Protokoll der Sitzung vom 03.03.2005

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass dieses Thema auf solch großes Interesse stößt, weise aber noch einmal darauf hin, dass für Nachfragen die Knöpfchen nur gedrückt werden können, während der Redner die reguläre Frage, nicht aber die Nachfragen beantwortet.

Die Fragestellerin Gregor hat per Knopfdruck Nachfragebedarf signalisiert. Es ergibt sich folgende Reihenfolge der Fragesteller: die Abgeordnete Gregor, anschließend Herr Domres, Herr Schulze, Frau Dr. Enkelmann und Herr Sarrach. - Zunächst ist Frau Gregor mit ihrer Nachfrage an der Reihe.

Meine Frage passt genau zu dem, worüber wir gerade diskutiert haben. Ich glaube, dass es - der große Nachfragebedarf zeigt es - ein Kommunikationsproblem gibt, und frage deshalb den Ministerpräsidenten, wie man in den Regionen außer über die Presse über das Thema kommunizieren will und man der Wirtschaft verlässliche Rahmendaten liefert. Es geht nicht nur darum, Branchen und Cluster zu fördern, sondern auch um eine gewisse Verbindlichkeit in der Frage, in welcher Höhe sich die Förderung bewegt.

Frau Gregor, ich habe eben schon darzustellen versucht -, dass wir bei der Diskussion zu diesen Entwürfen keinen wichtigen gesellschaftlichen Bereich und keine gesellschaftliche Gruppe - beides ist jederzeit erweiterbar - auslassen wollen und werden. Diese Diskussion soll in den nächsten Wochen und Monaten stattfinden. Zielstellung für die neue zentralörtliche Gliederung samt finanzieller Ausstattung, was sich dann im FAG ausdrücken muss, ist das Wirksamwerden zum 1. Januar 2007. Das Ganze muss ja noch einem Gesetzgebungsprozess und einer ausführlichen Abstimmung mit Berlin unterzogen werden; das versteht sich von selbst.

Wir haben gesagt, dass wir zunächst die Diskussion im Lande führen. Ab 01.01.2007 soll das neue Prinzip wirken. Die Wirtschaftsfördermechanismen werden diesem Prinzip folgen. Ich beschreibe ja keinen Schwarz-Weiß-Prozess, sondern einen Prozess, der in Teilen am Laufen ist. Er muss in seinen Konturen geschärft und in seinem Profil klar erkennbar sein.

Es ist doch schon längst nicht mehr so, dass der Wirtschaftsminister das Geld nach dem Gießkannenprinzip verteilen und überall gleichermaßen fördern kann. Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren Stück für Stück zusehends auf bestimmte Branchen, Zukunfts- und Kompetenzfelder ausgerichtet. Danach werden wir auch in Zukunft verstärkt vorgehen; das wird in den nächsten Monaten stattfinden.

Danke sehr. - Herr Domres, jetzt haben Sie Gelegenheit, Ihre Frage zu stellen.

Herr Ministerpräsident, ich teile Ihre Auffassung, dass es noch eine ganze Reihe Zukunftsängste und Enttäuschungen im Lande, gerade in Wittenberge, gibt. Vor diesem Hintergrund frage ich: Ist die neue Leitbilddiskussion, die Diskussion um die künftige Wirtschaftsförderung, der Beginn einer neuen Kreisgebietsreform?

Zweitens: Welche Konsequenzen haben die Orte, die auf kurze Sicht den Status Mittelzentrum verlieren, zu befürchten?

Herr Domres, ich habe es bereits gesagt und sage es hier im Parlament gern noch einmal: Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren keine neue Kreisgebietsreformdebatte führen; das ist ganz klar. Wir werden jede Bewegung unterstützen - davon gibt es im Land etliche, und zwar nicht nur an einem Punkt -, mit der wir zu einer verbesserten Aufgabenerledigung, zu einer verbesserten Aufgabenteilung - diesbezüglich haben wir die Ideenliste längst noch nicht ausgereizt, darüber sind wir uns einig - kommen. Stichwort E-Government: Dies sehen wir als ein wirkliches Zukunftsfeld für die nächsten Jahre an. Zum einen trägt es sehr zur Effektivitätssteigerung der eingesetzten Mittel bei und zum anderen wird die Lebensqualität der Bürger erhöht. Dieses Feld bietet noch riesige Chancen und Möglichkeiten, die in diesen Prozess eingeordnet und in den nächsten Jahren ausgereizt werden können. Diese Aufgaben stehen vor uns, nicht aber eine neue Kreisgebietsreformdebatte.

Ein weiterer Punkt: In Ihrer Partei wurden hin und wieder Stimmen laut, wir würden die Verfassung verletzen. Ziel ist es, bis zum 1. Januar 2007 zu klären, wie Gemeinden unter den veränderten Rahmenbedingungen ausgestattet sein müssen, um zunächst Grundbedürfnisse zu erfüllen. Dazu werden wir Gutachten erstellen lassen.

Des Weiteren ist die Frage zu klären, welche zusätzlichen zentralitätsbedingten Veredelungen, wie es so schön heißt, möglich, angesagt und vor allem für die nächsten Jahre tragfähig sind. Das alles soll im Diskussionsprozess der nächsten Monate geklärt werden.

Danke sehr. - Die nächste Nachfrage kommt vom Abgeordneten Schulze.

Herr Ministerpräsident, was können Sie den Vorwürfen, Regionen würden abgehängt, weiße Flecken würden entstehen, ein grüner Armutsgürtel - ein Begriff, der heute kreiert wurde würde sich bilden, entgegensetzen? Welche besonderen Schwerpunkte möchte die Landesregierung in den Randregionen setzen?

Zweitens: Welche besondere Rolle soll der Lausitz aus Sicht der Landesregierung in Zukunft zukommen?

Die Abbildungen in den Zeitungen zeigen - wenngleich sie auch stark vergröbern, aber das ist ja verständlich - aus meiner Sicht zumindest sehr deutlich, dass es einen solchen grünen Armutsgürtel nicht geben wird. Ich habe gesagt, dass ich keine beruhigten Gemüter brauche, sondern eine heftige Debatte. Von daher kann ich auch damit leben, wenn derartige Bezeichnungen aufkommen. Wir müssen allerdings gemeinsam dafür sorgen, dass es nirgendwo zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen kommt.

Die Diskussion muss heftig sein, damit sie auch gute Ergebnisse hervorbringt. Wenn wir konstatieren müssen, dass laut ei

ner Umfrage nur 16 % der Menschen schon einmal etwas von einer demographischen Herausforderung gehört haben, dann ist das ein ernstes Zeichen dafür, dass wir es bisher versäumt haben - übrigens nicht nur in Brandenburg, sondern deutschlandweit -, eine solche Diskussion zu führen.

Es darf nicht passieren, dass Menschen das Gefühl bekommen, es wird sich irgendetwas ausgedacht und man weiß nicht, was der Grund dafür ist. Die Einsicht, dass es notwendig ist, an mehreren Stellen die Strategien und Verhaltensweisen zu ändern, ist das Basiswissen, damit es überhaupt eine Grundakzeptanz gibt. Deshalb habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn in der Diskussion auch zugespitzte Argumente gebracht werden, Missverständnisse eingeschlossen.

Der Vorwurf der Entstehung weißer Flecken, Herr Schulze, wurde im Zusammenhang mit der Zukunft der Lausitz erhoben. Das war zumindest in den Zeitungen zu lesen. Wer auf die Karte schaut, die sowohl die zentralörtliche Gliederung als auch die Wachstumskerne, die Wachstumsregionen und die Zukunftsbranchen ausweist, wird die Debatte zum Stichwort Lausitz ab heute anders führen. Gerade in der Lausitz liegt ein großes Zukunftspotenzial für unser Land. Aber - ich sage es noch einmal - wir haben im Wissen um die künftige Reduzierung der staatlichen Förderung und Unterstützung die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die vorhandenen Mittel zunehmend dort zu konzentrieren, wo sie für das Land und seine Menschen die größtmöglichen Effekte erzielen. Ich sage nicht, dass wir an jedem Punkt zu endgültigen Ratschlüssen gekommen sind; dann brauchten wir ja keine Diskussion. Ich möchte gern, dass wir Übereinstimmung erzielen; das gehört mit zu der von mir so empfundenen politischen Verantwortung.

Ich weiß doch auch, dass man mit diesen Vorschlägen keine Jubelstürme erntet. Wir tun das alles doch nicht, weil wir das Ziel haben, unbeliebt zu sein. Wir tun das aus Verantwortung und wollen dem Land durch ein Festhalten an überholten Vorstellungen keinen Bärendienst erweisen. Das ist das Leitmotiv unseres gegenwärtigen Handelns.

Danke. - Die nächste Frage kommt von Frau Dr. Enkelmann.

Herr Landtagspräsident, ich muss Sie zunächst an die Geschäftsordnung erinnern. Sie sagt aus, dass die Antworten maximal fünf Minuten lang sein dürfen. Das ist die Krux an dem, was sich hier abspielt.

Herr Ministerpräsident, deswegen meine Frage: Wenn es Ihnen so wichtig ist, dass wir tatsächlich eine umfassende Debatte führen, dass im Land für Ihr Leitbild Verständnis aufgebracht wird, dass tatsächlich viele in den Prozess um die Suche nach der besten Antwort einbezogen werden, warum haben Sie dann hier keine Regierungserklärung abgegeben

(Beifall bei der PDS)

- statt die Dringliche Anfrage zu nutzen - und damit ermöglicht, in diesem Parlament die Debatte dazu zu führen? Diese wäre heftig geworden, das kann ich Ihnen versichern.

Die zweite Frage: Wie passt die Ankündigung der Schließung von 200 Schulen in den nächsten Jahren zu Ihrem Versprechen, Bildung insbesondere in die Randregionen zu bringen?

(Unruhe im Saal)

Zur ersten Frage: Ich bin mir ganz sicher,

(Zurufe)

und halte Ihren Wunsch auch für völlig legitim, dass wir hier in diesem Parlament noch Debatten, auch heftige Debatten zu diesem Thema führen werden. Ich wünsche mir das auch. Ich halte es für sinnvoll, dass man die erste Diskussionsrunde mit den vorhin genannten Mitteln zur Anreicherung des Materials für diese Diskussion nutzt. Wir werden die Gelegenheit haben.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Wir bekommen die Infor- mationen aus der Presse; das kann so nicht sein!)

Sie wissen doch, Frau Enkelmann, dass man sich jedes Mal fragt, wo und mit wem man eine Diskussion anfängt - und es ist immer der Falsche. Das kennen wir doch, das kann auch nicht anders sein. Wir werden die Diskussion hier in diesem Parlament gemeinsam führen.

Zweiter Punkt, Schulen: Frau Enkelmann, was Sie geschildert haben, ist doch einer meiner Ausgangspunkte gewesen. Dieser Prozess ist auch aus meiner Sicht sehr beklagenswert, aber er läuft nicht aus Daffke ab, sondern weil die Zahl der Kinder um über 50 % zurückgeht

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Kleinere Klassen zum Bei- spiel!)

und sich parallel dazu - Frau Enkelmann, das müssen wir doch auch ganz ehrlich sagen - das Geld, das zur Verfügung steht, leider nicht vermehrt.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Ach ja!)

Ich sage noch einmal: Die Einsicht in die Notwendigkeit dessen, was in Bezug auf dieses spezielle Thema getan werden muss, bereitet niemandem Freude. Dass es eine Gratwanderung ist, ist doch klar. Über die immer wieder erhobene Forderung, Bildung müsse im gesamten Land in hoher Qualität und in möglichst erreichbarer Entfernung gefördert werden, haben wir hier schon öfter diskutiert. Die Frage, ob eine einzügige Schule Bildung in hoher Qualität liefern kann, würde ich mit Nein beantworten. Auch bei einer zweizügigen Schule bekommen wir das nicht hin.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Die freien Träger machen es doch vor!)

Deshalb müssen wir pausenlos an der Optimierung arbeiten: Die Entfernung soll für die Kinder überwindbar bleiben, aber die Bildung soll bestmögliche Qualität bieten. Jeden Vorschlag, der zu einer wirklich guten Lösung führt, hören wir gerne. Zu sagen, nehmt einfach mehr Geld in die Hand, ist keine Lösung. Ich würde es gerne tun, aber wir haben das Geld nicht, Frau Enkelmann.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke für diese Antwort innerhalb von 2 Minuten und 25 Sekunden. Herr Sarrach, auf Treu und Glauben sind Sie jetzt an der Reihe.

Es ist in der Tat unglücklich, dass wir diese Fragen - da sie im Rahmen einer Aktuellen Stunde gestellt werden - nicht erschöpfend erörtern können. Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident, wie es angehen kann, dieses Thema auf Initiative einer Fraktion zu debattieren, deren einer Exponent, Herr Schuldt, im Sächsischen Landtag auf einer Veranstaltung mit der NPD erklärte, er trage es stolz wie ein Bundesverdienstkreuz vor sich her, dass ihn die etablierten Parteien einen Nazi nennen.

Zweitens: Das Parlament hat von Ihrem Kurswechsel durch die Presse erfahren. Sehen Sie in der Art und Weise, erst Pressekonferenzen abzuhalten und dann das Parlament zu informieren, Ihre Unterrichtungspflicht nach Artikel 94 der Landesverfassung erfüllt?

Herr Sarrach, ich denke, dass wir in den letzen Tagen alles getan haben und auch heute alles tun, um das Parlament umfassend zu unterrichten. Wir merken ja gerade, was möglich ist.

Zur ersten Frage stimme ich Ihnen schlicht und ergreifend zu.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Zwischenbemerkung. Der Einwand, dass die Antworten auf die Anfragen etwa drei Minuten dauern sollen, ist richtig. Auf der anderen Seite regelt unsere Geschäftsordnung, dass die Landesregierung jederzeit das Wort ergreifen kann, und zwar so lange sie will. Das heißt, wir hätten, wenn Änderungsbedarf besteht, das Thema noch einmal im Hauptausschuss zu behandeln. Dass das Thema Förderstruktur einen wesentlichen Teil der heutigen Fragestunde einnimmt, ist, glaube ich, durch sich selbst gerechtfertigt. Dass dadurch andere Fragen möglicherweise nicht zur Sprache kommen, ist eine berechtigte Befürchtung. Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Da wir bei der Aktuellen Stunde Zeit gespart haben und eigentlich gerade erst mit der Fragestunde begonnen haben, die normalerweise bis gegen 12 Uhr dauert, füllen wir diese Zeit aus. Ich sehe in Ihren Gesichtern so viel Interesse an den kommenden Fragen, dass es uns dabei sicherlich nicht langweilig wird. Wenn ich keinen Widerspruch höre, verfahren wir so.

Ich rufe die Frage 219 (Gaspreiserhöhungen [2]) des Abgeordneten Pohl auf.

Das bayerische Landeskartellamt hat Mitte Januar 2005 gegen 16 Gasversorger förmliche Missbrauchsverfahren in Gang gesetzt. Es hat gegen 25 Gasversorger Beanstandungen ausgesprochen, übrigens von insgesamt 110, das sind immerhin rund 25 %. In Brandenburg sind dagegen weder Beanstandungen noch Informationen über Missbrauchsverfahren bekannt geworden.

Ich frage die Landesregierung: Wie kann es sein, dass in Bayern sehr frühzeitig Beanstandungen ausgesprochen bzw. Missbrauchsverfahren in Gang gesetzt wurden und hier in Brandenburg nicht?

Es antwortet der Wirtschaftsminister.