Protokoll der Sitzung vom 29.08.2002

Der Wirtschaftsprüfer Achim Walther wandte sich dann mit Schreiben vom 29. November 2001 an mich. Das Schreiben an Herrn Walther ging am 3. Dezember 2001 in der Senatskanzlei ein. Es wurde von dort, wie eben schon ausgeführt, zuständigkeitshalber an die Senatsverwaltung für Finanzen weitergeleitet.

In der Bankgesellschaft erhielt der „Konzernstab Recht“ das Walther-Gutachten im April 2002. Das Gutachten war zuvor im Zusammenhang von Untersuchungen des Konzerns bei der IBG aufgetaucht. Die Bankgesellschaft stellte das Gutachten mit Schreiben vom 25. April 2002 den die Bank beratenden Rechtsanwälten zur Verfügung, die alle Schadenersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfer im Konzern, darunter auch der BDO als Abschlussprüfer der IBG, prüfen. Ferner wurde am 26. April 2002 die Staatsanwaltschaft durch die Bankgesellschaft informiert.

[Wieland (Grüne): Das hätte schneller gehen können!]

Dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses war das Gutachten zusammen mit anderem Material bereits am 6. Juni 2002 übergeben worden. Da es sich um Hinweise auf mögliche Schadenersatzansprüche der Bankgesellschaft gegenüber den von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfern handelt, lag keine unmittelbare Begründung für eine Weitergabe an den Senator für Justiz vor.

Zu 2: Die Senatsverwaltung für Finanzen hat die Bankgesellschaft bereits im Mai 2001 aufgefordert, Schadenersatzansprüche unter anderem gegen Wirtschaftsprüfer zu untersuchen und geltend zu machen. Der Aufsichtsrat der Bankgesellschaft hat diese Forderung umgehend aufgenommen. Der Vorstand der Bankgesellschaft hat 2001 neben einer Vielzahl anderer interner und externer Prüfungsaufträge auch ein Mandat an eine Anwaltskanzlei vergeben, welches ausschließlich auf die Prüfung von Regressansprüchen gegen Abschlussprüfer gerichtet ist. Dem

Aufsichtsrat der Bankgesellschaft wird fortlaufend berichtet. Erste wesentliche Ergebnisse der anwaltlichen Prüfungen liegen mittlerweile vor. Die Bankgesellschaft hat darauf bereits mit entsprechenden Maßnahmen reagiert. Hinsichtlich des WaltherGutachtens hat der Senator für Finanzen, Herr Dr. Thilo Sarrazin, im Übrigen einen Bericht des Vorstands in der nächsten Aufsichtsratssitzung erbeten.

Festzuhalten ist, dass beide Gremien, Vorstand und Aufsichtsrat, ein großes Interesse an der Aufarbeitung der Vergangenheit haben und Ansprüche mit allem Nachdruck und ohne Ansehen der Person verfolgen. Der Senat achtet genauestens darauf, dass den Aufsichtsräten der Bankgesellschaft und Landesbank und damit den dorthin entsandten Senatsmitgliedern regelmäßig, zeitnah und eingehend über den Stand der Prüfungen und Maßnahmen berichtet wird.

Zur Anfrage Nr. 7: Dazu ist noch einmal der Hinweis zu machen, dass der Sonderprüfbericht von Herrn Walther mir nicht vorliegt und auch nie vorgelegen hat, weil das Schreiben von Herrn Walther nur mitteilt, dass er einen Prüfauftrag bekommen und Kenntnisse hat. Aber der Prüfbericht ist nicht als Anlage dabei gewesen, er befand sich bei der Bankgesellschaft. Ich habe keine Kenntnis von dem Sonderprüfbericht von Herrn Walther und dessen Inhalt.

Zu 1: Der Wirtschaftsprüfer Achim Walther hatte sich Schreiben vom 29. November 2001 an den Regierenden Bürgermeister Wowereit gewandt. Das Schreiben wurde dann an die Senatsverwaltung für Finanzen übergeben, wie schon zur Anfrage Nr. 5 beantwortet.

Zu 2: In diesem Schreiben wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, Schadenersatzansprüche aus der Nichtbeachtung von Ergebnissen einer Sonderprüfung durch Wirtschaftsprüfer herzuleiten. Dies könnte gegebenenfalls die Bankgesellschaft gegenüber von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfern geltend machen, nicht jedoch das Land. Dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses war das Gutachten, wie eben auch schon ausgeführt wurde, mit anderen Materialien bereits am 6. Juni 2002 übergeben worden. Der Staatsanwaltschaft wurde das Gutachten am 26. April 2002 durch die Bankgesellschaft zur Verfügung gestellt.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt kommen die Nachfragen, und zwar zuerst der Kollege Meyer. – Bitte schön, Herr Meyer, Sie haben das Wort!

Herr Regierender Bürgermeister! Haben Sie sich über den weiteren Bearbeitungsgang informiert, oder lief das damals nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Meyer! Als mir dieser Vorgang auf den Tisch gekommen ist, habe ich selbstverständlich auch in meinem Hause sofort Rücksprache vermerkt, weil mir die Ernsthaftigkeit dieses Vorgangs bewusst war. Sie werden aber aus einem solchen Schreiben, das Sie bekommen, auch aus einer Fülle von Schreiben im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft, als Regierender Bürgermeister nicht in der Lage sein, die Seriosität solcher Schreiben zu überprüfen. Dementsprechend ist dies nach Beratung an die zuständige Finanzverwaltung weitergegeben worden. Den Fehler, der bei uns passiert ist, kann ich auf mich nehmen, nämlich dass keine Abgabenachricht an Herrn Walther geschehen ist. Der gesamte Vorgang war bei uns nicht mehr vorhanden, sondern wurde komplett zur Finanzverwaltung hinübergegeben. Wir haben ihn uns von der Finanzverwaltung dann wieder angefordert, als er in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Dieses Verfahren ist nach meiner Meinung auch vollkommen richtig, weil dort die fachkompetenten Mitarbeiter sind, die auch den direkten Zugang zur Bankgesellschaft haben.

(A) (C)

(B) (D)

Herr Kollege Meyer – keine weitere Nachfrage. Dann ist Frau Kollegin Oesterheld mit Nachfragen dran. – Frau Oesterheld, bitte!

Herr Wowereit! Für wie groß halten Sie die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen, das schon einmal testiert hat, bei seinen eigenen Testaten Fehler findet? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer Wirtschaftsprüfer, der so etwas kontrolliert, Fehler in Testaten finden kann?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Oesterheld! Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, weil irgendjemand es fachlich überprüfen muss. Ich weiß nicht, ob jemand außerhalb der Wirtschaftsprüferbereiche in der Lage ist, dieses zu tun. Wenn Sie der Meinung sind, dass ein Bericht eines Wirtschaftsprüfers nicht in Ordnung ist, müssen Sie zwangsläufig einen anderen beauftragen, um das zu kontrollieren. Dass das von Ihnen unterstellte Verhalten automatisch damit verbunden ist, davon gehe ich nicht aus. Es gibt bestimmte Voraussetzungen für die Zulassung zur Wirtschaftsprüfung, und es gibt auch bestimmte Regelungen, die eingehalten werden müssen, weil sonst auch eine Schadenersatzpflicht eintritt. Ich gehe davon aus, dass das möglich ist. Ob das in dem Fall zu einem Erfolg führt, kann ich Ihnen nicht sagen.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Frau Oesterheld, eine weitere Nachfrage – bitte schön!

Herr Wowereit! Können Sie verstehen, warum die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Sonderprüfer in die Bank schicken wollte? Sie hatte nämlich genau die Befürchtung, dass die Prüfer, die jetzt in der Bank sind, alle schon seit Jahren in der Bank tätig sind, und wir wollten endlich einmal einen neuen Prüfer, der nicht in die Bankgeschäfte involviert ist.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Selbstverständlich sind auch nach meinem Kenntnisstand bei der Bankgesellschaft die Prüfer, die vorher tätig geworden sind, ausgetauscht worden, und es sind neue genommen worden. Ob ein Sonderprüfer noch etwas gebracht hätte, kann ich nicht sagen. In dem Fall ist der Vorgang, um den es hier geht, innerhalb der Bankgesellschaft gefunden und als Material, ohne dass das in der Öffentlichkeit eine Rolle spielte – das war ja erst weit danach –, auch den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses zur Verfügung gestellt worden. Daraus können Sie entnehmen, dass es da keinen Ansatz gibt, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden soll, sondern dass offensichtlich die Aufarbeitung der Vorgänge im Zusammenhang mit Wirtschaftsprüfungen auch aus der Bankgesellschaft heraus mit Nachdruck betrieben wird.

Jetzt ist Herr Stadtkewitz mit Nachfragen dran, wenn er möchte. – Ja, bitte, Sie haben das Wort!

Herr Wowereit! Ich erlaube mir die Frage: War Ihre Sorge um eine mögliche Zustimmung des Abgeordnetenhauses, insbesondere der Koalitionsfraktionen SPD und PDS, zur Landesbürgschaft in Höhe von 21,5 Milliarden DM ausschlaggebend dafür, die Information über die Existenz dieses Walther-Gutachtens sozusagen – ich will nicht sagen – versikkern zu lassen, aber die Zeitschiene entsprechend zu verlängern?

Herr Regierender Bürgermeister, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Das ist eine Unterstellung, die ich zurückweise, weil sie mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat. Unabhängig von der Frage, ob es möglich sein wird, gegen Mitglieder der Vorstände oder beispielsweise auch gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist die Frage der Bürgschaft, die erteilt werden musste, davon vollkommen abgekoppelt zu sehen und hat damit gar nichts zu tun. Die Bürgschaft wurde erteilt, damit weitergehende Konsequenzen nicht nur für die Kunden und Mitarbeiter der Bankgesellschaft, sondern auch für den Eigentümer, nämlich das Land Berlin, verhindert wurden. Das war kein Unterfangen – das haben wir hier lange diskutiert –, das uns allen miteinander Freude gemacht hat, sondern eine Notwendigkeit, weil die Konsequenz aus der Nichterteilung der Bürgschaft eine gewesen wäre, die katastrophale Folgen nicht nur für die Bankgesellschaft, sondern insgesamt für den öffentlichen Haushalt, aber auch für den Wirtschaftsstandort Berlin gehabt hätte. Da gab es auch meiner Sicht keine vernünftige Alternative.

Herr Stadtkewitz! Eine weitere Nachfrage? – Bitte!

Herr Wowereit! Wissen Sie, dass viele staatsanwaltliche Ermittlungen erfolgreich zum Abschluss gebracht werden, weil Hinweise aus der Bevölkerung Licht ins Dunkle brachten? Glauben Sie nicht, dass es Ihre Pflicht als Bürger dieser Stadt gewesen wäre, die Staatsanwaltschaft sofort zu informieren, sofern es Hinweise gab?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Die Einschätzung der Senatskanzlei war, dass die Abgabe an die Finanzverwaltung der richtige Weg ist und nicht eine direkte Information der Staatsanwaltschaft. Das war die damalige Einschätzung.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Nunmehr hat der Kollege Hahn eine Nachfrage. – Bitte schön, Herr Hahn! Sie haben das Wort und das Mikrofon!

Herr Regierender Bürgermeister! Erinnern Sie sich, dass Sie hier vor einigen Wochen bei der Diskussion um die Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft auf meine Frage, warum Sie im August 2001 die Haftung des Landes Berlin für die Risiken der Bankgesellschaft durch Gesellschafterbeschluss ohne Not ausgeweitet haben, geantwortet haben: „Das haben mir meine Beamten so aufgeschrieben, und das habe ich so getan.“ – Warum um alles in der Welt haben Sie nicht so konsequent gehandelt, als Sie die Warnung des Wirtschaftsprüfers Walther erhalten haben? Warum haben Sie den Sonderprüfbericht nicht zumindest einmal angefordert und selbst gelesen?

Herr Regierender Bürgermeister Wowereit – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Hahn! Das möchte ich erst einmal schriftlich sehen, dass ich gesagt habe: „Ich habe so gehandelt, weil meine Beamten es so aufgeschrieben haben.“

[Zurufe von der CDU]

Das kann er mir noch mal zeigen. Das gucke ich mir noch mal an. [Hahn (FDP): Das ist protokolliert!]

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

Das möchte ich dann gern noch mal sehen. Das haben Sie – wenn es denn tatsächlich so wäre – aus dem Zusammenhang genommen. Aber sei’s drum!

[Gelächter bei der CDU]

Immer vorsichtig mit Ihren Beiträgen! Das gucke ich mir alles noch mal in Ruhe an.

[Wieland (Grüne): „Berater“ hatten Sie gesagt, nicht „Beamte“!]

„Berater“ ist etwas anderes als „Beamte“. Bei dem komplizierten Sachverhalt möchte ich denjenigen erleben, der in der Lage ist, ohne fachkundige Beratung dort überhaupt Entscheidungen treffen zu können. Auch diese Frage haben wir hier diskutiert, und jeder Einzelne hat auch für sich prüfen müssen, ob er sich in der Lage sieht, dort Entscheidungen zu treffen.

Aber das hat – nochmals gesagt – mit der Frage, die hier in Rede steht, überhaupt nichts zu tun. Der Hinweis, dass jemand einen Auftrag bekommen hat, dass er Hinweise geben kann – wie gesagt, diese sind auch ernst genommen worden. Sonst hätten wir den Bericht zu den Akten gelegt. Das war nicht der Fall, sondern er wurde an die zuständige Finanzverwaltung gegeben – und nicht unter „08/15“, sondern unter „Beachtung!“.

Auskünfte diesbezüglich stehen mir nicht zu. – Er hat es auch gar nicht darauf angelegt, das hätte er auch gar nicht machen dürfen. – Dann wäre er nämlich in die Regresspflicht gekommen. Er hat nur Hinweise gegeben, dass er bei eventuellen Schadenersatzansprüchen Informationen liefern könne. Er hat nicht gesagt: „Das Gutachten ist so und so.“ – in der Ausführung. Ich habe das bis heute nicht, und ich brauche das in dem Sinne auch gar nicht, denn dafür sind die entsprechenden Gremien zuständig. Ich finde es auch richtig, dass die Bankgesellschaft dem Untersuchungsausschuss diesen Bericht zugeleitet hat, ohne dass es öffentliches Echo oder Druck gegeben hat. Das ist offensichtlich vorher passiert. Das heißt, die Mitglieder Ihrer Fraktion im Untersuchungsausschuss können jederzeit dort Einsicht nehmen oder haben höchstwahrscheinlich schon Einsicht genommen. Mir steht diese Einsicht nicht zu. Das ist auch nicht das Problem an der ganzen Angelegenheit; sondern es ist notwendig, dass die Staatsanwaltschaft von sich aus prüft, und es ist auch notwendig, dass die Bankgesellschaft die Schadenersatzansprüche prüft. Und beides ist gewährleistet.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Das Wort hat nunmehr für eine Nachfrage der Kollege Dr. Lindner! – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Regierender Bürgermeister! Hat nach Ihrer Kenntnis das Land Berlin nach dem 3. Dezember, also nach dem Zugang des Schreibens von Herrn Walther bei Ihnen und vor der Risikoabschirmung durch das Abgeordnetenhaus, eine Verpflichtung der IBG übernommen oder eine Sicherheit für eine Verpflichtung der IBG gestellt?