Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Danke, Frau Ministerin. Aufgrund der mir vorliegenden Rednerliste gehe ich davon aus, dass alle Fraktionen eine Beratung zum Sofortbericht wünschen. Das ist der Fall. Ich rufe Abgeordnete Astrid RotheBeinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Ministerin Heike Taubert, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihren Sofortbericht, den Sie eben hier gehalten haben, insbesondere deshalb, weil Sie auch sehr deutlich Position bezogen haben. Sie haben sich stark gemacht für die legale Einführung der anonymen Geburt und Sie haben auch deutlich gemacht, dass es Ihr Ziel ist, Ihr Wunsch ist, auf diesem Gebiet Rechtssicherheit zu schaffen, die nach wie vor nicht gegeben ist.

(Beifall im Hause)

Wir alle wissen, dass es eine ganz schwierige Situation ist. Sie haben es beschrieben. Auch wir gehen davon aus, dass Frauen sich in einer äußersten Notlage befinden, wenn sie sich entscheiden, ihr Kind entweder anonym zur Welt zu bringen, und dafür eine Klinik nutzen, wo ihnen auch die erforderliche Betreuung zugute kommt, oder aber ihr Kind in einer sogenannten Babyklappe abzulegen.

Wir haben diesen Punkt heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil sich der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme vom 26. November für eine Abschaffung von Babyklappen und Angeboten zur anonymen Geburt ausgesprochen hat und weil es uns sehr wichtig war, dass sich auch in Thüringen zu dieser Frage positioniert wird, um Frauen, um Betroffenen zu signalisieren, wie sich das Land in dieser schwierigen Frage verhält, wie sich das Land in dieser Frage aufstellt und ob und wie Gelegenheiten für Frauen in solchen Notsituationen geschaffen werden, ob sie die Chance haben, wenn sie sich entscheiden, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen, dies gegebenenfalls sogar in einem Krankenhaus zu tun, wo sie nicht Gefahr laufen, unter ganz schwierigen Bedingungen das Kind zur Welt zu bringen, wo es im Zweifelsfall keine medizinische Versorgung gibt. Insofern bin ich Ihnen tatsächlich und nochmals ausdrücklich dankbar für Ihre eindeutige Positionierung in dieser Frage, auch und gerade in dem Wissen, wie schwer es für Kinder, für Erwachsene ist, die nicht wissen, woher sie kommen, wer ihre Eltern sind, wie sie zur Welt gekommen sind. In der Abwägung genau dieser Schwierigkeit des Nichtwissens, des Rechts des Kindes, zu wissen, woher man stammt, und des Rechts auf Leben, kommen auch wir zu dem Schluss, dass es Babyklappen - so schlimm, wie dieser Begriff klingt - und anonyme Geburten und die Möglichkeit dazu auch und gerade in Thüringen geben muss, weil jedes Kinderleben, was dadurch gerettet wird, und auch jedes Leben einer Mutter, das dadurch gerettet wird, weil sie auf die fachliche und qualifizierte Betreuung in einem Krankenhaus zurückgreifen kann, wichtig sind und genau diesen Einsatz bestätigen und lohnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um dazu eine Initiative zu beraten und zu beraten, wie Rechtssicherheit auch auf Bundesebene geschaffen werden kann, ob es dazu gegebenenfalls eine Bundesratsinitiative vonseiten der Landesregierung - ich habe eben so verstanden, dass Sie daran auch ein großes Interesse haben - geben kann und wie dies aussehen kann, beantragen wir die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und an den Gleichstellungsausschuss zur weiteren Beratung. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat Abgeordnete Pelke von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich zunächst ebenfalls wie meine Vorrednerin, Frau Rothe-Beinlich, für den Bericht der Ministerin bedanken, der noch mal klar und deutlich macht, in welche Richtung Thüringen bislang gegangen ist und in welche Richtung wir auch zukünftig gehen wollen. Aber genauso viel Dank möchte ich auch an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen, die diesen Aspekt noch einmal zum Thema gemacht haben, nachdem sich der Ethikrat geäußert hatte, so dass wir hier noch einmal Gelegenheit haben, da wir ja - wenn ich das mal mit Fug und Recht sagen darf - auch ein Stückchen Vorreiter gewesen sind in der Frage Babyklappe und anonyme Geburt und wir uns hier an dieser Stelle auch noch mal positionieren können. Es stand in der Zeitung, der Ethikrat spricht sich gegen Babyklappen aus, ethisch und rechtlich sehr problematisch. Der Deutsche Ethikrat hat die Politik aufgefordert, Babyklappen und andere Angebote zur anonymen Geburt aufzugeben. Natürlich ist es wie in anderen Fällen, wo wir uns manchmal über die Berichterstattung von politischen Diskussionen wundern, nicht so sehr in der Öffentlichkeit gewesen, dass sich sechs Mitglieder dieses Ethikrates zu anderen Meinungen ganz deutlich positioniert haben. Sechs weitere Mitglieder des Ethikrates halten in einem Sondervotum fest, dass sie die Empfehlung, die Angebote zur anonymen Kindesabgabe sofort oder schrittweise zu schließen, nicht mittragen können. Die Empfehlung der Bischöfin Käßmann, sie will an Babyklappen festhalten.

Das ist genau der Punkt, was Astrid Rothe-Beinlich vorhin gesagt hat, worum ging es uns, als wir uns vor vielen Jahren auch in der Enquetekommission dieses Themas angenommen haben, es ging darum, Kinder zu retten und Frauen zu helfen in einer ganz, ganz schwierigen menschlichen Situation. Wir wissen ganz genau, dass die Hilfemöglichkeiten, die wir Frauen geben können in einer solch schwierigen Situation auch ganz sensibel gehandhabt werden müssen. Sehr wohl wissen wir auch, dass natürlich ein Kind, das zur Welt kommt, auch das Recht hat, wissen zu wollen ab einem gewissen Alter, wo komme ich her und wer sind meine Eltern. Wie kann ich mein Leben gestalten im Wissen dessen, dass ich möglicherweise niemals herausfinden kann, wer denn meine Mutter und wer mein Vater gewesen ist? Aber letztendlich vor der Frage des Wissens um die eigene Herkunft steht das Recht auf Leben. Genau

das haben wir damit umsetzen wollen. Insofern bin ich sehr dankbar, dass jetzt auch vonseiten der Landesregierung sich noch mal ganz deutlich positioniert wurde, wir möchten die Babyklappen weiter aufrechterhalten. Wir wollen die Frage Legalisierung der Einführung der anonymen Geburt mit auf dem Tableau haben und versuchen, hier eine rechtliche Regelung hinzubekommen. Ich glaube, jeder, der um die Situation von Frauen in schwierigen Lebenssituationen weiß, jeder, der die Problemfälle - meistens kommen auch nur die Problemfälle in der Zeitung rüber, wo es dann um ein verstorbenes Kind geht, wo es dann auch um eine verstorbene Mutter geht, wo es um diese Situationen geht, die vorher mit niemandem besprochen werden. Eine Frau ist in dieser Situation völlig allein und sie weiß aber, dass sie, wenn es eine Babyklappe gibt, ihr Kind abgeben kann, dass das Kind wohl versorgt ist. Sie weiß, dass sie auch im Rahmen einer anonymen Geburt ihr Kind zur Welt bringen kann. Wir haben natürlich hier zwei Varianten, und das hat Frau Ministerin angesprochen, das eine ist natürlich mit einer besseren Versorgung verbunden, wenn eine Frau ins Krankenhaus geht, anonym entbindet, als das Kind allein zu entbinden und in eine Babyklappe zu geben. Aber letztendlich bin ich sehr dafür. Ich bin all denen dankbar, die damals in der Enquetekommission hier in diesem Landtag sich zu dieser Position zusammengefunden haben, dass wir nach wie vor - und im Übrigen auch in Absprache mit den Kirchen - dafür sind, die Babyklappen weiter vorzuhalten und dass die Frage der anonymen Geburt natürlich juristisch und rechtlich legalisiert werden muss, aber die Möglichkeit als solche möchte ich gern aufrechterhalten. Ich bin dankbar, dass der Thüringer Landtag und dass die Thüringer Landesregierung sich damals positioniert haben, diesen Schritt zu gehen, der sicherlich aus der Sicht der einen oder anderen strittig ist. Aber, ich glaube, wir waren uns hier auch damals in diesem Landtag alle einig über die Parteien und auch über die Konfessionen hinweg, und ich bin dankbar, dass die neue Landesregierung in diesem Sinne weiterarbeiten will. Ich denke, sie haben die Unterstützung des Parlaments. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Pelke. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Christian Gumprecht von der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ein Stück weit ausholen, denn bereits in der Bibel 1300 v. Chr. geht es um eine Kindsaussetzung, denn Moses wird von seiner

Mutter ausgesetzt. Im Buch Exodus heißt es - ich darf zitieren: „Ein Mann vom Hause Levi ging hin und nahm ein Mädchen aus dem Hause Levi zur Frau und sie ward schwanger und gebar einen Sohn. Und als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate. Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästlein aus Rohr und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils.“

Meine Damen und Herren, eine Frau setzt das Kind aus, weil sie es nicht behalten kann in einer Notsituation. Sie gab es aber weg mit dem Ziel, es zu retten und nicht um zu töten. Und Moses wurde auf wunderbare Weise gerettet, so schreibt die Bibel weiter.

Wir sprechen heute hier im Plenum über eine zutiefst erschütternde und für Außenstehende eigentlich nicht zu begreifende Situation: Eine Mutter beschließt, ihr Kind zu verlassen und abzugeben. Jeder, der Familie hat, kann sich in diese Situation kaum hineinversetzen, aber dennoch ist es so Fakt. Mit der Einrichtung der Babyklappe und auch des Babykörbchens geht es vor allem um die Chancen des Neugeborenen, zu überleben. Es geht um das Überleben, weil das Kind von Menschen in Obhut genommen werden kann in einer Situation, in der die eigene Mutter ihm keine Fürsorge geben kann oder will.

Die anonyme Kindsabgabe ist historisch gesehen nicht neu. Im 5. Jahrhundert gab es erste organisierte Einrichtungen in Kirchen. In aufgestellte Marmorschalen konnten Säuglinge hineingelegt werden. Ab dem 12. Jahrhundert gab es in Klöstern und Waisenhäusern sogenannte Drehladen, um Kinder abgeben zu können. Hier in Deutschland entstanden erst spät, nämlich 1999, erste Angebote einer anonymen Kindsabgabe. Im Jahr 2000 wurde nach dem Fund eines toten Säuglings auf dem Sortierband einer Recyclinganlage in Hamburg-Billstedt die erste Babyklappe eingerichtet. Die „Aktion Moses“ aus dem bayerischen Arnsberg folgte. Sie verfolgt die Idee, bevor Neugeborene ausgesetzt oder getötet würden, sollten Mütter in Not ihre Kinder lieber unerkannt, wie schon damals im Mittelalter, in einer Babyklappe straffrei abgeben oder einer ehrenamtlichen Helferin anonym übergeben dürfen.

In Deutschland existieren nach dem Bericht inzwischen 80 Babyklappen und etwa 130 Kliniken bieten die Möglichkeit einer anonymen Geburt an. Berichte über Kindstötungen haben stets ein Echo des Entsetzens und der Betroffenheit in der Öffentlichkeit ausgelöst. Betrachten wir nun die verschiedenen entstandenen Projekte, so wird deutlich, dass Beratung und Hilfe sowie der Versuch, die Mutter ins Gespräch einzubeziehen, immer im Zentrum aller

Bemühungen stehen. Babyklappen sind keine isolierten Einrichtungen für sich, sie sind in ein Netzwerk von Hilfsangeboten eingebunden und so lässt sich nur der Wert und seine Wirkung verstehen. Babyklappen, wir hörten es bereits, werden rechtlich geduldet und die Grundlage fehlt heute leider noch. Ich denke, die Initiative, bald rechtlich Klarheit zu schaffen, ist hier äußerst wichtig. Die öffentliche Diskussion über das Für und Wider der Babyklappen in den letzten Jahren ist immer wieder neu entbrannt. Im November hat, wie wir hörten, der Ethikrat sich zu diesem Thema geäußert und die Empfehlung abgegeben, alle 80 existierenden Babyklappen, außer den anonymen Geburten soweit dies derzeit an etwa 100 Kliniken ermöglicht werden kann, infrage zu stellen. Das zentrale Argument, wir hörten es, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern würde verletzt. Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, dass jedes Kind, das mit einer Babyklappe gerettet werden kann, alle Maßnahmen von Babyklappen rechtfertigt.

(Beifall DIE LINKE)

Babyklappen zu erhalten und gleichzeitig die Angebote an werdende Mütter, die oft verzweifelt sind, wieder heranzutragen, ist der richtige Weg. Thüringen hat diese Initiative, damals unter dem Minister für Soziales, Familie und Gesundheit, Dr. FrankMichael Pietzsch, frühzeitig eingeschlagen. Wir hörten, in Thüringen existiert ein flächendeckendes Netz an Maßnahmen.

Ich möchte hier kurz auf das Erfurter Projekt, das, denke ich, sehr beispielhaft ist, eingehen, denn hier werden gerade diese Vernetzungen deutlich, zum einen, dass das Jugendamt sehr zeitig beim Auffinden eingreifen kann und qualifizierte Fachkräfte mit den Müttern sprechen. Zum anderen gibt es die Möglichkeit der Mutter, dem Kind einen versiegelten Brief mitzugeben. Zum Dritten existiert gerade durch die Schwestern, die Ordensschwestern vom „Kleinen Hirten“ ein Beratungs- und Betreuungsangebot, das die Mütter aufnimmt, sie dort anonym wohnen können und auch intensiv beraten werden. Es gibt die Möglichkeit, wenn man Kinder in einer Babyklappe abgibt, ein Codewort mitzunehmen, so dass man sich nach einer Zeit wieder melden kann. Ich denke, das ist ein sehr breites und sinnvoll durchdachtes Angebot.

Prof. Hoyme vom Helios Klinikum hier in Erfurt sagte in einem Gespräch dazu, gerade zu dem Thema, dass sich Mütter wieder melden, wortwörtlich: „Es melden sich Frauen zurück.“ Ich denke, dies ist aus unserer Sicht, nämlich ein präventives Angebot zu machen, zu begrüßen.

Meine Damen und Herren, Babyklappen sind sinnvoll. Frau Ministerin, ich danke Ihnen für die klaren Worte und Ihre Position hierzu. Wir brauchen schnell Rechtssicherheit. Die Verantwortung für jedes tot aufgefundene Kind kann kein Mensch übernehmen. Jedes einzelne Kind, das wir mithilfe der Babyklappen retten, ist aller Anstrengung wert. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Gumprecht. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Karola Stange von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Frau Ministerin, Sie haben auch für unsere Fraktion einen sehr sachlichen und sehr ausführlichen Bericht gegeben. Dafür recht herzlichen Dank. Die Ethikkommission hat gerufen, hat geschrieben, weg mit den Babykörbchen und es ging in den letzten Wochen ein Aufschrei durch die Landschaft. Ich danke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass Sie mit dem Antrag uns die Möglichkeit geben, unsere unterschiedlichsten Auffassungen zu dieser Thematik vor dem Hohen Hause auszutauschen. Ich weiß, wenn wir in einen Antrag hineinschauen, haben wir nie über eine Begründung zu befinden, aber lassen Sie mich unsere kurze Darstellung, unsere Rede damit beginnen, dass ich einmal aus dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zitiere. Sie sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Babykörbe - und hier darf ich zitieren - „dem Schutz des neugeborenen Kindes“ dienen. Sie schreiben weiter in Ihrem Antrag, „Wenn durch das Angebot von Babyklappen und anonymer Geburt auch nur ein Kinderleben gerettet oder zukünftiger Schaden von ihm abgewendet wird, hat es sich gelohnt.“ Hier, meine lieben Abgeordneten, fängt nach unserer Auffassung die Diskussion an: Stimmt das denn, was geschrieben wird? Retten Babykörbchen tatsächlich Menschenleben? Wird zukünftig Schaden von Kindern abgewendet? Werden die Mütter, die das Leben ihrer Kinder nach der Geburt durch bewusste Tötung oder Vernachlässigung beenden, wirklich vorzeitig und richtig erreicht? Der Ethikrat ist mit den Gegnern dieses anonymen Lebensbeginns der Meinung, dass es nicht stimmt. Sie sagen, seit der Einführung der Babykörbchen ist die Zahl der Kindstötungen gleich hoch geblieben. Sie sagen aber auch, das kann gar nicht anders sein, weil genau diese Frauen nämlich nicht erreicht werden, weil genau diese Frauen, die in großer Sorge und in großer Not sind, nicht wissen, wo ein Babykörbchen zu finden ist, und in ihrer oft Hilflosigkeit keinen anderen Ausweg haben, als den letzten Schritt eventuell zu gehen, das Kind zu töten. Die Mitglieder des Ethik

rats sagen aber auch, dass genau Frauen, die nach Entbindungen in starke Depressionen verfallen sind, oder diejenigen, die kein Verantwortungsbewusstsein für das Leben ihrer Kinder haben, oft auch nicht die Kraft hätten, wenn das Kind geboren ist, es schön einzuwickeln - wie so oft hier schon berichtet -, sich in die Straßenbahn oder in das Auto zu setzen und ihr Kind in einer Babyklappe oder vor einer Kirche abzugeben. Die Mitglieder des Ethikrats sagen aber auch, wenn ein Babykörbchen keine Hilfe ist, wenn kein Kind zusätzlich gerettet werden kann, warum werden dann Kinder, ohne über ihre Herkunft etwas zu wissen, in ein weiteres Leben geschickt. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, denke ich, beginnt das Dilemma, was sich schon seit zehn Jahren in der Diskussion landauf, landab immer widerspiegelt. Retten Babykörbchen Leben oder verursachen sie lebenslange psychische Belastungen, die gar nicht notwendig sind für die Kinder? Fakt ist, trotz Babykörbchen haben wir in Thüringen in den letzten Jahren zahlreiche Kindstötungen leider erleben müssen. Gerade wir hier in Erfurt wissen davon ein sehr schlechtes Liedchen zu singen, trotz dessen, dass die Helios-Klinik eine Einrichtung hat.

Aber wir haben natürlich auch die Frage, die uns immer keiner so recht beantworten kann: Wie viel Leben haben denn die Babykörbchen wirklich gerettet? Und jedes gerettete Leben - das sage ich hier auch ganz deutlich - ist eines, was gut und richtig ist.

Das Problem also, Kolleginnen und Kollegen, was wir haben, ist die wirkliche Beweisbarkeit, dass Babykörbchen Leben retten oder dass keine Babykörbchen zur weiteren Tötung von Kindern geführt hätten. Ich denke, wir müssen in der Diskussion die Wenn und Aber gemeinsam abwägen. So bleibt immer eine gewisse Unsicherheit. In meiner Fraktion gibt es Kolleginnen, die die Abschaffung der Babykörbchen befürworten, aber es gibt auch eine ganze Menge meiner Kolleginnen und Kollegen, die sagen, wir brauchen die Babykörbchen weiterhin, damit wir das Leben der Kinder auch zukünftig retten.

Es ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits des Öfteren benannt worden, ich denke, genau das Grundrecht der Kinder auf Kenntnis über ihre Herkunft ist und darf nicht unterschätzt werden und es stellt einen sehr hohen Stellenwert in der Diskussion dar. Es ist sozusagen ein Grundrecht, was nicht nur danach gemessen wird, sind meine Haare von der Mutter vererbt worden, ist die Nase vom Vater, sondern die Kinder wollen später einmal wissen, wer waren meine Eltern, aus welchem Umfeld komme ich. Genau hier müssen und sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, die auch die Ministerin ansprach und die es bereits auch heute schon gibt, dass Kinder zu einem späteren Zeitpunkt wis

sen, wo sie herkommen und wo ihre Eltern sind.

Aber nicht nur für die Kinder ist es wichtig, sondern auch für die Mütter. Ich glaube, es gibt eine Vielzahl von Müttern, die sich nach einer anonymen Geburt oder nach der Übergabe ihres Kindes in ein Babykörbchen später die Vorwürfe gemacht und kein Zeichen hinterlassen haben, wo vielleicht später einmal ein Kind zurückkommen und sagen kann, wo finde ich die Mutter, wo finde ich das Kind. In diesem Zwiespalt lebt die Gesellschaft und, ich denke, wir sollten die Initiative, die angestoßen wird von der Landesregierung, auf Bundesebene unterstützen, damit auch weitere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit zukünftig eine Nachvollziehbarkeit wirklich verankert ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute des Öfteren über Kommunalfinanzen geredet. Wenn ich aber die Ministerin richtig verstanden habe, haben wir genau hier die Verpflichtung, in den nächsten Monaten genau darauf zu achten, dass die vielen Angebote an Beratungsstellen auch zukünftig finanziert werden. Kommunale Haushalte - und hier rede ich auch aus Erfurter Sicht - sind sehr klamm und eine Kofinanzierung der Beratungsstellen ist in den Richtlinien verankert. Ich hoffe einfach, dass auch im Jahr 2010 die Landesregierung die finanzielle Kraft hat, die Beratungsstellen und die vielen Angebote der Prävention weiterhin zu finanzieren, damit jeder und jede, die es aufgreifen will, den Weg in eine Beratungsstelle findet. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Stange. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Marian Koppe von der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe zwar immer noch so meine Probleme, was die vier Fragen in dem Antrag legitimiert, ein Antrag zu sein, nichtsdestotrotz ist für mich die Problematik wichtig genug, um dazu ein paar Worte sagen zu wollen.

Thüringen hat leider eine traurige Tradition an nach der Geburt getöteten oder infolge einer ungeeigneten Aussetzung verstorbenen Babys. Deutschlandweit werden jedes Jahr zwischen 20 und 30 Neugeborene getötet. Es wird dabei aber auch von einer noch viel höheren Dunkelziffer ausgegangen. Thüringen ist gerade in letzter Zeit wieder in den Mittelpunkt von Schlagzeilen über Kindstötungen gerückt. In Sömmerda, in Thörey sowie zuletzt in Er

furt wurden Babyleichen gefunden. Fakt ist aber für mich, keine Frau bringt ein Kind zur Welt, um es dann zu töten. Überall in Deutschland, so auch in Thüringen, gibt es Krankenhäuser, in denen schwangeren Frauen, die anonym bleiben und ihren Namen nicht nennen wollen, eine Entbindung ermöglicht wird. Fakt ist aber auch, dass sich diese Frauen und das Krankenhauspersonal damit nach deutschem Recht strafbar machen. Man darf das also nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, in der sich solche Ärzte zusammengefasst haben, erhebt meines Erachtens zu Recht an den Staat die Forderung, das medizinische Handeln der Ärzte in so einem Fall strafrechtlich nicht zu verfolgen. Denn das ist heute der Fall. Für die Babyklappe und die wirklich seltenen Fälle der anonymen Geburt gibt es bis jetzt keine rechtlichen Grundlagen. Die Babyklappe und die anonyme Geburt als Einrichtung haben nicht nur Befürworter. Gegner dieser Möglichkeiten führen an, den Kindern wird das Recht genommen, ihre tatsächliche Identität in Erfahrung zu bringen. Ebenso wird darauf verwiesen, die Zahl der Kindstötungen habe sich nicht messbar verringert. Ich glaube, solche Vergleiche sollte man tunlichst lassen. Wir sagen, wenn Frauen in extremen Notlagen die Geburt hinter sich haben und in einem geschützten Raum wie dem Krankenhaus betreut werden, sind sie auch offen für staatliche Hilfe. Statistiken belegen auch, dass die Hälfte der Schwangeren, die sich in Beratungsstellen anonym beraten ließen, ihre Anonymität nach der Geburt aufgeben und das Kind mit nach Hause nehmen. Diese Erfolge gilt es zu sehen.

(Beifall FDP)

Auch die Mütter, die statt ins Krankenhaus zu gehen, ihr Kind ohne Hilfe geboren und es in eine Babyklappe gelegt haben, haben nach kurzer Zeit ihre Anonymität aufgegeben und die Beziehung zu ihrem Kind hergestellt. Auch das ist ein Erfolg der Babyklappe.

(Beifall FDP)

Ich will hier deutlich sagen, das Recht des Kindes auf Wissen um die eigene Abstammung gehört zu den Grundrechten. Das gilt aber auch und vor allem für das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

(Beifall FDP)

Dem wiederum wird mit ärztlicher Hilfe am besten Rechnung getragen. Die positive Bilanz der Hilfsprojekte zeigt, eine Begleitung der anonymen Geburt birgt die Chance, dass die Mutter in die Lage versetzt wird, staatliche Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Damit kann man auch dem gesetzlichen

Anspruch des Kindes auf Wissen um die eigene Herkunft besser gerecht werden. Ich wiederhole vielleicht jetzt auch zum dritten Mal, aber ich sage es noch einmal für alle, denn für mich ist der Satz sehr wichtig, der letzte Satz in der Begründung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Wenn durch das Angebot von Babyklappen und anonymer Geburt auch nur ein Kinderleben gerettet oder zukünftiger Schaden von ihm abgewendet wird, hat es sich gelohnt.“ Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Koppe. Ich frage jetzt: Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt? Das ist nicht der Fall. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, oder erhebt sich Widerspruch? Das ist auch nicht der Fall.

Es wurde die Fortsetzung der Beratung zum Sofortbericht in einem entsprechenden Fachausschuss beantragt. Es ist die Beratung nur in einem Ausschuss möglich und ich frage, ob dem alle zustimmen, da ja auch alle die Aussprache zum Bericht beantragt haben. Ja. Dann beantrage ich jetzt die Fortsetzung der Beratung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Nein. Enthaltungen? Danke schön. Damit ist dieser Antrag zur Fortsetzung der Beratung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.