Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

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Der Senat begrüßt und unterstützt grundsätzlich Ansiedlungen beziehungsweise Kapazitätserweiterungen von Fluggesellschaften in Berlin. Das Angebot von Herrn Wöhrl ist jedoch gegenüber der Flughafengesellschaft als potentiellem Vertragspartner erfolgt. Der Regierende Bürgermeister ist darüber nachrichtlich als Aufsichtsratsvorsitzender von der Flughafengesellschaft unterrichtet worden.

Nach meiner Erfahrung braucht man die Unternehmen nicht mit Geld zu locken, weil sie von Berlin überzeugt sind, und Berlin hält sich an die Förderrichtlinien, die bundesweit vereinbart und vorgeschrieben sind. Da gibt es keinen unlauteren Wettbewerb, sondern nur einen Standortvorteil und eine -qualität Berlins, was sich bei den Unternehmen mehr und mehr herumspricht.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Jetzt kommt Herr Dr. Lindner mit einer Nachfrage an die Reihe – bitte schön!

Herr Senator, ist Ihnen bekannt, dass die von Ihnen gerade selbst in Bezug genommenen Umsatzeinbrüche in der Musikbranche hauptsächlich damit zusammenhängen, dass es im Zeitalter digitaler Techniken zumindest in Deutschland keinen hinreichenden Kopierschutz gibt? Und können Sie uns deswegen bitte erläutern, warum sich der Senat im Vermittlungsausschuss bei den so genannten Korb-1-Verhandlungen im Sommer nicht den allgemein von der Musikbranche und hier insbesondere von dem Universal-Chef Tim Renner begrüßten FDP-Vorstößen zur Stärkung dieses Kopierschutzes im Urheberrecht angeschlossen hat?

[Pewestorff (PDS): Sie sind ja auf einmal so staatsgläubig!]

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Erstens ist es mir bekannt, dass es das Internet gibt,

[Heiterkeit und Beifall bei der PDS]

und ich habe es auch schon angesprochen, dass es hier Probleme für die Musikbranche gibt. Ich glaube, dass die Lösung des Problems darin besteht, dass sich die Musikbranche selbst dieses Mittels offensiv bedienen muss und dass sie ein entsprechendes Online-Portal aufbauen muss.

Wir sind dabei, hier mit unserer Initiative im Projekt „Zukunft“ Unterstützung zu geben, dass es für die Berliner Labels ein Online-Portal gibt. Ich finde es erstaunlich, dass sich die FDP, entgegen ihrer sonstigen Wettbewerbslogik, auf einmal für derartige protektionistische Vorschläge ausspricht.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Senator Wolf.

Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Kaczmarek von der Fraktion der CDU zu dem Thema:

dba in Tempelhof – Investitionen erfolgreich abgewehrt?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Anstrengungen hat der Senat unternommen, um den Plan der Fluggesellschaft dba zu befördern, ihre Operationsbasis einschl. der Hauptverwaltung zum Flughafen Berlin-Tempelhof zu verlagern und damit über 200 neue Arbeitsplätze für die Stadt zu gewinnen?

Zur Beantwortung für den Regierenden Bürgermeister: Frau Staatssekretärin Helbig – bitte schön, Frau Staatssekretärin!

Die von Herrn Wöhrl angestrebte Verlagerung der dba zum Flughafen Tempelhof stellt nach Prüfung durch die Flughafengesellschaft keine realistische Alternative zum laufenden Verfahren bezüglich des Flughafens Tempelhof dar.

Für den Senat ist der im Konsensbeschluss von 1996 festgelegte Weg weiterhin Richtschnur des Handelns. Darin ist festgelegt, sowohl den Flughafen Tempelhof als auch den Flughafen Tegel zu schließen und den Flughafen Schönefeld zum Single-Airport BBI auszubauen, mit dem Ziel, die Konzentration auf einen Flughafen zu verlagern und dort den Flugverkehr zu bündeln.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Der Abgeordnete Kaczmarek hat eine Nachfrage. – Bitte, Herr Kollege!

Frau Staatssekretärin! Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass der Senat sich nicht für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen zuständig fühlt, wenn diese von einer Fluggesellschaft angeboten werden?

Bitte, Frau Staatssekretärin Helbig!

Frau Staatssekretärin! Das Angebot von Herrn Wöhrl liegt keinem schriftlich vor. Den Zeitungen habe ich entnommen, dass Herr Wöhrl nicht gesagt hat, er übernehme alle finanziellen Verpflichtungen – wie uns Herr Kaczmarek das vorgaukelt –, sondern dass er einen Festbetrag zahlen wolle, um einen Beitrag zum

Defizitausgleich zu leisten. Insofern ist klar, dass ein Defizit für das Land und ein Risiko beim Betrieb bleiben. Ist das richtig?

Frau Helbig, Staatssekretärin in der Senatskanzlei und Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund: Es tut mir Leid, Herr Gaebler. Welche ganz konkreten Angebote letztlich auf dem Tisch der Flughafengesellschaft lagen, entzieht sich meiner Kenntnis. Eventuell könnte das der Regierende Bürgermeister als Mitglied des Aufsichtsrats wissen. Dem Senat ist das aber grundsätzlich nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass die Pressemeldungen das eine und die konkreten Verhandlungsangebote unter Umständen etwas anderes sind.

Frau Staatssekretärin! Sind die Unterschriften unter dem Konsensbeschluss von Minister Wissmann und vom Regierenden Bürgermeister Diepgen, nach dem der Flughafen geschlossen werden soll, auch heute noch gütig, auch wenn es auf beiden Ebenen mittlerweile eine andere Regierung gibt? Wie reagieren Sie auf das Argument, das in der Presse zu lesen war, der Antrag, die Betriebspflicht am Flughafen Tempelhof zum 31. Oktober 2004 zu beenden, sei rechtlich nicht haltbar?

Frau Helbig, Staatssekretärin in der Senatskanzlei und Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund: Selbstverständlich ist der Senat immer daran interessiert, Arbeitsplätze in Berlin entstehen zu lassen. Wir müssen allerdings auch die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten, in denen das geschehen kann. Auf Grund der Rechtskonstruktion liegt es nicht in der Zuständigkeit des Senats, wenn Fluggesellschaften hier Arbeitsplätze schaffen wollen. Die Flughafengesellschaft ist diejenige, die prüfen muss, was möglich ist.

In diesem konkreten Fall ging es um eine Ansiedelung auf dem Flughafen Tempelhof. Sie wissen, dass das Verfahren zur Befreiung von der Betriebspflicht beim Flughafen Tempelhof zum 31. Oktober 2004 und zur Schließung mit Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses für BBI bereits läuft. Die Anhörungsfristen sind bis zum 14. November 2003 gesetzt. Wir kennen die Beweggründe und internen Entscheidungsprozesse der Flughafengesellschaft nicht, aber ich gehe davon aus, dass auch diese Tatsache ein Grund ist, weshalb es zu der Entscheidung gekommen ist, der dba nicht in ihren Vorstellungen zu folgen.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Herr Kaczmarek, Sie haben eine weitere Nachfrage?

Frau Staatssekretärin! Geben Sie mir Recht, dass der Antrag auf Entbindung von der Betriebspflicht beim Flughafen Tempelhof darauf beruht, dass dort erhöhte Defizite produziert werden, und dass dieses Problem automatisch dann gelöst wäre, wenn die dba und Herr Wöhrl ihren Plan verwirklichen würden, dorthin zu gehen und die Kosten zu übernehmen?

Bitte, Frau Staatssekretärin!

Frau Helbig, Staatssekretärin in der Senatskanzlei und Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund: Herr Abgeordneter! Ich kann Ihnen diesbezüglich nicht Recht geben. Ich erinnere noch einmal daran, dass es den Konsensbeschluss von 1996 gibt, in dem gemeinsame Ziele verabredet wurden, und zwar unter anderem, dass im Zusammenhang mit der Errichtung des BBI in einem gestuften Verfahren sowohl Tempelhof als auch Tegel geschlossen werden. Alle Beteiligten sind daran gebunden.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Herr Gaebler, jetzt haben Sie das Wort zu einer weiteren Nachfrage!

Bitte, Frau Staatssekretärin!

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Nun erhält der Kollege Cramer das Wort!

Bitte, Frau Staatssekretärin!

Frau Helbig, Staatssekretärin in der Senatskanzlei und Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund: Auch bei wechselnden Regierungen gibt es eine Bindung an bestehende Vereinbarungen. Insofern hat der Konsensbeschluss weiterhin Bestand. Ansonsten handelt es sich bei dem Antrag zur Befreiung von der Betriebspflicht um ein laufendes Verfahren, in dem wir uns hüten sollten, öffentlich darüber zu spekulieren, unter welchen Rahmenbedingungen das geschieht und wie sich das gestaltet. Details hierzu würde ich hier und heute ungern ausbreiten.

Danke schön, Frau Staatssekretärin!

Dann hat jetzt der Kollege Hoff von der PDS-Fraktion das Wort zu einer Frage über

Proteste an Berliner Universitäten

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat den an der Technischen Universität Berlin begonnenen Streik der Studierenden und die am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität vorgenommenen Arbeitsniederlegungen?

Nun ist Frau Paus mit einer Frage dran. – Bitte, Frau Kollegin!

Herr Senator Flierl! Angesichts Ihrer Äußerung eben und auch Ihres Interviews in der „Berliner Zeitung“ mit der Überschrift „Streiks sind auch eine Schule des politischen Lebens“ frage ich Sie: Nehmen Sie die Proteste der Studierenden ernst? Sind Sie der Auffassung, dass es die Professoren, die einen Großteil ihres Berufslebens hinter sich haben, noch nötig haben, diese Schule des politischen Lebens zu durchlaufen? Wie würden Sie die Streiks interpretieren?

Bei der geltenden hochschulpolitischen Lage im Land Berlin, die auf einem Vertragssystem beruht, sind die Aushandlungsprozesse zwischen Senat und Hochschulleitungen in ihrer besonderen Art zu berücksichtigen. Natürlich sind die Streiks zunächst auch Ausdruck von demokratischen Willensbildungsprozessen an den Hochschulen selbst. Denn das Problem ist, dass die Hochschulen mit uns gemeinsam diesen Plafond verabredet haben. Er basiert auf einem Vorschlag der Hochschulleitungen. Insofern ist auch die Frage nach der demokratischen Legitimation, nach der Durchsetzbarkeit von Forderungen von Verhandlungspositionen an den Hochschulen gefragt. Es ist völlig richtig, diese Frage zugleich als hochschulpolitische Frage ganz Berlins zu betrachten.

2. In welcher Weise tritt der Senat in Dialog mit den protestierenden Studierenden und Beschäftigten und nimmt deren Positionen in seinem Handeln auf?

Danke schön, Herr Kollege Hoff! – Das Wort zur Beantwortung hat Senator Dr. Flierl!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hoff! Streiks von Studierenden haben in Berlin eine lange Tradition. Sie sind eine bekannte Form der politischen Meinungsbildung und Willensbekundung und geben Anstöße für notwendige politische – auch stadtweite – Diskussionen. Streiks sind darüber hinaus auch eine Schule des politischen Lebens. Wer von den Älteren kann sich nicht daran erinnern, auch an einem solchen Streik beteiligt gewesen zu sein? – Insofern sind solche Erlebnisse auch Formen von aktiver, sekundärer politischer Sozialisierung.