Protokoll der Sitzung vom 08.05.2014

Was mich echt immer, immer, immer wieder verblüfft, ist, dass Sie es, Frau Kahlefeld – jetzt muss ich aufpassen, dass es nicht unparlamentarisch wird –, im Allgemeinen, aber Ihre Fraktion im Speziellen immer wieder schaffen, auf eine Art und Weise im parlamentarischen Prozess auf Dinge hinzuweisen, dass man sich fragen könnte, seit wann Sie eigentlich in diesem Haus sind, und zwar auf eine Art und Weise darauf hinzuweisen, als wären die Anträge der alternativen Gruppe, und Bündnis 90/Die Grünen dann, nicht über das Internet weltweit abrufbar.

(Dr. Susanna Kahlefeld)

Wir hatten vorhin einen überfraktionellen Antrag, da ging es um Flüchtlingskinder – da hätte ich vor einem halben Jahr auch nicht gedacht, dass wir das hinkriegen. Und in dieser schönen Stimmung stellen Sie sich hin und bezeichnen eine astreine Gesetzesänderung – – Das hätten wir so beschließen können, und dann wäre das im Gesetzesblatt veröffentlicht worden, und dann wäre das erledigt. Das war nicht so: Der Senat soll mal irgendetwas tun, und macht mal eine Arbeitsgruppe, und wir benennen keine Kriterien usw. – Es war ein konkreter Antrag. Und dass Sie dann hier die Chuzpe haben – ich habe jetzt nicht nachgeguckt, ob Sie überhaupt satisfaktionsfähig sind oder sein können –, sich hier hinzustellen und zu sagen, das sei ein Schaufensterantrag, nachdem wir vorhin darüber geredet haben, was mit einer nicht geplanten Bibliothek, für die in diesem Haushalt, den das Land hat, noch kein Geld eingestellt ist, gemacht werden soll, das finde ich sehr bemerkenswert. Ich bewundere Ihren Mut, dass Sie ohne Furcht hier im Parlament solche Flanken bieten, Sie auf übelste Weise anzugreifen, und Sie nur das Glück haben, dass es dann nicht passiert. Frau Kahlefeld! Ich freue mich darüber, dass wir hier eine Oppositionsfraktion haben, die alles immer besser weiß, aber dummerweise in diesem Land nie an die Regierung kommt. – Vielen lieben Dank!

[Beifall von Fréderic Verrycken (SPD) – Claudia Hämmerling (GRÜNE): Wer hat jetzt eigentlich geklatscht?]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Frau Dr. Kahlefeld! Möchten Sie replizieren? – Sie verzichten. Gut! – Dann hat jetzt für die CDU-Fraktion das Wort Frau Abgeordnete Seibeld. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es mir jedenfalls in den letzten fünf Minuten schwergefallen, festzustellen, zu welchem Thema eigentlich geredet worden ist.

[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN]

Generalabrechnung der Piraten mit den Grünen! Frau Kahlefeld philosophiert über bürgerschaftliches Engagement in Friedrichshain-Kreuzberg.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Nein! Sie hat Fragen beantwortet!]

Mit dem Thema Kirchensteuergesetz schien das jedenfalls in den letzten fünf Minuten nicht so wahnsinnig viel zu tun zu haben, und ich versuche, mal wieder zum Antrag der Piratenfraktion zurückzukommen.

Herr Lauer! Richtig ist: Ja, es ist eine Gesetzesinitiative. – Es stellt sich aber die Frage, ob sie zu dem führt, was Sie wollen – die absolute Trennung von Kirche und

Staat. Wenn man in das Grundgesetz, in unsere Verfassung sieht, kommt man zwanglos zu dem Ergebnis, dass wir keinen laizistischen Staat haben und dass das auch nicht gewollt ist. Schon in der Präambel – ungefähr Satz 3 oder 4 – fängt es an mit dem Gottesbezug. Diese Art der Trennung ist also nicht das, was unsere Verfassung vorsieht, und ich glaube, es ist auch nicht das, was die Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land will. Es ist jedenfalls ganz bestimmt nicht das, was die CDUFraktion in diesem Hause möchte.

Richtig ist, dass eine Trennung von Kirche und Staat vorgesehen ist, und das ist auch gut so. Das heißt aber nicht, dass es keine partnerschaftliche Kooperation zwischen Staat und Kirche gibt, und das heißt insbesondere nicht, dass der Staat nicht den administrativen Akt der Einziehung der Kirchensteuer vornehmen kann und auch vornehmen sollte. Es hat im Übrigen auch etwas mit Transparenz und Bürgerfreundlichkeit zu tun, dass ein und dieselbe Stelle die Steuern einzieht und nicht zwei, drei oder vier Steuerstellen die Steuern einziehen und dass man sich, wenn die Steuerbescheide falsch sind, nicht an mehrere Stellen wenden muss, um gegen diese vorzugehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung, wie sie in Berlin und in den meisten anderen Bundesländern existiert, ausdrücklich für zulässig gehalten. Das ist, glaube ich, in diesem Haus auch unstreitig. Insofern ist es lediglich eine Frage der politischen Bewertung und keine Frage, ob das rechtlich geht oder nicht geht. In der politischen Bewertung ist jedenfalls die CDU-Fraktion der festen Auffassung, dass die jetzt existierende Praxis sinnvoll, vernünftig und bürgerfreundlich ist. Im Übrigen ist es auch kein Zeichen mangelnder staatlicher Neutralität, sondern in der Tat ein reiner Verwaltungsakt, der von den Kirchen auch noch finanziert wird, sodass der Staat dafür nicht draufzahlt, sondern lediglich der Einfachheit halber diese Steuer miteinzieht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Frau Seibeld! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Brauer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin Frau Kollegin Seibeld ausgesprochen dankbar dafür, dass sie die Diskussion wieder vom Kopf auf die Füße gestellt hat. Mir ging es tatsächlich nicht um irgendwelche Zahlungen oder Leistungen des Staates an Religionsgemeinschaften, Kirchen etc. Herr Verrycken! Der Reichsdeputationshauptschluss regelt übrigens auch nicht irgendwas mit Kirchensteuern. Er regelt Entschädigungsleistungen, die im Jahr 1803 zu zahlen waren – mehr nicht.

(Christopher Lauer)

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Hier geht es um eine Sache, die genau genommen klar sein müsste, und zwar spätestens seit der Zeit, als der Evangelist Matthäus sein Evangelium aufschrieb. Das muss ich nun doch zitieren – Matthäus 22, Vers 15 bis 22 –, einige von Ihnen werden das kennen. Da gab es so ein paar Schlitzohren, die nannten sich Pharisäer, und die wollten seinerzeit den Herrn etwas schneller an das Kreuz liefern, als es eigentlich vorgesehen war. Dazu stellten sie ihm eine Falle. Sie zeigten ihm diese kleine Münze – hier – und fragten: Herr, sollen wir das anbeten – die Münze mit dem Abbild des Kaisers? Sollen wir Steuern zahlen? Sollen wir keine Steuern zahlen? – Die Antwort von Jesus lautete: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist! – Punkt! Und genau darum geht es.

Es geht um die Frage: Wer erhebt überhaupt Steuern? Wer darf Steuern erheben? Was wird damit gemacht? – Bitte schön! Im Evangelium wird ziemlich klar dargestellt, dass das staatliche Eintreiben von Finanzen für religiöse Zwecke genau genommen diesen Zwecken widerspricht und ihnen auch schaden kann.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Es geht nicht darum, ob hier nun die Linken so ganz toll finden, was da an der Isar gemacht wird, aber es steckt natürlich eine reale Überlegung dahinter. Drehen wir mal den Spieß etwas um, und reden wir nicht über Kirchen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei! Sie haben vor gar nicht so langer Zeit das 120-jährige Gründungsjubiläum abgefeiert. Es gab eine Zeit, da bekam die Mitgliedschaft der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands regelmäßig – einmal im Monat – Besuch vom Ortskassierer. Einmal im Monat! Der kassierte die Beiträge ein. Das hatte zu Zeiten schlimmster Pressionen auf die Partei, in der Zeit des Kaiserreiches, den schönen Nebeneffekt – und der war erwünscht –, dass tatsächlich die Verbindung zwischen den Parteistrukturen und den Mitgliedern eine sehr enge war. Man hielt Kontakt. Nichts anderes machen die bayerischen Bischöfe. Sie halten auch durch diese Art und Weise der Kirchensteuereintreibung sehr engen Kontakt. Es wäre also völliger Unsinn, hier zu sagen, es sei eine kirchenfeindliche Aktion, wenn man dieses System ändert.

[Fréderic Verrycken (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Verrycken?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Verrycken!

Sind Sie denn der Auffassung, verehrter Herr Abgeordneter – abgesehen von den dankenswerten geschichtlichen Exkursen jetzt gerade noch mal –, dass es sinnvoll ist, den Staat in bestimmten Dingen zu entmachten und die Kirche zu stärken? – Denn das wäre ja nichts anderes als das, was Sie gerade vorschlagen – das Prinzip Bayern.

Es geht hier nicht um die Frage „Entmachten oder stärken?“, sondern es geht einfach um die Frage: Ist der Staat dafür zuständig und haftbar zu machen, dass ein Dritter sozusagen die ihm pflichtschuldigst zustehenden Beiträge seiner Mitglieder in vollem Umfang erhält oder nicht? – Das ist die Frage.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich zweifele nicht an – überhaupt nicht –, dass die Kirchen das Recht haben, von ihren Mitgliedern Kirchensteuern zu erheben. Können sie, sollen sie. Das ist deren Sache. Irgendwie müssen sie sich finanzieren. Aber in Zeiten eines modernen, aufgeklärten Staatsverständnisses – wir sind nicht mehr im Mittelalter, wir haben keinen Gottesstaat mehr, wir haben keinen Kirchenstaat mehr – und sozusagen in Zeiten des Triumphes des aufgeklärten Verwaltungsstaates ist es nur recht und billig, wenn man da endlich diese Linie zieht und eine Trennung herbeiführt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die Damen und Herren, die seinerzeit das Grundgesetz formulierten, gingen davon auch aus. Sie haben diesen Gestaltungsspielraum den Landesparlamenten eingeräumt. Die Herren, die die Weimarer Reichsverfassung schrieben, haben diesen Gestaltungsspielraum eingeräumt, und es ist nur schwer verständlich, weshalb das Land Berlin noch nicht einmal bereit ist, darüber nachzudenken, ob es denn § 1 Abs. 2 seines Kirchensteuergesetzes auch tatsächlich mal interpretieren kann. Dort steht wortwörtlich:

Die Verwaltung der Steuer obliegt der steuerberechtigten Religionsgemeinschaft, soweit sie nicht nach § 2 des Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung in der jeweils geltenden Fassung den Berliner Finanzbehörden übertragen wird.

Das heißt, auch unser Kirchensteuergesetz räumt selbstverständlich die Möglichkeit ein, dass die Kirchensteuer von den Kirchen erhoben werden kann. Herr Verrycken! Das ist keine Frage von „Kirchen stärken und den Staat schwächen!“ oder umgekehrt. – Ich halte diesen Antrag der Piraten für sehr sinnvoll. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Brauer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Gesetzesantrag auf Drucksache 17/0303 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen Linke und Piraten bei Enthaltung Grüne – und der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Piraten bei Enthaltung Grüne und Linke – die Ablehnung. Wer dem Gesetzesantrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der Piraten und die Fraktion der Linken. Gegenstimmen? – Das sind die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Vielen Dank! Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

Neuntes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 9. April 2014 Drucksache 17/1594

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1102

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. Gibt es hierzu Widerspruch? – Ich höre keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Gesetzesvorlage auf Drucksache 17/1102 empfiehlt der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt einstimmig, bei Enthaltung Die Linke, die Annahme mit Änderungen. Wer der Gesetzesvorlage mit den Änderungen der Beschlussempfehlung Drucksache 17/1594 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und einige Mitglieder der Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die übrigen Mitglieder der Piratenfraktion. Damit ist dieses Gesetz so beschlossen.

Der Tagesordnungspunkt 7 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 8:

Berliner Gesetz zur Einführung von Immobilien- und Standortgemeinschaften

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1599

Erste Lesung