Ich weiß nicht, ob Sie alle keinen Zugang zu den Gesundheitsämtern in Ihrer Stadt haben oder ob gerade die CDU gemeinsam mit den Linken die schon mundtot gemacht hat. Ich darf mal aus dem Ausschuss für Soziales in Jena berichten. Vor der Sommerpause hieß es da noch, über Krankheiten und Seuchen und so unschöne Dinge wollte man lieber nicht öffentlich reden. Nach der Sommerpause hat man das doch getan und das Gesundheitsamt in Jena hat eindeutig darauf hingewiesen, dass es damit rechnet, dass impfbare Krankheiten nach Deutschland zurückkehren, zum Beispiel Tuberkulose, Typhus, Mumps, Masern, Röteln und auch solche Dinge wie Pocken. Pocken – das muss man sich mal vorstellen! Gesundheitsamt Jena, bitte fragen Sie da nach, wenn Sie sich bisher nicht kundig gemacht haben!
Ich frage mich mal, wie lange das Gesundheitsamt Jena das noch laut sagen darf. Nachdem ich das jetzt hier verkündet habe, sind sie sicher schnell dabei und sagen: Oh das darf man aber nicht mehr sagen. Zu Tuberkulose möchte ich auch mal sagen, dass Tuberkulose eine Inkubationszeit von mehreren Jahren haben kann. Ja, das ist dann überhaupt nicht mehr feststellbar. Die Gefahren sind da und man muss sie jetzt ansprechen und Sie verweigern sich einfach nur noch der Realität.
Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das kann ich nicht erkennen. Die Landesregierung auch nicht. Dann schließe ich die Aussprache. Zunächst die Feststellung, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist. Gibt es da Widerspruch? Das kann ich nicht erkennen.
Dann wurde mir berichtet, dass – alle Fraktionen haben ja die Aussprache beantragt – die Weiterberatung des Sofortberichts im Ausschuss beantragt ist. Das wäre demzufolge der Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit. Wer dem zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Das ist die Zustimmung aus allen Fraktionen. Danke schön.
Dann stimmen wir ab über den Antrag auf Ausschussüberweisung der Nummer II des Antrags. Auch hier ist Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit beantragt. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Danke schön. Das sieht sehr einstimmig aus, deswegen erübrigen sich alle anderen Abstimmungsfragen.
Direkte Demokratie stärken – Voraussetzungen für eine aktive Beteiligung der Bürger bei Abstimmungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene schaffen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/986
Gibt es den Wunsch nach Begründung von der antragstellenden Fraktion? Herr Abgeordneter Kießling hat sich gemeldet, obwohl der Parlamentarische Geschäftsführer geschüttelt hat, aber Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine lieben Abgeordneten, liebe Besucher auf der Tribüne, es gibt auch Abgeordnete, die sehen das Thema „direkte Demokratie“ nicht als wichtig an, wie man sieht, aber fangen wir trotzdem schon mal an.
Mit 52,7 Prozent Wahlbeteiligung zur letzten Landtagswahl besitzt dieses Haus eine recht schwache Legitimation. Zugleich ist der Landtag und die Wahl zum Landtag das Sinnbild für direkte Demokratie in Thüringen. Doch wenn gerade knapp 53 Prozent diese Form der Demokratie unterstützen, müssen wir uns ernsthafte Gedanken machen. Direkte Demokratie ist sicher kein Allheilmittel, aber sie kann das politische Interesse wieder entfachen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es dazu in Artikel 20 Abs. 1: „Die Bundesrepublik […] ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“
Artikel 2: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Man muss sich fragen, wann denn eigentlich die letzte Abstimmung stattgefunden hat. Die direkte Demokratie in Form von Abstimmungen zum Beispiel bei Sachthemen kann die Menschen wieder zu mehr Teilhabe animieren, deswegen hat die AfD-Fraktion den Ihnen vorliegenden Antrag eingebracht. Direktdemokratische Verfahren führen zu mehr Mitbestimmung des Volkes. Damit einher geht eine Steuerung bzw. Streuung der Macht gemäß dem Grundgesetz, so wie es das auch vorsieht. Diese Macht müssen die Regierung, der Landtag, kommunale Parlamente und Behörden abgeben. Die Exekutive und die kommunale Verwaltung werden durch die direktdemokratischen Verfahren adressiert. Um alle Akteure der Thüringer Politik einzubeziehen, sollte die Landesregierung den Aufschlag mit einem Entwurf machen, über den man diskutieren kann, und es sollte auch entsprechend vielseitig mit allen Beteiligten diskutiert werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne und am Livestream, der AfD-Antrag zielt darauf ab, das geltende Regelwerk der direktdemokratischen Mitwirkungsrechte auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene zu vereinfachen, einem Anliegen, dem insbesondere die Linksfraktion hier
im Haus grundsätzlich aufgeschlossen gegenübersteht, sodass ich gespannt bin, wie man sich gleich anschließend dazu positionieren wird.
Unsere Haltung hierzu ist jedenfalls unverändert. Meine Fraktion lehnt derartige Vorhaben nach wie vor ab. Daher werden wir auch, Herr Kießling, Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Volksentscheide, Bürgerbegehren usw. sind unbestritten wichtige Instrumente der direkten Demokratie in Deutschland. Mit derartigen Instrumenten, die in der Thüringer Verfassung sowie in der Thüringer Kommunalordnung explizit geregelt sind, ist es den Bürgern möglich, unmittelbar Einfluss auf die Landes- und Kommunalpolitik zu nehmen. So können die Bürger etwa eigene Gesetze auf den Weg bringen oder neue bzw. eigene Themen auf die politische Tagesordnung setzen.
An dieser Stelle lohnt sich ein Blick zurück ins Jahr 2003. Seit der Demokratiereform in diesem Jahr sowie dem in 2009 vom Thüringer Landtag verabschiedeten Volksbegehren-Gesetz hat Thüringen auf diesem wichtigen Feld im Vergleich zu den anderen Bundesländern einen weiten Sprung nach vorn gemacht. Ich spreche vom sogenannten Volksentscheidranking. Sie wissen, dass im Jahr 2010 Mehr Demokratie e. V. die Regeln für direkte Demokratie innerhalb der Bundesländer verglich. Hier konnte Thüringen in der Gesamtschau von einem letzten Platz nunmehr auf einen guten Platz 4 vorrücken. Im Wesentlichen wurde dieses Ergebnis bei einer weiteren Studie in 2013 erneut bestätigt.
Lassen Sie mich kurz einige wenige Eckpunkte nennen, die Thüringen bei der direkten Demokratie nach vorn gebracht haben. So wurden die Hürden bei Bürgerbegehren deutlich gesenkt. Seither sind auch auf Landkreisebene Bürgerbegehren möglich und aus dem bisherigen Bürgerantrag wurde ein Einwohnerantrag, für den höchstens 300 Unterschriften erforderlich sind. Überdies wurde bei Bürgerbegehren die Liste der Themen, die nicht zulässig sind, deutlich reduziert. Nicht zuletzt wurde der Zwang zum Kostendeckungsvorschlag entfernt und für ein Bürgerbegehren in freier Sammlung müssen seither 7 Prozent der Stimmberechtigten unterschreiben, also maximal 7.000 Menschen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die in unserer Verfassung sowie der Kommunalordnung festgeschriebenen Quoren für Volksbegehren und Volksentscheide sind ein klares Bekenntnis zur politischen Mitbestimmung der Menschen und können überdies auch als Modell für andere Länder dienen. Wie bereits erwähnt, wurden diese Regelungen erst im Jahr 2009 reformiert.
Dass es inzwischen weitere Reformvorschläge gibt, ist uns natürlich bekannt und darüber kann man immer auch reden. Aber klar gesagt werden muss auch, dass die Vorschläge etwa des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes und von Mehr Demokratie e. V. durchaus gegensätzlich sind. So fordert Mehr Demokratie e. V. zum Beispiel das sogenannte Ratsbegehren, wodurch der Gemeinderat Entscheidungen zu Einzelfragen auf den Bürger übertragen und damit auf diesen abwälzen kann. Aber das wollen wir nicht, denn dies widerspricht dem Sinn und dem Zweck des Bürgerentscheids. Denn ganz praktisch ist es so, die Verantwortung wird auf den Bürger verlagert und der gewählte Bürgervertreter, der genau deswegen gewählt worden ist und das Vertrauen der Menschen vor Ort erhielt, wird ausgehebelt.
Wir sagen aber auch – und damit komme ich zum Schluss, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen –, natürlich verwehrt sich die CDU-Fraktion einer konstruktiven Debatte zu einer Reform der einschlägigen Vorschriften nicht, gleichwohl sehe ich diesbezüglich aber keinen Handlungsbedarf.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächstem erteile ich dem Abgeordneten Krumpe, fraktionslos, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuhörer! Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, Hürden in der formellen Bürgerbeteiligung abzubauen. Dabei liegen die Forderungen weit unter denen des Deutschen Gemeinde- und Städtebunds. Dieser schlägt nämlich vor, erstens Ausschlussgründe für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu streichen, damit der gesamte Zuständigkeitskatalog der Gemeindevertretung einem Bürgerbegehren und Bürgerentscheid offensteht, und zweitens den Kostendeckungsvorschlag abzuschaffen, da Bürger in der Regel nicht über das notwendige Fachwissen verfügen, um eine sichere Abschätzung von Folge- und Betriebskosten in den Verwaltungen vorzunehmen. Wenn die Kommunalordnung geändert werden soll, dann
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aktuelle Studien belegen, dass mehr als 50 Prozent der Bürger als politisch zurückhaltend zu klassifizieren sind, und deshalb besteht die politische Aufgabe vordergründig in der Aktivierung von Bürgern aus allen sozialen Schichten mit unterschiedlichen Grundorientierungen.
Hierzu gehören selbstverständlich Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen ohne Internetzugang, Menschen mit geringer Bildung, Vielbeschäftigte, Jugendliche, Menschen mit Behinderung etc. Zitat Petra Böhnke: „Politische Beteiligung steigt mit der Verfügbarkeit über Bildung, Einkommen und Kompetenzen. Nicht Protest und Engagement, sondern Resignation und Apathie gehen mit prekären Lebenslagen einher […].“ Dabei existieren erprobte Methoden zur Aktivierung von Bürgern, nur werden diese in Thüringer Gemeinden nicht konsequent genug angewandt. Hierzu gehören unter anderem die Nutzung verschiedenster Kommunikationskanäle, aufsuchende Beteiligungsmethoden, Beteiligungen mit attraktiven, informellen Rahmenprogrammen, persönliche Ansprachen von Menschen, nonverbale Beteiligungsmethoden, aber auch mit strukturierten und transparenten Beteiligungsprozessen können Bürger aktiviert werden. Wie es aussieht, wenn die Bürgeraktivierung nicht gelingt, sieht man am Online-Diskussionsforum zur Bürgerbeteiligung der Landeshauptstadt Erfurt. Das Forum ist inhaltlich verwaist und ist den Strom des hostenden Servers nicht wert.
Als Zweites möchte ich das Potenzial der informellen Bürgerbeteiligung ansprechen, welches weit über der formellen Bürgerbeteiligung liegt. Denn, wie auch in unserem privaten Leben ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, wenn es formell wird, das heißt, wenn wir mit Gesetzen und Paragrafen versuchen unser Recht einzuklagen. Die informelle Bürgerbeteiligung hat ganz unterschiedliche Ausprägungen, wie zum Beispiel Bürgerforen, Zukunftskernkonferenzen, Runde Tische, Bürgerräte, Zukunftswerkstätten, Planungszellen, Bürgerhaushalte etc. Die informelle Bürgerbeteiligung besitzt das Potenzial, den Gemeinschaftssinn zu stärken. Sie ist identitätsstiftend, sie reduziert Konfliktverluste in der Umsetzung von Gemeindevorhaben, sie erschließt Ressourcen privater Akteure zur Bereitstellung von Leistungen auf lokaler Ebene. Sie entspricht am ehesten dem demokratischen Gedanken und verhindert emotional geführte Bürgerentscheide. Auch für die informelle Bürgerbeteiligung gibt es bereits bewährte Gelingensfaktoren, um ein Kräftedreieck – bestehend aus Bürgern, Politik und Verwaltung – auf Gemeindeebene herzustellen und mit den Bürgern dialogorientiert auf Au
genhöhe zu arbeiten. Im Zentrum der informellen Bürgerbeteiligung steht die gemeinsame Entwicklung verbindlicher Leitlinien zur strukturierten Beteiligung von Bürgern und Städte wie Potsdam, Heidelberg und Bonn bieten den Thüringer Gemeinden eine Blaupause, wie die direkte Demokratie tatsächlich gestärkt werden kann.
Liebe Kollegen, Bürgeraktivierung und Bürgerbeteiligung lassen sich aber nur realisieren, wenn sich die Verwaltungskultur hier im Freistaat Thüringen ändert. Von der Obrigkeits- zur Bürgerkommune heißt die Devise und auch vor diesem Hintergrund bitte ich die hier vertretenen Fraktionen, den Inhalt der Drucksache „Einsetzung einer Enquetekommission ‚Offenes und transparentes Regierungs- und Verwaltungshandeln‘“ thematisch noch einmal aufzugreifen und zu thematisieren. Leider fehlen mir hierzu die parlamentarischen Rechte, dieses Ansinnen selbst zu initiieren. Vielen Dank.
Das war eine Punktlandung, Herr Abgeordneter. Herzlichen Dank. Jetzt erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Kießling, AfD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Zuschauer, die deutsche Demokratie und die Demokratie in Thüringen stehen vor der Aufgabe, die Menschen wieder in die politischen Entscheidungen mit einzubinden. Das hat ja auch mein Vorredner sehr treffend ausgeführt. Seit Jahren beobachten wir einen Verlust der Legitimation des politischen Systems. Sollte die Wahlbeteiligung in Thüringen 2019 abermals rückläufig sein, werden wohl weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten wählen gehen. Das wirft viele Fragen auf, zum Beispiel hinsichtlich der Akzeptanz der derzeitigen Politik, aber auch hinsichtlich der Mitwirkungsrechte gemäß Artikel 20 Grundgesetz oder hinsichtlich der politischen Heimat, die den Bürgern eine parlamentarische Demokratie sein soll.
Der Thüringen-Monitor verrät traurige Zahlen: 40 Prozent der Menschen in Thüringen sind mit der demokratischen Praxis unzufrieden. Warum wohl, fragt man sich da? Die jetzigen Abläufe in der Parlamentsdemokratie sind zurzeit nicht geeignet, den Großteil der Menschen hinter dem Ofen hervorzulocken! Ich sage Ihnen auch, warum: Gute Ansätze der Opposition werden prinzipiell von der Parlamentsmehrheit überstimmt oder von vornherein abgelehnt, da von einer Oppositionspartei – liebe Linke, das wissen Sie ja. Was sollen die Leute da draußen davon halten? Eine wirklich konstruktive Kritik des Parlaments an der Regierung gibt es