Und wenn sich Frau Breitenbach dann doch mal durchsetzt, dann – nicht ganz unerwartet – mit aus unserer Sicht falschen Lösungen: Mal versucht sie – das hat Frau Seibeld bereits angesprochen – Schalterzeiten in Flüchtlingsunterkünften als Zeiten durchzusetzen, zu denen Abschiebungen erfolgen können. Das Musterbeispiel an falscher Politik ist natürlich der Bereich des solidarischen Grundeinkommens: ein Geld, das man sehr viel sinnvoller und notwendiger verwenden könnte, um reguläre, auf Dauer angelegte Arbeitsplätze zu schaffen, damit Berlin endlich einmal davon wegkommt, dass wir die Hartz-IVHauptstadt sind, dass wir unverändert die Metropole der Kinderarmut, der Obdachlosigkeit und des Bildungsnotstands sind.
Schließlich zieht sich für uns noch ein weiterer Grundfehler durch den gesamten Haushalt: die Schaffung von Sonderstrukturen statt funktionierender Regelsysteme. Aus unserer Sicht schaffen Sonderregelungen nur Entsolidarisierung und gefährden das Zusammenleben in der Stadt. Wir brauchen für alle Menschen in dieser Zeit zum Beispiel eine gute psychosoziale Versorgung, statt Parallelstrukturen für Flüchtlinge und Obdachlose aufzubauen. Oder drei oder vier Förderprogramme für Roma schaffen alles, aber nicht Transparenz und Effizienz. Wir denken, dass gerade in diesem Bereich Wildwuchs von Projekten und Strukturen zu beschneiden, zusammenzuführen und dann letztlich auch zu perfektionieren sind. Denn Ziel muss sein, dass gerade im Sozialbereich ein Gesamtkonzept erkennbar ist, eine eindeutige Handschrift. Die können wir nicht erkennen. – Vielen Dank!
In der zweiten Runde geht es schwerpunktmäßig um die Themen Arbeit und Soziales. Es beginnt der Kollege Düsterhöft von der SPD-Fraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich will mich meinem Vorredner anschließen und zunächst die gute Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung erwähnen und loben, aber das nicht auf die Senatorin beziehen, sondern eine Etage höher rutschen und die beiden Staatssekretäre erwähnen. Denn auch da ist es ganz elementar wichtig, dass es eine gute Zusammenarbeit gibt, und diese gibt es. Herzlichen Dank dafür! Herzlichen Dank, dass wir in den letzten Monaten diesen Haushalt so gut erarbeitet haben!
Ich will jetzt nicht über einzelne Kapitel oder Titel sprechen. Mir geht es darum zu erklären, mit welchen Schwerpunkten die Arbeitsmarktpolitikerinnen und -politiker die Haushaltsverhandlungen geführt haben. Die SPD steht für eine soziale Arbeitsmarktpolitik. Das heißt, dass wir einerseits die Rahmenbedingungen für die freie Wirtschaft so setzen wollen, dass Mindeststandards möglichst hoch sind und natürlich auch eingehalten werden. Andererseits heißt das aber auch, dass wir dort, wo wir in untermittelbarer Verantwortung stehen, Vorkämpferinnen und Vorkämpfer für gute Arbeit sein müssen. Diese Koalition steht für gute Arbeit wie wohl keine andere politische Konstellation, und das merkt man auch an diesem Haushalt.
Wir sind es beispielsweise, die mit dem solidarischen Grundeinkommen erstmals eine wirkliche Alternative zum jahrzehntealten System der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenverwaltung ausprobieren: unbefristete Jobs mit guten Löhnen, einer umfassenden Betreuung und einer selbstverständlichen Absicherung in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Hierfür werden wir in den kommenden Jahren bis zu 33 Millionen Euro jährlich in die Hand nehmen, und es freut mich besonders, dass Menschen mit einer Behinderung dadurch neue Chancen eröffnet bekommen.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Ülker Radziwill (SPD): Sehr gut!]
Gute Arbeit ist aber mehr, als nur eine Arbeit zu haben. Es heißt, von dieser Arbeit leben zu können. Endlich – und das muss ich auch ganz kritisch sagen; für mich ein
Es ist eigentlich nur noch ein winziger Schritt hin zu einem wirklich fairen Mindestlohn: einem, von dem man nämlich auch eine faire Rente bekommen kann. Ich erwarte, dass diese Koalition diesen Schritt noch bis zur Wahl 2021 gehen wird. Die Vorsorge für den neuen Landesmindestlohn haben wir auf jeden Fall in diesem Haushalt getroffen.
Im Haushalt kommt mit keinem Titel ein ganz besonderes Thema zum Tragen, nämlich – was auch ganz elementar wichtig ist für das Thema gute Arbeit: Zum 1. Januar 2020 werden wir die Therapeutinnen und Therapeuten von Charité und Vivantes in die jeweiligen Mutterkonzerne zurückführen.
Das ist ein riesiger Erfolg, auf den wir alle gemeinsam wirklich stolz sind. Wer aber glaubt, dass nun Schluss ist mit unseren Forderungen, der irrt sich. Unser Anspruch ist es, dass Outsourcing zum Zweck der Personalkostenreduzierung beendet wird.
Wir reden zum Beispiel über die Zukunft der CFM. Ebenso wollen wir über die Berlin Transport sprechen, und wer am Flughafen BER mit der Bodenabfertigung nicht genauso ein Desaster erleben möchte, wie wir es tagtäglich in Tegel und Schönefeld erleben, der muss, glaube ich, dafür sorgen, dass wir am neuen Flughafen wieder einen kommunalen Bodenabfertiger finden werden, der Standards in Sachen Abfertigung, aber auch für ordentliche Arbeitsbedingungen sorgt.
Sie sehen: Es bewegt mich ein bisschen mehr, als in diesem Haushalt verortet ist. Wir haben noch einiges vor uns in den nächsten Jahren. Ich freue mich darauf! – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Sehr geehrte Frau Sozialsenatorin! Als Sozialpolitiker zunächst mein Glückwunsch zum Aufwuchs im Bereich
Soziales! – Das allein ist jedoch noch keine Leistung, denn alle Ressorts haben deutlich mehr Finanzmittel in der kommenden Periode zur Verfügung. Ich freue mich über die Stärkung der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe, ebenso über ausreichend Plätze in der Kältehilfe. Aber ist es nicht ein Armutszeugnis, dass wir in Berlin Jahr für Jahr mehr Plätze in der Kältehilfe brauchen?
Was tut der Senat in Sachen Ursachenbekämpfung beim sozialen Wohnungsbau, bei der fachärztlichen Betreuung und Einzelfallbegleitung, zur Stärkung der ehrenamtlichen Helfer, hinsichtlich einer Berliner Bundesratsinitiative zu EU-Obdachlosen, auch im Kontext der EUArbeitnehmerfreizügigkeit? – Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Herr Wolf, hat heute Morgen in seiner Rede sehr richtig lobende Worte für Housing First gefunden: in New York, in Wien, in anderen Städten seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert. In Berlin sind wir am Start mit einer kleinen zweistelligen Anzahl an Plätzen. Dem stehen Tausende Obdachlose gegenüber – das ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Es wurde bereits die Nacht der Solidarität erwähnt, die Zählung der Obdachlosen Ende Januar 2020 – eine gute Sache, gut, Bedarfe künftig besser zu kennen. Aber welche Angebote gibt es? Könnten wir in der Nacht der Solidarität Hunderten oder Tausenden Obdachlosen in dieser Stadt auch nur irgendetwas Ähnliches wie Housing First anbieten, sie unterbringen und begleiten? – Fehlanzeige! Ihnen fehlen Wohnraum und Personal; da tut sich nichts. Wo ist hier die Bausenatorin? Wo ist hier die Koordinierung des Regierenden Bürgermeisters?
Die CDU-Fraktion hat sachlich gut begründete Anträge mit seriösen Gegenfinanzierungsangeboten in den Fachausschüssen, so auch im Sozialausschuss, ebenso im Hauptausschuss eingebracht – dies im Bewusstsein, dass wir Oppositionspartei sind, aber mit dem Anspruch, konstruktive und nicht populistische Vorschläge zu machen. Gerade im Sozialbereich hätte ich mir sehr gewünscht, wenn es gemeinsame Projekte gegeben hätte, wenigstens punktuell einen parteiübergreifenden Konsens.
Mit Blick auf die Redezeit einige Forderungen der CDUFraktion – erstens: Fortbildungsangebote für ehrenamtliche Helfer, insbesondere Fremdsprachenkurse, ErsteHilfe-Kurse – von Rot-Rot-Grün abgelehnt.
Zweitens: Die Bedarfsermittlung und Ausfinanzierung über die Globalsummenzuweisung der bezirklichen Tee- und Wärmestuben – von Rot-Rot-Grün abgelehnt. Drittens: Die Einrichtung einer telefonischen 24-StundenAnlaufstelle für Helfer in der Obdachlosenhilfe, um adäquate Unterbringung für psychisch erkrankte Obdachlose, für demenzkranke, alkoholisierte, frisch operierte zu ermöglichen – von Rot-Rot-Grün abgelehnt.
Viertens: Die Erarbeitung eines ganzheitlichen Konzepts zur Armutsbekämpfung in der Stadt – von Rot-Rot-Grün abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, von den Linken und Grünen! Sehr geehrte Frau Sozialsenatorin! Sie verteilen nach dem Gießkannenprinzip. Es gibt keine lösungsorientierte Zusammenarbeit mit der Senatsbauverwaltung. Es gibt keine Sozialpolitik des Senats aus einem Guss. Die Mittel für die Inklusionstaxis haben Sie gestrichen, anstatt konzeptionell nachzubessern, wie auch vom Berliner Behindertenverband gefordert. Und so geben Sie die Ziele von Mobilität für alle Menschen faktisch auf.
Insgesamt bleibt es dabei: Es gehören mehr Ursachen als Symptome bekämpft. Wir werden Sie weiterhin daran erinnern. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Penn! Wir haben Ihnen im Ausschuss all das, was Sie hier gesagt haben, schon widerlegt, und ich könnte meine vier Minuten dafür verbrauchen, Ihnen das hier noch einmal zu widerlegen. Das mache ich natürlich nicht. Ich möchte lieber darauf eingehen, wie Sie schon gesagt haben, dass auch die Aufwüchse im Bereich Soziales sich dieses Jahr wieder sehen lassen können und damit ganz deutlich wird, dass Rot-Rot-Grün Berlin zu einer sozialen Stadt für alle machen will und machen wird.
Ich möchte mich heute auf drei Schwerpunkte konzentrieren. Als ersten Punkt möchte ich die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ansprechen. Mit der Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe und der Überführung in ein neues Leistungsrecht der Teilhabe für Menschen mit Behinderung haben wir eine große Aufgabe vor uns. Diese Aufgabe haben wir mit diesem Haushalt finanziell unterlegt. Das A und O ist jetzt die zügige Personalgewinnung. Dies ist auch wichtig, um das neue wichtige Kriterium des Sozialraums, das verbindlich festgeschrieben ist, beim Aufbau der Teilhabeämter sicherzustellen. Auch den Stab der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung haben wir mit diesem Haushalt personell besser aufgestellt. 1,5 Personalstellen werden dort neu geschaffen und finanziert – speziell für die Akquise und Unterstützung von mindestens 125 neuen
Gremienmitgliedern der Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Berlin. Das sind in Zahlen im Jahr 2020 96 000 Euro und im Jahr 2021 99 000 Euro. Wir haben mit diesem Haushalt übrigens einen Härtefallfonds von 50 000 Euro für Assistenzleistungen im Ehrenamt für Menschen mit Behinderung eingerichtet, Herr Penn, falls es Ihnen durchgerutscht ist, um auch in diesem Bereich gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und zu verbessern.
Als zweiten Punkt möchte ich die Seniorinnen und Senioren in Berlin ansprechen. Die letzte Wahl der bezirklichen Seniorenvertretungen hat dazu geführt, dass kaum noch Vertreter und Vertreterinnen der unterschiedlichen bunten Berliner Communities vertreten sind. Wir sorgen mit dem vorliegenden Haushalt dafür, dass es eine mehrsprachige Werbekampagne zur interkulturellen Öffnung der Seniorenvertretungen gibt, um im Jahr 2021 bei der Wahl der neuen Seniorenvertretungen auch die bunte Berliner Gesellschaft abzubilden.
Immer wieder sind wir von Seniorinnen und Senioren darauf angesprochen worden, wie wir uns die politische Partizipation von älteren Menschen in Berlin vorstellen. Da wir das natürlich nicht allein entscheiden, sondern gemeinsam mit der Stadtgesellschaft, haben wir pro Jahr 70 000 Euro für die Evaluation des Seniorenmitwirkungsgesetzes eingestellt. Unser Ziel ist es, eine verlässliche Grundlage zu schaffen für eine weiterführende Diskussion mit den Seniorenmitwirkungsgremien, wie wir die Partizipation von Seniorinnen und Senioren weiter verbessern und damit auch deren Belange stärken können.
[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Bettina Jarasch (GRÜNE) und Ülker Radziwill (SPD)]
Als letzten Punkt möchte ich den Bereich der wohnungslosen Menschen in Berlin ansprechen und hier speziell die Modellprojekte der Wohnungslosenhilfe. Hier sind im Einzelplan zum Beispiel für die Regiekosten der Obdachlosen-Taskforce im Jahr 2020 300 000 Euro und im Jahr 2021 400 000 Euro eingestellt. Es geht hier darum, dass ehemals obdachlose Menschen denjenigen Hilfe und Unterstützung geben, die jetzt ohne Wohnung auf der Straße leben und die so hoffentlich den Weg in eigenen Wohnraum finden. 150 000 Euro pro Jahr werden für das Modellprojekt „Safe Places“ mit Tiny Houses zur Verfügung gestellt. Hier ist das Ziel, ein gewisses Maß an Sicherheit für die Menschen zu schaffen und natürlich Vertrauen aufzubauen, um auch hier Wege ins Regelsystem zu finden.
Es gäbe noch viel zu sagen; vielleicht noch ein Satz: Der Landesmindestlohn, das wurde schon ein paar Mal gesagt, wird auf 12,50 Euro erhöht. Das Land Berlin tut seinen arbeitsmarktpolitischen Teil zur Bekämpfung der Armut. Ich freue mich über den vorgelegten Doppelhaushalt und möchte mich nicht nur bei den Kolleginnen und Kollegen der Senatsverwaltung für die gute Zusammenarbeit bedanken, sondern auch bei allen Vereinen, Verbänden, Trägern und Selbstvertretungen, die uns geholfen haben, diese Beratungen zu einem Erfolg zu führen. – Vielen Dank!