Protokoll der Sitzung vom 11.09.2015

Nun haben wir im Sofortbericht gehört, wie die Lage in Thüringen ist. Für mich ist die Frage interessant: Sind wir in Thüringen auf diese Herausforderungen vorbereitet? Sie haben in unserem Antrag gemerkt, dass wir Sorge haben, dass wir darüber diskutieren wollen, wie wir den Gesundheitsdienst handlungsfähig halten können. Ich will aber ganz ehrlich sein – manche Dinge entwickeln sich auch. Es ist natürlich immer ein Argument von Ihrer Seite zu sagen: Na ja, Sie waren ja an der Regierung, Sie hätten das schon alles machen können. Ja, natürlich. Aber manche Dinge entwickeln sich ganz einfach und manche Dinge erkennt man auch erst. Wir wissen alle, wie sich die Gesellschaft und wie sich die Zeiten aktuell darstellen, sodass man auch schauen muss, dass der öffentliche Gesundheitsdienst mit den dargelegten Herausforderungen hier neuen Dingen standhalten muss.

(Beifall CDU)

Ich will nicht weiter rezitieren, was die Ministerin schon alles dargelegt hat. Mir geht es noch einmal

(Abg. Pelke)

vor allen Dingen darum, auf einen Punkt abzuheben, den der ehemalige Präsident der Landesärztekammer, Herr Mathias Wesser, dargelegt hat. Er hat gesagt: Die Pflichtaufgaben des ÖGD im Bereich des Infektionsschutzes sind kaum noch abzudecken. Das ist ein ernstes Problem – denke ich –, was wir mit im Auge behalten müssen, und auch die Ausweitung der Meldepflicht für bestimmte Krankheitserreger mit Resistenzen stellt den ÖGD vor weitere Herausforderungen. Diese beiden Punkte

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich dachte, es gibt kein Problem!)

von Herrn Wesser würde ich gerne auch in die Diskussion mit hineinnehmen; ich denke, wir haben hier einen wesentlichen Punkt von ihm mitgegeben bekommen. Auch die Situation in den Thüringer Gesundheitsämtern mit den 14 Fachärztestellen, die wir noch haben, würde ich jetzt erst mal nicht noch weiter diskutieren, damit können wir uns im Ausschuss auch weiter auseinandersetzen.

Ich will auf ein Problem noch mal abheben, worum sich natürlich alles drehen kann, aber was auch nicht unerwähnt bleiben sollte: Das ist das Problem der Bezahlung. Natürlich kann man jetzt sagen, die Bezahlung ist das alles Entscheidende. Ohne Zweifel, es ist ein Anreizsystem. Und wenn Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst Tausende Euro weniger als ein Arzt, der im Marburger-Bund-System steckt, bekommen, dann ist das natürlich ein Argument. Aber ich sage auch ganz deutlich, unser Antrag soll auch in die Richtung gehen, deshalb haben wir es möglichst frei formuliert, zu prüfen, welche Dinge noch getan werden können, um den öffentlichen Gesundheitsdienst für junge Mediziner attraktiver zu machen. Es ist eben nicht nur das Geld, sondern auch, den jungen Ärzten zu zeigen, wie reizvoll diese Aufgabe ist. Natürlich, Sie haben gesagt, es ist schwierig, das Tertial im Praktischen Jahr im Gesundheitsamt zu machen, aber ich sehe auch hier die Möglichkeit, das einmal flexibler zu handhaben. Ich möchte hier nicht so starr einfach nur komplett den Arzt vielleicht die ganze Zeit im Gesundheitsamt haben, aber wir sollten doch mal darüber nachdenken und überlegen, wie wir eventuell die Gesundheitsämter noch besser einbinden können, dass hier Anreize geschaffen werden. Wir kennen alle das vom UKJ, vom Universitätsklinikum Jena, jetzt startende System, dass die jungen Mediziner die Möglichkeit haben, in die Fachbereiche reinzuschnuppern, in den niedergelassenen Bereich, in den ambulanten, in den wissenschaftlichen Bereich. Ich denke, auch hier ist es ähnlich möglich, den jungen Ärzten den öffentlichen Gesundheitsdienst schmackhaft zu machen. Wir wollen, dass hier ohne Tabus über die Bezahlung gesprochen wird. Der Forderung des Thüringischen Landkreistags schließen wir uns an, dass die Rahmenbedingungen des ÖGD in den Landkreisen verbes

sert werden müssen, sowohl finanziell als auch inhaltlich. Ich denke, dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Auch die Forderung des Landkreistags nach einem landesweiten Konzept zur Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung, um die Arbeitsfähigkeit des ÖGD sicherzustellen, ist ein wesentlicher Punkt, den es zu diskutieren gilt.

(Beifall CDU)

An der Stelle vielleicht noch den Punkt: Wir wollen ohne Tabus darüber diskutieren, wie die Bezahlung aussehen kann. Die 83. Gesundheitsministerkonferenz hat sich bereits 2010 mit der Eingruppierung der tariflich beschäftigten Ärzte im ÖGD befasst, auch damals wurde schon die Empfehlung ausgesprochen, die Beschäftigten des ÖGD in den Tarifvertrag TV-Ärzte mit einzubeziehen bzw. entsprechende Sonderregelungen auf Länderebene zuzulassen. Die CDU-Fraktion schließt sich dieser Forderung, dieser alten Forderung ausdrücklich an und wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Pfefferlein, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht. Für uns, Bündnis 90/Die Grünen, ist der öffentliche Gesundheitsdienst die sogenannte dritte Säule, eine wichtige Säule unseres Gesundheitswesens. Diese Säule wird durch das vielfältige und sehr anspruchsvolle Aufgabenspektrum trotz teilweise deutlicher Unterbesetzung des Personals besonders beansprucht und erfährt derzeit ja auch durch die Aufgabe der Betreuung von mehr Flüchtlingen in den Gemeinden und Städten eine Aufgabenerweiterung. Aber nicht nur dadurch! In den letzten Jahren wurden zunehmend die Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes durch die Entwicklung von Wissenschaft, Medizin und Technik, die wachsende Bedeutung des Umwelt- und Verbraucherschutzes sowie die fortschreitende Gesundheits- und Sozialgesetzgebung geprägt. Dementsprechend erfuhr der öffentliche Gesundheitsdienst zunehmend eine inhaltliche Neuorientierung zu einem aufsuchenden Gesundheitsservice für alle Zielgruppen. Die vorrangigen Aufgaben des ÖGD liegen im Bereich der Bevölkerungsmedizin, der Prävention und der Gesundheitsförderung. Die unterstützenden Leistungsangebote der Gesundheitsämter ergänzen den ambulanten und stationären Bereich zu einem in allen Zweigen zusammenwirkenden Gesundheitswesen.

(Abg. Zippel)

Die Schwerpunkte wurden hier schon erwähnt. Gerade diese Kompetenz aus vielen Disziplinen in den Gesundheitsämtern in Thüringen muss aus grüner Sicht mehr genutzt und Entscheidungsprozesse gerade im Bereich Gesundheitsplanung und Prävention einbezogen werden. In Zukunft wird die Prävention eine wichtige Rolle spielen, auch durch das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Präventionsgesetz.

Ich will jetzt noch etwas zu den Herausforderungen, ja, Problemen im öffentlichen Gesundheitsdienst sagen: Hier ist nicht nur die Abdeckung der Krisenintervention bei psychisch Kranken problematisch, sondern wir verzeichnen hier einen grundsätzlichen Ärztemangel. Das mag unter anderem an der vergleichsweise schlechten Bezahlung – wurde hier auch schon erwähnt – der Ärztinnen und Ärzte liegen, wenn man dazu die Gehälter im Krankenhaus oder im niedergelassenen Bereich betrachtet. Derzeit sind unter anderem in den Landkreisen Saalfeld-Rudolstadt und Altenburger Land Arztstellen in Gesundheitsämtern ausgeschrieben. Wir Grüne setzen uns seit Jahren dafür ein, dass der ÖGD an Bedeutung und Stellenwert gewinnt. Denn wir sagen: Nur mit einem starken, reformierten ÖGD kann die Gesundheitsversorgung in den Kommunen und Landkreisen sichergestellt werden. Deshalb haben wir – und es wurde hier auch schon erwähnt – im Landeshaushalt in diesem Jahr 50.000 Euro dafür eingestellt. Dies soll vor allen Dingen für Weiterbildung des Medizinernachwuchses zum Amtsarzt genutzt werden. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, reicht aber noch lange nicht aus.

In einer Entschließung des Deutschen Ärztetags im Mai 2014 …

Entschuldigung, Frau Abgeordnete. Ich bitte, vor allem in den Reihen der CDU-Fraktion mal den Geräuschpegel sehr nach unten zu schrauben, es ist wirklich störend.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Diese fordert eine adäquate ärztliche Personalausstattung, eine Aufwertung des Fachs Öffentliches Gesundheitswesen in der medizinischen Ausbildung – das wurde auch schon 2012 gefordert – und eine angemessene Bezahlung der im ÖGD tätigen Ärztinnen und Ärzte. Diese Vorschläge wollen wir ernst nehmen und gemeinsam im Ausschuss beraten. Ja, wir wollen gemeinsam mit der CDU-Fraktion, die auch jetzt entdeckt hat, dass es im öffentlichen Gesundheitsdienst Verbesserungsbedarf gibt,

(Unruhe CDU)

diskutieren und das angehen, auch wenn wir es überraschend finden, weil die Gesundheitspolitik und die Vernachlässigung des ÖGD ja maßgeblich von der CDU in den letzten 25 Jahren mit verursacht wurden. Aber vielleicht liegt es auch an den neuen Kollegen, dass das Thema aufgegriffen worden ist, Herr Zippel, das wollen wir an dieser Stelle auch mal loben.

Zum Abschluss will ich noch drei Dinge sagen: Angesichts des hohen Schutzguts der Gesundheit und aus Gründen der Qualitätssicherung ist es insbesondere im Interesse der Patientinnen und Patienten, das System des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu stärken. Angesichts der Herausforderungen, vor denen auch der öffentliche Gesundheitsdienst genau wie Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Landrätinnen und Landräte, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, haupt- und ehrenamtliche Helfer bei den Wohlfahrtsverbänden und vor allem ganz normale Bürgerinnen und Bürger – und hier könnte ich meine Aufzählung noch fortführen – stehen, weil gerade so viele Flüchtlinge zu uns nach Thüringen kommen, muss dieser gestärkt werden. Auch hier müssen wir koordiniert und überlegt vorgehen.

Angesichts dieser Herausforderung werden wir als Fraktion gemeinsam mit den beteiligten Ministerien, den Verantwortlichen in den Gemeinden und Städten, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landkrankenhausvereinigung und natürlich den Kassen daran arbeiten, einerseits die gesundheitliche Versorgung der zu uns kommenden Flüchtlinge zu verbessern und ein vernünftiges Gesundheitsmanagement für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu entwickeln, und endlich den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist unsere Aufgabe als Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspolitiker, hier die Weichen zu stellen – und das sage ich auch mit Blick in Richtung CDU-Fraktion hier auf Landesebene. Auf Bundesebene muss die CDU aber auch endlich ihre Hausaufgaben machen. Da warten wir seit neun Monaten auf die elektronische Gesundheitskarte und auf die vereinfachte Zulassung von Ärzten, um traumatisierte Flüchtlinge zeitnah behandeln zu können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und das sind zum Teil auch Ihre Forderungen gewesen. Da schließen wir uns den Forderungen des DRK-Präsidenten Rudolf Seiters an.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Hinweis geben, aus dem Bundesland NRW zum Beispiel: Da gibt es seit 2004 eine Schriftenreihe zu Migration und öffentlichem Gesundheitsdienst. Darin ist ein

Konzept beschrieben, welches interkulturelle Fortbildung, fremdsprachige Gesundheitsinformationen und Patienteninformationen genauso beinhaltet wie die strategische Ausrichtung der Bevölkerungsmedizin und die wichtigen Gesundheitsaufgaben für die Gesamtbevölkerung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. Es gibt noch eine Wortmeldung vom Abgeordneten Kubitzki, Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, also ich will jetzt nicht auf den Diskussionsbeitrag der AfDFraktion reagieren,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das können Sie gar nicht bewerten!)

auf diese Argumente kann man nicht reagieren, aber,

(Unruhe AfD)

meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind das hier als Hohes Haus schuldig, gerade zu diesen Argumenten. Ich möchte mich an dieser Stelle – und das sollten wir als Thüringer Landtag tun – bei allen Ärzten, die in den Regionen tätig sind, die sich bereit erklärt haben, die Aufnahme von Asylsuchenden zu unterstützen, medizinisch sicherzustellen, recht herzlich bedanken, bei den niedergelassenen Ärzten, bei den Ärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die dazu bereit sind,

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wir sollten uns auch bedanken bei der Kassenärztlichen Vereinigung, die zum Beispiel mit dem Quartalsbehandlungsschein die Initiative ergriffen hat, um die Behandlung der Asylsuchenden zu entbürokratisieren, und wir sollten uns auch bei der Landesärztekammer bedanken, nämlich dort kommen Initiativen her, um Notfallbereitschaften zu gründen, zu medizinischen Untersuchungen der Asylsuchenden und auch im Krankheitsfall dort einzugreifen. Viele Ärzte tun das. Die Ärzte in Thüringen sind dazu bereit und machen das und haben keine Angst, dass sie sich mit irgendwelchen Krankheiten infizieren. Diese Mär sollte von diesem Haus nicht geteilt werden. Deshalb noch einmal herzlichen Dank an unsere Ärzte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Doch, ich sehe noch eine, Frau Abgeordnete Muhsal, Fraktion der AfD.

Danke schön, Herr Präsident. Sehr geehrte Abgeordnete, ich begrüße auch besonders die Besucher auf der Tribüne, hallo liebe Schüler, schön dass ihr da seid, denn um euch geht es auch bei diesem Thema, denn wenn es um Krankheiten und Seuchen geht, dann seid ihr diejenigen, die dann letztendlich auch betroffen sind davon, wenn man diejenigen, die diese Krankheiten einschleppen,

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das gibt es doch nicht, Mensch! Sie haben es doch in der Platte!)

massenhaft in die Schulen reinlässt.

Herr Abgeordneter Harzer, mäßigen Sie sich!

Herr Zippel, ich darf Ihnen gratulieren, das Thüringer Einerlei funktioniert. Rassismus, Populismus und Angst machen – sehr schön gemacht, Herr Zippel. Sie zeigen ein neues Glanzstück der ganz, ganz großen Koalition.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Sprechen Sie von sich selbst?)

Ich glaube, die Einzigen, die hier vor Angst mit den Zähnen klappern, das ist die CDU, weil Sie nämlich einfach mit dem, was Sie erzählen, langsam nicht mehr glaubwürdig sind, und irgendwann merken die Leute das.

(Beifall AfD)

Ich weiß nicht, ob Sie alle keinen Zugang zu den Gesundheitsämtern in Ihrer Stadt haben oder ob gerade die CDU gemeinsam mit den Linken die schon mundtot gemacht hat. Ich darf mal aus dem Ausschuss für Soziales in Jena berichten. Vor der Sommerpause hieß es da noch, über Krankheiten und Seuchen und so unschöne Dinge wollte man lieber nicht öffentlich reden. Nach der Sommerpause hat man das doch getan und das Gesundheitsamt in Jena hat eindeutig darauf hingewiesen, dass es damit rechnet, dass impfbare Krankheiten nach Deutschland zurückkehren, zum Beispiel Tuberkulose, Typhus, Mumps, Masern, Röteln und auch solche Dinge wie Pocken. Pocken – das muss man sich mal vorstellen! Gesundheitsamt Jena, bitte fragen Sie da nach, wenn Sie sich bisher nicht kundig gemacht haben!