Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich frage den Senat: Was entgegnet der Senat der einhelligen öffentlichen Kritik insbesondere auch seitens jüdischer Organisationen und der homosexuellen Community am offiziellen Empfang eines hochrangigen Vertreters des totalitären iranischen Mullahregimes, welches das Existenzrecht Israels leugnet, Terror befürwortet und Frauen wie Homosexuelle systematisch unterdrückt?

Herr Regierender Bürgermeister!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Es ist richtig, dass daran Kritik geäußert wurde und dass es auch viele Nachfragen gegeben hat, in welchem Rahmen es diese Begegnung gibt und wie sie zustande gekommen ist. Deswegen möchte ich das gerne hier noch mal erklären.

Es ist tatsächlich immer eine Gratwanderung – und ich glaube, man muss das auch immer im Einzelfall prüfen –, ob und unter welchen Bedingungen solche Gespräche möglich sind. Ich lasse mir, wenn ich einen Zweifel habe und in der Beurteilung nicht ganz sicher bin, natürlich immer eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes oder anderer Bundesbehörden zuarbeiten, weil ich diese Expertise auch brauche. Es gibt in Berlin kein eigenes Außenministerium,

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

und insofern muss man auf diese Kompetenz zurückgreifen und eine Einschätzung geben lassen. Hier war es eine Situation, wo auch das Auswärtige Amt gesagt hat: Ja, eine Begegnung ist möglich oder sogar wünschenswert. Denn weil die Situation auf der nationalen Ebene schwierig ist, weil manche Gespräche nicht möglich sind, weil es politisch große Differenzen gibt, die man nicht wegdiskutieren darf, ist es vielleicht gerade gut, auf einer rein kommunalen Ebene weiterhin Gespräche zu führen.

Insofern habe ich mir die Planung und das Zustandekommen dieser Reise angeguckt. Der Teheraner Bürgermeister war auf einer Europareise, war, bevor er in Berlin angekommen ist, in Wien und hatte auch da die Möglichkeit, mit dem Bürgermeister zu sprechen. Wir haben dann in Berlin ein rund 45-minütigen Austausch mit einem Minimalprotokoll – um es mal ganz vorsichtig zu sagen – als Begleitung gehabt. Wir haben uns dann die Hälfte des Gesprächs über rein kommunale Themen ausgetauscht, die die Bürgermeister weltweit interessieren: Mobilität, Klimaschutz, Wohnungsbau, was in wachsenden Metropolen, Millionenmetropolen eben alles eine Rolle spielt.

Ich habe dann im zweiten Teil des Gesprächs unmissverständlich deutlich gemacht, dass jede Form von möglicher Zusammenarbeit, von Kooperation davon abhängig ist, dass die Demokratiekräfte in Teheran, im Iran gestärkt werden, dass sie geschützt werden, dass Menschenrechte eine selbstverständliche Grundlage für politisches Handeln und politische Zusammenarbeit sein müssen, und habe selbstverständlich auch darauf hingewiesen, dass es gar keinen Zweifel an unserer intensiven Zusammenarbeit und intensiven Freundschaft zu Israel und insbesondere auch mit der Stadt Tel Aviv gibt, die völlig außer Frage stehen.

Also insofern war es tatsächlich ein Gespräch – Sie haben recht –, das zu Nachfragen geführt hat, das aber, glaube ich, in dieser Form durchaus möglich war.

Dann geht die erste Nachfrage an den Abgeordneten Bachmann. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben von einem 45-minütigen Austausch gesprochen. Hat dieser Austausch denn irgendwelche konkreten greifbaren Ergebnisse gebracht, welche den Imageschaden, der durch den Empfang des Teheraner Bürgermeisters für Berlin entstanden ist, wenigstens ansatzweise aufwiegen?

Herr Regierender Bürgermeister!

Noch mal, Herr Abgeordneter: Sie sprechen so selbstverständlich von einem Imageschaden, aber wir müssen uns schon gemeinsam fragen, in welcher Form wir Gesprächsfäden aufrechterhalten. Ich will ein Beispiel dafür nennen, bei dem wir, wie ich meine, gut damit umgegangen sind, ohne es eins zu eins vergleichen zu wollen: Es hat über Jahre keine Kontakte mit unserer Partnerstadt Moskau gegeben, gar keine. Es hat vorher intensive Kontakte gegeben, und dann brach der Gesprächsfaden auch auf der kommunalen Ebene völlig ab – wegen der schwierigen internationalen Situation.

Es war dann dieses Parlament, insbesondere auch die CDU-Fraktion, die, wie ich glaube, zu Recht gesagt hat: Leute, ihr müsst sehen, ob es nicht doch wieder einen Gesprächsfaden geben kann, um in Kontakt zu bleiben, um eben auch über diese Kontakte mit Oppositionskräften wieder in Verbindung treten zu können. – Und das ist gelungen. Es ist kein einfacher Prozess, aber es gibt wieder diese partnerschaftlichen Begegnungen, und es gibt Möglichkeiten, sich mit Oppositionskräften in Moskau auszutauschen – auch nicht einfach. Ich glaube, dass es

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

richtig ist, das wir solche Situationen durchaus zulassen. Man muss es nicht in jedem Fall tun. Es gibt auch Gespräche, die ich absage, wo ich sage: Nein, das geht einfach nicht. – , aber wir hatten hier, denke ich, eine Situation, wo es in der Form, wie ich es Ihnen beschrieben habe, möglich war.

Greifbare Ergebnisse – wenn Sie irgendwelche Abkommen der Zusammenarbeit, der Partnerschaften oder so meinen – gibt es gerade deswegen nicht, weil es noch so eine schwierige und belastete Situation ist und weil der Teheraner Bürgermeister für ein Regime steht, mit dem wir politisch nicht intensiv zusammenarbeiten wollen. Da muss man in Gesprächen auch deutlich machen, warum man nicht zusammenarbeiten kann – weil eben Demokratie und Menschenrechte nicht so gestärkt und gewürdigt werden, wie wir es für selbstverständlich halten.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht an den Kollegen Walter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Da der Kollege Bachmann auch die Menschenrechte von Homosexuellen gerade ins Feld geführt hat, frage ich nach: Wie bewertet der Senat die Glaubwürdigkeit und die Ernsthaftigkeit des Interesses dieser Frage der AfD angesichts dessen, dass der AfD-Abgeordnete Kerker in der vorletzten Plenarsitzung in Bezug auf die Handreichungen für pädagogisches Fachpersonal an Kitas zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Lesben, Schwule, Trans- und intergeschlechtliche Menschen als „sexuelle Abnormitäten“ bezeichnet hat?

[Oh! von der AfD-Fraktion]

Herr Regierender Bürgermeister!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Ich glaube, das ist deutlich geworden in den letzten Jahren, dass uns da sehr viel trennt, in der Koa- – dass zwischen uns

[Lachen und Beifall bei der AfD und der FDP, Vereinzelter Beifall bei der CDU]

in der Bewertung – – Lassen Sie mich das mal erklären. Mir ist dieses Thema sehr ernst. – Ja, gut. Schön, Versprecher –, dass uns da sehr viel trennt, zwischen der Koalition, ich glaube auch zwischen anderen hier im Parlament vertretenen Parteien und der AfD, und dass für uns Gleichstellung und Gleichberechtigung

[Gunnar Lindemann (AfD): Wir arbeiten nicht mit Mauermördern zusammen!]

aller Lebensweisen, aller Religionen, sexuellen Orientierungen, dass das für uns eine Selbstverständlichkeit ist. Aber zumindest für einige Vertreterinnen und Vertreter der AfD nicht; das wissen wir.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Für uns auch!]

Ich möchte aber, Herr Abgeordneter, das jetzt gar nicht in diesem Zusammenhang mit dem Besuch des Teheraner Bürgermeisters zu einem parteipolitischen Geplänkel machen, weil mir das wie andere Themen, die ich heute auch schon angesprochen habe, sehr wichtig ist, wie Berlin eben auch mit solchen internationalen Kontakten und Gesprächen umgeht. Das ist mir wichtig, und ich glaube, wir brauchen internationale Kontakte und Gespräche, noch einmal, jenseits der parteipolitischen Auseinandersetzungen hier, die wir in Berlin zu Recht und engagiert führen. Wir brauchen diese Kontakte, um das, was bei uns Grundlage unseres politischen Handelns ist – Freiheit, Offenheit, Demokratie, Menschenrechte, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit –, um genau das zu vermitteln und deutlich zu machen, dass eben alle daran arbeiten müssen, dass das die Grundlage unseres Zusammenlebens in der ganzen Welt ist. Das ist mir wichtig, und das würde ich gerne raushalten aus den parteipolitischen Differenzen hier im Parlament.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank!

Dann ist die FDP-Fraktion an der Reihe. Die Frage stellt der Kollege Luthe. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Das ist eine Frage aus der Kategorie Haus der offenen Türen. Sie können sich also schon mal entsprechend vorbereiten. – Trifft es zu, dass allein in den letzten zwei Wochen aus psychiatrischen Heilanstalten in Berlin mehrere Personen abgängig geworden sind, die aufgrund richterlichen Beschlusses, weil sie eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellen, dort untergebracht wurden?

Frau Kalayci, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir liegen etwaige Kenntnisse nicht vor. Sehr gerne gehen wir, wenn Sie mir konkrete Informationen geben, dem nach.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Herr Kollege Luthe, die Möglichkeit zur Nachfrage!

Dass derartige Erkenntnisse, alleine vier aus der Friedrich-von-Bodelschwingh-Klinik in Wilmersdorf, Ihnen nicht vorliegen, finde ich insofern erstaunlich. Gibt es kein entsprechendes Berichtswesen bei dem Senat? Wer geht solchen Fällen nach, wenn diese Leute, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, deshalb untergebracht sind, abgängig sind? Da kann es doch nicht sein, dass Sie als zuständige Senatsverwaltung davon keine Kenntnis haben.

Frau Senatorin, bitte schön!

Es gibt ein geregeltes Informationsverfahren, was den Maßregelvollzug angeht, das ist richtig. Was die anderen Einrichtungen angeht, und das ist tatsächlich eine andere Kategorie, gibt es nicht so ein Berichtswesen, das mir persönlich vorgelegt wird. Ich nehme an, dass die zuständigen Stellen, was die Heimaufsicht angeht und dergleichen, dort vielleicht damit betraut sind. Aber wie gesagt, bei mir ist es nicht angekommen. Ich würde dem gerne nachgehen, wenn Sie mir konkrete Informationen geben.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht an den Abgeordneten Christian Buchholz. – Bitte schön!

Wenn die Gesundheitssenatorin offensichtlich mit der Beantwortung der Frage überfordert ist, warum drückt sich dann der Justizsenatordarsteller um die Beantwortung?

Frau Senatorin!

Der Herr Abgeordnete hat hier vier Einzelfälle angesprochen. Das sind Einzelfälle, in der Tat, ich kann nur

[Gunnar Lindemann (AfD): Alles Einzelfälle!]

zu vier Einzelfällen Stellung beziehen, wenn sie mir auch bekannt sind. Mir sind sie nicht bekannt. Noch mal mein Angebot: Wenn Sie mir das konkret noch mal aufzeigen,

die Information liefern, dann werde ich selbstverständlich Stellung nehmen.

Vielen Dank! – Die Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Ich werde diese Runde mit dem Gongzeichen eröffnen. Schon mit dem Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch Ihre Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingegangenen Meldungen werden hier nicht berücksichtigt.

[Gongzeichen]

Ich gehe davon aus, dass Fragestellerinnen und Fragesteller die Möglichkeit hatten, sich anzumelden, und habe die Anmeldung beendet.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Alles weg! Müssen wir wiederholen!]

Der zweite Gong ist ausgefallen. Wir beenden die Anmeldung trotzdem. Es sind deutlich mehr Anmeldungen eingegangen, als wir in der verbleibenden Zeit noch schaffen werden. Ich verlese mal die Liste der ersten fünf Kollegen, die sich eingedrückt haben. Das sind Kollege Wansner, Herr Ubbelohde, Herr Vallendar, Herr Buchholz und der Kollege Krestel. – Wir beginnen mit dem Kollegen Wansner.