Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

ballweltmeisterschaft 2010 lediglich für den Zeitraum vom Achtelfinale bis zum Endspiel genehmigen? Warum wird die Fanmeile nicht auf dem von der FIFA favorisierten Abschnitt – auf der Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule –, sondern nur zwischen dem Großen Stern und der Yitzhak-Rabin-Straße genehmigt?

Sie fragten den Sportsenator. Der hat jetzt das Wort. – Bitte, Herr Dr. Körting!

Was das mit Sport zu tun hat, ist eine andere Frage. Aber gut!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Herr Kollege Statzkowski! Erstens gibt es Einvernehmen mit der FIFA darüber, wie diese Fanmeile ablaufen soll.

Zweitens haben wir permanent eine Debatte über die Überlastung der Straße des 17. Juni am Brandenburger Tor in der Stadt. Deshalb muss man immer nüchtern abwägen, in welchem Umfang eine Sperrung sinnvoll ist. Bei dieser Abwägung sind wir im Moment der Auffassung, dass es ausreichend ist, die Spiele dort ab dem Achtelfinale zu übertragen. Wir gehen dabei auch davon aus, dass es in der Stadt noch an vielen anderen Orten die Möglichkeit gibt, die Spiele zu verfolgen. Sie müssen zwischen dem Interesse der Verkehrsteilnehmer einerseits und dem der Veranstalter am Brandenburger Tor andererseits abwägen. Insofern ist aus meiner Sicht eine gute Lösung gefunden worden.

Das gilt auch für den Umfang. Wenn Sie sich an den Bereich erinnern, in dem wir die Fanmeile zur WM 2006 hatten, dann werden Sie wissen, dass wir dort sehr gut besuchte Veranstaltungen hatten, aber auch solche, bei denen sich eine kleine Menge am Brandenburger Tor konzentriert hat. Vor diesem Hintergrund halte ich es für falsch, eine Sperrung bis zur Siegessäule vorzunehmen. Man wird diese Fläche nicht vier Wochen lang füllen können. Ich glaube beispielsweise nicht, dass ein Spiel der Elfenbeinküste gegen einen südamerikanisches Land Menschenmassen anlocken wird. Wenn es zu sensationellen Spielen kommt, bei denen viele Besucher vorhersehbar sind, kann man flexible Lösungen finden.

Danke schön! – Der Kollege Statzkowski hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator! In Anbetracht der Tatsachen, dass die Fanmeile zur letzten Fußballweltmeisterschaft ein großer Erfolg war und hervorragend besucht wurde und der

Frauenfußball entschieden um die gleiche Anerkennung wie der Herrenfußball kämpft, frage ich Sie: Wäre es nicht im Sinn einer gender-gerechten Politik des Senats, den Frauenfußball durch die gleichen Feier- und Popularisierungsmöglichkeiten zu fördern?

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Sehen Sie mal, wie viel Beifall ich für diese Frage bekomme!

[Beifall bei der CDU, der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Statzkowski! Ich unterstütze den Frauenfußball genauso frenetisch wie Sie.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Aber gerade weil ich das tue, möchte ich vermeiden, dass unsere Frauenfußballnationalmannschaft beim Eröffnungsspiele in einem halb leeren Olympia-Stadion spielt. Ich halte es für sinnvoll, sich erst einmal auf das Füllen der Stadien zu konzentrieren und dort die entsprechende Stimmung zu machen. Wenn uns das gelingt, können wir uns künftig auch über Fanmeilen beim Frauenfußball unterhalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke, Herr Senator!

Jetzt ist der Kollege Behrendt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der Reihe. – Bitte, Sie haben das Wort!

Ich frage die Senatorin für Justiz bezüglich der erschreckenden Zunahme der Selbstmorde in Berliner Knästen: Teile Sie meine Meinung, dass es zur Einschätzung, ob jemand eine Suizidneigung hat, des fachlichen Rates von Psychologen und Psychiatern bedarf und Sozialarbeiter dafür nicht die erste Wahl sein sollten?

Bitte schön, Frau Senatorin von der Aue!

Andreas Statzkowski

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Behrendt! Ich teile Ihre Auffassung nicht. Ich denke vielmehr, dass die Sozialarbeiter, die in unseren Haftanstalten Dienst tun, aufgrund ihrer Ausbildung sehr wohl einschätzen können, ob jemand suizidgefährdet ist. Sie können das nicht nur aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung einschätzen, sondern es gibt eine Suizidprophylaxegruppe in der Haftanstalt Moabit, die vor einiger Zeit einen soliden Screeningbogen erarbeitet hat, der bei jeder Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt abgearbeitet wird. Das heißt, dass in einem ersten persönlichen Zugangsgespräch mit einem Sozialarbeiter festgestellt wird, ob es Anzeichen für Suizidalität gibt. Wenn das – wie in der Untersuchungshaft öfter – der Fall ist, werden die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Das kann in bestimmten Krisensituationen auch das Hinzuziehen von Psychologen beinhalten.

Bitte schön, Herr Behrendt, Sie haben eine Nachfrage!

Herr Präsident! Frau Senatorin! Können Sie uns erklären, wie das Hinzuziehen von Psychologen funktioniert, wenn der Haftanstalt in Moabit mit über 1 000 Gefangenen nur eine Psychologin zur Verfügung steht?

Bitte schön, Frau Senatorin von der Aue!

Zunächst einmal, Herr Abgeordneter Behrendt, weise ich darauf hin, dass es 2,5 Stellen in Moabit gibt. Die sind besetzt, aber Sie haben insofern recht, als eine Kollegin für einen längeren Zeitraum erkrankt ist. Wir haben aber nicht nur diese 2,5 Psychologen, denn in solchen behandlungsbedürftigen Fällen werden primär Psychiater hinzugezogen. Diese kommen auch aus anderen Bereichen, auch aus dem Justizvollzugskrankenhaus. In extremen Fällen werden neu Inhaftierte ins Justizvollzugskrankenhaus eingewiesen.

Danke schön!

Jetzt geht es mit einer Anfrage der Kollegin HolzheuerRothensteiner von der Linksfraktion weiter. – Bitte!

Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Wirtschaftssenator. –Herr Wolf! In der Presse von heute war zu lesen, dass das Siemens-Schaltwerk in Spandau

Teile seiner Produktion nach Tschechien verlagern will. Ist Ihnen das bekannt?

Herr Senator Wolf!

Selbstverständlich ist mir das bekannt. Ich nehme an, dass Sie auch noch nach näheren Informationen fragen und nicht nur danach, ob es mir bekannt ist. Das SiemensWerk Schaltanlagenbau hat ca. 3 000 Mitarbeiter. Vonseiten der Konzernführung ist beabsichtigt, hier in der Produktionslinie Niederspannung ca. 200 Beschäftigte abzubauen bzw. – um es konkreter zu sagen – 160 Beschäftigte aus der Stammbelegschaft und 35 Leiharbeiter, die dort gegenwärtig beschäftigt sind. Es ist weiter beabsichtigt, hier für die Stammbelegschaft keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Deshalb sollen in einem anderen Bereich für 160 Leiharbeiter die Leiharbeitsverhältnisse beendigt werden und dann die 160 aus der Stammbelegschaft aus dem Bereich Niederspannung in den Bereich Mittel- und Hochspannung umgesetzt werden.

Die Entscheidung ist für mich wie auch den Betriebsrat, mit dem ich schon letzte Woche darüber gesprochen habe, in keiner Weise nachvollziehbar, weil dieses Werk zu den produktivsten Werken gehört und im konzerninternen Benchmark gut dasteht. Es schreibt also deutlich schwarze Zahlen. Es ist nicht zu verstehen, warum hier 200 Mitarbeiter abgebaut werden sollen und die Produktionslinie nach Tschechien verlagert werden soll, wo – wie mir der Betriebsrat sagte – auch ungünstige infrastrukturelle Voraussetzungen bestehen, was Verkehrsanbindung und Ähnliches angeht.

Ich stehe sowohl mit dem Betriebsrat als auch mit der IG Metall in Verbindung. Ich bin auch aktiv gegenüber dem Unternehmen und werde gegenüber dem Konzernvorstand auch noch einmal das Unverständnis über diese Maßnahme zum Ausdruck bringen und darauf hinwirken, dass eine andere Lösung geprüft wird. Denn, wie gesagt, nach den mir vorliegenden Informationen gibt es keinerlei Zwang, diese Maßnahme zu ergreifen, sondern anscheinend gibt es hier die Vorstellung, man könne konzernintern noch irgendetwas optimieren. Das wird allerdings vom Betriebsrat ausgesprochen skeptisch gesehen angesichts der von mir schon angesprochenen infrastrukturellen Nachteile, die in Tschechien existieren. Insofern ist das eine nicht nachvollziehbare Entscheidung.

An diesem Beispiel wird übrigens auch noch mal deutlich, was mittlerweile mit dem Einsatz von sogenannten Zeit- oder Leiharbeitsbeschäftigten möglich ist. Vonseiten des Betriebsrats ist damals durchgesetzt worden, dass die Kurzarbeiterregelung auch für die in Leiharbeit beschäftigten Arbeitnehmer in diesem Werk gelten soll. Ich finde, das ist eine gute, solidarische Leistung des Betriebsrats

gewesen, Kurzarbeit für alle zu akzeptieren und die Leiharbeiter hier mit einzubeziehen. Dass jetzt vonseiten der Konzernführung die Leiharbeiter gegen die Stammbelegschaft ausgespielt und auf die Straße gesetzt werden, um Stammbelegschaft in Arbeit zu bringen, konterkariert dieses solidarische Verhalten des Betriebsrats. Auch da kann ich nur ausgesprochenes Unverständnis über eine solche Unternehmenspolitik äußern.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Thiel von der Fraktion der FDP. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Finanzsenator, Herrn Dr. Nußbaum: Wie kommentieren Sie das Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts, dass der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig sei?

Herr Senator Dr. Nußbaum – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir liegt es fern, das niedersächsische Finanzgericht zu kommentieren.

[Christoph Meyer (FDP): Fragen Sie Zacki! Der weiß Bescheid!]

Aber ich kann Ihnen sagen, dass es nicht das erste Mal ist, dass der Solidaritätszuschlag gerichtlich überprüft worden ist. Sie kennen die Entscheidung des Bundesfinanzhofes aus dem Jahr 2006, die auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht, wo klar gesagt worden ist, dass der Solidaritätszuschlag als eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer respektive zur Körperschaftsteuer im Sinne von Artikel 106 Abs. 1 Nr. 6 zeitlich befristet oder unbefristet werden kann – dass das dem Gesetzgeber anheimsteht. Wir werden dann sehen, ob das Bundesverfassungsgericht bei der Vorlage durch den niedersächsischen Finanzhof seine Rechtsprechung beibehalten wird oder nicht. Bis dahin ist das Verfahren nach Artikel 100 ausgesetzt.

Ich denke aber, dass man sich selbstverständlich darüber unterhalten muss, ob eine solche Abgabe langfristig sinnvoll ist. Sie hat ja nichts mehr damit zu tun, dass der Aufbau Ost finanziert wird, sondern sie geht als allgemeine Einnahme in den Bundeshaushalt. Anders als sonstige Körperschaftsteuer respektive Einkommensteuer geht sie eben nicht in die Zergliederung zwischen Bund und Ländern, sondern sie spielt dem Bund ca. 12 Milliarden Euro im Jahr ein, die er für seine allgemeinen Staatsausgaben nutzen kann. Der Titel täuscht etwas darüber hinweg, was

mit dieser Ergänzungsabgabe bewirkt wird. Es ist eben nicht mehr eine Ergänzungsabgabe zum Aufbau Ost, sondern der Aufbau Ost findet über Sonderfonds respektive Solidarhilfen statt, die bis zum Jahr 2019 festgeschrieben sind. Deswegen meine ich schon, dass man de lege ferenda darüber nachdenken sollte – in der Bundesregierung, wo Sie ja jetzt Mitverantwortung tragen –, ob man diese Ergänzungsabgabe abschafft und damit zu einer Steuerabsenkung kommt, die sinnvoll ist, und die Haushalte anders ausfinanziert. – Vielen Dank!

Kollege Thiel hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Senator, für die Einschätzung! – Sie haben recht: Die FDP trägt Verantwortung. – Ich leider noch nicht. Aber wir arbeiten ja daran.

[Heiterkeit]

Meine Nachfrage bezieht sich auf Folgendes: Sie sagten, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass man durchaus überlegen müsste, auch auf Länderebene Gebühren und Abgaben zweckgebundener zu formulieren, damit nicht diese Verwerfungen auftreten, wie sie jetzt durch das Gericht dargestellt worden sind. Heißt das auch, dass Sie zu Steuerklarheit auf Landesebene dadurch beitragen würden, allgemeine Abgaben wie z. B. das Grundwasserentnahmeentgelt endgültig abzuschaffen?