Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Eines steht fest: Es gibt sie längst, die Frauen mit den erforderlichen fachlichen Qualitäten und Führungsqualitäten. Wir müssen sie nur erreichen und mehr unterstützen. Das muss politisch gewollt sein sowie sozial und rechtlich abgesichert werden. Es müssen Verfahren entwickelt werden, um die Information über vakante Stellen rechtzeitig an Frauen weiterzuleiten und ihnen durch ein genügend großes Zeitfenster Entscheidungsspielraum sowie Unterstützung zu geben. Dass die Suche nach qualifizierten weiblichen Führungskräften von den verschiedenen Senatsressorts, ihren Findungskommissionen und beauftragten Personalagenturen mit Priorität verfolgt wird, ist dabei sicherzustellen. Dabei müssen Listen, die den zuständigen Gremien zur Personalfindung zur Personalfindung vorgelegt werden, mindestens so viele Frauen wie Männer enthalten. Zum Nachweis sollte es künftig dokumentiert und ausführlich begründet werden, wenn von diesem Prinzip abgewichen wird. Allein mit Ausschreibungen wird nichts besser, Frau Kofbinger. Geschlechtergerechtigkeit ohne passgenaue, zielgerechte Frauenförderung gibt es noch lange nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Baba! – Für die Fraktion der FDP hat nun der Kollege Thiel das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Neumann! Dass Sie die Erfolge der Koalition in den letzten sieben, acht Jahren darstellen, ist Ihr gutes Recht. Auch Ihnen, Frau Baba, habe ich aufmerksam zugehört. Ich frage mich aber, was Ihre interessante Rede mit dem vorliegenden Antrag der Grünen zu tun hat.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es geht nicht darum, irgendwelche Erfolge in der Geschlechtergerechtigkeit herunterzubeten oder zu dokumentieren. Das ist nicht Gegenstand des Antrags.

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Herr Doering! Wenn Sie zuhören, können Sie etwas lernen. Passen Sie auf!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Von Ihnen?]

Es geht schlicht und einfach darum, dass hier vonseiten des Senats Recht nicht angewandt und sogar ignoriert oder gebrochen wird. Das ist ein bodenloser Skandal.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dieser Senat und der Vorgängersenat haben seit 2001 mehrfach – ich habe ein paar Sachen herausgenommen – gegen Recht verstoßen: Ihnen wurde die Verfassungswidrigkeit des Haushalts bescheinigt. Sie wurden vom VGH aufgefordert, eine Finanzplanung vorzulegen – mittlerweile haben Sie es getan. Zuletzt wurde die Zusatzvereinbarung zur Übernahme des Flughafens Tempelhof ohne haushaltsrechtliche Ermächtigung abgeschlossen. – Das waren alles Rechtsverstöße.

Was jetzt kommt, ist ein Riesenskandal: Sie setzen mit der Mehrheit des Hauses Gesetze in Kraft – das ist vollkommen in Ordnung –, und anschließend gibt es Senatsmitglieder, die diese Gesetze nicht nur nicht zur Kenntnis nehmen, sondern sie schlicht nicht anwenden. Das ist ein Rechtsskandal. Das ist Regieren nach Gutsherrenart oder von oben herab mit Hybris. Das kann sich ein demokratisches Parlament nicht leisten. Darum geht es mir hier.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es ist bezeichnend, dass wir als Legislative Sie als Exekutive darauf hinweisen müssen, dass Sie die Gesetze gegenwärtig, aber vor allen Dingen auch zukünftig einhalten sollen, die Sie uns hier selbst vorgelegt und mit Ihrer Mehrheit verabschiedet haben. Dass so etwas in einem deutschen Parlament nötig ist, habe ich mir nie vorstellen können. Ich dachte immer, jeder einzelne von uns bemüht sich, nach Recht und Gesetz vorzugehen. Das, was Sie dokumentieren, ist ungesetzliches Handeln. Ich habe den

Eindruck, dass das nicht einfach so geschieht, wie man mal sein Auto eine Stunde zu lange irgendwo parkt, sondern mit blankem Vorsatz. Das ist ein Skandal.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist auch ein Skandal für diejenigen, die davon betroffen sind. Wenn im Ursprungsantrag und auch in der Diskussion manchmal gesagt wird, man sollte überlegen, die bestehenden Verträge in einer sauberen Form juristisch aufzuheben, dann will ich nur daran erinnern: Die Personen, die davon unmittelbar betroffen sind, nehmen unmittelbar Schaden, denn sie haben sich darauf verlassen, dass das, was vonseiten des Senats gemacht wird, nach recht und Ordnung geschieht und nicht nach Gutsherrenart oder Willfähigkeit. Der Schaden liegt einerseits in dem Selbstverständnis, das wir haben, und andererseits werden die Betroffenen durch die Presse gezogen, was nicht gerade förderlich ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Noch eine Anmerkung zu der immer wieder geforderten und im Gesetz festgeschriebenen Ausschreibung: Ich bin nicht überzeugt davon – da stimme ich Ihnen zu, Frau Baba –, dass alleine eine Ausschreibung mehr Gerechtigkeit bringt. Sie bietet vielleicht die Möglichkeit, dass sich mehr Menschen daran beteiligen. Das wäre positiv. Womit ich ein Problem habe, ist, dass wir gezwungen sind auszuschreiben. Stellen Sie sich mal vor, es würde so etwas auf Bundesebene geben: Herr Mehdorn wurde in die Wüste geschickt; die Stelle ist frei; sie muss besetzt werden. Dann kommt ein Herr Grube auf die Idee und schreibt: „Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,“ oder: „Sehr geehrter Herr Tiefensee, hiermit bewerbe ich mich um die Stelle eines Vorstandsvorsitzenden.“ So kann das Märchen weitergehen. – Wenn das so ist, Herr Doering, können wir beide uns auch bewerben.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ist die Stelle ausgeschrieben worden?]

Wir hätten wahrscheinlich beide keine Chance.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Warum nicht?]

Es geht darum, dass eine Ausschreibung möglich sein muss, aber nicht vorgeschrieben wird. Wenn sie möglich ist, sollte man kritisch prüfen, ob es sinnvoll ist, sie anzuwenden. Was hier geschehen ist, hat nichts mehr mit rechtsstaatlichem Handeln zu tun, und deswegen missbilligen wir es. Wir bitten Sie, unserem Änderungsantrag beizutreten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU) und Anja Kofbinger (Grüne)]

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht die sofortige Abstimmung. Es

gibt jedoch den Antrag der Fraktion der SPD auf Überweisung der Drucksache an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen, worüber ich abstimmen lasse. Wer der Ausschussüberweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen sehe ich nicht. Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag überwiesen. Die Überweisung gilt selbstverständlich auch für den Änderungsantrag der Fraktion der FDP.

Jetzt rufe ich auf

lfd. Nr. 4 b:

Antrag

Statt Verhöhnung eine echte Perspektive für den öffentlichen Dienst in Berlin!

Antrag der FDP Drs 16/2331

Das ist die Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 28. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP in Person von Herrn Jotzo. Ich bitte aber zuvor um etwas mehr Ruhe. Diejenigen, die reden möchten, bitte ich, den Saal zu verlassen. Wenn eine solche Unruhe herrscht, ist das eine Zumutung für den Redner und alle, die ihm zuhören wollen. – Herr Jotzo, ergreifen Sie das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Zumutung für den Redner – und nicht nur für ihn, sondern auch für alle Beamtinnen, Beamten und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst – ist nicht nur Unruhe im Saal, sondern auch, wenn der Regierende Bürgermeister bei einem solchen Thema demonstrativ das Plenum verlässt. Das ist eine Zumutung.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das ist auch symptomatisch für das Verhalten dieses Regierenden Bürgermeisters und dieses Senats im Umgang mit den Beamtinnen und Beamten und den gesamten Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Land Berlin.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wenn ein Regierender Bürgermeister während einer 200Jahrfeier der Berliner Polizei auf die Bitte der Polizeiführung, über eine Anpassung der Bezüge nachzudenken, in seiner Rede erwidert, es könne sich vielleicht in den nächsten 200 Jahren etwas beim Gehalt tun, dann wäre das unter normalen Umständen vielleicht eine flapsige Bemerkung – womit sich Herr Wowereit nachher entschuldigt hat.

Das wäre unter normalen Umständen vielleicht eine flapsige Bemerkung, die man einem Regierenden Bürgermeister auch als Beamter mal durchgehen lassen kann, wenn man weiß, dass es lustig gemeint ist. Aber in der Situation, in der sich die Beamtinnen und Beamten und

die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Land Berlin zurzeit befinden, ist eine solche Bemerkung eines Dienstherrn und eines Regierenden Bürgermeisters keine Flapsigkeit, sondern eine Ungeheuerlichkeit.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Es ist eine Ungeheuerlichkeit gegenüber den Beamtinnen und Beamten und den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die in den letzten Jahren große Opfer im Rahmen des Anwendungstarifvertrages gebracht haben, große Leistungen für unsere Gesellschaft und für unser Land Berlin erbracht haben und sich nun eine solche Bemerkung eines Regierenden Bürgermeisters von oben herab anhören müssen. Ich kann Ihnen nur sagen: Flapsigkeit und Spott sind das falsche Signal für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, für die Beamtinnen und Beamten. Da erwarten wir in Zukunft mehr von Ihnen.

[Beifall bei der FDP – Daniel Buchholz (SPD): Herr Jotzo! Alles schon vergessen, alles verdrängt?]

Ich darf kurz zusammenfassen, was ich hier in einer Rede zur Personalpolitik schon im November 2008 vorgetragen habe. Schon da habe ich die chaotische Personalpolitik des Senats beklagt, die kein Ziel, keine Planung und keine Steuerung kennt und die sich immer noch nicht dem Ziel nähert, endlich eine schlanke, bürgernahe und leistungsfähige Verwaltung zu schaffen, die gut bezahlt ist und motiviert ihre hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen kann. Nun frage ich mich, was zwischenzeitlich – wir sind schon weit gekommen auf dem Weg zu den Beratungen zum Doppelhaushalt 2010/2011 – passiert ist. Hat uns jetzt der Senat seine Zukunftskonzepte vorgelegt? Hat er uns gesagt, wo er mit dem öffentlichen Dienst in Berlin hin möchte? Hat er uns gesagt, wo die Schwerpunkte sein sollen, wo die Aufgabenkritik ist, welche Aufgaben unsere Verwaltung in Zukunft noch wahrnehmen soll und wo er gedenkt, den Beschäftigten eine Perspektive in unserer Verwaltung zu bieten? Zeigt er ihnen, wo er hinkommen will? Welche Chance gibt er ihnen, sich auf diesem Weg einzubringen? – Nichts dergleichen hat der Senat getan. Stattdessen hören die Beschäftigten als Einziges spöttische Bemerkungen des Regierenden Bürgermeisters, und das ist zurzeit zu wenig.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich darf daran erinnern: Der Solidarpakt läuft demnächst aus. Die Tarifverhandlungen beginnen ab dem 10. Juni. Die Beschäftigten im Land Berlin haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie die Personalpolitik, die Personalstrukturpolitik und die Aufgabenkritik des Senats in dieser Situation aussieht. Wir werden beim Auslaufen des Anwendungstarifvertrages Mehrkosten von 150 Millionen Euro jährlich haben. Wenn man dann noch darüber nachdenkt, dass man das Bezahlungsniveau unserer Beschäftigten dem Bundesschnitt anpassen will, gegebenenfalls inklusive Versorgungsleistungen, zusätzlich noch weitere 300 Millionen Euro pro Jahr! Das sind Summen, über die zu reden und nachzudenken lohnt.

Wenn man darüber redet, wo man hin will, meine Damen und Herren von der rot-roten Koalition, dann kann man vielleicht Lösungen finden – vielleicht auch gemeinsam mit den Beschäftigten und gemeinsam mit den Fraktionen in diesem Hohen Hause. Nichts dergleichen versuchen Sie. Das Einzige, was Sie tun, ist, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Land Berlin zu verspotten. Sie versäumen es, die Steine für die Zukunft zu legen. Wenn Sie weiterhin nicht die Initiative zeigen, die man von Ihnen in dieser Situation erwarten kann, dann wirft das ein schlechtes Licht auf die Personalpolitik dieses Senats. Ich kann Sie daher nur auffordern: Seien Sie endlich bereit, eine Zukunftsperspektive für die öffentlich Beschäftigten im Land Berlin vorzulegen! Schaffen Sie eine Personalstrukturplanung! Schaffen Sie eine Personalplanung! Schaffen Sie eine Personalentwicklungsplanung! Dann werden Sie vielleicht erfolgreich sein können, aber mit rot-rotem Kleinklein werden Sie nicht weiterkommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Kollege Kleineidam das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jotzo! Gerne würden wir mit allen Fraktionen zusammenarbeiten, aber gerade wenn ich daran denke, was die FDPFraktion in den letzten Jahren an Vorschlägen zur Zukunft des öffentlichen Dienstes gemacht hat – betriebsbedingte Kündigungen, radikaler Stellenabbau, Privatisierung –, kann ich nur sagen: Das werden Sie mit uns nicht erleben.