Protokoll der Sitzung vom 01.06.2012

Für die Landesregierung antwortet der Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, Herr Carius.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten

(Minister Dr. Poppenhäger)

Stange beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Thüringer Schulbaurichtlinie aus dem Jahr 1999 wurde im Jahr 2010 überarbeitet und am 29. November 2010 im Thüringer Staatsanzeiger veröffentlicht. Die Thüringer Schulbaurichtlinie enthält keine Anforderungen zur Barrierefreiheit, da die Richtlinie ausschließlich die Anforderung der Thüringer Bauordnung zum vorbeugenden baulichen Brandschutz konkretisiert. Somit stellt sich im Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention auch nicht die Frage der Überarbeitung. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit ergeben sich aus § 53 der Thüringer Bauordnung sowie den entsprechenden DIN-Vorschriften - hier DIN 18024 zum barrierefreien Bauen. Bezüglich der Schulbauempfehlung mit Raumprogrammempfehlungen für allgemeinbildende Schulen ist hingegen zeitnah eine Überarbeitung vorgesehen. Neben der Anpassung der Raumprogrammempfehlung an die Inklusion wird im Rahmen dieser Überarbeitung auch die Herstellung der notwendigen Barrierefreiheit berücksichtigt werden.

Zu Frage 2: Die Federführung für die Überarbeitung liegt in meinem Haus.

Zu Frage 3: Da die Prüfung der Angemessenheit von Schulbauvorhaben stets eine Einzelfallentscheidung ist, können notwendige Abweichungen von den Schulbauempfehlungen auch weiterhin als förderfähig anerkannt werden.

Zu Frage 4: Nein.

Es gibt eine Nachfrage durch die Fragestellerin.

Sie haben gerade gesagt, dass eine Überarbeitung der Raumprogrammbauempfehlung zeitnah erfolgen soll. Was ist zeitnah?

Zeitnah ist, dass der Abstimmungsprozess mit den Schulträgern gerade begonnen hat.

Eine weitere Nachfrage.

Wie lange kann der Abstimmungsprozess mit den Trägern denn Ihrer Meinung nach dauern? Geht es da um Monate, kann sich das über ein Jahr hinziehen?

Er kann so lange dauern, bis er abgeschlossen ist.

Danke für die sehr konkrete Antwort.

Danke, Herr Minister. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gumprecht von der CDU-Fraktion in der Drucksache 5/4495.

„Fangprämien“ im Thüringer Gesundheitswesen?

Eine aktuelle Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes kommt zu dem Ergebnis, dass die Zuweisung von Patienten gegen wirtschaftliche Vorteile die sogenannte „Fangprämie“ - im deutschen Gesundheitswesen keine Ausnahme, sondern gängige Praxis ist. Statt medizinischer Argumente würden oft Prämiengelder oder Sachleistungen darüber entscheiden, zu welchem Arzt, zu welcher Klinik oder zu welchem Hilfsmittelerbringer Patienten gelenkt werden. Die repräsentative Studie stützt sich auf die Aussagen von 1.141 niedergelassenen Ärzten, leitenden Angestellten von stationären Einrichtungen sowie nichtärztlichen Leistungserbringern.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie schätzt die Landesregierung die Ergebnisse der Studie ein?

2. Wie viele Fälle von Vergütung für die Zuweisung von Patienten sind der Landesregierung in Thüringen seit der Einrichtung der gemeinsamen Clearingstelle der Landesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landeskrankenhausgesellschaft im Jahr 2010 bekannt?

3. Wie wurden diese Fälle sanktioniert?

4. Beabsichtigt die Landesregierung, bei der anstehenden Novellierung des Thüringer Krankenhausgesetzes der Empfehlung des GKV-Spitzenverbandes zu folgen und ein Verbot von Zuweisungen gegen Entgelt nach dem Vorbild der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bremen aufzunehmen, wenn nein, warum nicht?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit. In diesem Fall macht es Herr Staatssekretär Dr. Schubert.

(Minister Carius)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gumprecht wie folgt.

Zu Frage 1: Die Studie selbst liegt uns im TMSFG noch nicht vor. Lediglich die Zusammenfassung der Studie durch die Autoren ist unserem Haus bekannt. Ziel der Studie, so die Aussage der Autoren in der Veröffentlichung der wesentlichen Ergebnisse, war es, die Verbreitung, das Ausmaß und die Ursachen unzulässiger Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, z.B. von Zuweisungen gegen Entgelt, zu untersuchen. Das Kernergebnis der Studie ist nach deren Aussage die Selbsteinschätzung von niedergelassenen Ärzten, leitenden Mitarbeitern und stationärer Einrichtungen und von nichtärztlichen Leistungserbringern, dass Patientenzuweisungen gegen Entgelt und andere wirtschaftliche Vorteile im deutschen Gesundheitswesen keine Einzelfälle, sondern die verbreitete Praxis seien. Nach Aussage der Autoren der Studie haben die Ärzte nicht ausreichendes Wissen über die bestehenden gesetzlichen Regelungen. Nach § 2 - Allgemeine ärztliche Berufspflicht - ist aber unter anderem die Pflicht des Arztes geregelt, sich über die für die Berufsausübung geltenden Vorschriften unterrichtet zu haben. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 2012 zu den bestehenden rechtlichen Regelungen noch ein gleichlautendes sozialgesetzliches Verbot, der „Zuweisung gegen Entgelt für Vertragsärzte“ eingeführt, das steht in § 73 Abs. 7 SGB V. Wer also Zuweisungen künftig mit einem monetären oder gegenständlichen Angebot bzw. einer Forderung verbindet, verstößt gegen die vertragsärztlichen Pflichten und hat mit entsprechenden Konsequenzen zu rechnen. Die ärztlichen Standesvertretungen sind hinsichtlich der Einhaltung der vorgenannten klaren berufsrechtlichen und sozialrechtlichen Normen in besonderer Verantwortung. Es ist daher die Aufgabe der Landesärztekammer Thüringen, der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen und der Landeskrankenhausgesellschaft, in Zukunft noch genauer hinzuschauen und erwiesene Verstöße mit den notwendigen Konsequenzen zu ahnden.

Zu Frage 2: Weder der federführend für berufsrechtliche Prüfungen verantwortlichen Landesärztekammer Thüringen noch der Thüringer Landesregierung sind die vom Fragesteller, also von Ihnen hinterfragten Fälle bis zum heutigen Tage bekannt geworden. Ich darf zudem klarstellen, dass es in Thüringen eine Clearingstelle als gemeinsame Einrichtung der in der Antwort zu Frage 1 genannten Körperschaften nicht gibt. Vielmehr haben die Landesärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung und die Landeskrankenhausgesellschaft am 22. Juli 2010 eine Vereinbarung zum Zusammenhalt zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäu

sern beschlossen und damit die Empfehlung der Bundesärztekammer, Kassenärztlichen Bundesvereinigung und deutschen Krankenhausgesellschaft ebenfalls vollinhaltlich umgesetzt. In der Thüringer Vereinbarung verpflichten sich die Vertragspartner zur Zusammenarbeit und heben hervor, dass der Bestechung und Korruption kein Platz im Gesundheitswesen eingeräumt werden darf.

Zu Frage 3: Da es keine im Sinne der Fragestellung genannten Fälle gibt, können auch keine Sanktionen erlassen werden.

Zu Frage 4: Der derzeitige Entwurf der Novellierung des Thüringer Krankenhausgesetzes sieht eine Regelung zum Verbot von Zuweisungen gegen Entgelt nicht vor. Auch wenn es entsprechende gesetzliche Regelungen wie z.B. in § 31 der Musterberufsordnung für deutsche Ärzte in § 128 Abs. 2 und 6 SGB V oder § 73 Abs. 7 SGB V bereits gibt, wird dieser Aspekt im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf jedoch einer Prüfung unterzogen und wir schauen dann, ob wir das in der zweiten Lesung im Kabinett dann noch aufnehmen können. Danke.

Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Staatssekretär. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Huster von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/4497.

Zusätzliche Kürzungen im Landeshaushalt aufgrund nicht zufließender bzw. nicht abgerufener EU-Mittel?

Der Haushalt 2011 wurde mit 261,4 Mio. € Nettoneuverschuldung abgeschlossen, obwohl es u.a. signifikante Steuermehreinnahmen gab.

Ein Grund der Nettoneuverschuldung war, dass es bei den EU-Programmen 2011 aufgrund nicht zufließender bzw. nicht abgerufener EU-Mittel der aktuellen Förderperiode zu Mindereinnahmen in Höhe von 324,3 Mio. € kam. Zusammen mit der Abrechnung der Förderperiode 2000 bis 2006 standen so geplanten Einnahmen im Haushalt 2011 in Höhe von ca. 816 Mio. € lediglich 445 Mio. € Ist-Einnahmen gegenüber.

Aufgrund der geltenden Schuldenbremse in der Thüringer Landeshaushaltsordnung muss es im Falle einer Nettokreditaufnahme im Jahr 2011 in den Folgejahren zu Tilgungen dieser 261,4 Mio. € Schulden kommen. Diese müssen in einem Tilgungsplan (§ 18 Abs. 3 ThürLHO) verbindlich dargestellt werden. Für das Haushaltsjahr 2012 sind 1,5 Mio. € Tilgung veranschlagt, so dass 259,9 Mio. € in den Jahren 2013 bis 2016 getilgt werden müssen.

Für das Haushaltsjahr 2012 sind einnahmeseitig von der EU wiederum ca. 522 Mio. € geplant. Am Ende des I. Quartals 2012 ist lediglich ein Eingang der Mittel bei ELER in Höhe von 25 Mio. € zu verzeichnen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Mittel in welcher Höhe stehen einnahmeseitig aus den Förderperioden 2000 bis 2006 sowie 2007 bis 2013 in den einzelnen Programmen aktuell noch aus?

2. Welche Ursachen hat die im Haushaltsjahr 2011 wesentliche Unterschreitung der einnahmeseitigen Planansätze bei den EU-Mitteln, besonders beim EFRE und beim ESF und welche Konsequenzen sieht die Landesregierung für den Haushaltsvollzug 2012?

3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung daraus für die Aufstellung und den Vollzug der Haushalte für die nächsten zwei Jahre?

4. Sieht die Landesregierung Bedarf für eine mögliche Klarstellung in der Landeshaushaltsordnung bei der Schuldenbremse oder weiterer Regelungen bezüglich der Vereinnahmung bzw. Verausgabung der EU-Mittel?

Für die Landesregierung antwortet der Finanzminister Herr Dr. Voß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Huster, ich beantworte Ihre Mündliche Anfrage für die Landesregierung wie folgt:

Zur 1. Frage: Im ESF - also dem Europäischen Sozialfonds - stehen für die Förderperiode 2000 bis 2006, also die vergangene Förderperiode, noch Einnahmen von 9 Mio. € aus. Bezogen auf die gesamte Förderperiode 2007 bis 2013 stehen noch 367 Mio. € für den gesamten Zeitraum aus. Für den Bereich des EFRE stehen von der Förderperiode 2000 bis 2006 noch Einnahmen in Höhe von 37 Mio. € aus und für die Förderperiode 2007 bis 2013 noch 605 Mio. €, die stehen noch zur Verfügung und sind aus der Säule noch nicht verarbeitet. Beim EAGFL stehen für die vergangene Förderperiode 2000 bis 2006 keine Mittel mehr aus. Diese Periode ist für den Bereich der Landwirtschaft abgeschlossen und es sind auch keine Schlusszahlungen oder sonstige Dinge zu erwarten. Für den ELER - so heißt das ja jetzt in der neuen Förderperiode 2007 bis 2013 - stehen noch 292,2 Mio. aus. Ich füge hinzu, dass natürlich auch noch entsprechende Ausgaben getätigt werden müssen, das muss man sehen.

Zu Frage 2 antworte ich wie folgt: Die einnahmeseitige Unterschreitung der Planansätze für 2011 beinhaltet im Wesentlichen die Schlusszahlungen, die für ESF und EFRE aus der vergangenen Förderperiode nicht voll gekommen sind. Ich habe gesagt, dass 37 Mio. und 9 Mio. dort noch ausstehen und die Einnahmen für den ESF für die Förderperiode 2007 und 2013 ebenfalls nicht voll gekommen sind. Für den aufgrund anhaltender Prüfungen durch die Europäische Kommission, Europäische Institutionen kam es also nicht zur vollumfänglichen Vereinnahmung dieser Schlusszahlung. Man muss vielleicht erläuternd hinzufügen, dass für den ESF die Europäische Kommission auch das Erstattungsverfahren umgestellt hat, und zwar soll nunmehr nur noch ausgezahlt werden, wenn Verwendungsnachweisprüfungen der entsprechenden Ausgaben erfolgt sind. Also die EU verlangt einen gewissen Gütestempel für diese Verwendungen, also die qualitativen Anforderungen sind gestiegen. Auch das führte dazu, dass hier eine gewisse zeitliche Distanz, also ein gewisser Zeitraum nicht erreicht werden konnte.

Sie fragen, wie soll dem künftig begegnet werden als Bestandteil der Frage 2: Hier hatte ich schon im Haushalts- und Finanzausschuss ausgeführt, dass wir selbstverständlich das Abrufen optimieren müssen. Was verstehe ich unter Optimieren? Die Verwaltungsbehörde, die im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist für den ESF und EFRE, muss sich stärker - und das gilt auch umgedreht - mit dem Finanzministerium terminlich und was die Antragstellung bei der EU betrifft, verzahnen und was das Finanzministerium anbelangt, werden wir sehr, sehr scharf darauf drängen, dass die Anträge pünktlich gestellt werden, so dass hier auch das Management, das Einnahmemanagement verbessert werden kann und es dann - wie wir heute schon in der Debatte auch gehört haben - nicht zu Überraschungen kommen kann.

Zu Frage 3: Nach § 11 der Thüringer Landeshaushaltsordnung enthält der Haushaltsplan erwartete Einnahmen und Ausgabeermächtigungen. Er enthält Prognosen über die Kassenwirksamkeit sowohl bei den Ausgaben als auch bei den Einnahmen. Ansonsten die Frage, was hat das für eine Auswirkung für die Aufstellung, den Vollzug des Haushalts für die nächsten zwei Jahre? Ich sehe das nicht, verweise aber darauf, dass wir stärker darauf schauen müssen, dass die formalen Dinge erfüllt sind.

Zu Frage 4: Eine mögliche Klarstellung in der Landeshaushaltsordnung, Herr Huster, das muss ich sagen, sehe ich nicht, in der Haushaltsaufstellung ohnehin nicht. Was hier in Rede steht, bedarf der Finanzminister oder bedarf der Freistaat stärkerer Instrumente im Haushaltsvollzug. Das sehe ich auch nicht. Ich will mal sagen, wir haben den § 41 und wenn das Controlling Mitte des Jahres offenbar

(Abg. Huster)

werden lässt, dass gewisse Dinge nicht zueinanderpassen, Ausgaben und Einnahmen, so muss man auch notfalls auf der Ausgabenseite reagieren. Insofern sehe ich das Instrumentarium dafür als vorhanden an und sehe auch keine Konkretisierungsnotwendigkeiten, was die Landeshaushaltsordnung anbelangt. Man kann handeln und über Sperren ist es auf jeden Fall möglich, dass der Finanzminister ein starkes Recht hat und davon muss man notfalls Gebrauch machen. Aber das ist nicht der Königsweg. Der Königsweg besteht meines Erachtens darin, dass wir die Abstimmungsprozesse verbessern und mit stärkerem Nachdruck auch dann auf die Einnahmenbeschaffung achten und vorstellig werden.