Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Sodann Frau Abgeordnete Tharan von der Fraktion der Grünen! – Bitte sehr, Sie haben das Wort zum Thema

Giftfunde im Olympia-Stadion

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Ausmaße hat die im Berliner Olympia-Stadion festgestellte PCB-Verseuchung? Welche Sicherungsmaßnahmen werden bis zur vollständigen Entseuchung des Stadions von diesem gefährlichen Umweltgift getroffen?

2. Warum wurde das Stadion nicht vor Beginn der Bauarbeiten auf Schadstoffe untersucht, und warum wurde die Öffentlichkeit erst zwei Wochen nach den Giftfunden informiert?

Zur Beantwortung – Herr Senator Strieder, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem aus dem Bauschutt Messwerte vorlagen, wonach klar war, dass es eine hohe PCB-Konzentration bei den Bauarbeiten im Olympia-Stadion gab, wurden die Bauarbeiten zunächst sofort eingestellt. Nachdem die exakten Messwerte vorlagen, ist auch der angrenzende Bereich des Olympia-Schwimmstadions gesperrt worden. Wir wollten ausschließen, dass irgendwelche gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch diese Giftfunde entstehen konnten.

Wie wir mittlerweile wissen, ist vermutlich 1974, bei der Vorbereitung des Olympia-Stadions auf die Fußballweltmeisterschaft, damals erlaubtes PCB verwandt worden, insbesondere zum Brandschutz. Dieses PCB ist Ende der 80er Jahre weltweit verboten worden. Wir haben sofort Messungen von Staubproben veranlasst – sowohl im Olympia-Stadion als auch auf dem Maifeld und im Olympia-Schwimmstadion – und auch Luftproben genommen. Die Messergebnisse sind gestern Abend, zum Teil heute früh eingegangen. Eine Expertengruppe aus Immissionsschutzrechtlern, Gesundheits- und Arbeitsschutzexperten analysiert diese Ergebnisse.

Nachdem von uns schon beauflagt worden war, dass die Baustraße im Olympia-Stadion immer feucht zu halten ist, um weitere Staubausträge zu verhindern, wissen wir jetzt, dass die Ergebnisse der Staubmessungen bedeuten: Alle Ergebnisse liegen deutlich im unbedenklichen Bereich. Die Sorge, dass Staub aus den Baumaßnahmen sich über das gesamte Olympia-Stadion, das Maifeld und das Olympia-Schwimmbad verteilt haben könnte, existiert nicht mehr.

Wir sind zurzeit noch dabei, Innenluftmessungen vorzunehmen in Räumen, die für das Publikum und für Sportler zugänglich sind. Die Ergebnisse werden in den Abendstunden des heutigen Tages erwartet. Das Ergebnis der Außenluftmessung im Stadion wird für Freitag erwartet, also für morgen. Wir gehen aber davon aus, dass – angesichts der Staubwerte – auch bei den Außenluftwerten im Olympia-Stadion keine Probleme zu erwarten sind. Hiermit ist das Olympia-Schwimmbad wieder geöffnet, das Olympia-Stadion und das Maifeld ist bespiel- und benutzbar. Es bestehen keine gesundheitlichen Risiken. Ich füge auch deutlich hinzu, dass es durch Ausdünstungen des PCB vor der Baumaßnahme im Olympia-Stadion keinerlei Gefahren gab für Sportler oder Besucher. Die Konzentrationen sind nur in der Spachtelund in der Fugenmasse vorhanden. Die Ausdünstungen selbst stellen kein gesundheitliches Risiko dar.

Wir werden in den nächsten Tagen zusammen mit dem Immissionsschutz, mit dem Arbeits- und dem Gesundheitsschutz erörtern, wie die Baustellenorganisation fortgeführt werden kann. Wir müssen verhindern, dass die PCB-haltigen Stoffe aus den Fugen und der Spachtelmasse sich verbreiten, das heißt, wir müssen sie eingrenzen, beispielsweise durch Feuchthalten des Bauprozesses, durch Absaugen der Staubluft oder dergleichen mehr; wir müssen eine Technik finden, die Gesundheitsgefahren auch für die Bauarbeiter ausschließt. Gegenwärtig gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es zu erheblichen Bauverzögerungen kommen könnte oder zu einer Verzögerung der Fertigstellung des Baus im Olympia-Stadion selbst.

Ich sage noch einmal deutlich: Es gab für die Besucher in der Vergangenheit, und es gibt für die Besucher in der Gegenwart und auch in der Zukunft keine gesundheitlichen Gefahren. Wir sind sehr froh, dass wir dieses Ergebnis jetzt haben. Die Sperrung am vergangenen Freitag war eine Vorsorgemaßnahme. Wir wollten dafür sorgen, dass der Gesundheitsschutz vor Schnelligkeit geht, deswegen haben wir diese Maßnahme ergriffen. Wir sind froh, dass wir sie jetzt wieder aufheben können.

[Beifall bei der SPD]

Es gibt eine Zusatzfrage durch den Fragesteller Dr. Rogall. – Bitte sehr!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Senator! Das sind sehr erfreuliche Nachrichten, aber ist nicht zu befürchten, dass auch in anderen öffentlichen Gebäuden in der Vergangenheit PCB-haltige Materialien verwendet wurden? Werden Überprüfungen anderer Gebäude vorgenommen, oder gehen Sie davon aus, dass dieses Material nur im Olympia-Stadion verwendet wurde?

Herr Senator – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Das Material ist sicherlich nicht nur im OlympiaStadion verwendet worden, sondern weltweit. Wir haben in Berlin große Erfahrung mit der Beseitigung von PCB in Baustoffen. Wichtig ist festzustellen, dass es angesichts solcher Sportstätten wie das Olympia-Stadion oder das Olympia-Schwimmstadion kein Problem mit Ausdünstungen gibt; es gibt nur ein Problem in dem Bauprozess selbst, wenn nämlich die PCB-haltigen Betonteile ausgebaut werden: Es staubt. Das war die große Sorge, dass der Staubaustrag das Gelände großflächig kontaminieren könnte. Die Messungen haben ergeben, dass es diese großflächige Staubkontamination nicht gibt. Aus den Staubwerten, die uns bereits vorliegen, schließen wir, dass wahrscheinlich auch die Außenluftwerte keinerlei Problem darstellen werden. Insofern kann der Prozess vorangehen.

Insgesamt gibt es bei allen Sanierungsmaßnahmen immer auch PCB-Entfernungsmaßnahmen, wenn uns bekannt ist, dass PCB-haltige Baustoffe verwendet worden sind. In ganz vielen Bereichen ist das schon geschehen. In anderen Bereichen reicht aber beispielsweise auch eine Versiegelung. Ich sage noch einmal: Wenn das PCB im Baustoff selbst gebunden ist, ist die Ausdünstung in die Außenluft gesundheitlich unbedenklich.

Eine Zusatzfrage durch die Fragestellerin Frau Abgeordnete Tharan! – Bitte sehr!

Wohin ist das belastete Abbruchmaterial gelangt, das im Olympia-Stadion bisher abtransportiert wurde, und wie wird die ordnungsgemäße Entsorgung des weiter anfallenden belasteten Materials sichergestellt und überwacht?

Herr Senator – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Bekannt geworden, dass es dort PCB-haltige Baustoffe gibt, ist es durch das annehmende Bauschuttentsorgungsunternehmen. Zunächst gab es eine Untersuchung des Bodens durch die Walter Bau AG. Diese hat keinerlei Hinweis auf irgendeine Kontamination gegeben, sondern es handelte sich um sauberen Bauschutt. Dieser hat sich im Laufe der Arbeiten verändert. Dadurch haben wir festgestellt, dass man dort eingreifen muss.

Wir sind jetzt dabei, den Entsorgungsweg neu zu definieren. Dazu gehört, dass wir festlegen müssen, in welcher Form gearbeitet wird. – Ich weiß nicht, ob das zu speziell ist. – Es gäbe die Möglichkeit, beispielsweise die PCB-haltigen Teile, die oben aufgebracht worden sind, separat abzunehmen. Dann wäre der Beton sauber und könnte beliebig über eine Bauschuttanlage entsorgt werden. Das hat aber den Nachteil, dass es zu erheblicher Staubentwicklung kommt, die wir im Griff behalten müssen, beispielsweise durch Absaugungen.

Es besteht auf der anderen Seite die Möglichkeit, die PCBhaltigen Teile zusammen mit großen Betonteilen in eine Bauschuttanlage zu bringen. Sie würden dort gemahlen und dann in einer Bodenwaschanlage dekontaminiert werden. Das Ergebnis daraus könnte man wiederum auf eine beliebige Bauschuttdeponie bringen. Welche Möglichkeiten jetzt die richtigen sind, wollen wir mit dem Arbeitsschutz intensiv erörtern. So lange sind an dieser Stelle, aber nur für diese Stelle, im Olympia-Stadion die Arbeiten eingestellt.

Herr Abgeordneter Rogall, haben Sie noch eine Zusatzfrage? – Wenn nicht, dann frage ich Sie noch mal, Frau Tharan. – Bitte sehr!

Zurückkommend zu meiner Ursprungsfrage möchte ich noch mal nachfragen, ob es denn nicht notwendig gewesen wäre, dort im Vorfeld eventuelle Belastungen abzuklären. Und außerdem wird das jetzt vielleicht etwas teurer werden als ursprünglich geplant. Da würde mich noch interessieren, wer die zu erwartenden Mehrkosten trägt.

Herr Senator Strieder, bitte!

Frau Abgeordnete, ich habe gerade gesagt: Es gab Proben, die analysiert worden sind. Und dann wurde das nach den Güteklassen des Bauschutts Z 0 oder Z 1 einklassiert. Diese Werte haben sich während des Bauprozesses verändert. Das war zu Beginn nicht erkennbar. Die Proben wurden von der Firma Walter Bau selbst beauftragt. Also es ist tatsächlich gemessen worden, und jetzt wird natürlich, da wir diese Erkenntnis haben, ständig weiter gemessen werden, weil wir gar nicht genau wissen, an welchen Teilen des Olympia-Stadions dieses Problem noch auftritt. Wir wissen aber, es tritt auf in Fugen und in einer Spachtelmasse, die sozusagen einen Schutz darstellt. Es tritt nicht auf im gesamten Bereich der Natursteintribünen, die nicht versiegelt worden sind. Es ist bei der Anfangsstelle der Bauten im Olympia-Stadion nicht aufgetreten, es ist jetzt aufgetreten. Wir werden den nächsten Teil schon vorsorglich auf PCB untersuchen, obwohl die Bauarbeiten an diesem Teil erst für 2003 im Plan sind.

Zu der Frage, was das kostet bzw. wer die Kosten trägt, würde ich uns empfehlen, in aller Gelassenheit abzuwarten, was diese zusätzlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des Gesundheitsschutzes, die wir dort verlangen, kosten werden. Wir werden dann mit dem Auftragnehmer, der Firma Walter Bau, darüber zu reden haben. Zunächst gehe ich davon aus, dass es das Risiko der Firma Walter Bau ist, diese Kosten zu tragen. Aber wie Sie wissen, in solchen großen Bauvorhaben gibt es immer juristische Auseinandersetzungen. Die werden wir gegebenenfalls zu führen haben. Die vertragliche Konstellation ist nach unserer Ansicht durchaus auslegungsfähig. Welche Vereinbarung dort getroffen wird, wird man sehen. Es steht fest, dass es eine Voruntersuchung trotz des großen Gutachtens aus dem Jahr 1996/ 97 hinsichtlich dieser Umweltbelastungen nicht gegeben hat. Eine ausdrückliche Regelung dafür, beispielsweise für PCB in den Fugen, ist im Vertrag nicht geschlossen worden. Also werden wir uns auseinanderzusetzen haben. Sie können davon ausgehen, dass das Land Berlin kein Geld zu verschenken hat.

Die folgende Zusatzfrage hat der Abgeordnete Berger. Bitte sehr!

Herr Senator! Die Bauarbeiten dort finden ja schon einige Monate statt, und erst jetzt ist das PCB-haltige Material entdeckt worden. Deswegen frage ich Sie: Muss man nicht befürchten, dass in den vergangenen Monaten insbesondere die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter dort durch das PCB-haltige Material belastet worden sind, ohne es zu wissen? Muss man nicht auch befürchten, dass, wenn es schon keine großräumigen Verseuchungen gibt – das ist eine erfreuliche Meldung –, sozusagen in der Nachbarschaft dieser Baustellen auch Zuschauer und Sportler im Olympia-Stadion gefährdet worden sind in den letzten Monaten?

Herr Senator Strieder, bitte!

Herr Abgeordneter! Nach den mir vorliegenden Untersuchungen und den Einschätzungen der Gesundheitsexperten ist das auszuschließen. Die Gefahr von PCB-Staub – nur darum kann es sich handeln – existiert ab einer Entfernung größer 1 Meter nicht mehr. Deswegen

(A) (C)

(B) (D)

Sen Strieder

sagen auch die Experten, es ist gar kein Problem, das OlympiaSchwimmstadion wieder zu öffnen, obwohl man da nicht auf Sitzen sitzt, sondern unmittelbar auf diesen Tribünen. Es gibt dort keine Ausdünstungen, die gesundheitlich bedenklich wären. Wir haben den Bauarbeitern selbst, und da ist in der Tat ein Risiko, angeboten, gesundheitliche Untersuchungen durchzuführen, damit wir darauf gegebenenfalls auch reagieren können. Und im Hinblick auf die Sorgen, die wir für den Arbeitsprozess selbst haben – weder für Sportler noch für Zuschauer –, machen wir die Abstimmung zwischen der Emissionsschutzbehörde und den Gesundheitsschutzbehörden, um sicher zu gehen, dass die weiteren Arbeiten im Olympia-Stadion im Hinblick auf PCB so organisiert sind, dass natürlich auch für die Bauarbeiter gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen sind.

Die letzte Zusatzfrage in dieser Angelegenheit stellt Frau Abgeordnete Hämmerling!

Schönen Dank, Herr Präsident! – Herr Strieder, eins ist mir noch nicht klar. Es wird ja für jedes Ding ein Gutachten erstellt, und Sie sagten es selber, dass es in den 80er Jahren üblich war, PCB einzusetzen. Also meine Frage: Hätte man nicht vor Baubeginn wissen müssen, dass dort bei dieser Baumaßnahme PCB zum Einsatz gekommen ist, und hätte man nicht dementsprechend auch vorab schon Vorsorge treffen können?

Herr Senator Strieder, bitte!

Nach meinen gegenwärtigen Informationen ist der Baubehörde nicht bekannt gewesen, dass dort PCB-haltige Mittel verwendet worden sind. In dem Gutachten von Deyle/Bung, das hinsichtlich der Frage erstellt worden ist, lohnt es sich, das Olympia-Stadion zu sanieren und zu modernisieren oder sollte man lieber ein neues reines Fußballstadion bauen, sind diese Fragen nicht untersucht worden. Ich will aber auch noch einmal darauf hinweisen: Es war immer ein Sportgelände. Es war nie eine Ölraffinerie beispielsweise auf diesem Gelände. Wenn man ein Grundstück hat, auf dem man bauen will, dann überlegt man ja, auf welche Kontaminationen untersuche ich, aus den Vornutzungen, die es gab. Wenn eine Raffinerie darauf war, weiß man, man hat mit verseuchtem Boden zu rechnen. Wenn dort immer nur Sport getrieben worden ist, dann gibt es diesen Anhaltspunkt, dass aus der Vornutzung eine Kontamination des Bodens herrühren könnte, natürlich nicht. Infolgedessen meine ich auch, dass da ein Vorwurf nicht zu machen ist, dass nicht jede einzelne Fuge, Betonzusammensetzung und dergleichen untersucht worden ist. Dafür gab es keinerlei Anhaltspunkte, dass man so etwas hätte untersuchen müssen. Deswegen kann man auch nicht erwarten, dass man sich immer zu 150 % schlau macht, sondern man ist davon ausgegangen und man konnte davon ausgehen, dass es ein internationales Sportfeld ist. Und internationale Sportfelder, die nie vorher für etwas anderes genutzt worden sind, haben keine Kontamination mit giftigen Stoffen. Jedenfalls kann man davon nicht ausgehen.

Damit sind diese beiden Anfragen erledigt.

Wir kommen dann zur Mündlichen Anfrage Nr. 3 des Abgeordneten Schneider von der Fraktion der PDS über

Krupp in Tempelhof vor dem Aus?

Bitte sehr!

Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Seit wann und zwischen welchen Entscheidungsebenen existieren Gesprächskontakte zwischen dem Berliner Senat, den

Geschäftsleitungen der Krupp Stahlbau Berlin GmbH, der Konzernzentrale und den Betriebsräten zur wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Situation in Tempelhof?

2. Welche konkreten Arbeitsstände zur Sicherung aller Arbeitsplätze am Standort Berlin sind gegenwärtig erreicht, und welche konkreten Unterstützungen plant der Senat zur dauerhaften Sicherung der 200 Arbeitsplätze für die nächsten Monate bzw. für das Jahr 2002?