Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oliver Friederici (CDU): Unerhört!]

Dieser Bericht zeigt einmal mehr, dass der vor drei Jahren selbstbeschworene Mentalitätswechsel dieses Senats nichts anderes als heiße Luft ist. Dieser Bericht zeigt einmal mehr, dass die Eigenanstrengungen des Berliner Senats weit hinter dem möglichen und dem notwendigen Konsolidierungsbedarf zurückliegen. Und dieser Bericht zeigt, dass die Haushaltsdisziplin dieses Senats nicht besser geworden ist, sondern im Gegenteil erheblich nachgelassen hat, Herr Finanzsenator. Dieses Verhalten des Senats ist fatal, weil Haushalt und Finanzplanung weiterhin eine Reihe von Risiken in sich bergen. Aktuell bestehen solche Risiken in hoher dreistelliger Millionenhöhe. Hier kann auch der erwartete Geldsegen aufgrund der aktuellen Steuerschätzung keine Abhilfe schaffen.

Lassen Sie mich stellvertretend zwei Beispiele aus dem Bericht herausgreifen, die besonders besorgniserregend sind. Das ist zum einen die dramatische Lage der Wohnungsbaugesellschaften und zum anderen der erhebliche Sanierungsrückstau bei Schulen und Sportanlagen. Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften befinden sich in einer dramatischen wirtschaftlichen Situation. Auf der einen Seite haben die Gesellschaften mit hohem Leerstand, einem signifikanten Sanierungsstau und erheblichen Kreditverbindlichkeiten zu kämpfen, auf der anderen Seite werden die Gesellschaften durch restriktive Beschlüsse des rot-roten Senats und der Koalitionsfraktionen daran gehindert, diesen Problemen wirksam zu begegnen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Weg damit!]

Mindestens fünf der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften werden schon sehr bald aufgrund dieser Situation mit existenziellen wirtschaftlichen und finanziellen Problemen konfrontiert sein.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Verkaufen!]

Der weiter fortschreitende Instandhaltungsbedarf der Wohnungen und Liegenschaften sowie die erdrückende Last der Kreditverbindlichkeiten bei einem gleichzeitigen Verbot von Bestandsveräußerungen lässt den Gesellschaften grundsätzlich drei Möglichkeiten, um ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern: Entweder nehmen sie neue Kredite auf, erhöhen ihre Mieten oder verzichten weiter auf dringend notwendige Sanierungen. Alle drei Lösungen mögen zwar von Rot-Rot politisch gewollt sein, aber mit dieser Politik treiben Sie die Wohnungsbaugesellschaften in den Ruin. Damit verschärfen Sie die durch die unsoziale Politik des Senats hervorgerufene schwierige soziale Lage vieler Bewohnerinnen und Bewohner der landeseigenen Wohnungen dramatisch.

[Beifall bei der FDP]

Die FDP-Fraktion fordert vom Senat, endlich die Eigenanstrengungen zu erhöhen und weitere Sanierungsnotwendigkeiten seriös darzustellen. Insbesondere muss der Senat endlich ein Konzept darüber vorlegen, mit welchen konkreten Maßnahmen in den Schuldenabbau eingestiegen wird. Die Vorschläge des Landesrechnungshofs zu einer effizienten Haushalts- und Wirtschaftsführung muss der Senat aufnehmen und sie mit geeigneten und konkreten Maßnahmen untelegen.

Ich komme zum Schluss. – Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition! Wenn schon der Senat den Rechnungshofbericht nicht ernst nimmt, dann tun Sie es wenigstens. Hören Sie auf die mahnenden Worte, aber auch auf die Anregungen des Rechnungshofs. Zumindest das sind Sie den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt schuldig.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jotzo! – Für die SPDFraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Thärichen. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jotzo! Gestatten Sie mir eine Bemerkung zu den Wohnungsbaugesellschaften. Hier sind Sie in der Tat nicht mehr auf dem Laufenden. Inzwischen machen die Gesellschaften Gewinne. Sie sind wirtschaftlich gut aufgestellt. Das zu ignorieren und weiter mit alten Zahlen zu operieren, trifft den Kern der Sache nicht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Ramona Pop (Grüne]

Seit dem 14. Mai liegt uns der Jahresbericht 2007 des Landesrechnungshofs vor. Die Jahresberichte des Landesrechnungshofs sind für uns die entscheidende Erkenntnisquelle, um die Wirtschaftlichkeit des Handelns der Berli

ner Verwaltung weiter zu verbessern. Auch ich danke an dieser Stelle ausdrücklich dem Präsidenten des Rechnungshofs, Herrn Dr. Harms, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass Sie uns mit dem Jahresbericht 2007 wieder eine exzellente Arbeitsgrundlage für die weitere parlamentarische Beratung zur Verfügung gestellt haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der FDP]

Wir freuen uns darüber, dass der Landesrechnungshof den konsequenten Kurs der Haushaltskonsolidierung der rotroten Koalition unterstützt. Zur Forderung des Rechnungshofs, darüber hinaus eine weitere Absenkung des Ausgabenniveaus vorzunehmen, stelle ich fest: Mit der Festschreibung des aktuellen Ausgabeniveaus über einen mehrjährigen Zeitraum kommt es zwar nicht nominal, aber praktisch zu einer Ausgabenabsenkung. Diese wird uns übrigens in den nächsten Jahren noch ordentlich zu schaffen machen.

Der Jahresbericht 2007 macht auch erneut deutlich, dass es in der Berliner Verwaltung an verschiedenen Stellen am erforderlichen Kostenbewusstsein fehlt. Er macht insbesondere deutlich, dass in der Verwaltung die Nachhaltigkeit öffentlicher Investitionen vielfach noch zu wenig im Blickfeld steht. Es ist eben nicht allein damit getan – um ein Beispiel zu nennen – erhebliche Mittel in einen Landschafts- und Erholungspark zu investieren. Entscheidend ist, dass der Park den Berlinerinnen und Berlinern dauerhaft zu Erholungszwecken zur Verfügung steht und nicht verkommt. Hier muss die Verwaltung noch stärker ganzheitlich denken. Sie muss die Perspektive der Nutzer, der Bürgerinnen und Bürger einnehmen. Hieran müssen wir noch arbeiten.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist zunächst der Senat, der gefordert ist, zur Kritik des Rechnungshofs Stellung zu nehmen. Ich sage aber ganz deutlich: Am Ende muss immer eine politische Gesamtabwägung stehen. Das kann im Einzelfall auch bedeuten, dass die vom Rechnungshof vertretenen Belange in den Hintergrund treten müssen. So kritisiert der Rechnungshof zum Beispiel die Berliner Regelung für die angemessenen Kosten der Unterkunft nach dem SGB II. Das kann man so sehen. Zu bedenken ist aber auch, dass wir mit dem Programm Soziale Stadt viel Geld ausgeben, um die soziale Entmischung in den Quartieren zu stoppen. Es ist nicht sinnvoll, durch massenhafte Zwangsumzüge aufgrund der Hartz-Gesetzgebung die soziale Entmischung in bestimmten Bezirken zu forcieren und anschließend die negativen Folgen durch das Quartiersmanagement reparieren zu wollen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Bravo, sehr richtig!]

Ein solches Vorgehen ist nicht nur sozialpolitisch sinnlos, sondern in der Konsequenz auch finanzpolitisch.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner?

Nein heute nicht, vielen Dank!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Lesen Sie weiter Ihr Blatt vor!]

Dann fahren Sie dort!

Was die Kritik des Rechnungshofs an der Bioabfallsammlung der BSR betrifft, muss man die abfallrechtlichen Grundlagen zur Kenntnis nehmen. Es gilt hier der Verwertungsvorrang und das Gebot der Abfalltrennung nach dem Berliner Kreislaufwirtschaftabfallgesetz. Auch auf europäischer Ebene wird aktuell intensiv darüber diskutiert, das Gebot der Trennung von Bioabfällen im Zuge der Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie im Europäischen Recht zu verankern. Vor diesem Hintergrund wäre die Einstellung der Bioabfallsammlung im Land Berlin ein Rückschritt. Wenn ich die letzte Debatte noch einmal Revue passieren lasse, stelle ich fest, dass sich alle Fraktionen einig sind.

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Völlig korrekt, das sehen wir genauso. Insofern ist die Kritik des Rechnungshofs an der ökologischen Wirksamkeit dieser Sammlung richtig. Deshalb treten wir gemeinsam für eine ökologische Optimierung der Bioabfallentsorgung und den Einstieg in die Vergärung als Zukunftstechnologie ein.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir werden uns in der weiteren Beratung mit jeder Kritik und jedem Punkt des Landesrechnungshofs auseinandersetzen und die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Wir freuen uns auf diese Diskussion und wissen, dass wir mit dem Berliner Rechnungshof stets einen kompetenten Gesprächspartner an unserer Seite haben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Goetze das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Dank an den Rechungshof verbinde ich den Hinweis, dass der jährliche Bericht lediglich eine Auswahl an Prüffeststellungen enthält und nicht das Gesamt

bild des Schreckens, was bei den Prüfungen zu monieren war. Bedauerlicherweise mussten wir im Vorwort wieder zur Kenntnis nehmen, dass der Rechnungshof nicht in der Lage ist, direkte Sanktionen zu verhängen oder die geprüften Stellen anzuweisen, anders zu handeln. Das – sollte man es vielleicht mit einem Parlamentsvorbehalt verbinden – wäre eine Maßnahme, die die Arbeit des Rechnungshofs in einer wünschenswerten Weise zur Umsetzung bringen würde. Wir mussten in den vergangenen Monaten feststellen, dass nicht nur viele der Feststellungen des Rechnungshofs ohne Konsequenzen blieben – die Protokolle des Hauptausschusses sind voll davon, dass derartige Anträge der Opposition abgelehnt wurden –, sondern auch, dass die Koalition Anträge, der Rechnungshof möge eine offensichtliche Fehlleistung der Senatsspitzen prüfen, mit ihrer Mehrheit ablehnte. Das führt mich zu der Feststellung, dass es eine üble Heuchelei ist, wenn Sie sich hinstellen und sagen, die Arbeit des Rechnungshofs sei grandios, aber das, wo es Ihnen nicht passt, wo Ihre Senatoren betroffen sind, ablehnen und versuchen, den Mantel des Vergessens darüberzubreiten. So nicht!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Was müsste gemacht werden? – Die CDU-Fraktion musste im konkreten Fall den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst des Abgeordnetenhauses bemühen, der entsprechende Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat. Das rechtwidrige Verhalten einiger Senatsspitzen wurde nachhaltig dokumentiert. So gehen Sie in Wahrheit mit dem Rechnungshof um.

Wahrheit ist auch, dass die Schönfärberei über die allgemeine finanzpolitische Situation nicht trägt. Der Rechnungshof stellt fest:

Trotz der momentan günstigen Entwicklung wäre eine Entwarnung verfrüht. Noch wachsen die Zinslasten und damit die Probleme Berlins weiter an. Die Wirtschaftlichkeit Berlins liegt immer noch unter dem Bundesdurchschnitt.

Dann werden noch diverse Risiken aufgezählt. – So ganz rosarot wird das also offensichtlich nicht gesehen. Wir teilen diese Ansicht. In den schöngefärbten Zahlen, die den Senatsbeschlüssen zugrunde liegen, stecken viele Risiken, die man in Hunderten Millionen € quantifizieren kann. Das müssen wir in den Haushaltsberatungen nacharbeiten, und die Hinweise des Rechnungshofs sind dabei hilfreich.

Wichtig ist noch ein weiterer Punkt: Die völlige Ignoranz der Hauptverwaltung gegenüber der Verwaltungsreform und der Verwaltungsmodernisierung, was das Zahlencontrolling angeht, wird vom Rechnungshof nicht mit diesem, aber mit dem vorhergehenden Bericht zur Verwaltungsreform dokumentiert. Das hat sich auch gestern im Hauptausschuss gezeigt. Uns wurde Folgendes als Verwaltungsreform verkauft: eine Reform von Schulsekretariaten, die interkulturelle Öffnung der Jobcenter und die Implementierung des Gender-Mainstreaming. Verwaltungsreform ist für den Senat hingegen nicht, die einzelnen Produkte

der Hauptverwaltungen miteinander vergleichbar zu machen und daraus eine Steuerung zu entwickeln. Das wird konsequent auf Landesebene verweigert. Der zuständige Ausschuss „Produkthaushalt“ stochert seit Monaten im Nebel, weil es keine vergleichbaren Zahlen gibt. Selbst überschaubare Einrichtungen wurden vom Ausschuss nach Hause geschickt, weil es keine Chance gibt, mit den Zahlen zu steuern bzw. daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Das ist der große Mangel der Finanzpolitik dieses Senats. Hunderte Millionen € könnten als Effektivitätsreserve aus der Landesverwaltung gezogen werden. Das System der Budgetierung und der Steuerung nach Zahlen muss auf die Landesebene übertragen werden. Da ist es sicher wesentlich, sich mit konkreten monetären Feststellungen des Rechnungshofs aus dem aktuellen Bericht auseinanderzusetzen. Wichtiger ist es aber, die Grundsatzarbeit zu leisten, nämlich die Finanzierungs- und Einsparreserven zu heben. Das ist der springende Punkt. Beim dem wichtigen laufenden Controlling verweigern Sie nicht nur den Einsatz des Rechnungshofs, sondern – das hat gerade die Diskussion zum vorigen Tagesordnungspunkt gezeigt – Sie verweigern auch diese wichtige Verwaltungsreformaufgabe. Deswegen können wir die Schönfärberei, die Sie mit dem Rechnungshofbericht verbunden haben, nicht teilen. Wenn Sie die von mir skizzierten Reserven nicht heben, werden Sie mit Ihrer Finanzpolitik scheitern.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Das Wort für die Linksfraktion hat nun Herr Liebich. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion bei Herrn Dr. Harms, seinem Vizepräsidenten, den Direktoren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Arbeit im Interesse des Landes ganz herzlich!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Sie geben uns, dem Parlament, aber auch dem Senat wichtige Hinweise für unsere Arbeit, Sie zeigen Missstände auf, und das ist insbesondere für Regierungsparteien nicht immer schön. Manchmal tut das auch richtig weh. Wir hier im Haus und der Senat haben die Verantwortung, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Das werden wir auch tun.

Herr Goetze! Das soll auch so bleiben. Wir wollen kein Verfahren einführen, nach dem der Rechnungshof selbst die Konsequenzen zieht. Das ist in unserem demokratischen System zu Recht nicht vorgesehen. Die parlamentarischen Mehrheiten – wer auch immer sie bildet – werden die Entscheidungen treffen.

Zweitens, Herr Goetze: Den Hinweis, es sei ganz schlimm, dass die Koalitionsmehrheit einen Vorschlag,