In den anstehenden Ausschussberatungen wollen wir gern mit Ihnen und Senator Heilmann darüber sprechen, wie seine ambitionierten Ziele umgesetzt werden könnten. Dabei werden wir auf unsere Idee eines Ombudsmanns zurückkommen, wie wir sie mit Drucksache 17/0556 forderten, und auch die Ergebnisse der KGSt-Studie werden erneut aufzurufen sein. Dabei wird auch die Forderung der Piraten auf Wiedereinführung der Gerichtsgebühren für Jobcenter zur Sprache kommen.
Es erscheint mir logisch, einer Verwaltung, die Leistungen einer anderen Verwaltung abfordert oder verursacht, die entstehenden Kosten auch in Rechnung zu stellen. Wenn also die Jobcenter, und hier im Besonderen die dortigen Widerspruchsstellen, durch ihre Entscheidungen die Sozialgerichte mit Prozessen betroffener Bürgerinnen und Bürger fast lahmlegen und wenn diese Prozesse etwa zur Hälfte für die Klägerinnen und Kläger erfolgreich ausgehen, ist es nur gerecht, wenn die entstehenden Gerichtskosten in angemessener Höhe von den Jobcentern zu tragen sind. Auch könnte es auf diese Weise gelingen, einen positiven Wettbewerb um gerichtsfeste Entscheidungen seitens der Jobcenter loszutreten.
Hier allerdings beginnen meines Erachtens auch die Einschränkungen: Der Wettbewerb um ein hohes gerichtsfestes Niveau der Bescheide muss von der Bundesanstalt für Arbeit auch gewollt sein und befördert werden. Dazu gehört es, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrer Arbeit umfassend zu motivieren, z. B. durch ein gutes Betriebsklima. Die geforderte Leistung muss auch erbringbar sein; ferner ist eine qualitativ hochwertige und Probleme aufgreifende Fortbildung ebenso notwendig wie feste Arbeitsverhältnisse statt kurzzeitiger Arbeitsverträge. Und ein weiterer Aspekt ist wichtig: Die zu zahlenden Gerichtsgebühren dürfen sich nicht als scheinbar unvermeidliche Kosten locker dadurch finanzieren lassen, dass die zur Fortbildung und Wiedereingliederung von arbeitslosen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den ersten Arbeitsmarkt vorgesehenen Mittel gemindert werden. All diese Argumente werden wir bei unserer Diskussion im Fachausschuss abzuwägen haben, bevor wir über den vorliegenden Antrag abstimmen können.
Zehn Jahre Hartz IV – und die Bilanz ist niederschmetternd. Rot-Grün hat die tiefsten Einschnitte in das bundesdeutsche Sozialmodell eingeleitet, und die nach
folgenden Regierungen haben diese Politik fortgeführt. Ein Ergebnis ist die Deregulierung des Arbeitsmarktes, was die Lebenssituation vieler Menschen – egal ob erwerbstätig oder erwerbslos – verschlechtert hat. Besonders für die Erwerbslosen ist die Bilanz der HartzGesetze niederschmetternd. Ihr Armutsrisiko hat sich erhöht, ihre beruflichen Qualifikationen sind nichts mehr wert, weil die Zumutbarkeitskriterien verschärft wurden, und wer nicht mitmacht, muss mit Sanktionen bis zur Existenzbedrohung rechnen. Wen verwundert da die Klageflut, die die Hartz-Gesetze nach sich gezogen haben? Diese Gesetze waren von Anfang an schlecht, und sie wurden immer weiter „verschlimmbessert“. Die Menschen kämpfen vor Gericht um ihr Recht, und sie haben recht, das zeigen ihre Erfolgsquoten.
Viele Bescheide sind falsch, in den Jobcentern gibt es nicht genug und nicht mal immer ausreichend qualifiziertes Personal. Wo Personal fehlt und die Arbeit den Beschäftigten über den Kopf wächst, bleibt die Qualifizierung auf der Strecke. Befristete Arbeitsverhältnisse, weiterer Personalabbau in den Jobcentern, schlechte Organisationsabläufe und nicht funktionierende Computerprogramme- – die Piraten haben viele der Probleme in der Begründung ihres Antrags aufgezählt – tragen zu der Misere bei. Hinzu kommt noch die schlechte Zusammenarbeit zwischen den Jobcentern und den Bezirken bei den kommunalen Leistungen. Und natürlich spielen auch die Regelungen für die Kosten der Unterkunft – die WAV, die nicht rechtssicher ist – eine Rolle. Sie tragen enorm zur Klageflut bei.
Aus all diesen genannten Gründen, sehr geehrte Kollegin und Kollegen der Piraten, teilen wir Ihre Zuversicht nicht, dass eine Gerichtsgebühr die Zahl der Klagen eindämmt. Die Kosten der Jobcenter für Anwaltskosten bei Widerspruchsverfahren und Klagen sind enorm gestiegen, allein beim Jobcenter Mitte waren es 2011 über eine Million Euro. Das hat aber offenbar auch keinen Anreiz geschaffen, Sozialgerichtsprozesse zu vermeiden. Ihr Antrag schadet nicht, und es ist nur gerecht, wenn sich die Jobcenter, wie andere Behörden und Institutionen auch, an den gerichtlichen Verfahrenskosten beteiligen. Für eine Eindämmung der Klageflut sind aber andere Schritte notwendig, die Sie leider nur in Ihrer Begründung nennen, und die Begründung wird bekanntermaßen nicht beschlossen.
Die Aufgabe der Jobcenter besteht darin, Menschen in Arbeit zu vermitteln, sie individuell zu beraten, sie zu fördern und zu qualifizieren sowie den Menschen die ihnen zustehende Leistung schnell und in verständlicher Form zu bewilligen. Wie wir das erreichen, ist die zentrale Frage. Gelingt das, dann werden sich nicht nur die Klagen verringern, dann bekommen Erwerbslose auch eine berufliche Perspektive, die es ihnen ermöglicht, selbstständig und unabhängig vom Jobcenter von ihrer Arbeit zu leben. Darauf müssen wir unsere Anstrengun
Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Ich nehme keinen Widerspruch wahr. Dann verfahren wir so.
Bundesprogramm „JUGEND STÄRKEN plus“ – Förderung von schuldistanzierten Kindern und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr erhalten
Anstelle einer Beratung haben sich die Fraktionen darauf verständigt, dass vorbereitete Reden zu Protokoll gegeben werden können. Dazu haben Sie jetzt die Gelegenheit.
Das Bundesprogramm „JUGEND STÄRKEN plus“ soll Jugendliche und ältere Kinder unterstützen, die den Einstieg ins Berufsleben nicht ohne Probleme bewältigen können, und damit der drohenden Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit entgegenwirken. In den letzten Jahren konnten damit nicht nur klassische Projekte der Jugendberufshilfe finanziert werden, sondern auch Projekte für schuldistanzierte Jugendliche in den Sekundarschulen. Das soll sich nun nach dem Willen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ändern. In der Förderperiode ab 2014 sollen ausschließlich Projekte gefördert werden, die sich mit dem direkten Übergang in Ausbildung und Beruf befassen. Projekte für jüngere Jugendliche und ältere Kinder sind dann nicht mehr förderfähig.
Fachleute sind sich einig, dass die Probleme, die es Jugendlichen schwer machen, eine Ausbildung aufzunehmen, ihre Ursachen oft in schuldistanziertem Verhalten lange im Vorfeld haben. Schuldistanz führt häufig dazu, dass die betroffenen Jugendlichen die Schule ohne qualifizierten Abschluss verlassen. Eine große Anzahl von Fehltagen in den Zeugnissen, mit denen sich die Jugendlichen bewerben, schrecken potentielle Arbeitgeber ab.
In Berlin gab es deshalb in den letzten Jahren im Rahmen des Bundesprogramms „JUGEND STÄRKEN plus“ erfolgreiche Projekte für schuldistanzierte Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren, z. B. die Projekte der „2. Chance“, die – in beispielhafter Kooperation von Schule und Jugendhilfe – Jugendliche wieder zur Schulausbildung zurückgeführt haben. Hier wurde bei den Jugendlichen die verlorene Motivation zum Lernen in der Schule wieder neu aufgebaut und ihnen Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit vermittelt. So konnte in vielen Fällen verhindert werden, dass Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen mussten und damit ohne Chance am Ausbildungsmarkt blieben. Diese erfolgreichen Projekte müssen nun nach dem Willen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ihre Arbeit einstellen oder komplett in die Landesfinanzierung übernommen werden.
Es erscheint wenig logisch, wenn ein Programm, das der Verminderung von Jugendarbeitslosigkeit dienen soll, ausgerechnet die Projekte von der Förderung ausschließt, die sich mit der Ursachenbekämpfung befassen. Wir wissen alle, dass die Lösung von Problemen weniger erfolgreich, dafür aber umso teurer ist, je später die Probleme angegangen werden. Es steht also zu befürchten, dass die geplante Veränderung der Fördermöglichkeiten im Bundesprogramm „JUGEND STÄRKEN plus“ seinem Ziel, der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, nicht dienen wird – im Gegenteil, ohne rechtzeitiges Eingreifen bei Schuldistanz werden mehr Jugendliche beim Einstieg in Ausbildung und Beruf scheitern, die Jugendarbeitslosigkeit wird zunehmen.
Deshalb beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass der Senat sich dringlich beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dafür einsetzen soll, die geplanten Veränderungen des Programms „JUGEND STÄRKEN plus“ nicht umzusetzen. Die Anzahl der Jugendlichen, die beim Verlassen der Schule keine guten Voraussetzungen mitbringen, um auf dem Ausbildungsmarkt erfolgreich zu sein, ist in Berlin besonders groß. Deshalb sollte Berlin alles unternehmen, damit sich der Bund auch zukünftig an der Finanzierung von dringend gebrauchten Projekten zur Ursachenbekämpfung bei dieser Problematik beteiligt. Damit eine Intervention des Senats noch gute Aussicht auf Erfolg hat, sollte sie sehr zeitnah erfolgen, deshalb bitten wir Sie, dem Antrag heute direkt zuzustimmen. Die bedrohten Projekte brauchen Planungssicherheit.
Das Abgeordnetenhaus sollte sich in den Haushaltsdebatten im Klaren darüber sein, ob eine Weiterförderung der Arbeit mit schuldistanzierten Jugendlichen mithilfe von Bundesmitteln stattfinden kann oder eine Absicherung vollständig aus Landesmitteln notwendig wird. Damit die Jugendlichen in Berlin die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, sollte der Senat alles versuchen, um die Bundesministerin Schröder noch vor der Bundestagswahl
davon zu überzeugen, dass die Abkehr von der frühen Bearbeitung der Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit in der Neuauflage des Bundesprogramms „JUGEND STÄRKEN plus“ kein sinnvoller Weg ist. Um dies schnell auf den Weg zu bringen, bitten wir Sie heute um ihre Zustimmung.
Zuerst lassen Sie mich mein Bedauern darüber ausdrücken, dass wir diese Reden nur zu Protokoll geben. So können wir nur einem Teil der Öffentlichkeit, der sich die Mühe macht, dieses Protokoll zu lesen, dieses wichtige Thema näherbringen.
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1027 hat das Thema: „Bundesprogramm ,JUGEND STÄRKEN plus’ – Förderung von schuldistanzierten Kindern und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr erhalten“ und spricht ein wichtiges Thema an. Denn wer in jungen Jahren bereits schuldistanziert ist, wird viele Schwierigkeiten beim Übergang ins Berufsleben haben. Das Modellvorhaben „JUGEND STÄRKEN plus“ des Bundesministeriums für Familie Senioren, Frauen und Jugend – BMFSFJ – wird an ausgesuchten Standorten der kommunalen Jugendhilfe bundesweit aufgelegt. Hiervon profitierten in der Vergangenheit auch verschiedene Berliner Schulen und Träger, so die Koordinierungsstelle „2. Chance“ in Kreuzberg, eine vom Pestalozzi-Fröbel-Haus als Träger getragene Einrichtung. Die Koordinierungsstelle Schulverbund FriedrichshainKreuzberg arbeitet zusammen mit sechs Kooperationsschulen: drei Integrierten Sekundarschulen, einem Förderzentrum – Förderschwerpunkte Lernen und Autismus – und zwei Grundschulen. An allen Kooperationsschulen wurden Werkpädagogische Gruppen – WPG – aufgebaut, in denen jeweils ein Team aus Klassenlehrer, Sozialpädagoge und Werkpädagoge für den Unterricht und die werkpädagogische Arbeit mit einer Gruppe von bis zu 15 aktiv oder passiv schuldistanzierten Schülern zuständig ist. – So weit die Theorie und die Webseite des Programms.
Ich selber hatte erst diese Woche die Möglichkeit, mir in der Ellen-Key-Schule einen Einblick zu verschaffen, welch wichtige Arbeit in diesen WPG geleistet wird. Aus der inhaltlichen Beschreibung des Modellprogramms geht hervor, dass zur geförderten Zielgruppe auch Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I zählen. Darüber hinaus werden im Rahmen der jährlichen Bund-LänderBesprechungen konzeptionelle Fragen behandelt. Das BMFSFJ beschreibt die Inhalte des Modellprogramms „JUGEND STÄRKEN plus“ wie folgt: Mit ‚JUGEND STÄRKEN plus’ wird ein ganzheitliches Konzept erprobt, das Kommunen eine durchgängige, bedarfsgerechte Förderung der Zielgruppen ‚aus einem Guss’ ab der Schule – Sek I – bis zur Aufnahme einer Ausbildung ermöglicht. Das Programm beinhaltet vier methodische Bausteine, die sich in den bisherigen ESF-Einzel
programmen ‚Schulverweigerung – Die 2. Chance’, ‚Kompetenzagenturen’, ‚Aktiv in der Region’ und ‚JUGEND STÄRKEN’ vor Ort bewährt haben und weiterentwickelt werden sollen...
Sollte dies so bleiben, bezieht sich der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf einen Sachverhalt, der im Modellprogramm ohnehin berücksichtigt wird, und wäre daher abzulehnen. Um dies zu umgehen, würde ich vorschlagen, den Antrag um einen Prüfauftrag zu ergänzen. Meine Fraktion wird einen entsprechenden Ersetzungsantrag in die Sitzung des Ausschusses für Jugend und Bildung einbringen. Ich würde mich freuen, wenn die Senatsverwaltung trotz der anstehenden parlamentarischen Sommerpause bereits einmal beim BMFSFJ nachfragt, wie der Stand der dortigen Planungen aktuell ist.
Bei rund 3 500 Schülerinnen und Schülern hält sich die Lust auf Schule so in Grenzen, dass sie an mehr als zehn Tagen im Schuljahr schwänzen, 650 von ihnen mehr als 40 Tage. Dass dieses ein ernstzunehmendes Problem ist, leugnet hier niemand, und wir haben unsere Meinungen dazu ja aus Anlass der Großen Anfrage zu diesem Thema bereits ausgetauscht. Immerhin hatte diese Debatte die Auswirkung, dass die Koalition nun nicht mehr nach polizeilicher Zuführung und Bußgeld ruft, was ich ja dort am schärfsten kritisiert habe. Nur so viel: Anstatt ein Programm oder Projekt über freie Träger mit einem Förderzeitraum von drei Jahren aufzulegen, anstatt Pädagoginnen und Pädagogen Stunden mit dem Ausfüllen von Schulversäumnisanzeigen oder Versäumnisstatistiken zu beschäftigen, sollten wir die Kräfte, Zeit und Mittel dafür verwenden, um die Schule so zu verändern, dass sie unterschiedliche Angebote für unterschiedliche junge Menschen hat, dass sie keine Beschämung zulässt, dass sie Motivation durch Erfolg schafft, dass sie Bindungen entstehen lässt, dass Pädagoginnen und Pädagogen mehr gemeinsame Zeit mit ihren Schülerinnen und Schülern verbringen können und das auch als Arbeitszeit anerkannt bekommen.
Bei Schülerinnen und Schülern mit Schuldistanz helfen nur in seltenen Fällen Strafmaßnahmen. Hier helfen Prävention, damit es gar nicht erst dazu kommt, oder Projekte, die mit Einzelbetreuung Hilfe bieten. Die Koalition will, wie der Antrag aus der letzten Plenarsitzung sagt, prüfen lassen,
inwieweit das Duale Lernen und insbesondere das Produktive Lernen in Schulen so weiterentwickelt werden kann, dass es schuldistanzierte Jugendliche bei der Reintegration in den Schulalltag unterstützen kann.
Ich habe mich dazu in meinem Bezirk umgehört. Wie bitte erklären Sie mir, dass im Bezirk Marzahn-Hellersdorf – laut Aussage von Bezirksbürgermeister Komoß in der Antwort auf eine Kleine Anfrage am 3. April 2013 –
verkündet wurde, dass das Projekt „Produktives Lernen“ mit dem Schuljahr 2012/13 beendet wird? Wie bitte erklären Sie mir, dass das mit dem laufenden Schuljahr in der Rudolf-Virchow-Oberschule im 9. Jahrgang begonnene Projekt „Keinen verlieren“, in dem Schülerinnen und Schüler mit Schuldistanz so gefördert wurden, dass alle wieder zur Schule kommen und für drei Viertel im 10. Jahrgang ein Abschluss möglich wäre, die dafür zugewiesenen 52 Lehrerstunden zum nächsten Schuljahr gestrichen bekommt? Damit muss dieses erfolgreiche Projekt, das alle so gern als Beispiel lobend erwähnen, nach nur einem Jahr beendet werden. Und wie bitte erklären Sie mir, dass auch der großartige präventive und systemische Ansatz des ESF-Projektes „Die 2. Chance“ eingestampft wird, weil die EU-Mittel nicht mehr fließen? Hier wäre Geldeinsatz durch das Land angebracht, wenn sich Frau Schröder mit ihrem Bundesministerium aus der Verantwortung verabschiedet.
Sicher habe nicht nur ich einen Brief des Netzwerks der Koordinierungsstellen bekommen. Gern nutze ich meine restliche Zeit, um daraus zu zitieren:
Die gewachsenen Strukturen und Vernetzungen zwischen Schulen, Koordinierungsstellen/Case Management, Trägern der Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Eltern und vielen anderen Partnern haben gezeigt, dass präventives Arbeiten und eine frühzeitige Intervention bei Schuldistanz schon in der Schule zu einem Schulabschluss und damit auch zu einer beruflichen Perspektive führen. Die überwiegende Mehrheit der Schulverweigerer und -verweigerinnen, die wir in unseren Koordinierungsstellen in den letzten Jahren betreuten, war bereits in der Grundschule auffällig, sowohl im sozial-emotionalen Verhalten als auch im Hinblick auf den regelmäßigen Schulbesuch. Diese Problematik verläuft – unbearbeitet – wie ein roter stigmatisierender Faden durch die gesamte Schulkarriere. Es handelt sich hierbei immerhin um ca. acht Prozent der Schüler und Schülerinnen eines Jahrgangs. Durch die Arbeit der „2.-Chance“-Projekte gelang es mit großem Erfolg, diese benachteiligten Schüler und Schülerinnen durch intensive Begleitung im Case Management zum Schulabschluss zu bringen bzw. ihnen in Kooperation mit den Kompetenzagenturen und anderen Berufsorientierungsnetzwerken den beruflichen Einstieg zu erleichtern.
Zum Jahresende wird diese Arbeit auslaufen und ersatzlos entfallen. Wenn Sie, werte SPD- und CDUAbgeordnete, Ihren Antrag vom letzten Plenum ernst meinen, dürfen Sie das nicht zulassen, sonst können Sie ihn als Makulatur benutzen. Stimmen Sie vielmehr mit uns zusammen dem hier vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu!
Auch ich gebe heute eine Rede zu Protokoll zum Antrag unter der Überschrift: „Bundesprogramm ,JUGEND STÄRKEN plus’ – Förderung von schuldistanzierten Kindern und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr erhalten“.
Worum geht es inhaltlich? – Der Europäische Rat hat zwar den sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen beschlossen, aber die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament laufen noch. Debattenstand ist zurzeit aber, dass Strukturfondsmittel – EFRE, ESF und ETZ – von insgesamt ca. 17 Milliarden Euro auf Deutschland entfallen sollen. Zum Vergleich: In der gerade laufenden Förderperiode waren es über 26 Milliarden Euro. Sowohl der ESF der kommenden Förderperiode von 2014 bis 2020 wie auch das geplante Bundesprogramm werden noch diskutiert. Es handelt sich um erste Planungen, die es zurzeit gibt. Wenn wir uns immer, wenn auf der Bundesebene ein Thema diskutiert wird, hier im Abgeordnetenhaus mit Anträgen einschalten, kommen wir nicht mehr dazu, uns in gebührendem Maße mit den Dingen zu befassen, die in Berlin entschieden werden können.
Darüber hinaus werden ja im Rahmen der jährlichen Bund-Länder-Besprechungen konzeptionelle Fragen behandelt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beschreibt die geplanten Inhalte des ab 2014 aufzulegenden Programms „JUGEND STÄRKEN plus“ wie folgt: Mit ‚JUGEND STÄRKEN plus’ wird ein ganzheitliches Konzept erprobt, das Kommunen eine durchgängige, bedarfsgerechte Förderung der Zielgruppen aus einem Guss ab der Sekundarstufe I bis zur Aufnahme einer Ausbildung ermöglicht. Das Programm beinhaltet vier methodische Bausteine, die sich in den bisherigen ESF-Einzelprogrammen ,Schulverweigerung – Die 2. Chance’, ,Kompetenzagenturen’, ‚Aktiv in der Region’ und ‚JUGEND STÄRKEN’ vor Ort bewährt haben und weiterentwickelt werden sollen.
Diskussionsstand ist also, dass es auch für die Ausgestaltung des Programms für die kommende Förderperiode um die Förderung der Jugendlichen ab der Sekundarstufe I geht. Dazu gehört doch mindestens, dass diese auch zur Schule gehen. Wozu brauchen wir also Ihren Antrag? – Insgesamt bleibt festzuhalten: Die CDU-Fraktion meint, der Antrag ist nicht notwendig.
Erst einmal muss ich sagen, dass ich doch recht verwundert war über das Vorgehen, eine sofortige Abstimmung zu beantragen, aber die Reden zu Protokoll zu geben – vermutlich nur, da damit gerechnet wird, dass die Koalition die sofortige Abstimmung ablehnen wird. Es ist schon sehr traurig, wenn alles so berechenbar ist. Ebenso traurig ist es, wenn Jugendlichen die Gelder für Programme gestrichen werden, die schulentfernten Jugendli
chen helfen sollen. Gerade, wenn man an die Zukunft der Jugendlichen denkt, ist es unglaublich wichtig, dass diese einen guten Einstieg ins Berufsleben finden. Meist ist ein fehlender Schulerfolg Grund für schuldistanziertes Verhalten. Weitere Ursachen können sein: Schulangst, fehlende Motivation, Stress, Streit und Probleme in der Familie, Kontrollverlust durch jugendliche Grenzerfahrungen, Sprachprobleme, kulturelle Hintergründe.
Zurzeit ist festzustellen, dass viele Schulverweigerungsprojekte unterfinanziert sind. Diese Projekte sind alternative Lernorte, in denen z. B. Jugendliche über die Stärkung ihrer Interessen, Fähigkeiten und Kompetenzen Wege in die Schule zurückfinden sollen. Hierzu gehört z. B. das Netzwerk der Koordinierungsstellen Schulverweigerung „Keep School – Die zweite Chance“. Bundesweit kehren rund 60 Prozent der durch die „Zweite Chance“ betreuten Schulverweigerer in Schulen zurück. Das Projekt „Zweite Chance“ gehört zur Initiative „JUGEND STÄRKEN“ des Bundesfamilienministeriums. Es gibt elf Standorte in Berlin. Diese haben 940 000 Euro aus ESF-Fördermitteln bekommen, im Schnitt 85 000 Euro pro Träger. Vier Standorte in Neukölln erhalten jährlich jeweils 70 000 Euro zusätzlich vom Bezirksamt. Die ESFFörderperiode endet nach Ablauf des Jahres – die Standorte werden sich selbst überlassen. Eine Förderung dieses Netzwerks und weiterer Projekte ist schlicht notwendig, um Kindern und Jugendlichen, die langfristig die Schule nicht besucht haben, die Chance zu geben, die als alternative Lernorte an die Schule wieder heranführen, einen Ausweg zu bieten.
Dies ist wörtlich einem Antrag aus unserem LiquidFeedback-System entnommen. – Des Weiteren sagt unser Grundsatzprogramm zum Bildungssystem:
Um eine freie und informierte Gestaltung des eigenen Bildungswegs zu unterstützen, müssen Lernenden ausreichend Betreuungs- und Beratungsangebote zur Verfügung stehen, die von Beginn an aktiv auf die Lernenden und ihre Familien zugehen und zur Nutzung des Bildungsangebots in seiner ganzen Bandbreite motivieren.
Genau solche Bildungseinrichtungen, die Betreuungs- und Beratungsangebote im Rahmen der Jugendarbeit enthalten, sind enorm wichtig. Jugendliche benötigen Verständnis für ihre Situation und Hilfe, reine Sanktionen helfen nicht weiter. Pünktlich zum Plenum hat nun auch der Senat die entsprechende Kleine Anfrage beantwortet. Dort schreibt der Senat auf die Frage, wie er die Arbeit der Koordinierungsstellen des Projekts „2. Chance“ bewertet:
Diese Arbeit ist – wenn auch in einem Maßnahmebündel eingebettet – als erfolgreich zu bezeichnen, da im zurückliegenden Berichtszeitraum 1. September 2011 bis 31 August 2012 72 Prozent