Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

2. Für wie erfolgreich hält der Senat seine Verhandlungsstrategie, und was will er unternehmen, um die S-Bahn zu einer Vertragsänderung zu bewegen, damit sie für hundertprozentige Bezahlung auch 100 Prozent Leistung erbringt?

Danke schön, Frau Hämmerling! – Frau Senatorin JungeReyer hat das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Hämmerling! Die Nachverhandlungen zum S-Bahnvertrag sind noch nicht abgeschlossen. Es werden zurzeit weitere Termine abgestimmt. Der Senat hat ein großes Interesse an zügigen Verhandlungen. Allerdings werden wir nicht unter Zeitdruck auf die Durchsetzung von Forderungen verzichten.

Eine Nachfrage von Frau Kollegin Hämmerling – bitte schön!

Wie bewerten Sie denn die Auffassung, dass der S-Bahn deshalb die Kompromissbereitschaft fehlt, weil der Senat keinen Druck ausübt? Wie würden Sie den Vorschlag bewerten, schon heute die politische Entscheidung zu treffen, 100 Prozent der S-Bahnleistungen auszuschreiben und klarzumachen, dass die S-Bahn nie wieder automatisch eine Vertragsverlängerung bekommt?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hämmerling! Ich glaube, wir haben in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses, aber auch im Plenum bereits hinreichend ausführlich und nachvollziehbar dargestellt, dass eine hundertprozentige Ausschreibung der

Leistungen der S-Bahn die Deutsche Bahn in einen solchen Vorteil bei der Wahrnehmung einer solchen Ausschreibung setzen würde, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von vorneherein sicher sein könnte, eine solche Ausschreibung zu gewinnen. In eine solche Situation – das darf ich Ihnen versichern – will und wird der Senat nicht kommen.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Friederici von der Fraktion der CDU – bitte schön, Herr Friederici!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Ich komme auf Ihre erste Antwort zurück. Wie können Sie, wenn Sie seit jetzt fünf Monate in Nachverhandlungen mit der S-Bahn befasst sind, ernsthaft behaupten, dass Sie da nicht langsam unter Zeitdruck kommen? Ich verstehe, ehrlich gesagt, Ihre Verhandlungsführung, Ihre Verhandlungspraxis nicht. Fünf Monate dürften irgendwann einmal auch genug sein für ein Ergebnis für alle Berlinerinnen und Berliner.

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Friederici! In einer solchen Situation, kann man sich selbst, wenn man verhandelt, unter Zeitdruck setzen, indem man sagt, ich will auf jeden Fall ein Ergebnis bis zu einem bestimmten Stichtag erreichen. Sie kennen diese Art zu verhandeln und sind mit Sicherheit in Verhandlungen erfahren genug, dies zu wissen. Wenn man dies tut, ist man in der Gefahr, gegebenenfalls unter einer solchen zeitlichen Festsetzung etwas akzeptieren zu müssen, was man eigentlich nicht akzeptieren will. Das weiß ein Verhandlungspartner, wenn man offiziell einen solchen Termin setzt. Ich darf Ihnen noch einmal versichern: Der Senat verhandelt zäh und konsequent und übt Druck aus,

[Claudia Hämmerling (Grüne): Im Moment!]

aber er lässt sich nicht selbst unter Druck setzen.

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt geht es weiter mit der Anfrage von Frau Kollegin Breitenbach von der Linksfraktion zu dem Thema

Wirkung der Sperrung von Arbeitsmarktmitteln durch den Bundestag auf Berlin

Bitte schön, Frau Breitenbach!

Präsident Walter Momper

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Auswirkungen auf die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in Berlin hat die vom Deutschen Bundestag vorgenommene Sperrung von Eingliederungsmitteln für Langzeitarbeitslose in Höhe von 900 Millionen Euro?

2. Was bedeutet diese Sperrung für die Weiterführung des Berliner ÖBS?

Danke schön!

Das nehmen wir jetzt zusammen mit der Anfrage von Frau Grosse von der SPD-Fraktion zu dem Thema

Bundesregierung sperrt Mittel für Jobcenter – was bedeutet das für Berlin?

Bitte schön, Frau Grosse!

[Sebastian Czaja (FDP): Ich dachte, Herr Lehmann spricht jetzt!]

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die Entscheidung der schwarzgelben Bundesregierung, Finanzmittel für die Jobcenter und Optionskommunen in Höhe von insgesamt 900 Millionen Euro im Jahr 2010 zu sperren?

2. Welche Auswirkungen erwartet der Senat für die aktive Arbeitsmarktpolitik und die Personalstärke in den Jobcentern in Berlin?

Danke schön, Frau Kollegin! – Frau Senatorin Bluhm!

Frau Abgeordnete Breitenbach! Frau Abgeordnete Grosse! Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat in seiner Sitzung am 4. März 2010 mit Koalitionsmehrheit insgesamt 900 Millionen Euro für die Grundsicherungsstellen gesperrt.

[Mieke Senftleben (FDP): Gesperrt heißt nicht gekürzt!]

Das betrifft die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie die Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bei den Eingliederungsleistungen sind von einem ursprünglichen Ansatz in Höhe von 6,6 Milliarden Euro 600 Millionen Euro gesperrt worden, bei den Verwaltungskosten sind es 300 Millionen Euro von 3,3 Milliarden Euro. Es handelt

sich um eine haushaltsrechtlich qualifizierte Sperre, die nur vom Haushaltsausschuss des Bundes wieder aufgehoben werden kann.

Der Bundestag möchte vom Bundesministerium ein Konzept, wie die Leistungen zielgenauer und effizienter im Sinn der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt eingesetzt werden können. Wie dieses Konzept aussieht und ob es im Ergebnis zur vollständigen Aufhebung der Sperren führt, bleibt abzuwarten. Nach meiner Erkenntnis tagt der Haushaltsausschuss wieder am 21. April und wird an diesem Tag vermutlich eine Entscheidung treffen. Der Bundeshaushalt wird voraussichtlich noch im April durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt Rechtskraft erlangen.

Die Zweite und Dritte Lesung ist in der Woche vom 15. bis 19. März vorgesehen. Auch hier können sich die Haushaltsansätze für die Grundsicherungsstellen noch verändern.

Zur zweiten Frage von Frau Grosse: Ich halte jede Reduzierung von Arbeitsmarktmitteln für das falsche Zeichen. Die Folgen der Wirtschaftskrise sind noch nicht überwunden und wirken sich jetzt sukzessive auf den Arbeitsmarkt aus. Wenn allen Langzeitarbeitslosen ein Förderangebot gemacht werden soll, dann sind auch dafür die erforderlichen Haushaltsmittel notwendig. Das scheint aber die schwarz-gelbe Bundesregierung anders zu sehen. Die Kürzung der Verwaltungskosten wird sich hier auch auf den sogenannten Betreuungsschlüssel auswirken. Eine individuelle Betreuung von Erwerbslosen durch eine ausreichende Zahl von Vermittlungsfachkräften wird so immer weniger möglich, und das vor dem Hintergrund einer wie auch immer gestalteten Neuorganisation der Jobcenter, denn auch da wissen wir nicht, wie sich der Bund entscheiden wird, ob es zu einer Grundgesetzänderung kommt, wie sie aussehen wird, was wir neu zu organisieren und zu sortieren haben. Die Regierungskoalition fährt in der Arbeitsmarktpolitik einen gefährlichen Kurs, um es noch höflich auszudrücken.

Zur zweiten Frage von Frau Breitenbach: Die Kürzungen der Eingliederungsmittel wirken sich, wenn es dabei bleibt, auch auf die möglichen Umfänge unseres öffentlich geförderten Beschäftigungssektors aus. Das werden wir sehen, wenn es das geforderte Konzept vom entsprechenden Bundesministerium gibt. Sie wissen ja, dass ich da in einem umfänglichen Briefwechsel mit der Bundesministerin bin. Die endgültige Entscheidung des Haushaltsausschusses ist abzuwarten. Aktuell haben wir vor allem riesige Probleme bei der vorläufigen Haushaltswirtschaft des Bundes und mit dieser umzugehen. Die Berliner Jobcenter erhalten aus diesem Grund nur sehr eingeschränkte Mittelzuweisungen. Gestern haben sie die erste offizielle Mittelzuteilung in Höhe von 30 Prozent ihrer Haushalte bekommen, mindestens aber ihre Vorbindungen. Deshalb können sie zum größten Teil derzeit keine Neubewilligungen aussprechen.

Auch die Verlängerung laufender ÖBS-Maßnahmen ist derzeit schwierig. Das wird sich aber ändern, wenn der Bundeshaushalt in Kraft ist. Die Bundesregierung will aber offenkundig ein Instrument, das wir bislang zur Finanzierung des ÖBS eingesetzt haben, nicht mehr weiterführen, nämlich den Beschäftigungszuschuss. Wir haben ja auch in diesem Hause schon darüber berichtet und gestritten. Auch das ist angesichts der steigenden Zahl von Erwerbslosen – gerade auch von Langzeitarbeitslosen – schlichtweg verantwortungslos. Da nützt es auch nichts, auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu verweisen, wenn es keine Unternehmen gibt, die die Langzeitarbeitslosen mit diesen Vermittlungshemmnissen dann wirklich beschäftigen. Wir wissen ja, dass der Beschäftigungszuschuss auch für Unternehmen anwendbar ist. Wir haben über die umfänglichen Versuche und Initiativen, Unternehmen tatsächlich dieses Förderungsinstrument nahezubringen, auch hier diskutiert. Wir wissen, dass die Unternehmen dieses Instrument, obwohl es für sie finanziell sehr attraktiv ausgestattet ist, nicht nutzen. Insofern bleibt die große Verantwortung für Langzeitarbeitslosigkeit auch in qualifizierter Arbeitsmarktpolitik und dem ÖBS. Und gerade das ist unter den laufenden Umständen und Bedingungen ausgesprochen schwierig. Es ist jedenfalls die Erfahrung der letzten Jahre, dass wir einen Weg finden werden und müssen; unsere Landesfinanzierung für den ÖBS steht zur Verfügung, und wir werden ihn auch weiterführen.

Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Breitenbach. – Bitte schön!

Frau Senatorin! Es gab ja die Absprache mit der Regionaldirektion, dass der ÖBS zukünftig mit einem neuen Instrument, also mit der Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante, fortgeführt werden kann. Ist Ihnen bekannt, ob sich die Regionaldirektion an diese Absprache halten wird?

Frau Senatorin Bluhm – bitte!

Ich gehe davon aus, dass sich die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg an diese Absprache der Mittelverwendung – vom Beschäftigungszuschuss weg, zur Arbeitsgelegenheit mit Entgeltvariante – tatsächlich halten wird. In der Tat erfahren wir, dass es sehr viele Umstellungsprobleme in diesem Zusammenhang gibt, die aber natürlich auch mit der vorläufigen Haushaltswirtschaft zusammenhängen werden. Das heißt, wir müssen in den nächsten Tagen sehr genau hinschauen, welche Ursachen es für welche Probleme in den einzelnen Jobcentern gibt. Ich bin aber dennoch zuversichtlich, dass der Grundsatz, der

vereinbart worden ist, dass wir den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor weiterführen können, indem wir ein neues Instrument, das schon vorhanden ist, aus dem Eingliederungstitel, nämlich die Arbeitsgelegenheit mit Entgeltvariante, dafür nutzen, dass das weiterhin möglich sein wird.

Danke schön, Frau Kollegin Bluhm! – Jetzt ist Frau Grosse mit einer Nachfrage dran und hat das Wort.

Frau Senatorin! Haben Sie schon Kenntnis darüber erhalten, dass das Jobcenter Mitte bereits 300 Maßnahmen nicht länger bewilligt bzw. jetzt gestoppt hat?

Frau Kollegin Bluhm!

Ich habe ja noch mal versucht, auf dieses laufende Problem aufmerksam zu machen. Wir haben ja das Doppelproblem, einerseits die Förderung auf ein neues Instrument umzustellen bei ÖBS-Maßnahmen, die das erste oder das zweite Jahr der Förderung bereits absolviert haben, diese Möglichkeit, ein neues Instrument zu nutzen, wo wir ja im Januar ausführlich erörtert haben, dass die Regionaldirektion grundsätzlich bereit ist, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen, ein neues Instrument zu nutzen, auch zu Mindestlohnbedingungen, und zu keinen schlechteren finanziellen Konditionen für das Land Berlin. Und nun gibt es tatsächlich die Probleme der vorläufigen Haushaltswirtschaft, dass nur die Mittel in der Höhe des Vorjahres erst mal ausgereicht werden können. Wir müssen versuchen, diese Probleme auseinanderzuhalten und in der Tat auch in den Jobcentern genau hinschauen, ob es zusätzliche Probleme gibt oder ob es ein Abrücken der Regionaldirektion von diesem gemeinsamen Vorhaben, den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor weiter zu finanzieren, gibt.

Danke schön! – Keine Nachfragen!

Dann geht es weiter mit dem Kollegen Gersch von der Fraktion der FDP zu dem Thema