Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Danke, Frau Präsidentin, danke, Herr Pidde. Können Sie mir noch mal den Unterschied von der Wirkung her erklären zwischen dem jetzt gewählten Verfahren der Bewirtschaftungsreserve und der Globalen Minderausgabe?

Die jetzt gewählte Form der Bewirtschaftungsreserve, indem man die 40 Mio. €, gut 40 Mio. € aus dem Gesamthaushalt nimmt, aus den 9 Mrd. €, entspricht faktisch einer Globalen Minderausgabe.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schön, dass es mal einer sagt von der Seite.)

Es sind gut 40 Mio. € aus 9 Mrd., das macht unterm Strich nicht mal ganz 0,5 Prozent des Haushalts

(Abg. Recknagel)

aus. Alle, die sich damit ernsthaft beschäftigen, wissen, das ist kein nennenswertes Problem. Es sind Gelder in einer Größenordnung, wie sie am Jahresende oftmals sowieso übrig bleiben. Inzwischen, meine Damen und Herren, ist es so, dass viele Träger ihre Bescheide schon haben für das ganze Jahr und der vollen Summe, andere sind vorinformiert, weil ja die Herausgabe der Bescheide auch Zeit erfordert, so dass jetzt die Angst, die vorher da war, unbegründet ist.

Meine Damen und Herren, und trotzdem fordert die Fraktion DIE LINKE erneut und immer wieder diese Abschaffung der jetzigen Bewirtschaftungsreserve, Frau Keller erst gestern wieder per Pressemitteilung, ich sage, wider besseres Wissen. Sie begründen es in Ihrer Pressemitteilung mit den Steuermehreinnahmen, die im Jahr 2011 eingegangen sind. Das ist doch ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Was haben denn die Ist-Einnahmen 2011 mit den geschätzten Einnahmen für 2012 zu tun? Überhaupt nichts. Das ist unredlich, was Sie dort gemacht haben.

(Zwischenruf Abg. Keller, DIE LINKE: Na, wenn Sie es so verkürzt darstellen, dann ja.)

Ich kann mich einfach des Eindrucks nicht erwehren, es geht vor allen Dingen um den Kommunalwahlkampf. Mit Ihrem fortlaufenden Sturm gegen diesen Kompromiss halten Sie ein Thema, was eigentlich entschärft und weitgehend gelöst ist, künstlich am köcheln. Man kann ja darüber diskutieren, ob man generell keine Bewirtschaftungsreserve will, also gar keinen Notgroschen - ich halte das zumindest für fraglich. Wenn Frau Stange vorhin ausgeführt hat, sie sieht überhaupt keinen Grund dafür, dann weiß ich nicht, ob Sie schon die Zahlen von der Mai-Steuerschätzung kennen. Wenn wir die haben, dann sind wir schlauer. Sie wissen alle, die Mai-Steuerschätzung liefert schon sehr genaue Zahlen für das laufende Jahr. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich Ihre Forderung jedenfalls für falsch.

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, es gibt keine nennenswerten Probleme mehr, aber trotzdem sollte man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern ich halte es schon für geboten, mal Rückschau zu halten und aus den Fehlern zu lernen. Wir haben mit enormer Mühe und großen Anstrengungen den Haushalt 2012 beschlossen, einen Haushalt ohne neue Schulden. Das war ein hartes Ringen, gerade um die sogenannten freiwilligen Leistungen. Diese sind den Koalitionsfraktionen, aber nicht nur den Koalitionsfraktionen entsprechend wichtig. In genau diesem Bereich hat die ursprüngliche Bewirtschaftungsreserve eingeschnitten und nicht ein bisschen, sondern es war ein massiver Einschnitt und deshalb beschwerten sich die Träger zu Recht.

(Beifall SPD)

Die Träger haben sich da zu Recht beschwert über diese massiven Einschnitte gerade bei den Menschen, die die Hilfe dringend brauchen, bei Beratung für Menschen mit Behinderung, bei der Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund, bei den Frauenhäusern, der Jugendhilfe, den Verbraucherzentralen. Dort sollten 20 Prozent gekürzt werden. Jeder weiß, dass dort der Personalkostenanteil sehr hoch ist, oftmals über 80 Prozent, und wenn man dann 20 Prozent der Gelder wegnimmt, heißt das doch automatisch, dass Kündigungen ausgesprochen werden müssen. Es hätte dramatische Folgen für den Erhalt der sozialen und kulturellen Infrastruktur bedeutet und einige Projekte hätten vor dem Aus gestanden. Das, was über viele Jahre mühsam geschaffen worden ist, wäre durch die ursprüngliche Bewirtschaftungsreserve wieder kaputtgemacht worden und man hätte es nur schwer wieder aufbauen können.

Meine Damen und Herren, wenn Herr Kowalleck hier ausführt, die Bewirtschaftungsreserve ist ganz normales Handeln des Finanzministers, dann hat er theoretisch recht, aber praktisch geht es eben nicht nur um Zahlen in irgendwelchen Büchern, sondern es geht um Menschen.

(Beifall SPD)

Deshalb war es richtig, dass wir, auch meine Fraktion, die Auswirkungen dieser geplanten Maßnahme in aller Offenheit dargelegt haben, und letztendlich hat der Finanzminister weiche Knie bekommen und ist zurückgerudert. Herr Minister, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, das war absehbar. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn hier aus dem Parlament Äußerungen kamen zu Ihrem Politikverständnis. Parlament und regierungstragende Fraktionen SPD und CDU, wir haben politische Schwerpunkte gesetzt mit den Haushaltsverhandlungen, mit äußerst schwierigen Haushaltsverhandlungen, einen tragfähigen ausgewogenen Kompromiss für den Haushalt 2012 hergestellt und dann wird er durch Ihren Erlass wieder infrage gestellt nur wenige Tage später. Als ich das das erste Mal gehört habe per Telefon, dachte ich, mir will einer einen Bären aufbinden. Als es dann schwarz auf weiß zu sehen war, standen wir da mit offenem Mund und staunten und dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn hier aus den Reihen der Fraktionen, die Sie tragen, der Ausdruck „Brüskierung des Parlaments“ verwendet wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wie gesagt, das Problem der Bewirtschaftungsreserve ist mit dem Regierungskompromiss vom Tisch und deshalb sehen wir auch überhaupt keinen Grund, dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE zuzustimmen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Abgeordneter Meyer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Dr. Pidde, vielen Dank für das offene Wort, was Sie gerade gesprochen haben. Das hätte ja fast von uns aus der Opposition sein können und ich kann mir schon vorstellen, was bei Ihnen hinter verschlossenen Türen so losgegangen ist.

Vielleicht von mir auch noch einmal drei Sätze zur Genese dieses Antrags, warum der überhaupt heute gestellt wird. Man kann ja wohl davon ausgehen, wenn man Herrn Dr. Voß nicht vollständige Spontaneität unterstellen will - und das ist eine Sache, die Finanzminister ja nicht auszeichnet -, dass er selbstverständlich vor unserer Haushaltsdebatte wusste, was er tun wollte zwei Wochen später. Alles andere, wie gesagt, würde Ihre Fähigkeit zum koordinierten Denken und die Intelligenz eigentlich beleidigen.

Was Sie wollten, war, etwas zu tun, was ein Finanzminister gern macht, er wollte das Parlament beschneiden an einer Stelle und jetzt habe ich versucht, für das Thema Beschneiden mal ein Bild zu finden, man muss ja mit irgendetwas schneiden. Das war in diesem Fall noch nicht die grobe Axt, das Florett war es auch nicht, aber das Entscheidende war, Sie wollten an der falschen Stelle schneiden. Das haben Ihnen nicht nur Herr Dr. Pidde und, ich glaube, auch ich mittlerweile mehrfach zu verstehen gegeben in den ersten Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses nach dieser Entscheidung und Sie haben ja dann auch mitbekommen, dass Sie sich nicht haben durchsetzen können, weil Sie an einer Stelle geschnitten haben, wo es in der Koalition mindestens einer Fraktion und ansonsten, glaube ich, allen drei Oppositionsfraktionen richtig wehgetan hat, weil es die falsche Stelle war. Es war schlicht ein, wenn man so will, wenn ich bei meinem Bild bleiben darf, ziemlich wichtiges Organ dessen, was wir in Thüringen eigentlich unsere Politik nennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb die Frage, vielleicht berechtigt, was eigentlich die Absicht war, als Sie das getan haben. Das kann ja auch Unkenntnis dieser Tatsache gewesen sein, dass Sie an einer falschen Stelle geschnitten haben, einer Stelle, in der man nicht schneiden sollte, jedenfalls nicht auf diese Art und Weise.

Sie haben sich der Wirkung gegenüber nicht vergewissert, die diese Art von Bewirtschaftungsreserve auslösen kann oder, auch das halte ich möglicherweise für eine Idee, Sie wollten ganz bewusst in der Koalition die Kräfte messen. Das ist Ihr gutes Recht

und ich bin durchaus als Finanzpolitiker bei Ihnen, wenn ich Ihnen sage, viel Erfolg dabei weiterhin, denn Sie haben noch 1,5 Mrd. € vor sich, die sie sperren müssen oder streichen müssen und da sind 60 Mio. € nur ein ganz müder, kleiner Abklatsch. Aber - und deshalb jetzt vielleicht zum Antrag - in Wirklichkeit - und das hat Herr Dr. Pidde eben mit einer bemerkenswerten Offenheit gesagt haben wir es jetzt nicht mehr mit einer Bewirtschaftungsreserve zu tun, sondern mit einer Globalen Minderausgabe. Wenn das aber so ist, kann man feststellen, dass man, wenn man sie jetzt einfach so, ohne sie in einem Haushalt oder in einem Nachtragshaushalt zu beschließen, schlicht und ergreifend laufen lässt, sich schon an der Grenze des verfassungsmäßig Rechtmäßigen bewegt. Das wissen alle hier im Saal und keiner traut sich, darüber zu sprechen,

(Beifall DIE LINKE)

meiner Ansicht nach jedenfalls. Das ist eine Globale Minderausgabe von 40 Mio. €. Über die sachliche Frage, ob man die einbringen kann oder nicht, muss man hier gar nicht reden. Dass 40 Mio. € auch nichts weiter sind wie 0,5 Prozent und sowieso übrig bleiben, das mag ja alles so sein, Sie hätten nur, Entschuldigung, verdammt noch mal in den Haushalt gehört und nicht über diesen Umweg in einen faulen Kompromiss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Meyer, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Recknagel? Bitte schön.

Danke schön, Frau Präsidentin, Herr Meyer. Eine kurze Frage. Das hört sich jetzt so an für mich, als wenn der Haushalt nicht nur eine Ausgabeermächtigung, sondern auch eine Ausgabeverpflichtung ist. Sehen Sie das tatsächlich so? Ist das verfassungsrechtlich geboten, dass alles Geld, was im Haushalt als Ausgaben drinsteht, auch wirklich ausgegeben werden muss?

Nein, der Haushalt gibt eine Obergrenze vor, aber wenn man eine Bewirtschaftungssperre machen möchte, ist das unser Recht, auch Ihr Recht, Herr Recknagel, das hier in diesem Haus zu beschließen und

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das nicht irgendwelchen Ministern zu überlassen oder irgendwelchen Koalitionskungeleien im Hinterzimmer. Dass Sie das von der Opposition nicht wahrhaben wollen, finde ich sehr bedenklich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Diesen Spruch hätte ich maximal von jemandem von der CDU erwartet, diese Frage aber nicht gerade von jemandem, der versucht, hier Oppositionsarbeit zu leisten. Aber da war jetzt die Betonung auf „versucht“, Oppositionsarbeit zu leisten.

Die inhaltliche Notwendigkeit einer Globalen Minderausgabe wird regelmäßig, es sei denn, es sind ganz katastrophale Zeiten, im Januar oder Februar oder März eines Jahres deutlich. Ich glaube, es ist bisher auch in Thüringen unüblich gewesen, Globale Minderausgaben bereits im Frühjahr zu machen, es sei denn, man wusste von vornherein, dass man einen völlig überzogenen Haushalt verabschieden wollte. Das kann man, glaube ich, für den Haushalt 2012 nicht behaupten. Da will ich ja durchaus auch Herrn Recknagel ein bisschen recht geben, in diesem Haushalt ist noch Luft. Das haben wir als Opposition versucht auch deutlich zu machen in unseren Anträgen. Das heißt, die inhaltliche Notwendigkeit, jetzt eine Globale Minderausgabe zu haben, ist nicht gegeben. Diese Globale Minderausgabe könnte schlicht und ergreifend mit der Mai-Steuerschätzung ausgebracht werden, wenn die Notwendigkeit besteht oder nicht.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Antrag der LINKEN geht aktuell ins Leere. Er geht gegen etwas, was es gar nicht mehr gibt. Das ist das Bedauerliche daran. Das ganze Verfahren ist hochnotpeinlich für die Koalitionsfraktionen, hat sie an den Rand einer Koalitionskrise gebracht, es war von Rücktritten die Rede in den Zeitungen, das war bestimmt nicht nur wieder ein Zeitungsschreiber, der unbedingt der Meinung war, dass er unbedingt was schreiben möchte; da schaut der Fraktionsvorsitzende schon etwas weniger belustigt. Insgesamt ist keiner mit dem Thema zufrieden, aber der jetzige Antrag, so wie er ist, kann weder abgelehnt, noch kann ihm zugestimmt werden. Entsprechend werden wir uns auch verhalten. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Abgeordneter Bärwolff das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Bewirtschaftungssperre aufzuheben, das ist die Forderung der LINKEN. Mir ist noch nicht bekannt, dass der Finanzminister diese Forderung umge

setzt hätte. Alleine das ist, denke ich, Begründung genug,

(Beifall DIE LINKE)

warum wir unseren Antrag hier aufrechterhalten sollten.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Allen anderen sachlichen Argumenten sind Sie nicht zu- gänglich?)

Alle anderen sachlichen Argumente, Herr Höhn, kommen jetzt gleich. Wir hatten im Parlament 2011 einen Haushalt beschlossen und kurze Zeit später hat der Finanzminister hier eine Bewirtschaftungssperre verhängt, pressemitteilungsmäßig alle möglichen Menschen davon in Kenntnis gesetzt, Träger und Verbände waren stark verunsichert. Die rechtliche Bewertung ist - dies kann man aus der haushaltsrechtlichen Warte heraus machen, da wurde gerade schon viel gesagt, da kann man dem Kollegen Pidde nur zustimmen, ich bin sehr erstaunt und begeistert von den offenen Worten.

Aber ich will noch einmal auf etwas anderes abstellen: Wir haben zum Thema Kali + Salz einen Antrag gehabt hier im Landtag. Der wurde beschlossen und das Verfassungsgericht hat hinterher gesagt, liebe Leute, Anträge, die der Landtag beschließt, sind nichts weiter als politische Meinungsäußerungen. Das Verfassungsgericht hat des Weiteren gesagt, wenn ihr schon die Landesregierung zu irgendetwas bewegen wollt und das verbindlich machen wollt, dann macht doch Gesetze. Dann machen wir Gesetze, nämlich ein Haushaltsgesetz, und selbst daran ist - das ist ja quasi das Königsrecht des Parlaments - der Finanzminister nicht in dem Umfang gebunden, wie das die Träger,

(Beifall DIE LINKE)

wie das diejenigen, die für diese Mittel auch Leistungen erbringen, erwarten können. Ich glaube, das ist ein ganz, ganz großer politischer Fehler und

(Beifall DIE LINKE)