Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Diesem Antrag kann und will die Linksfraktion nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

Dirk Behrendt

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dott! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2218 an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe als Priorität der SPD auf

lfd. Nr. 4 e:

Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsunternehmen stadtverträglich steuern

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2285

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Der Abgeordnete Buchholz erhält das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute haben wir einen Antrag auf der Tagesordnung, den wir als Koalition einbringen, bei dem wir Sie dringend um Unterstützung bitten. Es geht darum, die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsunternehmen hier in der Stadt sinnvoll zu steuern. Bevor platte Einwürfe von der FDP kommen – von der CDU ist das heute ja nicht möglich –, sage ich ganz klar: Berlin ist Einkaufs- und Shoppingstadt. Das soll auch so bleiben. Berlin braucht eine vernünftige Nahversorgung mit Einzelhandelsgeschäften in den Wohnkiezen. – Aber wir wollen uns nicht das Stadtbild zerstören lassen, und wir wollen insbesondere nicht die letzten existierenden Einzelhändler in den normalen Straßen zerstören lassen. Wir wollen lebendige Kieze, in denen es sich lohnt zu wohnen, in denen die Leute vor Ort einkaufen können.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion)]

Dazu soll dieser Antrag dienen.

Sie alle kennen dieses Problem, wenn Sie mit offenen Augen durch Berlin laufen – den Stadtbezirk können Sie sich aussuchen –: Es gibt einen Discounter – ich möchte keine Namen nennen –, und wenn Platz ist, kommt gleich der nächste daneben usw. Dazu kommen immer große Parkflächen. Wofür ist das gut? Ist das noch Nahversorgung? Benötigt das jemand? – Nein! Es ist zu viel. Es kommt zum Verdrängungswettbewerb.

Diese Einzelhandelsunternehmen nehmen das Standardmodell, das sie einheitlich für ganz Europa entworfen

haben, und setzen es vor Ort hin, und zwar unabhängig vom vorhandenen Stadtbild. Sie nehmen eine große freie Fläche und setzen einen Parkplatz davor. Man hätte auch Aliens losschicken können, um sich auf der Erde anzusiedeln. Die hätten eine ähnliche Einheitsbauweise gewählt. Das zerstört das Stadtbild.

Es geht aber auch darum, dass damit die letzte Kaufkraft der Leute in die Discounter getragen wird und nicht mehr in die klassischen Einkaufsstraßen. Es ist und bleibt so: Die Bürgerinnen und Bürger können jeden Euro nur einmal ausgeben. Durch die immer stärkere Ausweitung von Einkaufsflächen wird das Geld in den Portemonnaies der Berlinerinnen und Berliner leider nicht mehr. Das wäre zwar schön, aber es ist nicht so. In den letzten Jahren gab es eher eine Stagnation.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Bitte schön! Aber ich glaube, er will über die Autobahn reden und nicht über den Einzelhandel. Mal sehen!

Weil Sie das Stadtbild herausgehoben haben, frage ich Sie: Wie bewerten Sie die Eingriffe, die mit dem Bau der A 100 verbunden sind? Sind die nicht viel wesentlicher und verschandeln die Stadtstruktur mehr?

[Lars Oberg (SPD): Der Kollege Buchholz ist ein Prophet! Er wusste schon vorher, dass die Frage kommt!]

Kollege Lux! Es ist ganz einfach. Sie haben gerade die Rede meines Kollegen Gaebler gehört. Mir geht es so wie ihm. Auch ich habe andere Lieblingsprojekte. Auch hinsichtlich des Stadtbilds muss man sich intensive Gedanken machen, aber man muss einräumen, dass dieses Projekt so teuer wird, weil man im Tunnel oder Trog arbeitet. Das muss man, wenn man kritische Fragen stellt, auch erwähnen. So fair müssen Sie sein. – Aber das ist ein anderes Thema, und uns ist der Einzelhandel wichtig.

Uns geht es um die Kieze. Wie wollen Folgendes nicht mehr sehen, was besonders in Treptow-Köpenick und aktuell in Spandau, aber auch in anderen Bezirken ein Problem ist: Es kommen große Ketten und der vermeintlich segensbringende Ankermieter, ob es nun ein Baumarkt oder etwas anderes ist, aber dabei bleibt es nicht. Es folgen andere, daraus wird ein Shoppingcenter und dann fragt man sich: Moment mal! Wo ist die integrierte, an Zentren orientierte Ansiedlung von Händlern in der Stadt? – Auf die Frage, wie man damit umgehen kann, müssen gerade Konservative – auch die FDP – Antworten geben.

Es gibt ein neues Steuerungsinstrument. Wir haben bereits drei auf Landesebene: den übergeordneten Flächennutzungsplan, die Ausführungsvorschriften für den großflächigen Einzelhandel und den Stadtentwicklungsplan Zentren. Das sind die landesweiten Steuerungsinstrumente. Es gibt ein neues Instrument, mit dem die Bezirke die Möglichkeit haben zu sagen: An folgenden Stellen können wir uns noch bezirkliche Zentren vorstellen und an anderen nicht, um uns den verblieben Einzelhandel nicht völlig zu zerstören. Dieses Instrument nutzen bisher leider nicht alle Bezirke. Ich will jetzt keine Namen nennen. Einige schwitzen schon. Ich kann nur sagen, dass wir das sehr aufmerksam und kritisch verfolgen werden. Das Instrument eines bezirklichen Zentren- und Einzelhandelsplans ist für alle Bezirke unerlässlich, denn das schafft eine rechtliche Möglichkeit, eine übermäßige Ansiedlung großer Discounter und Märkte zu verhindern. Wir fordern alle auf, das zu nutzen!

Wir wollen mit unserem Antrag den Senat bitten auszuloten, was durch Gesetzesänderungen auf Bundesebene möglich ist, beispielsweise durch die Baunutzungsverordnung. Welche Möglichkeiten gibt es, bei Planungsänderungen zu verhindern, dass Einzelhandelsflächen sich ansiedeln, wenn Gewerbe zugelassen ist. Uns geht es um lebendige Kieze und lebendige Strukturen mit einer guten Nahversorgung der Berlinerinnen und Berliner und ihrer Gäste.

Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist beendet!

Mein letzter Satz: Dazu brauchen wir nicht noch den fünften neben dem vierten Discounter, sondern eine Vielfalt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter! Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Abgeordnete Hämmerling das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Buchholz! Das ist ein wunderbarer Antrag. Ich finde ihn gut. Der Begründung kann ich in allen Punkten zustimmen. Auch folgender Forderung ist nichts entgegenzusetzen:

Der Senat wird aufgefordert, sich verstärkt für eine siedlungs-, stadtbild- und zentrenverträgliche Ansiedlung von Unternehmen des großflächigen Einzelhandels in Berlin einzusetzen.

Ich will Ihnen mal einen anderen Antrag zum Thema „Erlass zur Vermeidung von weiteren Großflächen für

Einzelhandel und zu dessen verträglicher Entwicklung“ vorlesen, der lautete:

Der Senat wird aufgefordert, in Abstimmung mit dem Land Brandenburg einen Einzelhandelserlass zu beschließen, der die Ansiedlung von weiterem großflächigen Einzelhandel an nicht integrierten Standorten mit seinen negativen Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr, Landschaft, infrastrukturelle Ausstattung und Versorgung der Bevölkerung sowie die kleinen und mittelständischen Einhandelsunternehmen verhindert.

Den Antrag können Sie nicht kennen, da er aus dem letzten Jahrtausend, aus dem Jahr 1998 stammt und von Künast, Schreyer, Hämmerling und Kuhn unterzeichnet ist. Er ist von der großen Koalition abgelehnt worden.

[Daniel Buchholz (SPD): Nehmen Sie uns dafür nicht in die Haftung! Da waren wir noch nicht da!]

Wenn wir uns anschauen, wie Sie in Ihrem Antrag den Einzelhandel beschrieben haben, ist das die Geschichte, die die große Koalition bis ins Jahr 2001 geschrieben hat und was Sie mit Ihrem Koalitionspartner seit dem Jahr 2001 zu verantworten haben. Dass muss auch gesagt werden, Herr Buchholz!

[Beifall bei den Grünen]

Sie haben zu verantworten, dass zigtausend Arbeitsplätze im kleinteiligen Einzelhandel abgebaut worden sind.

[Zuruf von Ralf Hillenberg (SPD)]

Da werden Sie wieder laut, Herr Hillenberg! Das gefällt Ihnen vielleicht nicht, aber es ist die Realität. – Sie haben dafür gesorgt, dass allein in der Landsberger Allee eine Fläche von 350 000 Quadratmetern für Einzelhandel ausgewiesen wurde. Spitzenreiter ist dabei die Landsberger Allee 368. Den Antrag kennen Sie noch. Mit dem Antrag wollten wir das verhindern, aber das haben Sie auch abgelehnt.

Das ist das bundesweit zweitgrößte Einkaufszentrum, wofür Sie sogar extra ein Raumordnungsverfahren benötigten, um es in Planungsrecht umzuwandeln. Die Linke war dabei federführend. Wir finden Ihren Antrag heute richtig und gut, aber er kommt zu spät. Er täuscht nicht darüber hinweg, dass Sie die Totengräber des Einzelhandels sind. Die Entwicklung, so wie sie sich heute darstellt, haben Sie zusammen mit Ihren Koalitionspartnern der letzten acht Jahre oder der Zeit davor zu verantworten. Herr Buchholz, ich laste es Ihnen nicht persönlich an, aber es ist so, dass zigtausend Arbeitsplätze vernichtet wurden,

[Zuruf von Ralf Hillenberg (SPD)]

die Stadtstruktur zerstört worden ist und das Verkehrsaufkommen bei diesen nicht integrierten Standorten gigantisch ist. Natürlich hat die Stadtstruktur innerhalb der belebten Stadt gelitten, weil dort der Einzelhandel kaputt gegangen ist. Heute gibt es nur noch wenig Spielraum für Ihren Antrag, weil die Pfründe verteilt sind. Es geht zwar um ein wenig mehr Fläche und vielleicht den einen oder

Daniel Buchholz

anderen Standort, aber wir werden die Schraube nicht zurückdrehen und Sie werden sich nicht von Ihrer Verantwortung frei machen können. Wir werden das im Auge behalten. Trotzdem können wir dem Antrag zustimmen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hämmerling! – Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Weingartner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Weingartner! Es ist heute alles ein wenig durcheinander. Wir haben etwas vergessen, und zwar Herrn Abgeordneten Flierl von der Linksfraktion. Ich entschuldige mich ausdrücklich! Gestatten Sie, dass Herr Weingartner seine Ausführungen zu Ende führt und Sie dann im Anschluss sprechen?

[Lars Oberg (SPD): Er hat ja noch gar nicht angefangen!]