Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

Da kommt nichts raus. Das ist eine Hauptstadtregierung, eine Regierung für Berlin – ein lächerliches, unwürdiges Possenspiel, das Sie abliefern!

Sie treten am besten aus, Frau Baba! Gesellen Sie sich zu den Leuten, mit denen Sie auf die Straße gegangen sind, um gegen den Staat zu demonstrieren! – Und Sie beenden diese Koalition! Das wären die einzigen vernünftigen Sachen. Vorerst missbilligen Sie dieses Verhalten! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD, der CDU und der Linksfraktion]

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kleineidam.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Für Beschimpfungen sind Sie in diesem Haus bekannt.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Sprechen Sie doch mal zur Sache!]

Ob Sie als Erklärungsmeister für das Grundgesetz auftreten können – daran habe ich nach diesem Redebeitrag größte Zweifel.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben einen kurzen Antrag vorgelegt, drei Absätze. Gehen wir einmal durch! Der erste Absatz:

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hat einen beachtlichen Anteil an der erfolgreichen demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung unseres Gemeinwesens …

Völlig richtig! –

Kodifizierung der Grundrechte … ein Meilenstein der deutschen Geschichte.

Völlig richtig! –

[Christoph Meyer (FDP): Dann können Sie ja zustimmen!]

Und zu diesen Grundrechten gehört die Meinungsfreiheit, gehört die Demonstrationsfreiheit, und immer gehört die Freiheit des Andersdenkenden auch dazu.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Zurufe von der FDP]

Dass das bei Ihnen nicht angekommen ist, ist in Ihrem Redebeitrag eben deutlich geworden. Ich muss mir nicht von jedem, der hier in Berlin demonstriert, die Meinung zu eigen machen.

[Zurufe von der FDP]

Da gibt es vieles, was ich persönlich überhaupt nicht nachvollziehen kann, aber ich werde immer dafür eintreten, dass diese Menschen die Grundrechte aus unserer Verfassung auch ausleben dürfen und durchsetzen können.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wenn die FDP-Fraktion meint, das wäre für das Abgeordnetenhaus ein Anlass, sich zu unserer Verfassung zu bekennen – das verstehe ich überhaupt nicht. Vielleicht hat die FDP-Fraktion ein Bedürfnis, sich zu unserer Verfassung zu bekennen. Für den Rest des Hauses, kann ich, glaube ich, sagen, ist das Bekenntnis völlig unstrittig.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Gelächter bei der FDP]

Am Ende Ihres Antrags sagen Sie: Wenn ein Mitglied des Abgeordnetenhauses den Aufruf von Linksextremisten unterstützt, dann wird damit

Dr. Martin Lindner

die Achtung des Grundgesetzes durch alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses infrage gestellt.

Was für ein Selbstbewusstsein hat Ihre Fraktion eigentlich? Wenn ich so verfahren würde, weil irgendeine Kollegin oder ein Kollege irgendwo ausgemachten Unsinn erzählt, wenn ich immer sagen würde, das wird auch auf mich bezogen, dann müsste ich in jede Plenarsitzung mit fünf Entschließungsanträgen kommen. Sie sollten überlegen, ob Sie nicht etwas mehr Selbstbewusstsein entwickeln. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie jede Position übernehmen. – Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, ist kein Beitrag zur Würdigung unserer Grundrechte. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – [Kurt Wansner (CDU): Manchmal macht man sich mitschuldig!]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Gram.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Teilnahme eines Mitglieds dieses Hauses an der Demonstration am 23. Mai gegen unser Grundgesetz haben die Kollegen von der FDP diesen Missbilligungsantrag völlig zu Recht auf die Tagesordnung gesetzt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das Grundgesetz ist die beste Verfassung, die unser Land je hatte. Es ist das Fundament der Bundesrepublik Deutschland, des demokratischsten, freiheitlichsten und stabilsten Staates der deutschen Geschichte, und das seit 60 Jahren. Seine größte Bewährungsprobe, das wissen wir alle, hat das Grundgesetz 1990 bestanden, als sich die Menschen in Ostdeutschland mit übergroßer Mehrheit zum Beitritt zum Wirkungsbereich dieses Grundgesetzes entschieden haben. Seitdem ist es die Verfassung aller Deutschen.

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut von Verfassungsrang. Jeder hat die Möglichkeit und das Recht, auch gegen Bestimmungen unserer Verfassung zu demonstrieren. Das gilt auch für Abgeordnete. Aber gleich die ganze Verfassung über Bord werfen – mit mir nicht!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Als Demokrat werde ich immer für das Demonstrationsrecht kämpfen,

[Zurufe von der Linksfraktion]

natürlich auch für das Recht auf die Teilnahme an Demonstrationen, deren Inhalt ich nicht teile. Aber es gibt auch eine Grenze der Freiheit. Wie notwendig diese Grenzziehung ist, hat nicht zuletzt der erst gestern vom Innensenator veröffentlichte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2008 gezeigt. Es gibt in dieser Stadt islamistische, rechtsextreme und linksextreme Bestrebungen ge

gen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Und genau diese Kräfte sind es, die gegen die Verfassung demonstrieren.

Umso bedenklicher ist es, wenn die Bundesvorsitzende der Jungsozialisten via Twitter zu einer solchen Demonstration gegen das Grundgesetz mit der Losung „Etwas Besseres als die Nation – Gegen die Herrschaft der falschen Freiheit“ aufruft. Was für eine Schande für die SPD!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Pfui! von der FDP]

Bei den Mitgliedern der Linkspartei hingegen wundert ein solcher Demonstrationsaufruf kaum noch – jedenfalls dann nicht, wenn man die Begründung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Februar dieses Jahres zur Linkspartei gelesen hat. Das Gericht betonte, es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Linkspartei Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolge. Es gebe bedeutsame Personenzusammenschlüsse innerhalb der Linkspartei, die Hinweisen zufolge weiterhin die Diktatur des Proletariats im klassischen Sinne anstrebten. Zugleich wollten sie damit zentrale Werte des Grundgesetzes außer Kraft setzen, etwa die Menschenrechte, das Recht auf allgemeine und gleiche Wahlen, das Recht zur parlamentarischen Opposition und auch zur Ablösung einer Regierung.

Die Teilnehmer der Demonstration am 23. Mai nehmen die Rechte unserer Verfassung gerne und unbedingt in Anspruch, um im gleichen Atemzug die Überwindung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu betreiben. Das ist schizophren.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dass sich aber ein Mitglied dieses Hauses – Frau Baba, Sie sind genannt worden – daran beteiligt, hätte ich nie für möglich gehalten, zumal genau dieses Mitglied – wie auf der Internetseite zu lesen ist – selbst in seiner Kindheit im Alter von acht Jahren mit seiner Familie vor dem türkischen Militär flüchten musste, in Berlin unter dem Schutz des von Ihnen bekämpfen Grundgesetzes Zuflucht fand und den Schutz einer freiheitlich-demokratischen Verfassung erfahren hat. Das verstehe, wer will.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der FDP: Schämen Sie sich!]

Vor diesem Hintergrund, Frau Baba, hätte ich es eher verstanden, wenn Sie zu einer Demonstration gegen die menschheitsbedrohende Diktatur in Nordkorea aufgerufen hätten. Aber davon höre ich von Ihrer Seite überhaupt nichts.

[Beifall bei der CDU]

Ich bin jedenfalls sehr froh, in der Zeit des Grundgesetzes aufgewachsen zu sein und das Privileg gehabt zu haben, die Segnungen dieses Gesetzes genießen zu dürfen. Meine Fraktion wird dem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Thomas Kleineidam

Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Lederer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe FDP! Als ich Ihren Antrag zum ersten Mal gelesen habe, habe ich gedacht, man hat Ihnen etwas in den Kaffee getan. Ihr Antrag atmet den Geist autoritärer Charaktere, wie sie Heinrich Mann nicht eindrucksvoller hätte beschreiben können.