Wie einseitig und verallgemeinernd Sie sich tatsächlich den Opfern von Terroranschlägen stellen, wird hier auch am Anschlag auf die Fatih-Camii-Gemeinde in Dresden im September des vergangenen Jahres sichtbar. Es war nicht nur – wie sich später herausstellte – ein Claqueur der AfD der Täter, sondern es war wiederum Höcke, der in einer Pressemitteilung kein Wort des Gedenkens an die Opfer richtete, sondern die Verurteilung dieses Anschlags auf die Moschee damit begründete, dass damit das Ansehen der Opposition, und damit meinte er die AfD, beschädigt werde. Das war das Motiv der Kritik der AfD an diesem Anschlag und nicht die Ansprache des Aufeinanderzugehens an die Opfer. Aber es ist auch nicht verwunderlich, wenn man durch seine politischen Auftritte genau den Nährboden, genau die Motivation für die Täter liefert, wie es sich ja im konkreten Fall dann tatsächlich auch herausgestellt hat.
Die AfD behauptet in ihrem Gesetzentwurf drittens, es gebe keinen Gedenktag für die Opfer des Terrors bzw. islamistischen Terrors, und das ist einfach falsch. Da verweise ich nicht auf den Volkstrauertag wie Frau Walsmann, sondern ich verweise auf den 11. März,
Der 11. März ist der Tag des Terroranschlags in Madrid, der 191 Menschen das Leben kostete. Aber das reicht der AfD natürlich nicht, weil hier allen Opfern von Terrorismus gedacht wird. Darum geht es der AfD nicht. Es geht Ihnen um einen Teil von Opfern, oder vielmehr: Es geht Ihnen um einen Teil der Täter. Und ich wiederhole, was ich am gestrigen Tag hier schon von diesem Pult gesagt habe, um die Dimension des Terrorismus weltweit einmal zu beschreiben: Im Jahr 2015 gab es weltweit 14.806 Terroranschläge. 80 Prozent der Opfer, die bei diesen Terroranschlägen umkamen, waren Muslime. Ich finde es angemessen, wenn wir allen Opfern von Terrorismus gedenken und uns nicht die Opfergruppe oder die Tätergruppe heraussuchen, die in unser politisches Kalkül passt. Und das heißt bei der AfD – das politische Kalkül –, das Feindbild des Islam, das Feindbild der Muslime weiter in diese Gesellschaft zu treiben, was letztendlich den Nährboden für rassistische Übergriffe, für rassistisch motivierte Anschläge auf Flüchtlingsheime
Ich will abschließend auch darauf noch einmal eingehen, was Frau Walsmann gesagt hat. Wie geschichtsvergessen Sie sind, zeigt sich allein an der Tatsache, dass Sie es im Gesetzentwurf, aber auch in Ihrer Rede vollkommen unterlassen haben, darauf hinzuweisen, dass der 19. Dezember bereits ein Gedenktag ist, nämlich für 500.000 Menschen, die durch den Nationalsozialismus industriell vernichtet wurden, nämlich die Sinti und Roma. Dieser Tag ist der Gedenktag, der den Opfern dieses Völkermordes, den Sinti und Roma, gedenken soll. Ich glaube, es wäre angemessen, auch für uns in diesem Hause, diesen Gedenktag auch in Zukunft stärker mit Leben zu füllen. Sie sind jedenfalls kein Gesprächspartner für uns, um über Gedenkkultur für Opfer von Terrorismus, für Opfer menschenverachtender Verbrechen zu diskutieren. Ihr Gesetzentwurf ist abzulehnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Und nun spricht zu uns Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, die heute dieser Debatte folgen! Es geht um das Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetz und insofern, glaube ich, tut es auch not, über das Gedenken zu sprechen, denn genau das beinhaltet das Gesetz. Herr Möller, Sie haben die Frage gestellt oder Sie haben behauptet, dass es pietätlos war, in Berlin nach dem Anschlag, drei Tage später, den Weihnachtsmarkt wieder zu öffnen. Ich glaube, der Anschlag in Berlin hat uns alle in besonderer Weise getroffen. Unsere Gedanken und unser Respekt sind bei den Opfern und den Hinterbliebenen dieses furchtbaren Anschlags. Aber ich habe die Debatte, wie viele andere, in Berlin auch sehr genau verfolgt, warum man sich entschieden hat, den Weihnachtsmarkt wieder zu öffnen. Was hat denn dieser Terrorist mit dem Anschlag bezwecken wollen? Terroristen wollen anderen ihre Lebensweise aufzwingen. Sie wollen beispielsweise Weihnachtsmärkte verunmöglichen. Sie wollen sie zu unsicheren Räumen machen. Und ich fand es ein gutes, ein wichtiges und ein mutiges Signal, zu sagen: Nein, wir lassen uns von Terroristen die Tagesord
nung nicht diktieren; wir lassen uns auch von Terroristen nicht die Öffnungszeiten für Weihnachtsmärkte diktieren; wir lassen uns unser Leben vom Terrorismus nicht diktieren, denn dann haben die Terroristen gewonnen. Das wollen sie, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Insofern war es eine bewusste, eine kluge, eine gut abgewogene Entscheidung, die auch mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen einherging. Auch in Erfurt haben wir das erlebt, dass der Weihnachtsmarkt besonders gesichert wurde. Ich glaube, das hat jeden betroffen gemacht, der das gesehen hat. Trotzdem war und ist es richtig, dass wir unsere Kultur, dass wir unser Leben weiterleben und es uns eben nicht von Terroristen bestimmen lassen. Genauso richtig ist – das hat hier Frau Pelke schon ausgeführt, auch Herr Dittes und Frau Walsmann haben es erwähnt –: Es darf niemals einen Missbrauch von Opfern und von Terrorismus für eigene politische Zwecke geben. Das, was die AfD hier macht oder versucht, ist aber genau das, und das macht es so schäbig, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das macht es so schäbig, weil es sehr viele Opfer von unterschiedlichstem Terrorismus gibt. Der Terrorismus der RAF ist hier schon angesprochen worden, auch ein finsteres Kapitel, mit dem es sich auseinanderzusetzen gilt, aber auch rechtsextremer Terror, der immer und immer wieder stattgefunden hat und schon viele Todesopfer gefordert hat, der NSU-Terror, mit dessen Aufarbeitung wir uns hier in einem Untersuchungsausschuss beschäftigen – all diese Terroristen wollten die Gesellschaft treffen, wollten bestimmte Lebensentwürfe treffen, wollten auch Vorstellungen treffen, die mit den ihrigen nicht übereinstimmen. Genau deshalb darf es nicht sein, dass wir nach Opfergruppen unterscheiden, sondern dass wir tatsächlich solidarisch sind mit allen, die Opfer von terroristischer Gewalt werden, und uns eben nicht eines herauspicken, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es ist hier schon vieles genannt worden, was beispielhaft sicherlich vielen auch im Bewusstsein ist. Der Anschlag auf die Rhein-Main Air Base – ich erinnere daran – am 8. August 1985 war ein Anschlag der RAF oder aber auch der furchtbare Brandanschlag auf das Wohnhaus in Solingen am 29. Mai 1993, bei dem fünf Menschen starben und 22 verletzt wurden durch einen rechtsextremen Brandanschlag. Es gab auch einen Brandanschlag am 18. Januar 1996 auf ein Flüchtlingsheim in Lübeck mit zehn Toten und es gab auch den Brandanschlag, der hier schon erwähnt wurde, auf die Moschee in Dresden erst im letzten Jahr, der glück
licherweise ohne Opfer blieb. Am 25. Oktober 2016 gab es in Döbeln einen furchtbaren Brandanschlag mit zwölf Verletzten. Das waren zwölf Verletzte aus einer syrischen Großfamilie, der Täter war vermutlich ein Reichsbürger.
Man muss sich schon die Frage stellen: Warum hat die AfD dies heute hier beantragt? Diese Frage muss man in besonderer Weise stellen, wenn man die zwei Debatten, die mein Kollege Steffen Dittes hier schon ausgeführt hat, zu anderen Gedenk- und Feiertagsdebatten einmal reflektiert. Er hat es schon erwähnt, wir haben den 8. Mai aus guten Gründen und wegen der Singularität der Verbrechen im Erinnern an die Schoah zum Gedenktag gemacht. Wir haben genauso auch den 17. Juni zum Gedenktag gemacht, weil uns hier eine besondere Verantwortung auch und gerade aus der Vergangenheit in der ehemaligen DDR erwächst. Was hat die AfD damals dazu gesagt? Es gibt einen Plenumsbericht, so nennen Sie das, vom 20. April 2016, da sagt die AfD: „Die [...] Einführung weiterer Gedenktage lehnt die AfD ab, weil eine Gedenktagsinflation nicht sinnvoll ist.“ Jetzt kommt sie mit diesem Gesetzentwurf in einer Zeit, in der diskutiert wird, tatsächlich auch über interreligiösen Dialog, in einer Zeit, in der wir gerade erst vor zwei Tagen auch hier in diesem Raum eine öffentliche Anhörung zu einem geplanten Moscheebau hatten, weil es hier eine Petition bezüglich des Baurechts gibt, und in einer Zeit, in der Islamophobie leider auch immer größere Kreise zieht.
Man kann diese Debatte natürlich auch nicht losgelöst von der Rede von Herrn Höcke in Dresden betrachten. Auch ich muss noch einmal darauf verweisen.
Allerdings ist es keine neue Erkenntnis, wie die AfD agiert und denkt. Gestatten Sie mir ein Zitat des Präsidenten des Bundeskriminalamts vom 9. Mai 2016. Da sagte er: „Die rechtspopulistische AfD fördert mit ihrem Auftreten nach Einschätzung von BKA-Präsident Holger Münch rechtsextreme und rassistische Strömungen. ‚Die AfD hat Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft salonfähig gemacht‘, sagte der Leiter des Bundeskriminalamtes […].“ Sie bietet den „ideologischen Nährboden für die rechte Hetze auch im Netz“ und verleihe ihr einen „legalen Anstrich“.
Die Strategie des gezielten Tabubruchs, Herr Höcke, haben Sie mehr oder weniger auf perfide Weise perfektioniert. Das hat Ihre Rede in Dresden gezeigt, wo Sie von einer beschämenden Erinnerungskultur gesprochen haben, wo Sie eine 180Grad-Wende gefordert haben. Ich werde jetzt auch noch einmal, damit alle wissen, worum es da ging, aus der Rede von Herrn Höcke zitieren, denn wenn man das hört, wird auch sehr deutlich, wie man Ihre
Einen kleinen Augenblick, Frau Abgeordnete. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Brandner.
Ich zitiere aus der Rede von Herrn Höcke: „Die Bombardierung Dresdens und der anschließende Feuersturm vernichteten das Elbflorenz und die darin lebenden Menschen. Die Bombardierung Dresdens war ein Kriegsverbrechen. Sie ist vergleichbar mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki. Mit der Bombardierung Dresdens und der anderen deutschen Städte wollte man nichts anderes, als uns unsere kollektive Identität rauben. Man wollte uns mit Stumpf und Stiel vernichten, man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der dann nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das auch fast geschafft. Deutsche Opfer gab es nicht mehr, sondern es gab nur noch deutsche Täter. Bis heute sind wir nicht in der Lage, unsere eigenen Opfer zu betrauern.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so etwas nennt man auch Schuldkult. Das kennen wir von Nazis seit vielen Jahren. In der AfD ist es offenkundig auch längst angekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal Bezug nehmend auf den Gesetzentwurf, ich bin hier ganz bei den Kolleginnen von der SPD, von der Linksfraktion und auch von der CDU: Es gibt bereits einen europäischen Gedenktag, mein Kollege Dittes hat darauf verwiesen. Der 19. Dezember gehört den Opfern der Sinti und Roma, den Hunderttausenden, die von den Nazis ermordet wurden. Diesen Gesetzentwurf, der einzig und allein Ihrer Ideologie und der Instrumentalisierung einer Opfergruppe dient, lehnen wir ab. Vielen herzlichen Dank.
Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Gibt es noch Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Die Landesregierung hat ebenfalls nicht um das Wort gebeten. Damit schließe ich die Aussprache. Wurde Ausschussüberweisung gewünscht? Herr Abgeordneter Möller.
Dann lasse ich über diese Überweisung abstimmen. Wer der Überweisung dieses Antrags an den Innen- und Kommunalausschuss folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der AfD-Fraktion. Die Gegenstimmen bitte. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt. Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.
a) Die Würde von Schwerstkranken und Sterbenden achten – Hospiz- und Palliativversorgung in Thüringen ausbauen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1315 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/3131
b) Palliativ- und Hospizversorgung in Thüringen stärken Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1370
Zunächst hat Abgeordneter Kubitzki aus dem Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags vom 27. November 2015 ist der Antrag der CDU-Fraktion an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit überwiesen
worden. Der besagte Ausschuss hat den Antrag in seiner 14. Sitzung am 10. Dezember 2015, in seiner 15. Sitzung am 21. Januar 2016, in seiner 18. Sitzung am 14. April 2016, in seiner 19. Sitzung am 12. Mai 2016 sowie in seiner 25. Sitzung am 1. Dezember 2016 beraten und im Rahmen der Beratungen und in diesem Zeitraum auch ein mündliches Anhörungsverfahren zum Thema durchgeführt. Nach der Anhörung gab es von den Fraktionen der Koalition einen Vorschlag, der entweder als Alternativantrag eingebracht werden sollte, den wir in die Diskussion des Ausschusses eingebracht haben. Und in einer sachlichen und fairen Diskussion haben sich die Fraktion der CDU und die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, dass im Interesse der Betroffenen, im Interesse der Angehörigen von erkrankten Menschen wir als Landtag ein Zeichen setzen sollen, dass dieses Thema sehr sensibel ist und dass sich der Landtag geschlossen zu diesem Thema bekennt. Demzufolge wurde dann in einer, wie gesagt, fairen und sachlichen Verhandlung der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zu Punkt II des ursprünglichen Antrags durch die Mitglieder der CDU-Fraktion und die Mitglieder der Koalitionsfraktionen als Änderungsantrag zum CDU-Antrag bestätigt. Deshalb empfiehlt der Ausschuss für den Punkt II, der in der ursprünglichen Fassung des Antrags gestrichen wurde, eine Neufassung, in der die Landesregierung gebeten wird, die – erstens – Hospiz- und Palliativversorgung in Thüringen einer Bedarfsanalyse zu unterziehen und bis Ende des 3. Quartals 2017 dem Landtag über die Ergebnisse zu berichten, dass auf der Grundlage dieser Bedarfsanalyse ein Hospiz- und Palliativplan erarbeitet wird, er Eingang findet in den 7. Thüringer Krankenhausplan und dass – drittens – der bestehende Runde Tisch „Hospizarbeit und Palliativmedizin in Thüringen“ weiter gestärkt wird, dass – viertens – die Bildung von Palliativteams in den Thüringer Krankenhäusern zu unterstützen ist und dass – fünftens – besonders das ehrenamtliche Engagement zur Begleitung der Angehörigen und zur Bewältigung der Trauer zu stärken und zu unterstützen sei. Die Nummer III des ursprünglichen Antrags wurde mit den Stimmen der Mehrheit des Ausschusses gestrichen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache und als Erstem erteile ich dem Abgeordneten Zippel, CDU-Fraktion, das Wort.
die gute Darlegung der Debatte, die wir im Ausschuss hatten. Ich will mich an der Stelle gleich zu Beginn auch herzlich dafür bedanken, dass wir einer guten parlamentarischen Tradition folgen und bei derartig sensiblen Themen einen guten Konsens gefunden haben, uns in langen und intensiven Debatten dem Thema gut angenähert haben und jetzt einen Antrag vorliegen haben, der – denke ich – qualitäts- und gehaltvoll ist und vor allen Dingen auch der mündlichen Anhörung im Ausschuss entsprechend Rechnung trägt.