Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

(Beifall AfD)

Man möchte vermuten, dass Sie den Antrag nicht selbst verfasst haben. Da aber die Erfahrungen Ihrer Regierungszeit sowie die Ereignisse außerhalb des Politbetriebs zeigen, dass es sozusagen zu Ihrer DNS gehört, alles, was funktioniert, durch Parolen, Schlagworte von Buntheit, Vielfalt und Gleichheit zu zerstören, haben wir Sorge, dass Sie auch diesen grundsätzlich vernünftigen Ansatz auf diese genannte Art und Weise seines sinnvollen Ansinnens berauben werden. Ein Blick in die Welt der Open-Source-Entwickler genügt. Es gibt so viele Projekte, bei denen sich selbst ernannte Diversityund Sonst-was-Fachleute hineindrängen und von Beteiligten fordern, bestimmte sogenannte Codes of Conduct zu implementieren,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat Ihnen denn die- sen Quatsch aufgeschrieben?)

mit denen bei diesen rein privatrechtlich funktionierenden Unternehmungen dieselben irrsinnigen Vorschriften von Gleichheit, Buntheit und Diversifikation eingepflanzt werden sollen, mit denen Sie schon die öffentliche Verwaltung sowie die Führungsebene von großen Unternehmen nerven und lahmle

gen. Im Klartext: Es findet bei Open-Source-Entwicklern schon eine Flucht von Leuten statt, die etwas können, und es müssen Leute in Projekten integriert werden, die weniger durch Leistung als durch die Inhaberschaft irgendeiner, gern auch selbst ausgedachter Minderheitenzugehörigkeit auffallen.

Das allein könnte uns und dem Thüringer Steuerzahler gleichgültig sein. Wir haben jedoch die Sorge, dass Sie die im Antrag betriebene Förderung der Open-Source-Software dazu nutzen werden, Steuergelder in genau diese schändlichen Machenschaften hineinzupumpen, und sich zur Rechtfertigung auf diesen hier vorliegenden Antrag berufen.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da machen wir nicht mit. Die AfD-Fraktion wird also Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass Sie den Wortlaut Ihres Antrags nicht mit Leben und Sinn erfüllen werden, sondern lediglich als Deckmantel für ein weiteres ideologisches Projekt verwenden wollen.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sollten nicht von sich auf andere schließen!)

Die AfD-Fraktion wird sich enthalten. Ich danke Ihnen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: In der Geschäftsordnung steht „freie Rede“!)

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht Abgeordnete Henfling von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, wenn ich Herrn Rudy jetzt richtig verstanden habe, hat er uns quasi hart entlarvt. Wir machen hier nicht Open Source, sondern Genderzeug. So ungefähr kann man das zusammenfassen. Oder habt ihr verstanden, worum es ging?

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: So kann man Begriffe verwech- seln!)

Gut, egal. Sie haben krampfhaft nach einem Grund gesucht, warum Sie den Antrag ablehnen. Egal.

(Abg. Dr. Pidde)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Digitalisierung wird verändern. Wie wir miteinander arbeiten, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir miteinander leben und selbst wie wir Geld verdienen, wird sich durch die Digitalisierung verändern. Diese Veränderungen wollen wir gestalten und nicht nur zusehen, wie sie Gestalt annimmt. Dafür ist es eben auch notwendig, sich mit der Technik zu beschäftigen, die uns umgibt und auch in Zukunft umgeben wird. Unser Antrag zu Open-Source-Lösungen und Thüringen tut genau dies. Er gibt Leitlinien für die Technik vor, die wir anschaffen und nutzen wollen. Wir werden heute also eine kleine Nerd-Runde. Herr Pidde hat zwar gemeint, es wäre nicht nur ein Nerd-Thema, aber ich behaupte mal, dass nicht viele Menschen verstehen, was wir meinen, wenn wir von Open Source reden. Deswegen machen wir es vielleicht ein bisschen ausführlicher.

Die Begrifflichkeit ist klar, wir reden hier zuzusagen von offenen Standards, also Open- und ClosedSource-Software und freie Lizenzen im fachwissenschaftlichen Diskurs. Damit können wir auch inhaltlich arbeiten. Wir waren im Mai mit dem Wirtschaftsausschuss in Estland. Dort gab es durchaus Erstaunliches im Bereich „Digitalisierung“ zu sehen – allem voran natürlich der Fakt, dass Datensicherheit dort einen hohen Stellenwert hat. So wird zum Beispiel staatliche Software grundsätzlich in offenen Quellcodes angeschafft und in dezentralen Datenbanken gespeichert. Das gilt für landeseigene Datennetze und das Dateninformations- und -austauschsystem X-Road oder bzw. XT. Beide Softwarelösungen liegen bereits in Estland seit 2011 mit offenem Quellcode vor. Allein die Vorstellung, in Deutschland Verwaltungssoftware und Anwendungen in quelloffenen Formaten zu betreiben, treibt bei einigen die Schweißperlen auf die Stirn und ergießt sich in Reflexfloskeln, die da lauten: „Oh die Sicherheit!“ oder „Open Source ist Spielerei. Wenn es funktionieren soll, brauchen wir etwas Richtiges.“ Den Partyknaller haben wir heute schon von Herrn Voigt gehört: „München hat doch gezeigt, dass es nicht geht.“ Ich hätte doch einen Kasten Bier darauf wetten sollen, dass...

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Aber der Duktus war so ähnlich.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Nein!)

München vorzubringen ist immer schwierig, das ist eine harte Gratwanderung. Die Entscheidung, Open Source dort nicht weiterzumachen, war eine politische Entscheidung und keine fachliche. Die Fachleute in München haben das sehr deutlich ge

sagt, dass sie das nicht für richtig erachtet haben, was dort auf politischer Ebene entschieden worden ist. Deswegen finde ich es schwierig, das Beispiel München zu bringen.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Soll ich noch mal gucken, wie die Mehrheitsver- hältnisse im Stadtrat sind? Wollen Sie die wissen?)

Das ist mir doch scheißegal, wie die Mehrheitsverhältnisse dort im Stadtrat sind.

(Unruhe im Hause)

Frau Henfling, ich bitte doch um eine gepflegte Sprache hier.

Ja, Entschuldigung. Es ist mir egal, wie die Mehrheitsverhältnisse dort im Stadtrat bei dieser Frage sind. Ich finde es einfach schwierig, wenn man permanent auf einem Beispiel herumreitet, das sich dafür überhaupt nicht eignet, um zu beweisen oder eben nicht zu beweisen, dass Open Source in der Verwaltung funktioniert. Das Beispiel ist dort schlicht und ergreifend das falsche.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen eine Digitalisierung, die allen Menschen nützt und nicht nur wenigen Menschen zur Macht verhilft. Auf unsere sehr deutschen Nachfragen zur Sicherheit in Estland haben wir da häufig nur ein müdes Lächeln bekommen und die Gegenfrage, was wir für sicherer halten, eine Software, bei der alle nach Fehlern suchen können, oder eine Blackbox, bei der überhaupt nicht klar ist, ob es tatsächlich eine Sicherheit gibt. Zum gleichen Ergebnis kommt auch der „Chaos Computer Club“, der bereits 2015 in seiner Stellungnahme zum damaligen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur IT-Sicherheit erklärt hat, dass transparente, quelloffene Softwarelösungen maßgeblich die Sicherheit erhöhen. Der CCC regt an, dass Open-Source-Software regelmäßig unabhängig überprüft werden soll; sie empfehlen Bug Bounties, also sozusagen Prämien für das Finden und Beseitigen von kritischen Lücken. Das wird auch in Estland so gemacht. Darum wollen wir in unserem Antrag auch Landeswettbewerbe zur Weiterentwicklung von Open-Source-Lösungen fördern. Dazu schreibt der CCC – ich zitiere –: „Für Unternehmen besteht kein Anreiz in die Prüfung, Auditierung und das Testen von Allgemeingütern zu investieren, da kein wirtschaftlicher Vorteil oder ein Alleinstellungsmerkmal zu erreichen

ist.“ Da muss das Land heran und das machen wir in diesem Fall. Open Source ist damit ein direkter Bestandteil einer echten, digitalen Resilienz. Es muss unser Ziel sein, die Hoheit über unsere digitale Welt weitestgehend zu behalten. Dazu gehört auch, die Abhängigkeit von Einzel- und Großunternehmen zu erkennen und einzudämmen.

Closed-Source-Lösungen machen uns im hohen Maße von der Laune der Unternehmen abhängig. Ich will nur ein Beispiel bringen. Sie alle haben sicherlich ein Smartphone in ihrer Tasche. Das Smartphone können Sie oft nicht weiterbenutzen, wenn es beispielsweise keine neue Software dafür gibt, dann müssen sie sozusagen auch die Hardware wegwerfen, obwohl es noch tauglich ist und funktioniert, weil die Software nicht nachgeliefert wird. Meistens ist ein Umstellen auf andere Lösungen auch tatsächlich zu umständlich oder gar nicht möglich. Auch der einfache Weiterbetrieb kann dann gefährdet sein. Unsere Nachbarin, die Schweiz, hat genau aus diesen Gründen bereits 2005 eine Strategie für den Einsatz von OpenSource-Lösungen verabschiedet. Die entscheidende Frage bleibt: Wie kann man Software bei den Menschen anbinden? Klar, durch Anwendungsfokus, also am besten, wenn die Userinnen die Funktionalität direkt spiegeln und mitbestimmen können. Das sind klare Punkte für eine quelloffene Lösung. Aber die Menschen müssen auch die Chance haben, sich dazu selbst fit zu machen. Darum wollen wir mit dem Antrag auch die Aus- und Weiterbildung im IT-Bereich fördern.

Ein enormer Motor für die Akzeptanz wird auch unsere Wirtschaft sein, das hat Herr Prof. Voigt heute schon angesprochen. Es muss daher im Fokus stehen, die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Thüringen für Digitalisierung und Open Source zu begeistern. Auch das finden Sie in unserem Antrag. Im Übrigen haben wir längst angefangen, mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Das Wirtschaftsministerium macht das bereits. Wie Sie alle gesehen haben, ist auch ein Open-Source-Preis ausgeschrieben worden, mit dem wir schauen wollen, dass verschiedene Unternehmen die Möglichkeit haben, Open-Source-Lösungen auf den Tisch zu legen.

Open Source und offene Standards haben noch einen weiteren Punkt auf ihrer Seite, nämlich die Kostenfrage. Damit meinen wir nicht die kurzfristigen Kosten wie niedrige Lizenzgebühren, nein. Auch die Schweiz schreibt bei Softwarefragen nach den Kriterien Zukunftssicherheit, Interoperabilität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit aus. Auch hier können transparente Softwarelösungen punkten. Besonders die dadurch gestärkten offenen Stan

dards erleichtern Anbindungsfragen. Damit kann eine Softwarelösung länger in Benutzung gehalten werden und das spart massiv Ressourcen, sowohl finanzielle, personelle als auch aus unserer Sicht materielle. Verbundanschaffungen sind mit offenen Standards kein Abenteuer mehr und es ist klar geregelt und transparent, welche Dateiformate und Schnittstellenparameter vorliegen müssen. Damit kann man arbeiten.

Dies muss klar durch die Vergabe geregelt werden. Sowohl Estland als auch die Schweiz haben dies eindeutig formuliert und als Leitlinie aufgenommen. In diesem Antrag wollen wir Thüringen ebenfalls auf den Weg bringen, seine digitale Gestalt nachhaltig zu gestalten, was andere Länder tatsächlich auch schon seit Anfang der 2000er-Jahre tun. Deswegen bitte ich ebenfalls wie mein Kollege um Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen?

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Ja!)

Bitte schön, Herr Prof. Dr. Voigt. Herr Abgeordneter Krumpe, bitte. Oder Herr Prof. Voigt?

(Heiterkeit im Hause)

Herr Krumpe, dann kommen Sie. Herr Prof. Voigt hatte schon gesprochen und bitte dann als Zweiter.

Werte Frau Präsidentin, liebe Kollegen, ich möchte mich hier auch kurzhalten. Es ist schon viel gesagt worden zu Open Source – alles richtig. Was mir auffällt, ist, dass wir heute Vormittag hier das Vergabegesetz debattiert haben und jetzt einen Tagesordnungspunkt debattieren, wie denn zukünftig sichergestellt werden kann, dass in der Landesregierung oder, ich sage mal, dass im öffentlichen Dienst des Landes oder vielleicht auch im öffentlichen Dienst der kommunalen Familie stärker Open Source zum Einsatz kommt. Von daher meine Idee, dass man im Ausschuss mal darüber nachdenkt, inwieweit es nicht eine gute Idee wäre, das Vergabegesetz so zu ändern, dass wir dort auch eine entsprechende Vergabebestimmung drin widerspiegeln, die sozusagen Open Source stärkt.

(Beifall AfD)

Das hilft zwar nichts gegen die Durchgenderung der Bits und Bytes, was Abgeordneter Rudy hier bemängelt hat, aber da müsst ihr euch dann eine eigene Lösung überlegen. Herzlichen Dank.

(Abg. Henfling)

(Beifall AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Jetzt Herr Prof. Dr. Voigt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich bin noch mal wegen drei Sachen vorgekommen. Das Erste: Ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass ich nicht für Open-Source-Lösungen bin.