Protokoll der Sitzung vom 16.06.2011

(Beifall FDP)

Wir haben diesen Gesetzentwurf ganz bewusst auch mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Wir waren beim Gemeinde- und Städtebund, wir waren beim Landkreistag. Wenn wir jetzt in dieser Debatte Änderungsbedarf sehen, Frau Dr. Lukin, da bin ich völlig offen, da gibt es sicherlich Etliches, worüber wir reden können. Wir haben auch nicht den Anspruch, in jedem Fall immer die beste Formulierung zu haben. Dafür, meine Damen und Herren, sind genau Ausschüsse da. Deswegen beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Innenausschuss und an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, denn in beide Ausschüsse gehört es. Ich beantrage, weil in aller Regel die Umstufung auch die Kommunen betrift, die Federführung des Innenausschusses.

Wir wollen, das will ich an dieser Stelle auch noch einmal ganz deutlich sagen, ausdrücklich nicht das Umstufen verhindern, wenn es rechtlich gebotene Gründe dafür gibt. Wir wollen aber natürlich auch nicht, dass umgestuft wird auf Teufel komm raus, um zulasten der Kommunen den Landeshaushalt zu sanieren, das kann nicht die Aufgabe sein.

(Beifall FDP)

Ich denke, wir sollten hier nicht bloß versuchen, uns gegenseitig abzubügeln, sondern wir sollten zu einem vernünftigen Ergebnis kommen, das im Interesse von Land und Kommunen auf Augenhöhe ist. Deswegen werbe ich noch einmal sehr dafür, meine Damen und Herren, bitte stimmen Sie der Überweisung an die Ausschüsse zu. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Es hat jetzt das Wort der Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bergner, Sie haben in Ihrem Redebeitrag eines unter Beweis gestellt, Sie kennen sich offensichtlich besser bei Kinderbüchern aus als bei Rechtsvereinfachung,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Aber bes- ser auf Straßen als andere.)

denn mit Rechtsvereinfachung hat Ihr Gesetz überhaupt nichts zu tun - erstens. Zweitens kann ich Ihnen versichern, mit der Sanierung des Landeshaushalts sind wir noch so weit davon weg, selbst wenn es gelänge, die 600 km umzustufen. Also die Gefahr müssen Sie gar nicht an die Wand malen, die steht so nicht im Raum.

Meine sehr verehrten Damen und Herren: „Tut man nichts Gutes, dann widerfährt einem auch nichts Böses.“ Ich will das ganz deutlich sagen, damit hier die Märchen nicht weiter fortgeschrieben werden. Wenn Sie sich abgesehen von der Verkehrsbedeutung mal anschauen, wie die Netze der Straßen in Deutschland in den Ländern verteilt sind, stellen Sie für Thüringen fest, wir haben rund 9.825 km Straßen überörtlichen Verkehrs, davon sind 500 km Bundesautobahn, 1.600 km Bundesstraßen, 4.700 km Landesstraßen und 3.000 km Kreisstraßen. Das heißt für Thüringen, wir haben 47,6 Prozent Landesstraßen, 30 Prozent Kreisstraßen. Jetzt schauen wir nach Bayern: 33 Prozent Staatsstraßen, 44,9 Prozent Kreisstraßen. Wir schauen nach Sachsen: 35,2 Prozent Staatsstraßen, 43 Prozent Kreisstraßen. Im Bundesdurchschnitt werden Sie feststellen, bei den Staats- oder Landesstraßen im Durchschnitt 37,5 Prozent, wir 47,6 Prozent und 39,7 Prozent Kreisstraßen. Das heißt, eines ist doch völlig klar, dass das, was wir an Landesstraßennetz haben, im Grunde nicht der Verkehrsbedeutung von Landesstraßen gerecht wird. Ich denke, das steht auch nicht im Zweifel bei der FDPFraktion.

(Abg. Bergner)

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen, natürlich haben Sie recht, wir müssen die Straßen in der Tiefe auch ausbauen. Aber es macht schon einen Unterschied, wenn ich eine Bundesstraße habe, da brauche ich mindestens 8 m Breite, bei einer Landesstraße zwischen 6 und 8 m Breite und bei Kommunalstraßen - stimmt nicht überall, stimme ich Ihnen auch zu - mindestens 5,5 m Breite. Das heißt, es macht sowohl in der Unterhaltung als auch in der Haltung schon einen Unterschied. Ich habe natürlich Durchschnittsmaße genommen, aber es ist eben so. Das müssen Sie erst einmal zur Kenntnis nehmen. Das heißt, man muss sich schon Gedanken machen, was wir mit unserem Straßennetz eigentlich anfangen wollen. Es ist völlig unstreitig, wir haben in den vergangenen 20 Jahren sehr viel an Leistungsfähigkeitssteigerungen in unserem Straßennetz gehabt sowohl beim Bund, vor allen Dingen bei den Bundesstraßen, als auch bei den wirklich wichtigen Landesstraßen. Aber wir haben natürlich wirklich erhebliche Probleme, wenn wir ein so großes Straßennetz, wie wir es jetzt haben, mit 4.600 km als Land so unterhalten wollen. Wenn wir das so unterhalten wollen, müssen wir uns die Frage stellen, finden die Verkehre da überhaupt so statt. Der Bund verhandelt gegenwärtig natürlich mit uns, Herr Barth, ob wir nicht ein paar Bundesstraßen übernehmen wollen, denn wenn eine Autobahn irgendwo lang gebaut wird, ergibt parallel die Bundesstraße nicht immer so viel Sinn, hat die Verkehrsbedeutung schon nicht mehr. Also müssen wir uns dieser Frage natürlich auch nähern. Das heißt auch, wir müssen uns die Frage stellen, wie können wir mit den Straßen, die wir seit 20 Jahren durchschleifen, die eigentlich eher Kommunalstraßen sind, und wir haben da auch Landesstraßen dabei, umgehen. Insofern, Herr Bergner, gebe ich Ihnen da nicht recht. Wir müssen nicht alles ausbauen, auch nichts von dem, was wir da abstufen wollen. Da sind viele Feldwege dabei, die haben auch keine Bedeutung, weder als Ortsverbindungsstraße noch sonst wie. Die sollten wir gefälligst auch lassen und da finden wir durchaus auch Lösungen. Insofern muss ich auch das zurückweisen, was Sie von uns behauptet haben. Wir haben in der Vergangenheit nie nach Gutsherrenart agiert, sondern wir haben immer versucht, ein Einvernehmen vor Ort zu erzielen.

(Beifall CDU)

Herr Minister, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage. Lassen Sie die zu?

Ich führe den Satz zu Ende und dann kann ich gern die Zwischenfrage beantworten.

Dort, wo das nicht gelungen ist, sind wir vor Gericht gegangen, haben am Ende immer obsiegt. Das heißt, das war nicht nur eine Frage des …

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Kein Wun- der bei dem Gesetz.)

Ach, was heißt kein Wunder bei dem Gesetz. Wir haben uns gesetzeskonform verhalten. Es gab keine Fraktion - ihre Fraktion hat damals, glaube ich, dieses Gesetz mit auf den Weg gebracht -, die je einen Zweifel daran hatte, dass dieses Gesetz einen vernünftigen Grund hat und vernünftig funktioniert. Vielen Dank.

Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Minister, weil Sie das mit der Bundesstraße parallel zur Autobahn eben ansprachen. Wenn wir uns mal theoretisch in diesen Fall versetzen, würden Sie denn nicht auch erwarten, dass der Bund Ihnen diese Bundesstraße, die dann vielleicht zur Landesstraße abgestuft werden soll, in einem Zustand übergibt, in dem sie ihrer Funktion als Landesstraße auch gerecht werden kann - Punkt 1? Und würden Sie nicht - Punkt 2 -, wenn das möglicherweise eine Bundesstraße ist, von der wir dann vielleicht wissen, dass der Bund seit 15 Jahren dort nichts mehr in die Sanierung investiert hat, die nicht einfach unwidersprochen hinnehmen, sondern sagen, ich möchte schon, dass die in einen Zustand gebracht wird, dass ich die als Land nicht als Erstes wieder ertüchtigen und in den Zustand versetzen muss, damit sie überhaupt als Landesstraße funktionieren kann.

Sehr geehrter Kollege Barth, Sie beschreiben ein Phänomen, das wir mit unserem Vorgehen hier überhaupt nicht hervorrufen. Selbstverständlich wollen wir eine gut unterhaltene Straße übernehmen und selbstverständlich übergeben wir auch nur gut unterhaltene Straßen. Dort, wo wir das nicht tun, sage ich Ihnen auch ganz klar, warum wir es nicht tun, weil ich natürlich überhaupt nicht einsehe, dass ich eine Straße auf ein Landesstraßenniveau zunächst saniere, um sie dann zu einer Kommunalstraße zu machen.

(Beifall CDU)

Das sage ich Ihnen nicht nur, weil sich der Rechnungshof irgendwann beschweren wird, sondern auch deswegen, weil es gar keinen Sinn ergibt. Wir haben Verkehrsverlagerungen. Im letzten Jahr haben wir von 38 Mio. € für 2010 fast die Hälfte für die Sanierung von Kommunalstraßen ausgegeben, da

(Minister Carius)

mit wir im Einvernehmen eine komplett neu erhaltene Straße an die jeweilige Kommune übergeben konnten. Das ist natürlich zur Freude der kommunalen Baulastträger. Aber, meine Damen und Herren, es kann doch nicht richtig sein, dass wir zeitgleich unser Landesnetz nebenan verrotten lassen. Deswegen ist mein Weg, wir geben die Straße hinunter. Es ist nicht so, dass wir Ingenieurbauwerke, Ortsdurchfahrten etc. nicht in einem guten Erhaltungszustand hinuntergeben, sondern da sagen wir, Ortsdurchfahrten, Ingenieurbauwerke, Brücken machen wir noch auf unsere Kosten. Für den Rest der freien Strecke ist es vor allen Dingen das Interesse des jeweiligen Baulastträgers, des neuen Baulastträgers, zu sagen, wir wollen hier investieren. Dann bieten wir eine 90-prozentige Förderung an. Ich finde, das ist nur recht und billig, denn wir haben hier als Freistaat 20 Jahre lang Straßen durchgebracht, die diese Verkehrsbedeutung überhaupt nicht haben.

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir vielleicht noch einige Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf, den die Fraktion der FDP vorgelegt hat. In Ziffer 1 ist die Aufnahme einer Regelung beabsichtigt, wonach im Falle einer Widmung das Einvernehmen mit der Gemeinde herzustellen ist. Sinn und Zweck der Regelung erschließt sich mir schon deswegen nicht ganz, weil die Gemeinden gemäß § 43 Straßengesetz selbst Baulastträger sind, also mit sich selbst das Einvernehmen herstellen müssten. Das wäre sicherlich eine spannende Herausforderung für viele Gemeinden.

Herr Minister, es gibt wieder den Wunsch auf eine Zwischenfrage.

Lassen Sie mich den Gedanken kurz zu Ende führen, dann antworte ich gern.

Später, Herr Abgeordneter.

Sollte die Regelung für den Fall gelten, dass eine andere als eine Gebietskörperschaft Baulastträger werden soll, sieht das derzeit geltende Gesetz bereits das Einvernehmen mit der Gemeinde vor. Ich vermag deshalb in dem Vorschlag keine Klarstellung, geschweige denn bessere Verständlichkeit zu erkennen.

Jetzt freue ich mich auf die Anfrage von Herrn Kollegen Kuschel.

Bitte, Herr Abgeordneter Kuschel.

Danke, Frau Präsidentin, danke, Herr Minister. Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn bei der Ermittlung des angemessenen Finanzbedarfs der Kommunen der Unterhaltungsaufwand für die gemeindlichen Verkehrsanlagen berücksichtigt wurde, sich dann manche dieser Fragen in dieser Schärfe nicht stellen würden? Anders formuliert, wo berücksichtigt die Landesregierung den Unterhaltungsaufwand für kommunale Straßen bei der Ermittlung des angemessenen Finanzbedarfs?

Die Landesregierung berücksichtigt das genau im KFA. Dazu ist sogar im Finanzausgleichsgesetz eine entsprechende Regelung mit Begründung vorgesehen. Für die abgestuften Straßen des vergangenen Jahres gibt es da einen Aufstockungsbetrag. Insofern sehe ich das, was Sie gesagt haben, die Frage und die Schärfe, wie sie hier vonseiten der FDP eingebracht wird, stellt sich im Grunde gar nicht so, weil wir im Finanzausgleichsgesetz für die Unterhaltung der Straßen den Kommunen auch mehr Geld zur Verfügung stellen. Ich sage aber auch, das ist natürlich ein Durchschnittsbetrag, der kann nicht so hoch und schon gar nicht höher sein als der, den das Land für die Erhaltung einer Landesstraße aufwenden muss.

Regelungsvorschlag Ziffer 2: Hier ist ein in sich sehr bunter Mix, der wenig konsistent ist. Hier werden Teile des bayerischen Straßen- und Wegegesetzes mit den bisherigen Thüringer Regelungen vermischt, wobei die Forderung nach Herstellung des Einvernehmens mit dem zukünftigen Baulastträger bei allen Umstufungen gefordert wird, nicht nur wie im Freistaat Bayern bei Umstufungen zwischen Kreis- und Gemeindestraßen. Hinzukommen soll eine Zustimmungsfiktion der jeweiligen Straßenaufsichtsbehörde, wenn diese nicht innerhalb eines Monats Bedenken gegen die im gegenseitigen Einvernehmen beschlossene Umstufung erhebt. Die in Thüringen bestehende Regelung ist meines Erachtens deutlich praxisnäher, auch erprobt, zumal wir auch eine breite Beteiligung sichergestellt haben.

Ziffer 3 offenbart den haushaltspolitischen Nonsens der vorgeschlagenen Regelung. Ziffer 3 sieht vor, dass eine Straße in dem der bisherigen Straßenklasse entsprechenden Umfang unterhalten sein und dem Stand der Technik für diese genügen

(Minister Carius)

muss, insbesondere hinsichtlich der Tragfähigkeit, andernfalls solle der neue Baulastträger Anspruch auf einen grundhaften Ausbau haben oder auf einen entsprechenden finanziellen Ausgleich bestehen können. Das würde bedeuten, meine Damen und Herren, dass eine ehemalige Landesstraße zweiter Ordnung, auf der schon immer eigentlich nur gemeindlicher Verkehr stattfand und die daher auch mit verminderter Tragfähigkeit und geringerem Querschnitt gebaut worden ist, vor der Umstufung zur Gemeindestraße auf einen Landesstraßenstandard gebracht werden müsste. Die Straße müsste gegebenenfalls sogar verbreitert und für höhere Traglasten ausgebaut werden, wenn ich den Gesetzentwurf da richtig verstanden habe.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Nein.)

Alternativ dazu soll die Gemeinde einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich der hierfür fiktiv anfallenden Kosten haben, ohne dass sie verpflichtet wäre, an dieser Straße irgendetwas zu verändern. Beides würde auf eine groteske Fehlsteuerung öffentlicher Mittel hinauslaufen. Lassen Sie es mich noch etwas deutlicher sagen:

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie haben es auf einen hypothetischen Fall abgesehen, was nicht gewollt ist.)

Das Land würde Straßen, die wegen ihrer fehlenden Verkehrsbedeutung keine Landesstraßen mehr sein dürfen, auf das bauliche Niveau von Landesstraßen bringen, um sie sodann entsprechend ihrer untergeordneten Verkehrsbedeutung zu Kreis- oder Gemeindestraßen abzustufen bzw. der Gemeinde das Recht zu übertragen, diese Straße womöglich auch noch einzuziehen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Nein.)

Auf die Stellungnahme des Rechnungshofs, meine Damen und Herren, auf Ihren Vorschlag bin ich tatsächlich sehr gespannt, das gibt wirklich eine ganze Menge Spaß.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das wird im Rechnungshofbericht nicht auftauchen, weil …)

Ich glaube auch nicht, dass die kommunalen Körperschaften auf so einen Entwurf wirklich bestehen würden.

Meine Damen und Herren, ich halte die Regelung, so wie sie hier vorgeschlagen ist, nicht für zweckmäßig, sie dient weder dem Landesinteresse noch dem Gemeindeinteresse, sie dient vor allen Dingen einem: Prozesse, die in Thüringen einfach laufen, die in dem allergrößten Teil der Fälle immer auch einvernehmlich gelaufen sind, zu verkomplizieren, sie deutlich zu verlängern und dann auch noch dazu, dass wir deutlich mehr Geld aufwenden müssen für Straßen, die eigentlich keiner benutzen möchte. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Minister. Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet der Abgeordnete Bergner.