die richtige Beschreibung ist, und „unumkehrbar“, ich weiß nicht, ob in der Demokratie etwas unumkehrbar ist, das sind Dinge, die man noch mal diskutieren und hinterfragen muss.

Punkt 2: „Radikaler Wechsel“, ich bin da weniger der radikale Typ, ich bin eher der vermittelnde. Vielleicht kann man da auch etwas anderes finden. Außerdem ist das Ganze, was den Wechsel der Energiepolitik betrifft, schon beschlossene Sache.

Auch bei Punkt 3 zum schnellstmöglichsten Abschalten: Wir haben das Moratorium. Hier sind klare Regeln gesetzt.

Wenn - Punkt 4 - die sieben ältesten Reaktoren sofort abgeschaltet werden, auch das ist zum Teil geschehen.

Also vieles, was sich überholt hat, vieles, was man noch einmal diskutieren muss, und ich würde jetzt an dieser Stelle ganz einfach dafür plädieren, den gesamten Vorgang, sowohl die Drucksache 5/1414 als auch 5/2557 in Form des Entschließungsantrags nochmals an den Wirtschaftsausschuss zur Diskussion zurückzuüberweisen bzw. zu überweisen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Weber das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Zuschauer auf der Zuschauertribüne, liebe Kolleginnen und Kollegen der Partei DIE LINKE, die Tatsache, dass Sie am 13.04., also gestern, einen Antrag in aller Kurzfristigkeit hier ins Plenum stellen, in der Hoffnung, dass die Koalition nicht in der Lage ist, sich in der Abstimmung entsprechend zu verhalten, macht Sie nicht zu besseren Menschen, sondern eher im Gegenteil.

(Beifall CDU, SPD)

Ich glaube, es ist sehr offensichtlich, was Sie versuchen, aber es wird Ihnen nicht gelingen. Sie haben es an den Äußerungen meines Kollegen Worm von der CDU-Fraktion schon gehört. Auch wir werden am Schluss meiner kurzen Ausführungen eine Rücküberweisung des Antrags beantragen und verbunden damit auch eine Überweisung des Entschließungsantrags hier im Hause auf den Weg zu bringen, so dass wir weiterhin beraten können, weil Sie in der Tat mit diesem Antrag Positionen definieren, von denen Sie wissen, dass zumindest ein Teil der Koalitionsfraktionen diese Positionen fast voll umfänglich mittragen kann.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Aus was besteht Politik?)

Vor diesem Hintergrund ist es dann auch sinnvoll, diese Dinge zu diskutieren und auf den Weg zu bringen, aber Sie tun damit auch wieder mal so, als wäre es nicht schon längst Konsens in diesem Hause innerhalb der Parteien, denn wir haben im letzten Plenum ein parteiübergreifendes Papier beschlossen, Sie haben mitgestimmt und Sie haben mit daran gearbeitet

(Unruhe DIE LINKE)

und Sie waren der Meinung, dass das parteiübergreifende Papier diese Positionen vollumfänglich abdeckt,

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Und dass wir Einzelpositionen haben!)

sonst hätten Sie ja da nicht mitmachen müssen, sondern zu dem Zeitpunkt schon Ihren eigenen Antrag auf den Weg bringen können. Das wäre transparent und das wäre ehrlich gewesen. Das haben Sie nicht getan, von daher versuchen Sie nur eine strategische Frage; es wird Ihnen aber nicht gelingen.

(Unruhe DIE LINKE)

(Abg. Worm)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Blechschmidt. Bitte, Herr Blechschmidt.

Danke, Frau Präsidentin. Lieber Kollege Weber, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass bei der Verabschiedung des gemeinsamen Entschließungsantrags zur Frage der Atompolitik wir immer deutlich gemacht haben, das haben alle Fraktionen übergreifend deutlich gemacht, dass wir trotzdem noch eigenständige Positionen haben werden, die wir hier mit diesem Antrag heute in den parlamentarischen Gang geben? Haben Sie das zur Kenntnis genommen?

(Beifall DIE LINKE)

Das habe ich natürlich zur Kenntnis genommen, nur haben Sie bei Ihrer eigenständigen Position einiges von der SPD abgeschrieben, das ist ja offensichtlich. Vor dem Hintergrund sei mir da schon eine Kritik erlaubt.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Dann müssen Sie auch demnächst nach dem Koalitionsvertrag arbeiten.)

Ich werde darauf jetzt nicht weiter eingehen. Ich habe das schon einmal gesagt, der Beitrag Ihrer Partei zum Atomausstieg ist historisch überschaubar.

Jetzt noch einmal zurück zum Thema. Die SPD-Position an dieser Stelle ist klar und deutlich, und zwar Ausstieg so schnell wie möglich. Wir sind sehr froh darüber, dass es in diesem Haus einen Konsens innerhalb der Koalitionsfraktionen gibt. Ich zitiere die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin in den Worten: „Die Frage, ob Atomenergie eine Zukunft hat, ist beantwortet und die Antwort lautet: Nein.“ Deutlicher kann man es nicht sagen und deutlicher kann man nicht machen, was die Position dieser Koalition ist.

(Beifall SPD)

Ich kann Ihnen sagen, ich habe in den letzten Wochen sehr viel erlebt, was mich sehr gefreut hat. Diejenigen, die nämlich vor zwei Monaten noch gesagt haben, es wären die sichersten Kraftwerke der Welt, sagen heute, es ist völlig klar, dass wir aussteigen müssen aus dieser Technologie, weil sie mit Risiken behaftet ist. Das freut mich und ich wäre auch froh darüber, wenn Sie es anerkennen würden. An dieser Stelle beantrage ich die Rücküberweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Technologie nebst dem Entschließungsantrag, der ebenfalls überwiesen werden soll. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kemmerich das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne, der Antrag, den wir im letzten Herbst schon einmal beraten haben in diesem Hause, hat durch die Ereignisse der letzten Wochen einen anderen Inhalt bekommen. Auch dem wollen wir uns nicht verschließen. Aber ich nehme auch gern die Worte von Herrn Blechschmidt auf, der sagt, natürlich ist jedem unbelassen, eine eigene Position zu vertreten. Bevor ich jetzt alles wiederhole, was Richtiges und Wichtiges gesagt worden ist, müssen wir natürlich auf das hinweisen, was hier ungesagt bleibt. Ungesagt bleibt, dass ein Alleingang Deutschlands, eine Insellösung in Deutschland wahrscheinlich wenig Sinn machen wird.

(Beifall FDP)

Die Folgen der weltweit betriebenen Kernenergie über 460 Meiler stehen weltweit, und es sind weitaus mehr Meiler noch in Planung als heute in der Abschaltung begriffen - diese 460 Meiler müssen wir einfach als gegeben akzeptieren. Da müssen wir als deutsche Nation und auch als Thüringer Beitrag eine maßvolle und sinnvolle Lösung haben. Das war übrigens auch Inhalt der gemeinsamen Erklärung dieses Parlaments, dass hier ein geordneter und sicherlich sich an dem Machbaren orientierter Ausstieg aus der Kernenergie vorzunehmen ist.

(Beifall FDP)

Sie fordern, meine Damen und Herren von der Linkspartei, einen Ausstieg bedingungslos und schnellstmöglich - bedingungslos heißt bedingungslos, schnellstmöglich schränkt es ein. Den Widerspruch müssen Sie selber auflösen.

Herr Abgeordneter Kemmerich, der Abgeordnete Weber möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Bitte, Herr Weber.