Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sage ich Ihnen, ich bin sehr stolz auf diese Truppe, dass sie bereit ist, ihr eigenes parteipolitisches Ego zurückzustellen und diese Strukturreform für das Land anzuregen.

Kollege Huster, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Abgeordneten Meißner.

Nein, es tut mir leid, mir fehlt die Zeit dafür.

Ich hätte Sie Ihnen gegeben.

Ja, dann am Ende meiner Rede.

Am Ende der Rede, okay.

Dann will ich Ihnen mal sagen, zu dieser Unehrlichkeit gehört auch, dass Sie hier jedes Mal dieses Riesentheater veranstalten und mir dann unten in der Tiefgarage die Kollegen Ihrer Fraktion über den Weg laufen, die sich bedanken und froh sind, dass jetzt jemand diese unbeliebte Reform macht, meine Damen und Herren. Das gehört auch mit dazu.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Wir leisten einen Beitrag, die Glaubwürdigkeit in der Politik wiederherzustellen. Deshalb werden wir diese Strukturreform durchziehen.

(Unruhe CDU)

Und Sie haben die Chance, sich nach wie vor produktiv in diesen Prozess einzubringen. Mit konsequentem Nein-Sagen und diesen populistischen Reden, die Sie hier halten, werden Sie keinen Erfolg haben, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So, Frau Meißner, jetzt wäre die Gelegenheit zur Zwischenfrage.

Herr Kollege Huster, Sie sprachen von einem parteipolitischen Konsens, an dem Sie interessiert

(Abg. Huster)

sind. Sind Sie denn auch an einem Konsens mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes interessiert und haben Sie deswegen den Mut, im Rahmen eines Volksentscheids die Bürger dieses Landes darüber entscheiden zu lassen, wie es immerhin Ihr Ministerpräsident 2006 auch versprach?

Frau Meißner, ich will Ihnen was sagen – Sie werden auch diesen Versuch nicht erfolgreich beenden können –: Ich bin fest davon überzeugt, ein parteipolitischer Konsens über die Notwendigkeit dieser Reform müsste hergestellt sein, er müsste seit mindestens zehn Jahren hergestellt werden, diesem haben Sie sich verweigert. Wir haben versucht, in diese Reform alle möglichen denkbaren Elemente von direkter Bürgerbeteiligung, von mehr Mitsprache vor Ort einzubringen. Wir glauben aber auch – und das will ich auch sagen –, dass diese Reform zum jetzigen Zeitpunkt notwendig ist für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Keine Ant- wort!)

Ich habe noch eine Wortmeldung des Kollegen Henke, Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste! Kurz Bezug nehmend auf Herrn Huster: Wir können uns gern zusammensetzen, ich kann Ihnen die Unterlagen zeigen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Huster war vor Ort!)

Wir können uns darüber unterhalten, dann kann ich Ihnen das zeigen. Was Sie aber jetzt nicht gesagt haben, zu dieser Stadtratssitzung wurde ein Konzept vorgelegt – rot-grün – zur Entwicklung der Region, die entlang der Achse Eisenbahn Richtung Leipzig von Weida bis Crossen gehen soll.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Sie haben gelogen, kein anderer!)

Nein, nein, nein! Die Unterlagen kann ich Ihnen zeigen, dabei wollen wir mal schön bleiben! Da muss man sagen, hier wird wieder nicht mit offenen Karten gespielt, nein, VG-Chefs, die Bürgermeister lässt man draußen herumrennen wie die Hamster im Rad

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Lügen- Henke!)

und macht dann doch etwas anderes. Das ist die Tatsache. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Jetzt hat sich Abgeordneter Hey, Fraktion der SPD, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin jetzt spontan nach vorn gegangen, weil normalerweise vereinbart war, dass unsere kommunalpolitischen Sprecher diese Debatte hier führen. Aber was mich im letzten Viertelstündchen hier herumgetrieben hat und hier vorn ans Pult getrieben hat, ist unter anderem eben auch die Art und Weise der Debatte, die – mein Kollege Huster hat das eben auch schon gesagt – wieder in eine Form der Kriegsrhetorik abgleitet.

Lieber Wolfgang Fiedler, wir kennen uns jetzt schon ein paar Jahre, ich schätze dich sehr, aber man muss hier vorn nicht unbedingt solche Bilder hervorholen wie die Tatsache, dass diese Landesregierung oder diese Koalition im Rücken bereits ein Messer bereithielte, um dann zuzustechen. Das muss nicht sein.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Schreispirale – so will ich das jetzt mal nennen –, die mittlerweile leider auch in der Politik Einzug gehalten hat, nicht unbedingt förderlich ist für eine konstruktive Debatte zu einer sehr, sehr wichtigen Reform, die dieses Land bitter nötig hat. Zum anderen steht es diesem Haus nicht sehr gut zu Gesicht, wenn man immer wieder – wie zum Beispiel durch einen meiner Vorredner, den Kollegen Mohring – von einem sogenannten Generalangriff auf den ländlichen Raum redet, wenn ich in der Zeitung ständig lese, wir wollten den ländlichen Raum plattmachen.

Ich komme mir fast schon vor, als wäre Thüringen kurz vor einem Bürgerkrieg, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist doch Unsinn! Deswegen bitte ich einfach, wieder zurückzukommen, in der Mitte vom Fenster zu bleiben und einfach zu sagen: Wir sind auf mitteleuropäischem Niveau. Wir reden über eine sehr, sehr wichtige Reform sicherlich, aber dann sollten wir bitte solche Bilder, wie ich sie eben hier habe wieder hören müssen, einfach einmal zur Seite legen und wieder sachlich und in dieser Form gut miteinander auskommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das eine.

(Abg. Meißner)

Herr Mohring, wie Sie ein Gutachten, das keines ist, sondern eine Doktorandenarbeit, hier zu einem Gutachten hochqualifizieren, um daraus zitieren zu können, ist ein altes Spiel. Wir machen das sicherlich – ich will das ganz fair sagen – auf beiden Seiten so, dass die eine Seite Gutachten, die auf der einen Seite bestimmte politische Prozesse begleiten, in irgendeiner Form eine Richtigkeit unterstellt und die Opposition natürlich bestimmte Schriftstücke oder Gutachten hat, die eben genau das in Abrede stellen, und diese hier immer wieder zitiert werden. Aber auch da müssen wir bei der Wahrheit bleiben: Ein Gutachten ist ein Gutachten.

Politik wird aber letzten Endes, auch wenn wir uns beraten lassen, immer noch hier von den Parlamentariern gemacht. Das ist gute Sitte hier in diesem Haus – übrigens in jeder parlamentarischen Demokratie. Man kann immer wieder versuchen, das vorzuziehen, und sogar noch den Vorwurf machen, man würde die Experten, die sich in dieser Form auch geäußert hätten, vollständig außer Acht lassen und würde hier Politik vor die Wand und vor die Schranke machen und was ich alles hier gehört habe. Aber es gibt eben – auch das ist letzten Endes ein Zeichen der Fairness und das muss man auch anerkennen – auch Gutachten, die genau das Gegenteil beweisen und die sagen: Natürlich ist es notwendig, Strukturen in einem bestimmten Zeitrahmen, alle zehn, zwanzig, dreißig Jahre, meinetwegen auch in den Bundesländern, in diesem föderalen System der Bundesrepublik Deutschland mit anzufassen. Das wissen Sie genauso gut wie ich und selbstverständlich zitieren Sie nicht daraus. Aber es wäre doch zumindest für die Sachlichkeit dieser Debatte eine äußerst schöne Geschichte, wenn Sie wenigstens anerkennen würden, dass nicht nur das, was Sie zitieren, der Weisheit letzter Schluss ist, sondern dass es sehr viele Wissenschaftler gibt, die auch zu anderen Auffassungen gekommen sind. Es wird uns in dieser Form unbenommen bleiben, auch auf diese Leute zu hören. Das ist zumindest meine feste Auffassung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben Sie, Herr Mohring, – das hat mich auch hier nach vorn getrieben – eine relative steile These aufgestellt, die mir Sorgen macht in der Form, wie Sie sie vorgetragen haben, aber auch wegen des Inhalts. Sie sagen, man müsse nun nicht unbedingt nach Mecklenburg-Vorpommern schauen und das als ein Paradebeispiel nehmen und sich dort einmal die Wahlergebnisse anschauen, aber da hätte man gesehen, dass durch den Rückzug – ich gebe zu, Sie haben „Rückzug“, nicht „Wegzug“ gesagt – der staatlichen Gewalt aus dem ländlichen Raum letzten Endes eines passiert wäre: Es hätte die Parteien am extrem rechten Rand und es hätte die AfD besonders stark gemacht.

Es ist eine sehr steile These, dass diese Gebietsreform, die sicherlich auch in Mecklenburg-Vorpommern bitter notwendig war – ich will den Kolleginnen und Kollegen gar nicht ins Wort reden, die müssen ihre Entscheidungen selbst treffen und werden gute Gründe gehabt haben –, jetzt auch noch dafür herhalten muss, dass die AfD stärker geworden ist. Das kann insoweit, Herr Mohring, schon deswegen nicht stimmen, weil dann hier drüben auf dieser Seite eine Partei sitzen müsste, die der Gebietsreform das Wort redet und uns ermuntert und sagt: Macht das nur, damit wir Stimmenzugewinne haben. Genau das tun die nicht und deswegen stimmt Ihre These nicht. Ich wäre an Ihrer Stelle auch relativ vorsichtig, mit so einer These hier letzten Endes noch zu versuchen, in irgendeiner Form Meinungsmache zu betreiben. Das hat Thüringen und das hat dieses Parlament – glaube ich – in der Form und der Ernsthaftigkeit dieser Debatte nicht verdient.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen, Herr Mohring, ich weiß nicht, ob es so anklingen sollte, aber mir ist es letzten Endes ein bisschen so zu Ohren gekommen: Es ist ein bisschen so, als hätte sich Rot-Rot-Grün eine Art – ich will mal sagen – Generalprojekt in den Koalitionsvertrag formuliert und das ist das Einzige, was wir jetzt durchziehen wollen. Entgegen jedweder Form, was Expertisen sagen, was Wissenschaftler sagen, wird das jetzt blind und ohne eine Form der Beratung, die von außen her kommen könnte, durchgezogen. Das sei eben auch ein Merkmal von Rot-Rot-Grün.

Ich will Ihnen nur eines sagen – ich habe das heute nicht vorgetragen; mein Referent hat das mal zusammengetragen seit 1974 aus allen möglichen Bundesländern, damals natürlich auch noch aus den Ländern der alten Bundesrepublik Deutschland, später nach 1990 natürlich auch Gebietsreformen, die auf dem Gebiet der damaligen DDR oder des jetzigen, des neuen vereinten Deutschlands gemacht wurden –: Das waren zum großen Teil auch CDU-Regierungen, die das mit angepackt haben. Das können Sie nicht wegwischen. Das geht seitenweise, ich wollte heute gar nicht hier vorgehen und das alles vortragen, ich habe es auch leider jetzt oben im Büro. Ich könnte Ihnen Zitate von Parteifreunden, von Ihrer eigenen Partei, also beispielsweise CDU-Landräten, vortragen, die der damaligen Regierung widersprochen und gesagt haben: Es ist vollkommener Wahnsinn, was hier passiert. Da wurde auch vom „Angriff auf den ländlichen Raum“ und von „keine Ahnung“ usw. gesprochen. Das könnte ich Ihnen hier alles von 1974 bis heute herbeten und es würde die Sache trotzdem nicht besser und diese Debatte auch nicht erhellender machen. Aber das gehört zur Fairness dazu, dass man sagt – weil ich das ja vorhin auch gehört

habe: Hören Sie doch mal bitte auf Ihren Landrat in Schmalkalden-Meiningen und den Landrat Wolfram, was die alle dazu sagen –: Natürlich ist eine solche Reform im regionalen Bezug für die dortigen Entscheidungsträger auch immer eine ganz schwierige Veranstaltung. Und es ist vollkommen normal, dass die sich in irgendeiner Form natürlich auch kritisch äußern. Das aber letzten Endes als Punkt zu nehmen und zu sagen, dass das doch letzten Endes – sagen wir mal so – das Merkmal dessen ist, dass alles das, was wir hier wollen, vollkommen falsch sein muss, weil die eigenen Leute da Kritik üben, das könnte ich genauso gut widerspiegeln auf diese Liste, die ich da oben liegen habe und die ich jetzt – wie gesagt – gar nicht vortragen würde, da würde die restliche Redezeit gar nicht reichen.

Und dann will ich Ihnen noch sagen: Sie machen sich hier – das habe ich auch wieder bei der Rede von Wolfgang Fiedler gehört, die VGs würden alle wunderbar funktionieren –, Sie machen sich hier zu Anwälten der VGs, Sie klopfen sich die Hände wund, immer, wenn das hier angesprochen wird. Ich habe den Antrag hier noch mal mit vorgebracht – ich mache das immer wieder gern –, als wir 2011 gemeinsam unter Schwarz-Rot gesagt haben: Mit VGs ist irgendwann mal Schluss, da ist der Zukunftshorizont erreicht, wir wollen diese Form der Verwaltungsgemeinschaften, diese Form der kommunalen Verwaltung grundlegend ändern.

(Beifall SPD)